Beamte und Soldaten > Beamte Baden-Württemberg
Baden Württemberg - Shenanigans
(1/1)
A6 ist das neue A10:
Abgesenkte Eingangsbesoldung (2013–2017) in Baden‑Württemberg
Regelung und Inhalt: Ab 1. Januar 2013 wurde in Baden‑Württemberg per Gesetz (§ 23 Abs. 1 LBesGBW in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14) die Besoldung neu eingestellter Beamter und Richter für die ersten drei Dienstjahre gekürzt. In den Besoldungsgruppen A 9 und A 10 betrug die Kürzung 4 %, in allen höheren Besoldungsgruppen (sowie R 1/W 1) 8 % . Ausgenommen waren niedrige Eingangsämter bis A 8, Beförderungsämter im höheren Dienst sowie Spitzenämter ab R 2/W 2 . Zudem traf die Absenkung nur neu in Dienst Tretende; bereits im Amt befindliche Beamte wurden gar nicht oder geringer abgesenkt, obwohl sie dieselbe Planstelle innehatten . Praktisch bedeutete dies, dass z. B. ein neu verbeamteter Lehrer in A 13 drei Jahre lang 8 % weniger Grundgehalt erhielt als ein Kollege mit gleicher Besoldungsgruppe, der vor 2013 begonnen hatte  .
Auswirkung: Die Maßnahme belastete gezielt junge Berufseinsteiger finanziell, während dienstältere Kollegen und bestimmte Ämter verschont blieben. Dadurch sollten über fünf Jahre ca. 130 Mio. € eingespart werden  . Die Gewerkschaften kritisierten diese Ungleichbehandlung, da ausschließlich eine Teilgruppe – nämlich Berufsanfänger – die Sparlast trug  . 2015 klagte der Beamtenbund (BBW/VBE) gegen diese Regelung  und rief seine Mitglieder auf, Widerspruch einzulegen .
Verfassungsrechtliche Bedenken: In der juristischen Literatur wurde die abgesenkte Eingangsbesoldung von Anfang an als Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG (Alimentationsprinzip) i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) eingestuft. Die Besoldung dürfe nicht nach haushälterischen Erwägungen oder persönlichem Status (Dienstalter) differenziert werden, sondern allein nach amtsbezogenen Kriterien . Genau dagegen verstieß die Regelung: Gleiches Amt, ungleiche Besoldung, ohne sachlichen Grund . Zudem wurde das Gebot der Besoldungsgleichheit verletzt, da die Kürzung nur einen Teil der Beamten traf und andere Beamte desselben Amtes ungekürzt blieben . Art. 33 Abs. 5 GG verlangt aber eine amtsangemessene und gleichheitsgerechte Alimentation aller Beamten.
Gerichtliche Entscheidungen und Reaktionen: Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Eingangsbesoldungsabsenkung mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 (Az. 2 BvL 2/17) für verfassungswidrig und nichtig  . Die Karlsruher Richter betonten, Beamte dürften nicht einseitig zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden; finanzielle Sparmaßnahmen müssten alle Besoldungsgruppen gleichmäßig treffen und in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet sein  . Dies war hier nicht der Fall – ein solches umfassendes Sparkonzept lag nicht vor  . Die Landesregierung musste daraufhin die zu Unrecht einbehaltenen Gehaltsanteile nachzahlen . Damit wurde die Kürzung der Eingangsbesoldung 2018 endgültig abgeschafft.
A6 ist das neue A10:
Beihilfekürzung für neu eingestellte Beamte (ab 2013)
Regelung und Inhalt: Zeitgleich mit der gekürzten Eingangsbesoldung führte die Landesregierung 2013 eine Einschränkung bei der Beihilfe ein. Für Beamte, die ab 1. Januar 2013 neu eingestellt wurden, sowie für deren Ehepartner wurde der Beihilfebemessungssatz von vormals 70 % auf 50 % gesenkt  . Das bedeutet, das Land übernahm nur noch die Hälfte der Krankheitskosten, sodass neu eingestellte Beamte sich für die verbleibenden 50 % privat absichern mussten (anstelle der zuvor üblichen 30 % Eigenanteil). Diese Maßnahme sollte rund 167 Mio. € Einsparung bringen .
Auswirkung: Die Kürzung traf ausschließlich frisch eingestellte Beamte und stellte damit eine weitere finanzielle Belastung dieser Gruppe dar. Zusammen mit der abgesenkten Eingangsbesoldung verringerte sie deren Nettoalimentation spürbar  . Ältere Beamte blieben hingegen bei der Beihilfe beim alten, günstigeren Satz. Auch hier entstand also eine Zweiklassensituation zwischen Bestandsbeamten und Neueinsteigern.
Verfassungsrechtliche Bedenken: In der rechtswissenschaftlichen Diskussion wurde die Absenkung der Beihilfe analog zur Besoldungskürzung als verfassungsrechtlich problematisch angesehen. Sie verletze das Alimentationsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz, weil nur eine bestimmte Gruppe (nämlich Neu-Beamte) stärker an den Gesundheitskosten beteiligt wurde. Der Staat entzog sich teilweise seiner Fürsorgepflicht. Strukturell lief diese Maßnahme ebenfalls auf eine schlechtere Alimentation der jüngeren Beamten hinaus, was Art. 33 Abs. 5 GG i. V. m. Art. 3 GG widerspricht (gleicher Dienstherr, gleiches Amt – aber unterschiedlich hohe Nettobezüge).
Reaktionen: Eine gerichtliche Entscheidung speziell zur Beihilfekürzung ist zwar nicht veröffentlicht, jedoch wurde sie politisch letztlich zurückgenommen. Im Rahmen des Besoldungsreformgesetzes 2022 hat Baden‑Württemberg die Beihilferegelung wieder korrigiert: Für alle seit 2013 neu Eingestellten gilt ab 1. Januar 2023 wieder der frühere Satz, d. h. Rückkehr zu 70 % Beihilfe wie vor 2013 . Diese nahezu vollständige Rücknahme der Kürzung wurde von Verbänden ausdrücklich gefordert . Damit reagierte das Land auf die verfassungsrechtlichen Bedenken und verhinderte weitere Klagen in diesem Punkt. (Eine rückwirkende Entschädigung der seit 2013 einbehaltenen Beträge erfolgte allerdings nicht; das Land verweist darauf, dass die damalige 50 %-Regelung höchstrichterlich nicht beanstandet worden sei .)
A6 ist das neue A10:
Besoldungsstrukturreform 2022 („Vier-Säulen-Modell“)
Regelung und Inhalte: Zum 1. Dezember 2022 trat in Baden‑Württemberg das Besoldungs- und Versorgungsanpassungs- und -änderungsgesetz 2022 (BVAnpÄG 2022) in Kraft . Dieses Gesetz wird wegen seines konzeptionellen Aufbaus auch als „Vier-Säulen-Modell“ bezeichnet. Die vier Kernmaßnahmen waren:
• 1. Säule: Anhebung von Eingangsämtern. Zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften wurden die Eingangsämter in bestimmten Laufbahnen um eine Besoldungsgruppe heraufgesetzt. Beispielsweise wurde der Einstieg im gehobenen nichttechnischen Dienst von A 9 auf A 10 angehoben (und entsprechend im technischen Dienst von A 10 auf A 11) . In der Folge verschob sich die gesamte Ämterstruktur im mittleren Dienst nach oben, sodass faktisch z. B. frühere A 9-Stellen nun als A 10 besoldet werden etc. . Auch Lehrkräfte im Eingangsamt profitierten von Beförderungen in höhere Besoldungsgruppen .
• 2. Säule: Neuordnung der Erfahrungsstufen. Die Grundgehaltstabelle der Landesbesoldungsordnung A wurde „entstaucht“: Die Anzahl der Erfahrungsstufen wurde von 12 auf 10 Stufen reduziert . Dies beschleunigt Beförderungen in höhere Stufen und kommt besonders jüngeren Beamten zugute, da sie schneller das Endgrundgehalt erreichen. Die Maßnahme zielte darauf ab, Stauchungen in der Besoldungskarriere zu reduzieren und den Gehaltsanstieg über die Dienstzeit angemessener zu gestalten.
• 3. Säule: Rücknahme der Beihilfekürzung. Wie oben erwähnt, wurde die Beihilfe für nach 2013 eingestellte Beamte wieder auf den Stand von vor 2013 gebracht (70 % Kostenerstattung statt 50 %) . Dies gilt auch für deren berücksichtigungsfähige Ehegatten/Lebenspartner. Diese Änderung trat zum 1. Januar 2023 in Kraft .
• 4. Säule: Erhöhung der Familienzuschläge. In Umsetzung neuer Vorgaben des BVerfG (Beschlüsse vom 4. Mai 2020) wurden die kinderbezogenen Familienzuschläge spürbar angehoben, um eine ausreichende Alimentation von Beamtenfamilien – insbesondere mit mehreren Kindern – sicherzustellen . Konkret wurden Zuschläge für das erste und zweite Kind um festgelegte Erhöhungsbeträge ergänzt  (zur Wahrung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau bei kleineren Familien, vgl. BVerfG Az. 2 BvL 4/18), und ab dem dritten Kind wurden die Beträge nochmals deutlich erhöht  (vgl. BVerfG Az. 2 BvL 6/17 zur Unteralimentierung kinderreicher Beamter). Erstmals enthielt die Reform auch eine soziale Komponente: besonders hohe Zuschläge für kinderreiche Beamte mit geringem Grundgehalt  , um die finanzielle Belastung großer Familien abzufedern.
Ziele und Wirkung: Die Landesregierung kam mit diesem Reformpaket ausdrücklich den BVerfG-Vorgaben nach, eine amtsangemessene Besoldung der unteren Besoldungsgruppen und kinderreichen Familien sicherzustellen . Die Reform galt als die umfangreichste seit der Föderalismusreform 2011 . Sie beseitigte mehrere Alt-Sparmaßnahmen (Eingangsbesoldungskürzung, Beihilfesenkung) und verbesserte spürbar die Besoldung am unteren Ende. Fachverbände wie der DGB und der Beamtenbund (BBW) begrüßten die meisten Änderungen ausdrücklich – trotz mancher Detailkritik . Junge Beamte erhielten durch höhere Einstiegsämter und weniger Stufen künftig mehr Gehalt, Beamte mit Kindern profitierten von höheren Zuschlägen, und neu eingestellte Beamte wurden bei der Beihilfe wieder gleichgestellt.
Kritik und verfassungsrechtliche Fragen: Trotz der positiven Ansätze regten sich vereinzelt Bedenken: Der BBW monierte kurz nach Verabschiedung des Gesetzes dennoch eine mögliche Unteralimentierung in bestimmten Konstellationen und rief Ende 2022 seine Mitglieder vorsorglich zur Besoldungswiderspruch auf . Überraschend war diese Kehrtwende, da BBW und DGB im Anhörungsverfahren zuvor keine Verfassungsbedenken geäußert hatten . Hauptkritikpunkte waren:
• Richterbesoldung: Die Richter und Staatsanwälte fühlten sich von der Reform unzureichend berücksichtigt. Tatsächlich lagen die Schwerpunkte der vier Säulen auf den Besoldungsgruppen A und den Familienzuschlägen; die R-Besoldung (R 1–R 3) wurde kaum angerührt. Der Deutsche Richterbund Baden‑Württemberg (DRB BW) bemängelte, dass man die Richterschaft beim Vier-Säulen-Modell „vergessen“ habe . R 1 (Eingangsamt der Richter) blieb unverändert, obwohl auch hier in anderen Ländern Unteralimentierung festgestellt worden war. Diese mögliche Strukturlücke – Beamte in A Besoldung wurden angehoben, Richter nicht – wirft die Frage auf, ob die Besoldung der Richter in BW weiterhin amtsangemessen ist. Der DRB bereitete deshalb Musterklagen zur Richterbesoldung vor  .
• Komplexität und Gleichheit: Kommentatoren im Forum monierten, das Vier-Säulen-Modell enthalte eine „Fülle von Regelungen“, die insgesamt schwer mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen seien . Zwar zielten alle Teile auf eine verfassungskonforme Alimentation, doch die vielen Änderungen könnten neue Ungleichheiten schaffen. Beispielsweise verschob die Anhebung der Eingangsämter das Gefüge: einige Beamte wurden befördert (z. B. A 9 nach A 10), andere Gruppen aber nicht, was Neid- und Gleichheitsfragen aufwarf. Auch die höheren Familienzuschläge kommen primär Beamten mit vielen Kindern zugute – kinderlose Beamte oder solche mit nur einem Kind profitierten weniger, obwohl auch sie unter Inflation litten. Solche Verteilungswirkungen wurden kritisch diskutiert, blieben aber politisch gewollt im Sinne des Sozialstaatsprinzips.
Anhängige Verfahren und Resonanz: Insgesamt galt die Reform 2022 als Schritt, um bisherigen Verfassungsverstößen vorzubeugen. Doch der Beamtenbund BBW erhob kurz darauf „verfassungsrechtliche Bedenken“ und kündigte mögliche rechtliche Schritte an . Tatsächlich laufen inzwischen mehrere Verfahren: Gegen das BVAnpÄG 2022 sind nach Angaben des DRB bereits Musterklagen anhängig, um die Angemessenheit überprüfen zu lassen  . Diese Verfahren ruh(t)en zunächst; man hoffte auf Leitentscheidungen des BVerfG. Der Finanzminister signalisierte zunächst Kooperationsbereitschaft – Widersprüche wurden bis auf Weiteres nicht beschieden, um im Fall eines BVerfG-Urteils allen Betroffenen Nachzahlungen zu ermöglichen . Ende 2024 jedoch änderte das Finanzministerium den Kurs und beschied alle offenen Widersprüche negativ, was vom DRB und BBW heftig kritisiert wurde  . Beide Verbände sehen darin ein „verheerendes Signal“ an die Beamtenschaft und rechnen mit einer Klagewelle  . Die Reform selbst (Vier-Säulen) ist also noch Gegenstand gerichtlicher Überprüfung – angesichts der offenen Fragen (Richterbesoldung, wirksame Inflationsanpassung, etc.) zweifeln die Verbände an der vollständigen Verfassungsmäßigkeit. Im Forum heißt es dazu pointiert, es wäre „kaum vorstellbar“, dass dieses Modell im Ganzen vor dem BVerfG Bestand haben könnte .
A6 ist das neue A10:
Hinzuverdiener-Modell und Partnereinkommen (Besoldungsanpassung ab 2024)
Regelung und Inhalt: Im Koalitionsbeschluss 2023 entschied Baden‑Württemberg, das traditionelle Besoldungsmodell der verheirateten Alleinverdienerfamilie zu ändern. Künftig soll sich die Beamtenbesoldung stärker an der „Hinzuverdienerfamilie“ orientieren  . Das bedeutet: Man geht nicht mehr davon aus, dass ein Beamter seine Familie (Ehepartner und zwei Kinder) alleine ernähren können muss. Stattdessen unterstellt der Gesetzgeber, dass in der Mehrheit der Fälle beide Ehepartner Einkommen erzielen  .
Konkret eingeführt wurde ein fiktives Partnereinkommen: Bei der Berechnung der Alimentation wird angenommen, der Ehegatte verfüge über Eigeneinkünfte (bis zu einer Grenze). Daraus folgt, dass die Grundbesoldung des Beamten nicht mehr so hoch bemessen sein muss, als ob er alleinverdienend wäre – der Partner wird gedanklich als Mitverdiener einbezogen  . Verheiratete Beamte behalten zwar dem Grunde nach ihren Anspruch auf den Familienzuschlag Stufe 1, aber die Höhe der zusätzlichen Unterstützung für eine klassische Alleinverdienerehe wird begrenzt und vom Partnereinkommen abhängig gemacht. Als Ausgleich für echte Alleinverdiener wird ein neuer „Familienergänzungszuschlag“ gezahlt  : Diesen erhält nur, wer tatsächlich mit einem nicht oder gering verdienenden Partner verheiratet ist. Die Schwelle wurde an die Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 Abs. 1a SGB IV) von ca. 6.456 € Jahreseinkommen angelehnt . Liegt das Partnereinkommen unter 6.000 € im Jahr, wird für begrenzte Zeit ein Zuschlag gewährt, dessen Höhe nach Besoldungsgruppe und Stufe gestaffelt ist  . Bei Doppelverdiener-Ehen entfällt dieser Ergänzungszuschlag, da hier eine Hinzuverdienstfamilie vorliegt. Wichtig: Für die Mindestabstandsberechnung zur Grundsicherung will das Land trotz des neuen Familienbilds formal weiterhin die Konstellation „verheirateter Beamter mit zwei Kindern“ zugrunde legen . Allerdings wird durch die Unterstellung eines fiktiven Partnereinkommens auf dem Papier der Abstand gewahrt, ohne die Besoldung entsprechend anzuheben .
Auswirkung: De facto läuft das Modell darauf hinaus, Ehegatteneinkünfte anzurechnen – etwas, das im Besoldungsrecht bislang fremd war. Für verheiratete Beamte, deren Partner ein normales Erwerbseinkommen haben, bedeutet es: Sie erhalten keinen zusätzlichen Ausgleich mehr dafür, dass sie eine Familie zu unterhalten haben, da ja unterstellt wird, beide verdienen. Die Besoldung dieser Beamten fällt somit im Vergleich zum früheren Modell niedriger aus, als sie es bei Fortführung des Alleinverdiener-Prinzips wäre. Nur Beamte, deren Partner gar nicht oder nur geringfügig arbeiten (z. B. Hausfrau/-mann oder Mini-Job), bekommen über den Familienergänzungszuschlag einen zeitweiligen Aufschlag. Insgesamt spart das Land so Besoldungskosten, besonders bei höheren Besoldungsgruppen, wo früher ein Familienzuschlag ins Gewicht fiel. Kritiker sprechen von einer versteckten Besoldungskürzung für Verheiratete, insbesondere solche mit klassischer Rollenaufteilung.
Argumente für mögliche Verfassungswidrigkeit: Dieses Hinzuverdienermodell wird in Fachkreisen äußerst kritisch gesehen. Die Hauptpunkte:
• Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG): Traditionell war die amtsangemessene Alimentation so bemessen, dass ein Beamter mit Familie (verheiratet, 2 Kinder) seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Indem nun ein fiktiver Zweitverdienst vorausgesetzt wird, könnte das Alimentationsniveau pro Beamter sinken. Es stellt sich die Frage, ob das Alimentationsprinzip dem Gesetzgeber erlaubt, bedarfsgemeinschaftliche Erwägungen wie im Sozialrecht anzustellen. Viele Experten verneinen das: Die Beamtenbesoldung ist statusabhängig, nicht bedarfsabhängig. Eine Anknüpfung an private Einkünfte des Ehepartners ist systemfremd. Udo di Fabio – selbst ehemaliger Verfassungsrichter – hat in einem Gutachten für NRW (das ein ähnliches Modell plant) klargestellt, dass ein solches fiktives Partnereinkommen verfassungswidrig ist . Der Staat dürfe nicht einfach „wenn die Decke zu kurz wird, an der bequemsten Stelle ziehen“ und die Alimentationslücke durch Unterstellung von Partnereinkünften schließen . Das Zitat verdeutlicht: Fehlt Geld zur verfassungsgemäßen Besoldung, muss der Gesetzgeber die Besoldung selbst erhöhen – er kann nicht die Lücke den Familienangehörigen zuschieben.
• Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG): Die Differenzierung nach Partnereinkommen berührt die Ehefreiheit. Bisher honorierte das Besoldungsrecht eine Eheschließung mit einem festen Zuschlag (unabhängig davon, ob der Gatte berufstätig ist oder nicht). Nun wird innerhalb der Gruppe der Verheirateten differenziert: Nur wer einen „Hausfrau/-mann“ daheim hat, bekommt noch einen nennenswerten Zuschlag. Dieses Signal könnte als Ungleichbehandlung von Eheformen gewertet werden – Doppelverdiener-Ehen gehen leer aus, Alleinverdiener-Ehen erhalten Geld. Zwar argumentiert das Finanzministerium, es liege keine Benachteiligung unverheirateter Beamter vor, da verheiratete Beamte ja weiterhin einen (ggf. kleinen) Familienzuschlag prinzipiell erhalten . Dennoch wird innerhalb der Ehe der traditionelle Versorgerehepartner schlechter gestellt als bisher. Kritiker befürchten einen Anreiz, dass beide Ehepartner arbeiten müssen, um keine finanziellen Einbußen zu haben – was als Eingriff in die familiäre Lebensgestaltung gesehen werden kann. Art. 6 GG garantiert jedoch den Schutz der unterschiedlichen Ehemodelle (Allein- vs. Doppelverdiener) gleichermaßen , so auch das Finanzministerium. Ob die Neuregelung diesem Gleichheitspostulat genügt, ist umstritten.
• Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG): Das Kriterium „Partner verdient über 6.000 € oder nicht“ spaltet die Beamtenschaft in neue Besoldungskategorien. Zwei Beamte derselben Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe erhalten unterschiedlich viel Netto, je nachdem ob der Ehepartner berufstätig ist. Ein solcher besoldungsfremder Faktor könnte als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bewertet werden, weil er nicht amtsbezogen ist. Die Verwaltung argumentiert, der Familienergänzungszuschlag sei gering und temporär, daher kaum entscheidungsrelevant für die Berufstätigkeit eines Partners . Doch allein die Einführung einer Bedürftigkeitsprüfung im Besoldungsrecht stellt einen Paradigmenwechsel dar, der verfassungsrechtlich noch nicht geklärt ist.
Verfahren und Kritik: Der Richterbund BW hat bereits angekündigt, gegen diese Neuregelung zu klagen . Auch der BBW sowie Lehrerverbände (GEW) beobachten die Umsetzung kritisch. In einem ersten Schritt verhandelte am 16. März 2025 das Verwaltungsgericht Karlsruhe über das neue System (genannt „Vier-Säulen-Modell“ inklusive Partnerverdienst-Aspekt) . Allgemein gehen Beobachter davon aus, dass die Sache das BVerfG beschäftigen wird, falls der Gesetzgeber nicht selbst nachbessert. Im Forum des öffentlichen Dienstes herrscht Konsens, dass das Modell keinerlei Bestand vor Karlsruhe haben dürfte . Auch NRW hatte ein analoges Modell geplant; dort hat das Finanzministerium nach dem Gutachten di Fabios die Umsetzung vorerst gestoppt. Es dürfte nun an den Gerichten liegen zu klären, ob die Alimentationspflicht des Staates eine solche „Bedarfsprüfung“ zulässt oder nicht. Bis dahin bleibt die Maßnahme umstritten.
A6 ist das neue A10:
--- Zitat von: A6 ist das neue A10 am 11.06.2025 11:58 ---Beihilfekürzung für neu eingestellte Beamte (ab 2013)
Regelung und Inhalt: Zeitgleich mit der gekürzten Eingangsbesoldung führte die Landesregierung 2013 eine Einschränkung bei der Beihilfe ein. Für Beamte, die ab 1. Januar 2013 neu eingestellt wurden, sowie für deren Ehepartner wurde der Beihilfebemessungssatz von vormals 70 % auf 50 % gesenkt  . Das bedeutet, das Land übernahm nur noch die Hälfte der Krankheitskosten, sodass neu eingestellte Beamte sich für die verbleibenden 50 % privat absichern mussten (anstelle der zuvor üblichen 30 % Eigenanteil). Diese Maßnahme sollte rund 167 Mio. € Einsparung bringen .
Auswirkung: Die Kürzung traf ausschließlich frisch eingestellte Beamte und stellte damit eine weitere finanzielle Belastung dieser Gruppe dar. Zusammen mit der abgesenkten Eingangsbesoldung verringerte sie deren Nettoalimentation spürbar  . Ältere Beamte blieben hingegen bei der Beihilfe beim alten, günstigeren Satz. Auch hier entstand also eine Zweiklassensituation zwischen Bestandsbeamten und Neueinsteigern.
Verfassungsrechtliche Bedenken: In der rechtswissenschaftlichen Diskussion wurde die Absenkung der Beihilfe analog zur Besoldungskürzung als verfassungsrechtlich problematisch angesehen. Sie verletze das Alimentationsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz, weil nur eine bestimmte Gruppe (nämlich Neu-Beamte) stärker an den Gesundheitskosten beteiligt wurde. Der Staat entzog sich teilweise seiner Fürsorgepflicht. Strukturell lief diese Maßnahme ebenfalls auf eine schlechtere Alimentation der jüngeren Beamten hinaus, was Art. 33 Abs. 5 GG i. V. m. Art. 3 GG widerspricht (gleicher Dienstherr, gleiches Amt – aber unterschiedlich hohe Nettobezüge).
Reaktionen: Eine gerichtliche Entscheidung speziell zur Beihilfekürzung ist zwar nicht veröffentlicht, jedoch wurde sie politisch letztlich zurückgenommen. Im Rahmen des Besoldungsreformgesetzes 2022 hat Baden‑Württemberg die Beihilferegelung wieder korrigiert: Für alle seit 2013 neu Eingestellten gilt ab 1. Januar 2023 wieder der frühere Satz, d. h. Rückkehr zu 70 % Beihilfe wie vor 2013 . Diese nahezu vollständige Rücknahme der Kürzung wurde von Verbänden ausdrücklich gefordert . Damit reagierte das Land auf die verfassungsrechtlichen Bedenken und verhinderte weitere Klagen in diesem Punkt. (Eine rückwirkende Entschädigung der seit 2013 einbehaltenen Beträge erfolgte allerdings nicht; das Land verweist darauf, dass die damalige 50 %-Regelung höchstrichterlich nicht beanstandet worden sei .)
--- End quote ---
Mich hat hier eine Nachricht erreicht:
"Von: 08154711BW
Hallo,
danke für deine Beiträge und Zusammenfassungen.
In dem oben genannten Beitrag hast du einen Punkt "Beihilfekürzung für neu eingestellte Beamte (ab 2013)"
Hier solltest du vielleicht noch ergänzen, dass es hierbei um die Beihilfe im Ruhestand geht, denn die normale Beihilfe ist weiterhin 50% bei Einstellung, da hat sich meines Wissens nichts geändert.
Falls ich da was verwechsle, schon mal sorry ;D
LG Kat"
Das ist vollkommen Richtig so, Beihilfe im Ruhestand.
Dies als Ergänzung
Navigation
[0] Message Index
Go to full version