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Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H => TVöD Kommunen => Thema gestartet von: Nepomuk68 am 23.05.2024 15:52

Titel: Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Nepomuk68 am 23.05.2024 15:52
Zur Mitarbeiterbindung möchte mein AG Leute nach TVÖD-SuE höher Eingruppieren, als ihnen eigentlich nach reinen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen zustehen würde (zu wenig Kinder in den Betreungseinrichtungen).

Es geht nicht um einzelne Mitarbeiter, sondern um alle Leitungen von KiGa/KiTa.

Geht das denn ? Wie kann ich als Personaler dann richtig argumentieren, damit es auch rechtlich/tariflich sitzt ?
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: MoinMoin am 23.05.2024 16:29
es ist halt eine übertarifliche Bezahlung, was soll man da argumentieren?
Wenn man es wegen irgendwelcher externen Regelungen nicht darf, gibt es eben diese Möglichkeit nicht.
Wenn man AT/ÜT darf, braucht man keine Argumente, ist doch nur im öD so, dass ÜT nicht "erlaubt" ist.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Organisator am 23.05.2024 16:44
Zur Mitarbeiterbindung möchte mein AG Leute nach TVÖD-SuE höher Eingruppieren, als ihnen eigentlich nach reinen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen zustehen würde (zu wenig Kinder in den Betreungseinrichtungen).

Es geht nicht um einzelne Mitarbeiter, sondern um alle Leitungen von KiGa/KiTa.

Geht das denn ? Wie kann ich als Personaler dann richtig argumentieren, damit es auch rechtlich/tariflich sitzt ?

Der Arbeitgeber kann nicht eingruppieren, da sich die Eingruppierung unmittelbar aus den übertragenen Tätigkeiten ergibt. Er kann jedoch übertariflich bezahlen, wie von Moin beschrieben.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: FearOfTheDuck am 23.05.2024 19:44
Wenn du dir das also schriftlich geben lässt, spricht nichts dagegen. Nicht dass sich der AG irgendwann nicht mehr erinnert, warum er mehr zahlen wollte. ;)
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: KlammeKassen am 23.05.2024 21:01
Wenn jetzt noch mehr Memory gespielt wird und sich dadurch gründlichere Fachkenntnisse ergeben, kann die Bewertung auch so angepasst werden.
Ob und wie viel Prozent das dann wirklich ausmacht ist ja kaum nachweisbar.

Unterschiedliche Kommunen kommen bei Personen, die wirklich exakt dieselben Tätigkeiten ausüben, auch zu unterschiedlichen Entgeltgruppen. Da ja aber nicht die ausgeübten, sondern die übertragenen Tätigkeiten relevant sind, wird wahrscheinlich bei Kommune A der Zeitanteil entweder etwas anders verteilt sein oder es sind noch ein paar mehr Adjektive in der Stellenbeschreibung enthalten, die für eine besondere Schwierigkeit, eine höher Verantwortung oder ähnliches sprechen.
Es ist teilweise leider auch so, wie es der Arbeitgeber haben möchte. In euerm Fall natürlich nicht leider, weil ihr ja profitieren werdet.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: MoinMoin am 23.05.2024 23:51
Ich finde es immer wirklich erschreckend, wie im öD das Konzept eines Tarifvertrages von den AN verstanden wird.

Der Tarifliche Lohn ist stets das Mindeste, was ein AG zahlen muss, nicht das Mindeste was er tariflich zahlen darf.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: TV-Ler am 24.05.2024 07:41
Der Tarifliche Lohn ist stets das Mindeste, was ein AG zahlen muss, nicht das Mindeste was er tariflich zahlen darf.
Der eigentliche Punkt ist:
Im öD ist der Tarif stets sowohl das Mindeste, was gezahlt werden muss, als auch das Höchste, was gezahlt werden darf. Das der Tarif auch die Obergrenze darstellt, liegt nicht im Tarif begründet, sondern im Haushaltsrecht.

In der fW kann ein Arbeitgeber relativ frei nach Gutdünken einzelnen Arbeitnehmern mehr zahlen und das im Zweifel mit seiner subjektiven Wahrnehmung begründen, die betreffenden Arbeitnehmer leisteten mehr als die anderen.

Im öD muss es dagegen wasserdicht begründet werden aufgrund des Haushaltsrechts bzw. aufgrund der darauf fußenden Durchführungshinweise der Arbeitgeber für die Personalstellen.
Wie gesagt, das hat mit dem Tarif direkt nicht zu tun, dennoch kommt man bestenfalls in Einzelfällen leicht daran vorbei (Nasenfaktor).
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Casa am 24.05.2024 08:18
Zitat
Der eigentliche Punkt ist:
Im öD ist der Tarif stets sowohl das Mindeste, was gezahlt werden muss, als auch das Höchste, was gezahlt werden darf. Das der Tarif auch die Obergrenze darstellt, liegt nicht im Tarif begründet, sondern im Haushaltsrecht.

Das sehe ich auch so. Der Taifvertrag regelt zumindest tarifrechtlich abschließend was mindestens zu zahlen ist und was höchstens gezahlt werden kann. Die Eingruppierungen gem. TV finden sich dann im Haushalt wieder.
Wenn Stellen ohne Sachgrund höher bewertet werden, liegt ein Verstoß gegen das Haushaltsrecht vor und der Personaler macht sich wegen Untreue strafbar. Es sind schließlich öffentliche Gelder.



Eine Möglichkeit der Besserbezahlung sehe ich darin, dass das Gremium, welches über den Haushalt entscheidet, eigenen Mitarbeitern eine Zulage gewährt. Das Ganze müsste dann auch noch halbwegs gut begründbar sein, bestenfalls mit Bezug zum eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde.

Vorher sollten die tairflichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, bspw. §§ 18, 18a TVöD-VKA. Den SuE konnte ich spontan nicht im Volltext finden, die Regelungen dürften aber ähnlich sein.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: KlammeKassen am 24.05.2024 11:22
Ich stimme euch voll und ganz zu.

Und nicht aus Sicht des AN. Aus Sicht des AG!

Die haben auch Schiss, dass der jeweilige KAV dann Stress macht. Mein Arbeitgeber zahlt nicht mal übertarifliche Leistungen, die gemäß VKA bzw. hiesiegem KAV erlaubt wären.

Ist wohl noch nicht dringend genug der Personalmangel.

Die Personaler stecken einfach fest. Personalkosten dürfen nicht 1 Cent zu hoch sein; wenn bei Sachkosten 1 Mio. Euro verschwendet werden, ist das hingegen egal.
Dieses Bild muss im öffentlichen Dienst unbedingt mal raus aus den Köpfen.......

Aber die VKA argumentiert ja auch noch immer so "Geht nicht viel, das Geld wird für Infrastruktur etc. benötigt".

Ja top, wenn es keine Sachbearbeiter gibt, die diese Maßnahmen vernünftig (!) oder überhaupt bearbeiten, bringt es auch nichts. Dann setzt sich die Infrastrukturmaßnahme auch nicht um
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: FearOfTheDuck am 24.05.2024 11:46
Nepomuks Beispiel zeigt, dass es auch anderes geht.

Schlimm wird es dann, wenn der HH sich über den TV hinwegsetzten möchte und die EGO bewusst oder unbewusst mißachtet wird. Es gibt hier auf diesen Seiten, die den Mißstand in Richtung nach unten aufzeigen. Da wünscht man sich dann ebenso normkonforme Auslegung wie bei HHRecht.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: McOldie am 24.05.2024 16:56
Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber offenbar mehrere Kindergärten/Kitas betreibt, könne es sein, dass der Arbeitgeber ein freier Träger ist, der nicht tarifgebunden ist sondern den Tarifvertrag nur per arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendet. Dann würde es vermutlich auf die Formulierung im Arbeitsvertrag ankommen, ob es sich um eine "übertarifliche" Bezahlung handeln würde.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: KlammeKassen am 24.05.2024 20:40
Nepomuks Beispiel zeigt, dass es auch anderes geht.

Schlimm wird es dann, wenn der HH sich über den TV hinwegsetzten möchte und die EGO bewusst oder unbewusst mißachtet wird. Es gibt hier auf diesen Seiten, die den Mißstand in Richtung nach unten aufzeigen. Da wünscht man sich dann ebenso normkonforme Auslegung wie bei HHRecht.

Das stimmt. Vielleicht kommt es ja irgendwann mal auch bei anderen Arbeitgebern an...
Die meisten sind einfach unfassbar starr.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Casa am 25.05.2024 16:03
Zitat
Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber offenbar mehrere Kindergärten/Kitas betreibt, könne es sein, dass der Arbeitgeber ein freier Träger ist, der nicht tarifgebunden ist sondern den Tarifvertrag nur per arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendet. Dann würde es vermutlich auf die Formulierung im Arbeitsvertrag ankommen, ob es sich um eine "übertarifliche" Bezahlung handeln würde.

Das erscheint möglich.

Da freie Kitas jedoch praktisch immer staatliche Gelder / Zuwendungen zum Betrieb erhalten, kann ich mir gut vorstellen, dass eine begrenzte Möglichkeit für Ausgaben besteht und es kommunalrechtliche Vorschriften zur Rechnungsprüfung gibt, die § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO oder § 91 Abs. 1 Nr. 2 LHO Bayern ähneln.

Zitat
Der Bundesrechnungshof ist vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelung berechtigt, bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu prüfen, wenn sie

3.
vom Bund Zuwendungen erhalten,


Hier als Beispiel der MPG und weiterer Einrichtungen.

https://www.tagesspiegel.de/wissen/arger-um-max-planck-institut-in-florida-6622453.html

https://www.forschung-und-lehre.de/politik/bundesrechnungshof-haelt-ausseruniversitaere-fuer-ueberfinanziert-5890
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: 2strong am 26.05.2024 16:34
Im Bereich des Bundes unterliegen institutionelle Zuwendungsempfänger sowie Einrichtungen, die mindestens zur Hälfte Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten erhalten (Projektfinanzierung), grundsätzlich dem Besserstellungsverbot. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der jeweils zuständigen Obersten Bundesbehörde.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Nepomuk68 am 27.05.2024 09:02
Wir sind eine Gemeinde und somit Tarifgebunden. Ich hatte überlegt, ob es durch einen Gemeinderatsbeschluss möglich wäre, alle hochzugruppieren? Könnte man so das Haushaltsrecht, dass uns "zwingt" unsere Mitarbeiter so einzugruppieren,  "aushebeln"? Ich mache mir nur Sorgen um die Rechtmäßigkeit...

Die reine übertarifliche Arbeitsmarktzulage von 20% ist uns zu niedrig. Wir möchten trotz zu kleiner Einrichtung von einer S9 auf eine S13 hochgruppieren.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: 2strong am 27.05.2024 11:48
In welchem Bundesland spielt sich die Geschichte denn ab?
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: Saggse am 04.06.2024 09:47
Ich hatte überlegt, ob es durch einen Gemeinderatsbeschluss möglich wäre, alle hochzugruppieren?
Arbeitnehmer werden nicht eingruppiert, sie sind (basierend auf den ihnen übertragenen Tätigkeiten) eingruppiert. Für eine höhere Eingruppierung ist daher die Übertragung entsprechend höherwertiger Tätigkeiten notwendige (und hinreichende) Voraussetzung. Die Eingruppierung ist nichts, was einer Entscheidung oder Vereinbarung unmittelbar zugänglich ist.

Zitat
Könnte man so das Haushaltsrecht, dass uns "zwingt" unsere Mitarbeiter so einzugruppieren,  "aushebeln"?
Das Haushaltsrecht erzwingt keine Eingruppierung - das macht der Tarifvertrag.

Zitat
Ich mache mir nur Sorgen um die Rechtmäßigkeit...
Diese Sorgen sind berechtigt.

Zitat
Die reine übertarifliche Arbeitsmarktzulage von 20% ist uns zu niedrig. Wir möchten trotz zu kleiner Einrichtung von einer S9 auf eine S13 hochgruppieren.
Das ist so schlicht nicht möglich. Da die Sachlage klar ist, fällt auch ein "Eingruppierungsirrtum" raus. Mit einer bewussten Entscheidung, wider besseren Wissens eine S13 anzunehmen wo nur eine S9 ist, sind wir zumindest nach meinem Rechtsverständnis im strafrechtlich relevanten Bereich (Untreue, Betrug). Kein Personalsachbearbeiter, der bei klarem Verstand ist, wird sich darauf einlassen. Da sollte man dann doch lieber prüfen, ob und unter welchen Umständen eine übertarifliche Bezahlung möglich ist.
Titel: Antw:Freiwillige Höhergruppierung
Beitrag von: TVOEDAnwender am 04.06.2024 09:53
Les mal hierzu diesen Aufsatz hierzu aus dem "RdA 2017, Heft 3" von Dr. Clemens Latzel und Dr. Daniel Dommermuth-Alhäuser:

https://www.zaar.uni-muenchen.de/organisation/personen/abteilung1/latzel/schriftenverzeichnis/cl2017-2.pdf

Zitat
IV. Zusammenfassung
Zu gute Arbeitsbedingungen können im öffentlichen Dienst wie in der Privatwirtschaft den Tatbestand der Untreue erfüllen:
- Im öffentlichen Dienst verlangt das Sparsamkeitsprinzip angemessene Arbeitsbedingungen, die primär durch Tarifverträge festgelegt werden. Übertarifliche Arbeitsbedingungen
(auch zu hohe Eingruppierungen und Einstufungen) sind
nur ausnahmsweise bei objektiven Schwierigkeiten bei der
Personalgewinnung zulässig und in ihrem Umfang dem
Sparsamkeitsprinzip verpflichtet (Vorschlag: bis zu 30% Tariflohnüberschreitung gelten noch als angemessen). Bestehen objektiv keine Personalgewinnungsschwierigkeiten, erfüllt die Gewährung übertariflicher Arbeitsbedingungen den objektiven Tatbestand der Untreue. Im tariffreien Bereich lässt die Rechtsprechung bislang praktikable Konkretisierungen der auch hier geforderten Angemessenheit vermissen. Es bietet sich an, ab 130% der marktüblichen Arbeitsbedingungen Unangemessenheit zu vermuten (und den Anfangsverdacht der Untreue zu bejahen). Der Entscheidungsträger kann die Vermutung durch Sachgründe
widerlegen.
- Bei privatwirtschaftliehen Kapitalgesellschaften besteht keine Verpflichtung zu tarifnahen Arbeitsbedingungen, sondern setzt erst das aus dem Gesellschaftsinteresse folgende
Verschwendungsverbot zu guten Arbeitsbedingungen
Grenzen. Hier bietet es sich an, erst dann eine Vermögensverschwendung zu vermuten (und den Anfangsverdacht der Untreue zu bejahen), wenn die gewährten Arbeitsbedingungen mehr als 300% der marktüblichen Arbeitsbedingungen betragen. Arbeitgeber müssen dann die überschießend guten Arbeitsbedingungen mit leistungsunabhängigen Vorteilen für das Unternehmenswohl rechtfertigen, was
aber außer bei Ämterpatronage oder der Erfüllung "leerer" Arbeitsverträge selten ein Problem sein wird. Bei gesetzlichen Höchstarbeitsbedingungen (wie der Betriebsratsvergütung) besteht freilich kein Spielraum.
In jedem Fall muss das Sparsamkeitsprinzip bzw. Verschwendungsverbot vorsätzlich verletzt werden. Schon fahrlässige Fehlbeurteilungen der teilweise äußerst unklaren rechtlichen Grenzen schließen die Strafbarkeit wegen Untreue aus. Das Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG) untersagt zwar schon dann, Aufwendungen als Betriebsausgaben steuermindernd geltend zu machen, wenn sie den objektiven Tatbestand eines Straf- oder
Ordnungswidrigkeitengesetzes erfüllen 117. Doch muss dafür die Zuwendung an sich rechtswidrig sein, was bei der ausschließlich am Innenverhältnis anknüpfenden Untreue (im
Gegensatz etwa zu Bestechungsdelikten und der Überbezahlung von Betriebsratsmitgliedern) gerade nicht der Fall ist.