Autor Thema: ÖRR kritisiert ÖD Verhandlungen - will für das Geld aber selbst nicht arbeiten  (Read 4394 times)

AVP

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Jedes Jahr haben wir auch wieder viel Berichterstattung, teilweise auch von öffentlich-rechtlichen Medien, über die aktuellen Tarifverhandlungen. Teilweise fällt die Berichterstattung hier auch relativ negativ aus. Ganz interessant in diesem Zusammenhang finde ich folgendes:

Zitat: „Die Prüfer haben sich dabei in die Vorstellung verliebt, dass sich die Tarifverträge, die im RBB gelten, an den TL-V anpassen sollten, womit öffentlicher und öffentlich-rechtlicher Dienst gleichgesetzt wären. Der Sender wehrt sich seit Jahr und Tag gegen diese Sichtweise. Die jeweiligen Aufgaben seien unvergleichbar, die Anforderungsprofile höchst unterschiedlich. Ein Kameramann leistet nun mal eine ganz eigene Arbeit, ein Finanzbeamter eine andere.„

https://www.tagesspiegel.de/kultur/offentlicher-dienst-und-offentlich-rechtlicher-rundfunk-wird-im-rundfunk-berlin-brandenburg-zu-viel-verdient-10531870.html (leider mit Paywall)

Die Argumentation macht natürlich auch mega Sinn. Immerhin sind Kindererzieher, Müllwerker, Lehrer und Ärzte etc. etc. kaum voneinander zu unterscheiden. Die passen alle in den gleichen Tarifvertrag. Für einen ÖRR Journalisten mit Bachelor ist eine E10 TVL aber natürlich unzumutbar.

Beim RBB wurde der Großteil der Beschäftigten in 2023 nach Stufe C des dortigen Tarifgefüges vergütet. Dies entsprach damals 5129 -7592 €.

In 2023 war übrigens E15 TVÖD: 5.017 - 7.144 €

https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tvoed/bund?id=tvoed-bund-2022&matrix=1

Tarifrechtlich würde es unter TV-L Anwendung natürlich sehr schwierig werden den Großteil des Personals (also Kameramänner, Journalisten, Tontechniker - wir sprechen hier nicht von den TV Bekanntheiten wie ein Böhmermann, die verdienen AT meist grob siebenstellig im Jahr) in die E15 einzugruppieren.

Alien1973

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Mit welcher Begründung sollte ein Kameramann und ein Tontechniker auch E15 erhalten....? Würde mich schon interessieren...

AVP

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Mit welcher Begründung sollte ein Kameramann und ein Tontechniker auch E15 erhalten....? Würde mich schon interessieren...

Um auch bei Anwendung des TV-Ls auf das gleiche brutto zu kommen, dass man in diesen Positionen derzeit im ÖRR Rundfunk (aktuell Stufe C) verdient.

Sofern man für diese Tätigkeiten „nur“ eine E8-E10 verteilen würde, würde man den Mitarbeitern dort ja massiv das Gehalt kürzen.

Umlauf

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Mit welcher Begründung sollte ein Kameramann und ein Tontechniker auch E15 erhalten....? Würde mich schon interessieren...

Es sind zwar 5 Absätze, aber einfach noch einmal lesen.  :o

Johann

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Die ÖRR sehen sich vermutlich eher bei der Eingliederung in IGM. Oder TV-V. Da sind die Unterschiede zum Status Quo auch nicht so hoch.

AVP

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Die ÖRR sehen sich vermutlich eher bei der Eingliederung in IGM. Oder TV-V. Da sind die Unterschiede zum Status Quo auch nicht so hoch.

Ist für sich genommen ja auch völlig fein, aber dann doch etwas schräg die Gehaltsforderungen des ÖD, die selbst bei vollständiger Umsetzung ~30-50% unter IGM sind, als überzogen etc. zu bezeichnen

Tarifbär

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Die ÖRR sehen sich vermutlich eher bei der Eingliederung in IGM. Oder TV-V. Da sind die Unterschiede zum Status Quo auch nicht so hoch.

Ist für sich genommen ja auch völlig fein, aber dann doch etwas schräg die Gehaltsforderungen des ÖD, die selbst bei vollständiger Umsetzung ~30-50% unter IGM sind, als überzogen etc. zu bezeichnen

Und wieder diese Argumente, die völlig fern der Realität sind.
Es gibt nicht DEN "IGM-Tarif".
Wenn ich mir z.B. die Entgelttabelle TVÖD VKA 2024 ansehe,
dann befindet man sich bereits ab E11 in Bereichen, die es in einigen
IGM Tarifen nur außertariflich gibt.

Wie ich hier bereits woanders geschrieben hatte:
Es gibt nicht "DIE Privatwirtschaft".
Nur 49 % der Beschäftigten in Deutschland sind tariflich organisiert.
Und davon gehören schon 12 % zum Öffentlichen Dienst.
Und komm mir jetzt bloß keiner mit den übertariflich Beschäftigen.
Das sind prozentual gerade einmal eine Handvoll.
Die meisten Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten in
kleinen und mittelständischen Unternehmen und die meisten davon
können von den Leistungen des öffentlichen Dienstes nur träumen.
Die Privatwirtschaft besteht eben nicht nur aus DAX-Unternehmen,
auch wenn das jeder gerne als Maßstab nehmen möchte.
Und diese Arbeitsplätze sind vor allem aktuell nicht annähernd so
sicher, wie die Stellen im Öffentlichen Dienst.
Komisch auch, dass so viele hier gelandet sind und hier bleiben.
Dabei hat kaum jemand eine Ahnung davon, wie es in der Privatwirtschaft
wirklich läuft und was Privatwirtschaft bedeutet.
Wer sich immer nur mit dem Maximum vergleicht, blendet die Realität aus
und kann natürlich auch nie zufrieden sein.

VielUnterwegs

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...
Dabei hat kaum jemand eine Ahnung davon, wie es in der Privatwirtschaft
wirklich läuft und was Privatwirtschaft bedeutet.
Wer sich immer nur mit dem Maximum vergleicht, blendet die Realität aus
und kann natürlich auch nie zufrieden sein.

Da kann ich Dir zu 1000% zustimmen!!! Ich komme auch aus 25 Jahre Privatwirtschaft, 400 Mitarbeiter - dieser Stress und diese mangelnde Anerkennung werde ich niemals vergessen!!! Lohnerhöhung? Wie schreibt man das?! Weniger Überstunden?! Samstag ist ein Werktag! Leute, Ihr seid im ÖD so verwöhnt, etwas mehr Demut könnte manchen nicht schaden!

BAT

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Der Vergleich erfolgt historisch mit Metall und Chemie, da diese Tarifverträge das gleiche Niveau hatten wie der BAT.

Warum man sich davon abhängen lassen soll, bitte um Erklärung. Zudem bei der Tabelle von IGM 10 % ob der Arbeitszeiten draufschlagen.

Stress führt zu Krankheit und früherer Verrentung und belastet damit die Gemeinschaft, asoziales Verhalten in der PW bitte nicht als Maßstab nehmen.

Davon ab, ist es völlig in Ordnung, dass der RBB auch schaut, wo er bleibt.

Knarfe1000

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Zitat

Da kann ich Dir zu 1000% zustimmen!!! Ich komme auch aus 25 Jahre Privatwirtschaft, 400 Mitarbeiter - dieser Stress und diese mangelnde Anerkennung werde ich niemals vergessen!!! Lohnerhöhung? Wie schreibt man das?! Weniger Überstunden?! Samstag ist ein Werktag! Leute, Ihr seid im ÖD so verwöhnt, etwas mehr Demut könnte manchen nicht schaden!
Tja, Arschlöcher im mittleren und oberen Management in der PW als Relativierung für Missstände im ÖD heranzuziehen - ebenso falsch wie "originell"

Tarifbär

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Der Vergleich erfolgt historisch mit Metall und Chemie, da diese Tarifverträge das gleiche Niveau hatten wie der BAT.

Warum man sich davon abhängen lassen soll, bitte um Erklärung. Zudem bei der Tabelle von IGM 10 % ob der Arbeitszeiten draufschlagen.

Stress führt zu Krankheit und früherer Verrentung und belastet damit die Gemeinschaft, asoziales Verhalten in der PW bitte nicht als Maßstab nehmen.

Warum asoziales Verhalten in der PW nicht als Maßstab nehmen, wenn man besonders hohe Gehälter der PW als Maßstab nimmt? Das ist genau die Art Rosinenpickerei, die ich meine.

Und warum man sich von Metall und Chemie abhängen lassen soll?
1. Gibt es bei Metall und Chemie ganz viele Unterverbände, die alle unterschiedliche Tarifabschlüsse und Gehaltstabellen haben. Aber klar, man orientiert sich hier ja immer nur an den höchsten Abschlüssen und Tabellen...
und nur weil irgend etwas mal historisch war, muss es ja nicht immer so weitergehen, zumal Metall und Chemie nicht repräsentativ für alle Beschäftigten in Deutschland sind. Ganz im Gegenteil!
Und ich werfe gerade nochmal den massiven Arbeitsplatzabbau in den Raum.
Jobsicherheit kostet eben auch Geld.

2. Ist der Öffentliche Dienst steuerfinanziert, was zu völlig anderen Voraussetzungen führt, wie mit Geld umgegangen werden kann und muss.
Ich weiß, Steuergelder werden permanent überall in großem Maße verschwendet und das kann man dann wieder ewig weiterführen, weil an einem selbst ja nicht gespart werden darf und alle anderen doof sind und man ungerecht behandelt wird.

BAT

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Warum asoziales Verhalten in der PW nicht als Maßstab nehmen, wenn man besonders hohe Gehälter der PW als Maßstab nimmt? Das ist genau die Art Rosinenpickerei, die ich meine.


Hast du meinen Beitrag durchdrungen?

Nichtbeachtung von Arbeitschutzregelungen führt zu mehr Ausgaben an anderer Stelle, im Gesundheits- und Rentensystem.

Der Rest ist Mimimi. Tarifverhandlungen sind ebenso wie der Kauf eine Autos Privatrecht. Da setzt man möglichst viel durch. Allerdings hast du Recht, es reißt ein. Auch hier im Forum gibt es Vetreter, die dabei irgendeine Gesamtverwantwortung für den Staat sehen.

Warum man sich jetzt nicht abhängen darf von alten ebenbürtigen Tarifvertragen, habe ich noch nciht ganz verstanden...

AVP

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Die ÖRR sehen sich vermutlich eher bei der Eingliederung in IGM. Oder TV-V. Da sind die Unterschiede zum Status Quo auch nicht so hoch.

Ist für sich genommen ja auch völlig fein, aber dann doch etwas schräg die Gehaltsforderungen des ÖD, die selbst bei vollständiger Umsetzung ~30-50% unter IGM sind, als überzogen etc. zu bezeichnen

Wenn ich mir z.B. die Entgelttabelle TVÖD VKA 2024 ansehe,
dann befindet man sich bereits ab E11 in Bereichen, die es in einigen
IGM Tarifen nur außertariflich gibt.


Das schlechteste höchste IGM Gehalt aktuell sind 5.783 € bei 35 Std/Woche und mind. 14 Monatsgehältern all in. Jährlich = 81k.

https://www.igmetall.de/download/20240809_Metall_Elektroindustrie_ERA_Tabellen_d6bef241cbb5abb6e85c8b754105c229691c6237.pdf

Umgerechnet auf 38,5 Std und 12,7 Monatsgehältern wären dies 97k.

97k erreicht man wo genau mit einer E11 im TVÖD?

 

clarion

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Und wie viel Prozent der Bevölkerung arbeiten noch mal in einem IGM Betrieb?

Just von unserem ITler gehört.  Die Krise in der Autoindustrue hat zu einem spürbaren Anstieg der qualifizierten Bewerbungen im IT Bereich im ÖD geführt. Von Bosch, Conti und VW scheinen sich einige in Richtung ÖD zu orientieren,  trotz schlechterer Bezahlung. Offenbar ist Arbeitsplatzsicherheit auch Geld wert.


Eukalyptus

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Danke für den Ausgangspost. Schön auf den Punkt gebracht, der Vergleich der (vielen) RBB C-Mitarbeiter mit der E15 als höchster Tarifstufe im öD. Wie es da wohl erst bei anderen Sendern des ÖRR aussieht?