Autor Thema: Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?  (Read 1159 times)

OkName311

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Ich studiere aktuell Öffentliche Verwaltung auf Bachelor an der HS Harz (nicht dual). Aktuell absolviere ich ein Praktikum in einer Kommunalverwaltung. Mit der Zeit habe ich immer mehr gemerkt, dass der gehobene Dienst eventuell nicht das richtige Ziel für mich ist. Das Studium läuft zwar gut, aber wenn ich mir die Stellenausschreibungen ansehe, zieht es mich eher in Richtung mittlerer Dienst bzw. die analogen Tarifstellen. Zudem merke ich generell, dass ich nicht der große Karrieretyp bin.

Das Gehalt in den Wertebenen EG 6 - 8 würde mir auch vollkommen reichen (habe vorher bereits eine Ausbildung absolviert und dort auf Mindestlohn gearbeitet, also wäre EG 6 schon eine gute Steigerung). Darüber hinaus gibt es in meiner Region nur wenige Stellen für den gehobenen Dienst und die meisten Ausschreibungen richten sich eher an Kaufleute oder Verwaltungsfachangestellte. Eine Verbeamtung strebe ich ohnehin nicht an, da ich ein paar Vorerkrankungen habe und ich wahrscheinlich entweder einen hohen PKV Tarif zahlen müsste oder abgelehnt werden würde.

Jetzt habe ich natürlich das Problem, dass ich den Bachelor abschließen werde und keine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten oder Kaufmann habe. Da der öffentliche Dienst ja sehr strikt ist, was die Abschlüsse angeht, habe ich die Befürchtung, dass ich mit meinem Abschluss keine Chance haben werde. Wie sieht das in euren Behörden so aus?

Organisator

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Antw:Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?
« Antwort #1 am: 29.08.2025 15:06 »
Jetzt habe ich natürlich das Problem, dass ich den Bachelor abschließen werde und keine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten oder Kaufmann habe. Da der öffentliche Dienst ja sehr strikt ist, was die Abschlüsse angeht, habe ich die Befürchtung, dass ich mit meinem Abschluss keine Chance haben werde. Wie sieht das in euren Behörden so aus?

Ganz genau so. Muss aber nix heißen - nicht alle Behörden verlangen eine Berufsausbildung. Einfach drauf bewerben und schon im Anschreiben die Motivation kundtun, warum du "unterhalb" deiner Bildungsqualifikation arbeiten willst. Ggf. noch auf die bereits abgeschlossene Berufsausbildung hinweisen, wenn die irgendwie zum Aufgabenfeld passt.

Sjuda

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Antw:Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?
« Antwort #2 am: 01.09.2025 12:03 »
Da tun sich im Grunde zwei Fragen auf: darf und möchte der Arbeitgeber einen überqualifizierten Bewerber einstellen?

Wenn man Art 33 Abs. 2 GG zugrundelegt, gibt es wenig, das grundsätzlich gegen die Berücksichtigung eines  überqualifizierten Bewerbers spricht.
Voraussetzung dafür wäre aus meiner Sicht allerdings, dass auch alle Inhalte der geforderten Berufsausbildung Bestandteil des Studium sind. Aus der Hüfte geschossen könnte man das im konkreten Fall pauschal unterstellen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass einzelne Themen der Ausbildung, die für die Stelle wichtig sind, im Studium nicht behandelt werden. In diesem Falle hätte der Arbeitgeber, neben dem Festhalten am Wortlaut,  durchaus inhaltliche Argumente, die Bewerbung nicht zu berücksichtigen.

Unabhängig davon wird sich jeder Arbeitgeber fragen, ob er überqualifizierte Bewerber überhaupt auf seinen Stellen haben möchte. Meiner Erfahrung nach ist das nicht unbedingt gerne gesehen. Es gibt einige Gründe, die diese Skepsis rechtfertigen. Wenn der Bewerber seine Motivation, wie hier offensichtlich der Fall, nachvollziehbar begründen kann, halte ich die Chancen zumindest nicht für völlig aussichtslos.

Organisator

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Antw:Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?
« Antwort #3 am: 01.09.2025 13:20 »
Da tun sich im Grunde zwei Fragen auf: darf und möchte der Arbeitgeber einen überqualifizierten Bewerber einstellen?

Wenn man Art 33 Abs. 2 GG zugrundelegt, gibt es wenig, das grundsätzlich gegen die Berücksichtigung eines  überqualifizierten Bewerbers spricht.
Voraussetzung dafür wäre aus meiner Sicht allerdings, dass auch alle Inhalte der geforderten Berufsausbildung Bestandteil des Studium sind. Aus der Hüfte geschossen könnte man das im konkreten Fall pauschal unterstellen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass einzelne Themen der Ausbildung, die für die Stelle wichtig sind, im Studium nicht behandelt werden. In diesem Falle hätte der Arbeitgeber, neben dem Festhalten am Wortlaut,  durchaus inhaltliche Argumente, die Bewerbung nicht zu berücksichtigen.

Unabhängig davon wird sich jeder Arbeitgeber fragen, ob er überqualifizierte Bewerber überhaupt auf seinen Stellen haben möchte. Meiner Erfahrung nach ist das nicht unbedingt gerne gesehen. Es gibt einige Gründe, die diese Skepsis rechtfertigen. Wenn der Bewerber seine Motivation, wie hier offensichtlich der Fall, nachvollziehbar begründen kann, halte ich die Chancen zumindest nicht für völlig aussichtslos.

Zu 1.
Kommt auf die Ausschreibung an. Wenn eine abgeschlossene Berufsausbildung gefordert ist, dann darf nur derjenige Bewerber berücksichtigt werden, der auch eine solche Berufsausbildung hat. Ein Studium beinhaltet regelnmäßig nicht alle Inhalte einer Ausbildung.

Wenn man nur Kenntnisse und Erfahrungen fordert können diese auch durch ein Studium und Berufserfahrung erlangt werden.

Zu 2.
Kommt auf die Motivation an. So wie TE schreibt, sieht er sich und seine Zukunft auf der Tätigkeitsebene des mD. Sollte man natürlich im Vorstellungsgespräch thematisieren.

Fräuleinzumdiktat

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Antw:Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?
« Antwort #4 am: 05.09.2025 12:24 »
Das erste was mir dazu einfällt ist, warum du dich denn dann bei einer Behörde bewerben möchtest, wenn die da so streng sind und dir Verbeamtung auch nicht wichtig ist. Dann bewirb dich doch bei Institutionen, die dem öffentlichen Dienst angelehnt sind, z.B. Universitäten, Forschungsinstitute, Unikliniken etc. Ich kann nur für unser Institut sprechen, aber da bedeutet ein BA noch lange nicht, dass man auch auf gehobener Position mit EG10++ landet. Im Gegenteil, wenn du dich mit einem höherwertigen Abschluss auf eine minderbezahlte Stelle bewirbst, wirst du mit Handkuss genommen, wenn du die Tätigkeiten erfüllen kannst. Bei uns wird gerne so billig wie möglich eingekauft.
Ohne deine Motivation für diesen "Mindereinstieg" (sorry für das Wort, mir fällt gerade nichts besseres ein) werten zu wollen, sie ist bewerbungstechnisch echt problematisch. Da musst du dir eine echt gute schlüssige Erklärung einfallen lassen. Was gar nicht geht ist "mir reicht EG6 weil das ja schon viel mehr als Mindestlohn ist". Auch wenn du das natürlich so empfinden darfst, jeder Arbeitnehmer würde denken, dass du verrückt bist. Auch "ich will keine Karriere machen oder so viel Verantwortung tragen" ist voll legitim, aber hat nichts in der Bewerbung zu suchen. Das klingt zu sehr nach "ich will einfach ohne groß zu denken und ohne großen Einsatz meinen Job machen und nicht mehr" und für den Arbeitgeber, einfach nach zu wenig Engagement und Einsatz. Selbst wenn du auf der betreffenden Stelle niemals irgendwelchen Sondereinsatz zeigen oder Verantwortung tragen werden musst, weil es irgendein schnarchiger no-brain-job ist, will der AG trotzdem hören, dass du dazu grundsätzlich natürlich immer bereit wärst.
In einer Bewerbung auf eine "unterqualifizierte" Stelle solltest du stattdessen darauf eingehen, warum du genau diese Tätigkeit machen möchtest und sie dich so interessiert. Z.B. um nach dem Studium, also Theorie, erstmal dich auf die Praxis einzuschwingen. Jetzt direkt auf eine gehobene Position zu gehen hälst du nicht für angemessen, da du dein theoretischen Wissen erst mit praktischer Erfahrung unterfüttern möchtest. Das würde dir einfach Sicherheit geben. Weil ein Maurermeister ja auch erst mal wissen muss, wie man eine Wand mauert, bevor er ein ganzes Haus baut. Oder so ähnlich. Außerdem hast du Tätigkeit XY (aus der Stellenbeschreibung) im Studium kennengelernt und gemerkt, dass dir das einfach liegt und du das gut kannst/total gerne machst. Tätigkeit YZ hingegen kam im Studium deiner Meinung nach zu kurz/gar nicht vor und da würdest du auch einfach gerne ein Wissenslücke schließen und dazu lernen. Damit kannst du die Tätigkeiten adressieren, die du aufgrund der fehlenden Ausbildung zum ABC, halt NOCH nicht kannst. Wichtig ist immer die Bereitschaft und das Eigeninteresse, dazulernen zu wollen. Kein Bewerber kann alle Anforderungen der Stellenbeschreibung erfüllen, wichtig ist, wie motiviert er ist, das fehlende Wissen zu lernen.
Und um nochmal das Geld zu adressieren, das siehst du jetzt erstmal gar nicht so kritisch und bist da gerne bereit, Abstriche zu machen, wenn dich dafür die Tätigkeit dahinter erfüllt und du "was bewegen kannst"/was lernen kannst/dich einfach wohl fühlst. Du musst ja auch noch keine 5köpfige Familie ernähren, haha. Und dann kann man in der Zukunft - denn du denkst bei dieser Bewerbung schon durchaus langfristig - einfach mal sehen, ob die Stelle um höherwertige Tätigkeiten erweitert werden kann. So betonst du, dass du trotz Überqualifizierung an einer langfristigen Beschäftigung auf genau dieser Stelle interessiert bist (also nicht gleich wieder weg bist, sobald eine höherbewertete Stelle ums Eck kommt). Und der AG kann sich außerdem freuen, dass er jemanden mit so viel Potenzial (für so wenig Geld) da sitzen hat, den er auch irgendwann auf höherer Position einsetzen kann. Auch wenn du das im Moment zumindest gar nicht willst oder dir vorstellen kannst, vielleicht ändert sich das irgendwann ja, wenn du sicherer im Job geworden bist. Wichtig ist nur, dass der AG das Potenzial sieht und du willig (zu Leistung und Verantwortung), aber im Moment eben genügsam, erscheinst.
Wie gesagt, das waren nur "marketingtechnische" Anmerkungen, deine Motivation dahinter kann ich nachvollziehen und möchte ich auch gar nicht werten. Da es aber ein großes, vielleicht sogar belastendes Thema zu sein scheint, gönn' dir doch vielleicht einen Bewerbungscoach, der dir da noch wertvolle Hinweise und Hilfestellung zum Finden einer für dich geeigneten Stelle geben kann. Ich wünsche dir viel Erfolg.

OkName311

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Antw:Mit Bachelor auf Stellen im Bereich EG 6-8 bewerben?
« Antwort #5 am: 08.09.2025 15:54 »
Danke für die Rückmeldungen.

Ja, ich werde mich dann einfach mal auf diese Stellen bewerben und versuchen, eine gute Begründung zu finden. Mehr als eine Absage bekommen kann man ja nicht. Rückblickend wäre es für mich jedoch definitiv besser gewesen, nach dem Abitur eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu machen, egal ob Verwaltungsfachangestellte oder Sozialfachangestellte. Habe das Gefühl, dass mir mein Studium trotzdem viele Wege im mittleren Wertebereich versperrt.

Den Tipp mit den Institutionen außerhalb der klassischen Behörden finde ich sehr gut. Aktuell bin ich dabei, zu recherchieren, welche Arbeitgeber außerhalb der klassischen Behörden, wie z.B. Kommunalverwaltungen oder Landes-/Bundesbehörden, mit meinem Abschluss infrage kommen könnten. Hätte ich da bei Krankenhäusern beispielsweise eine realistische Chance oder vielleicht bei Sozialversicherungen, wie der DRV / Berufsgenossenschaften/Unfallversicherung?