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Fehler im Zeitkonto des Beamten - Verjährung - Ansprüche des Dienstherrn
MasterP:
Hallo zusammen,
ich erhoffe mir Antworten auf folgenden hypothetischen Sachverhalt.
Ein Beamter bemerkt in seinem Zeitkonto erst nach 5 Jahren einen Fehler im System, den er selbst nicht verursacht hat. Es wurde daher 5 Jahre lang von einer zu geringen Soll-Dienstzeit ausgegangen, die eigentlich höher hätte sein müssen. Er hat also zu wenig Dienst verrichtet, sein Zeitkonto zeigt aufgrund des Fehlers aber ein Saldo von +- 0 an, als wäre alles in Ordnung.
Der Beamte erkennt das Dilemna und meldet es seinem Dienstherrn.
Nun die Frage: kann der Dienstherr die zu wenig erbrachte Dienstzeit vollumfänglich als "Minusstunden" verbuchen oder greift hier eine Verjährung, sodass z.B. nur noch die zu wenig geleisteten Stunden der letzten drei Jahre nachzuholen sind, statt der vollen 5 Jahre?
Viele Grüße
BalBund:
Dazu fallen mir praktisch ein paar Fragen ein:
1.) wie erfolgt die Zeiterfassung in der Behörde des Beamten?
2.) Gibt es eine elektronische Auskunft/Webportal? Wenn ja, nutzt der Beamte dies für Zeitkorrekturen/Urlaub oder ähnliches?
3.) Wann wurde der Beamte über seine Arbeitszeitreduzierung informiert? War dort eine Befristung vermerkt?
4.) Was wird als Arbeitszeit auf dem Besoldungsnachweis aufgeführt? Stimmt diese mit der tatsächlichen Arbeitszeit oder der "gedachten" Arbeitszeit überein, sprich was von beidem wird dem Beamten ausgezahlt?
MasterP:
--- Zitat von: BalBund am 27.04.2020 19:51 ---Dazu fallen mir praktisch ein paar Fragen ein:
1.) wie erfolgt die Zeiterfassung in der Behörde des Beamten?
2.) Gibt es eine elektronische Auskunft/Webportal? Wenn ja, nutzt der Beamte dies für Zeitkorrekturen/Urlaub oder ähnliches?
3.) Wann wurde der Beamte über seine Arbeitszeitreduzierung informiert? War dort eine Befristung vermerkt?
4.) Was wird als Arbeitszeit auf dem Besoldungsnachweis aufgeführt? Stimmt diese mit der tatsächlichen Arbeitszeit oder der "gedachten" Arbeitszeit überein, sprich was von beidem wird dem Beamten ausgezahlt?
--- End quote ---
Hallo!
Die Fragen nach dem Zeiterfassungssystem (1.-2.) kann ich nicht beantworten, spielen meines Erachtens aber auch keine Rolle. Fest steht nur, er hätte auch früher Kenntnis erlangen können über den Fehler, hat es aber erst nach 5 Jahren bemerkt, es dann aber sofort gemeldet. Und er selbst hat den Fehler nicht verursacht.
Zu 3.: Man kann von einem der drei folgenden Szenarien ausgehen:
- Beamter hatte bei Einstellung ein Kind unter 12 Jahren und daher die Arbeitszeit auf 40 Stunden/Woche reduziert bei vollen Bezügen. Das Kind hat vor 5 Jahren das 12. Lebensjahr vollendet, der Anspruch des Beamten auf Reduzierung der Arbeitszeit von 41 auf 40 Stunden ist in dem Moment erloschen.
- Tarifbeschäftigter wurde vor 5 Jahren verbeamtet und hätte ab diesem Zeitpunkt 41 Stunden statt 39 Stunden zu leisten.
- Eine befristete Arbeitszeitreduzierung um 2 Stunden/Woche ist ausgelaufen, die Bezüge wurden plangemäß nach Ablauf der Befristung wieder auf Vollzeit hochgefahren.
Im Zeiterfassungssystem hätte es seitens der Dienststelle vor 5 Jahren eine entsprechende Umstellung der Soll-Arbeitszeit auf 41 Stunden geben müssen, die jedoch ausblieb. Die niedrigere Soll-Arbeitszeit blieb bestehen und es ist dem Beamten erst nach 5 Jahren aufgefallen, dass er eigentlich deutlich mehr Stunden hätte leisten müssen, obwohl sein Arbeitszeitsaldo aktuell +-0 aufweist. Es geht nur um 1-2 Stunden Abweichung pro Woche, also nichts was einem in jedem Fall offensichtlich sofort auffällt, wenn man sich nicht näher damit befasst. Hochgerechnet auf die 5 Jahre ergeben sich damit natürlich trotzdem hohe Summen.
Zu 4.: Laut Besoldungsnachweis beträgt die Wochenarbeitszeit volle 41 Stunden. Die Bezüge werden also voll gezahlt und es werden dennoch (unbewusst) seit 5 Jahren zu wenig Stunden geleistet.
BalBund:
nun gut, spielen wir das einmal durch: Der Beamte hat also über 5 Jahre grob 400 Stunden zu wenig gearbeitet (Annahme: 40 Wochena á 2 Stunden). Gemäß deiner Antworten hätte er erkennen können, welchen Umfang seine Dienstpflicht umfasst.
Sicherlich kann und muss er nicht jede Woche seinen Zeitsaldo abgleichen, aber zumindest gelegentlich dürfte er sein Zeitkonto geprüft haben. Hierbei hätte ihm der Umstand also auffallen müssen.
Andererseits ist der personalverantwortlichen Stelle natürlich auch ein Vorwurf zu machen, nämlich die bezügewirksame Veränderung nicht in die Zeiterfassung eingespeist zu haben.
Im Ergebnis würde ich mich als Behördenleitung hier trotzdem für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens entscheiden, da hier für rund 50 Arbeitstage die entlohnt wurden keine Gegenleistung erbracht wurde. Der Schaden für die öffentliche Hand dürfte dabei je nach Besoldungsgruppe auch schon die Schwellenwerte erreichen, die die Einschaltung der Staatsanwaltschaft zwingend vorschreiben (je nach Landesrecht).
Die Möglichkeit der Nachholung sehe ich nicht, selbst wenn man nur 3 Jahre annimmt liegen wir hier bei rund 240 Minusstunden. Da eine Konsolidierung bei festgestellten Unterschreitungen des Zeitkontos binnen 12 Monaten erfolgen soll, müsste der Beamte fortan also wöchentlich 6 Stunden mehr arbeiten. Das wären mithin 47 Wochenstunden und folglich zulässig, im Sinne einer Fürsorgepflicht und ggf. geltender DV Zeit aber kaum vorstellbar.
Daher erscheint es mir wahrscheinlicher, dass zum einen eine Rückforderung der Überzahlung für 3 Jahre geltend gemacht wird, also etwa 1,5 Monatsgehälter des Beamten und im Übrigen der Ausgang des Diszi über weitere Maßnahmen entscheidet.
2strong:
Ich schätze die Lage gegenteilig ein.
Ich sehe keine Rechtsgrundlage für den Dienstherrn, die geschuldete Zeit (jedenfalls den überwiegenden Anteil davon) nacharbeiten zu lassen. Anspruch besteht dagegen auf Rückforderung der zu viel gewährten Bezüge, § 12 BBesG.
Bei einem Zeitraum von fünf Jahren und einer nur geringfügigen Überzahlung ist der Wegfall der Bereicherung grds. zu unterstellen, vgl. VV Nr. 12.2.9 zu § 12 BBesG.
An dieser Stelle könnte die Geschichte bereits zu Ende sein.
Anders läge die Sache im Falle verschärfter
Haftung aufgrund grober Fahrlässigkeit. Ausgehend von der Sachverhaltsschilderung wird es dabei insbesondere auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beamten (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm zuerkannten Bezüge ankommen, VV Nr. 12.2.8.4 zu § 12 BBesG.
In jedem Fall ist jedoch eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, die auch das eklatante Organisationsversagen des Dienstherrn zu reflektieren haben wird, VV Nr. 12.2.12 ff. zu § 12 BBesG.
Wenn der Beamte nicht gerade selbst in der Personalverwaltung tätig war, dürfte am Ende entweder vollständig von einer Rückzahlung abgesehen werden müssen oder eine Rückzahlung auf 30% bis 70% der Gesamtforderung zu begrenzen sein, vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2013 - 3 CE 12.1928.
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