Ich habe zur Begründung meines Widerspruchs wegen der Unteralimentierung 2025 in Niedersachsen die Mindestbesoldung selbst berechnet. Ergebnis: Für die Besoldungsgruppen A5 bis A11 wird die Mindestbesoldung nicht erreicht – auch dann, wenn man die aus meiner Sicht rechtswidrige Einbeziehung des Partnereinkommens zugrunde legt.
Meine Berechnung und die entsprechenden Auszüge aus meinem Widerspruch 2025 (unter A) sowie ergänzende Auszüge aus meinem Widerspruch 2024 zur Thematik Familien- bzw. Partnereinkommen (unter B) stelle ich hier zur Verfügung, da ich im Text darauf Bezug nehme.
Ich habe bewusst darauf verzichtet, den vollständigen Widerspruch zu veröffentlichen. Zum einen möchte ich nicht, dass er als „Musterwiderspruch“ verstanden wird, zum anderen halte ich es für sinnvoll, dass jeder eigene Überlegungen anstellt und eine eigene rechtliche Position entwickelt. Meine Ausführungen spiegeln ausschließlich meine persönliche Rechtsauffassung wider; sie können richtig sein, müssen es aber nicht, und sie können selbstverständlich auch verworfen werden. Der eigenständige Denk- und Schreibprozess ist aus meiner Sicht zentral – und er lässt sich nicht dadurch ersetzen, dass man lediglich Namen oder Aktenzeichen austauscht.
Da jedoch insgesamt viel Unsicherheit besteht und zahlreiche Fragen offen sind, möchte ich zumindest eine Anregung für die Struktur eines Widerspruchs geben.
Einige Punkte meines Textes beziehen sich auf meine Situation als Versorgungsempfänger (A11). Dennoch können die Ausführungen auch für aktive Beamte hilfreich sein. Wenn ich eine andere Auffassung als der Besoldungsgesetzgeber vertrete, stütze ich mich bewusst oftmals dennoch auf dessen eigene Angaben und Berechnungen. Das erschwert es dem Dienstherrn, sich selbst zu widersprechen oder die eigene Argumentation zu relativieren.
Der Abschnitt zum Familieneinkommen aus meinem Widerspruch 2024 ist nicht an die neuen Anforderungen des BVerfG zur Steuerermittlung und zum Begründungszwang angepasst (Hinweis: die Lohnsteuer ist nur eine Vorauszahlung auf die ESt, daher ist die LSt-klasse letztendlich völlig egal; es kommt auf die ESt an. Im Jahr 2024 habe ich mit den Ausführungen zur LSt nur die Inkonsistenz und Unrichtigkeit der Gesetzesbegründung darlegen wollen).
A.
„[…]
In den Besoldungsstufen A5 bis A11 wird, sogar bei Berücksichtigung der m.E. nicht zulässigen Einbeziehung eines (fiktiven) Partnereinkommens das Gebot der Mindestbesoldung nicht erreicht (siehe als Anhang beigefügte Tabelle, sowie meine nachfolgenden Erläuterungen). Ferner wird auch gegen das Gebot der amtsangemessenen Besoldung verstoßen (nicht weiter ausgeführt). Zur Berechnung erlaube ich mir folgende Hinweise:
1. Das nach dem o.g. BVerfG-Beschluss maßgebliche Median-Äquivalenzeinkommen Niedersachsens für das Jahr 2025 ist noch nicht unter
https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/armutsgefaehrdung-und-9 veröffentlicht.
Bei der Berechnung habe ich daher den Wert von 2024 zugrunde gelegt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass im Jahr 2025 das Median-Äquivalenzeinkommen höher liegt als 2024. Ich weise diesbezüglich darauf hin, dass die Nominallöhne in Niedersachsen im 3. Quartal 2025 um 4,2 % höher als im Vorjahresquartal waren (siehe Pressemitteilung Landesamt für Statistik Niedersachsen vom 28.11.2025 (
https://www.statistik.niedersachsen.de/presse/reallohne-stiegen-im-3-quartal-2025-in-niedersachsen-um-2-0-246822.html), sodass auch bei Nichterhöhung der Grundsicherungsleistungen in 2025 insgesamt von einer Steigerung des Median-Äquivalenzeinkommen auszugehen ist.
2. Bei den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen habe ich den vom niedersächsischen Besoldungsgesetzgeber für das Jahr 2024 angesetzten Betrag von 6.585,84 € berücksichtigt (siehe LTDr. 19/5132, Seite 32). Auch hier kann, aufgrund der allgemeinen Preissteigerung im Versicherungs- und Gesundheitswesen, von einem höheren als den angesetzten Betrag ausgegangen werden (Anmerkung: der Besoldungsgesetzgeber hat den Betrag selbst aus Daten von 2022 für das Jahr 2024 „fortgeschrieben“; ich gehe zudem davon aus, dass er dabei eine zu geringe Steigerungsrate angenommen hat). Hinweisen möchte ich auch darauf, dass jede Ansatzänderung der tats. anzusetzenden Versicherungsbeiträgen zu einer Änderung des Vergleichsnettoeinkommen i.H.v. ca. 100%-angegebener Grenzsteuersatz der jeweiligen Besoldungsgruppe führt (= Nettoauswirkung).
3. Der Familienergänzungszuschlag ist bei der Berechnung nicht einzubeziehen, da dieser nicht allen Beamten der Besoldungsgruppe unterschiedslos gewährt wird (siehe hierzu BVerfG-Beschluss, Rn. 78).
4. Die Einbeziehung des Partnereinkommens zur Ermittlung der Einhaltung des Mindestbesoldung und somit die Änderung des Leitbilds zur Mehrverdienerfamilie im Besoldungssystem ist unzulässig.
Der Beamte darf nicht gezwungen sein, seine Besoldung durch Nebentätigkeiten aufzubessern, um am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilhaben zu können (siehe BVerfG-Beschluss, Rn. 64). Die Besoldung muss daher u.a. Gewähr dazu bieten, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Wie bereits im Widerspruchsverfahren des Vorjahres detailliert ausgeführt, entsteht aber ein solcher über die Einstands- und Schicksalsgemeinschaft der Ehe/Lebenspartnerschaft, wenn die Einbeziehung des Partnereinkommens zur Bestimmung der Mindestbesoldung Relevanz besitzt. Ferner verweise ich auch auf meine allgemeinen Ausführungen zur Leitbildänderung und ihrem jahrzehntelangen Nachlauf, bis sich dieser „gesellschaftliche Wandel“ voll in der Alters- und Beamtenversorgung abzeichnet. Insoweit würde eine diesbezügliche Änderung in der aktuellen Beamtenbesoldung, die derzeit noch Grundlage der Beamtenversorgung ist – auch meiner ‒, auch zwingend eine Neubewertung der derzeit gültigen Beamtenversorgung erfordert, was bisher nicht geschehen ist.
Zudem verweise ich auch auf die von den Gewerkschaften in Auftrag gegeben Rechtsgutachten, die ebenfalls von der Unzulässigkeit des Wechsels zur Mehrverdienerfamilie ausgehen (u.a. Di Fabio, „Verfassungsmäßigkeit des Leitbilds der Mehrverdienerfamilie im nordrhein-westfälischen Besoldungssystem“, ISBN 978-3-7560-2389-9).
5. Zudem vertrete ich die Auffassung, dass die im Jahr 2025 gewährte Sonderzuwendung i.H.v. 1.200 € bzw. 500 € bei der Ermittlung der Nettobesoldung nicht einzubeziehen ist. Sonderzahlungen sind nach Auffassung des BVerfG nur dann heranzuziehen, wenn sie strukturell dem Grundgehalt ähneln (Rn. 78), sie müssen daher auch so ausgestaltet sein, dass sie der Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs dienen und allen Beamten der Besoldungsgruppe unterschiedslos gewährt werden. Der Erhalt der Sonderzahlungen ist jedoch an Bedingungen geknüpft. Der Anspruch auf Sonderzahlung wird durch den aktiven Beamten nicht monatlich erworben, sondern wird nur für den Monat Dezember bezahlt (§ 63 NBesG). Sie könnte daher allenfalls eine in den Monaten Januar bis November auftretende Unteralimentierung nur dann ausgleichen, wenn der Beamte auch im Dezember besoldet wird. Zudem unterliegt die Zahlung der Vorschrift des § 11 Abs. 1 NBesG, sodass sie ausschließlich am Stundenumfang im Dezember ausgerichtet ist und diesen 11/12 des Jahres unberücksichtigt lässt; auch insoweit ähnelt sie strukturell nicht dem Grundgehalt. Die Nichtberücksichtigung führt zur Verringerung des Vergleichsnettoeinkommens i.H.v. ca. 100%-angegebener Grenzsteuersatz der jeweiligen Besoldungsgruppe führt.
Ich habe in meiner Berechnung dennoch die Sonderzahlung mit einbezogen, um die Unterschreitung der Mindestbesoldung deutlicher zeigen zu können.
6. Soweit die Einbeziehung des Partnereinkommens verfassungsrechtlich zulässig wäre und durch Änderung der Kranken- und Pflegeversicherung sowie Ansatz des tats. anzusetzenden Median-Äquivalenzeinkommen 2025 die Mindestversorgung für A 11 erfüllt wäre: In allen niedrigeren Besoldungsgruppen (A5 bis A10) wird die gebotenen Mindestbesoldung unterschritten, sodass ein Indiz dafür besteht, dass die A11-Besoldung unzureichend ausgestaltet ist und die Besoldung hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips (Abstandsgebot zwischen Besoldungsgruppen als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums) zurückbleibt (mittelbarer Verstoß der i.S.d. BVerfG-Beschluss Rn. 89ff).
Meine Unteralimentierung ergibt sich sowohl aus dem Verstoß der Mindestbesoldung aus A 11 als auch aus der der Besoldungsgruppe A5.
Ich weise diesbezüglich darauf hin, dass das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A5 zur Bestimmung der Mindestversorgung herangezogen wird.
Aufgrund der offensichtlichen und notwendigen Anpassung der Besoldungsstruktur A5 kann es dazu kommen, dass auch bei einer Beibehaltung der A11-Besoldung (sofern sie wieder erwartend verfassungsgemäß wäre), ich nunmehr Anspruch aus der Mindestversorgung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 NBeamtVG habe.“
B.
„[…]
b. Zur Bestimmung der Mindestversorgung ist gänzlich auf Nettowerte abzustellen, da ansonsten eine Vergleichbarkeit mit der Grundsicherung nicht vorgenommen werden kann. Bei dem Jahreseinkommen (einschließlich der Hinzuverdienstgrenzen) nach § 36a Abs. 4 NBesG handelt es sich je doch um Bruttogrößen (vgl. § 36a Abs. 4 Satz 3 NBesG). Insofern müsste das maßgebliche hinzu gerechnete Partnereinkommen, soweit der Gesetzgeber dies bei der Bestimmung der Mindestalimentation überhaupt berücksichtigen dürfte, noch um die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeträge korrigiert werden. Da bei dem Besoldungsempfänger zur Ermittlung des Nettos die LSt-klasse III berücksichtigt wurde (LT-Drs. 19/5132, Seite 32), muss beim Partnereinkommen zwangsweise die LSt-Klasse V angewendet werden (§ 38b Abs. 1 Nr. 5 EStG). Bereits die bloße Lohnsteuerkorrektur führt dazu, dass die Mindestalimentation nicht eingehalten wird. In diesem Zusammenhang weise ich vorsorglich darauf hin, dass sich aus § 36a Abs. 4 NBesG ergibt, dass der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs ausschließlich nur als dynamischer Verweis zur Höhe und nicht als Qualifikation der Einnahmen zu verstehen ist.
[…]
d. Die Berücksichtigung eines fiktiven Partnereinkommens zur Prüfung der Einhaltung der Mindestalimentation ist nicht rechtmäßig. Das Bundesverfassungsgericht hat als Kontrollmaßstab zur Einhaltung der Mindestalimentation auf die 4-köpfige Alleinverdienerfamilie abgestellt. Es zählt zu den hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentum, dass Richter und Beamte wirtschaftlich so zu stellen sind, dass sie ihre Familie als Alleinverdiener „ernähren“ können. Ihre Alimentation – und somit auch die Mindestalimentation – muss ihnen ermöglichen, sich voll und ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben beitragen. Dies ist nicht mehr gegeben, wenn der Ehegatte gezwungen ist auch zum Lebensunterhalt beizutragen. Da insoweit die mit der Besoldung angestrebte Unabhängigkeit des Beamten letztendlich über die Einstands- und Schicksalsgemeinschaft der Ehe gefährdet wird, weil er bzw. die Familie stärker auf die wirtschaftliche Situation des Partners angewiesen wäre.
Sofern der Gesetzgeber eine Einbeziehung eines fiktiven Partnereinkommens auf geänderte gesellschaftlichen Verhältnisse zurückführt, verkennt er zum einen, dass es hier um die Mindestalimentation eines Beamten geht, die unabhängig von gesellschaftlichen Trends gewährleistet sein muss. In soweit können – unabhängig vom Vorgenannten – gesamtgesellschaftliche Veränderungen nicht herangezogen werden, wenn diese sich nicht tatsächlich in der relevanten Gruppe der Beamtenfamilie niederschlägt. Der Gesetzgeber hat unterlassen sein geändertes „Familienmodell“ auf seine realitätsgerechte Ausgestaltung hin – auch unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks einer amtsangemessenen Alimentation – zu überprüfen. Insoweit liegt auch ein Verstoß gegen den Begründungszwang seitens des Gesetzgebers vor, was die „Modifikation des Familienmodells“ unzulässig macht. Auch aus der Gesetzesbegründung zur Einführung des Familienergänzungszuschlags (LT Drs. 18/11498) ergibt sich nichts anderes. Auch aus dieser kann keine entsprechende notwendige Überprüfung entnommen werden; eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema blieb der Besoldungsgesetzgeber schuldig. Anzumerken ist diesbezüglich auch, dass ein „Leitbild“ gerade nicht das Tatsächliche sondern ein angestrebtes (langfristiges) Ziel und eine Vorstellung der Zukunft beschreibt. Eine gesamtgesellschaftliche Abkehr von der Alleinverdienerfamilie ist zudem notwendige Folge der stetigen Geldentwertung, bei dem es schlicht nicht mehr möglich ist, ohne den Hinzuverdienst des Partners das Leben bestreiten zu können. Sie stellt daher zuvorderst ein notwendiges Übel dar und ist insoweit und insbesondere hinsichtlich der (angenommenen) „Hinzuverdiensthöhe“ grds. – entgegen der Auffassung des Gesetzgebers – auch kein Ausdruck einer gesellschaftlichen „Weiterentwicklung/Errungenschaft“. Es ist nämlich m.E. bereits kein Zeichen von Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit, wenn die relevanten (angenommenen oder tatsächlichen) Einnahmen des Partners (6.456 €) noch nicht einmal das eigene persönliche Existenzminimum sichern und man deshalb weiterhin stets auf Leistungen Dritter (Partner, Staat usw.) angewiesen ist. Es ist zudem nicht Aufgabe des Besoldungsgesetzgebers und auch verfassungsrechtlich nicht zulässig, dem Beamten und seiner Familie über das Besoldungsrecht ein von der (temporären) parlamentarischen Mehrheit gewünschtes Leitbild aufzuoktroyieren, was letztendlich durch den Familienergänzungszuschlag und die Anrechnung eines fiktiven Partnereinkommens zur Überwindung der Unteralimentation passiert. Zum anderen verfällt der Gesetzgeber einem Zirkelschluss. Der Dienstherr besoldet seine Beamten bereits seit mehr als einem Jahrzehnt nicht amtsangemessen und missachtet seit Jahren die Mindestalimentation (vgl. diverse Vorlagebeschlüsse). Infolge dessen sind Beamtenfamilien insbesondere in den untersten Besoldungsgruppen u.a. aufgrund der Geldentwertung auf den Hinzuverdienst des Ehegatten angewiesen. Nunmehr wird jedoch eine mögliche Reaktion der Beamtenfamilie auf die Unteralimentierung als Begründung dafür herangezogen, die Alimentation weiterhin nicht entsprechend anzupassen.
[...]“