Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Stefan35347 am 24.08.2020 18:51 ---Irgendwie denke ich, dass so gut wie nichts rauskommt. Die werden wieder Mittel finden, alles zu umgehen..... Bin fast sicher.
--- End quote ---
Das habe ich bis zur aktuellen Entscheidung genauso gesehen. Diese neue Entscheidung bindet die Besoldungsgesetzgeber aber deutlich stärker als zuvor, da das entscheidende Schlupfloch, dass also nicht klar geregelt war, wie das Grundsicherungsniveau realitätsgerecht zu bestimmen ist, nun geschlossen ist.
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass auf der zweiten Prüfungsstufe ausnahmslos immer eine Gesamtabwägung aller alimentationsrelevanter Aspekte stattzufinden hat. Auch das legt die Hürde nun deutlich höher als zuvor. Denn bislang haben sich die Besoldungsgesetzgeber vielfach mit einem Kniff darumherumgedrückt, entsprechende Gesamtabwägungen zu vermeiden, indem sie so "gerechnet" haben, dass maximal nur zwei der fünf Parameter der ersten Prüfungsstufe überschritten waren, sodass sie die Vermutung einer Unteralimentation dann gar nicht erst aussprachen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung von Zahlenwerten und Indices bei den Berechnungen innerhalb der ersten Prüfungsstufe relativiert, sodass auch von dieser Seite mathematische Tricksereien eine geringere bis (das wäre schön) gar keine Bedeutung mehr haben (können/könnten).
Und schließlich führt eine mangelhafte Prozeduralisierung - also eine unzureichende Begründung, sei es, dass nötige Zahlenwerte zur Prüfung des Gesetztes gar nicht erst genannt werden oder Prüfungsschritte nicht vollzogen werden oder nötige Abwägungen unterlassen werden - unabhängig vom materiellen Gehalt des Gesetzes automatisch dazu, dass das Gesetz verfassungswidrig ist.
All das kann nun auf der Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingefordert werden, bedarf also keiner langen (Instanzen-)Wege mehr. Auch das dürfte nach und nach dazu führen, dass sich die Besoldungsgestzgeber zukünftig stärker am Riemen reißen werden...
... und dass sie natürlich weiter zu tricksen versuchen werden, liegt auf der Hand: Denn dafür geht auch zukünftig um zu hohe Personalkosten ... aber wiederkehrend in dem Medien auftauchend, weil man wiederkehrend vor den Verwaltungsgerichten Niederlagen bezieht und dann seine Gesetze ändern muss, dürfte auch nicht so angenehm sein.
Stefan35347:
Danke für Deine immer sachlichen und ausführlichen Antworten @SwenTarnotsch
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Stefan35347 am 24.08.2020 21:21 ---Danke für Deine immer sachlichen und ausführlichen Antworten @SwenTarnotsch
--- End quote ---
Gern geschehen, Stefan!
WasDennNun:
--- Zitat von: SwenTanortsch am 24.08.2020 18:53 ---Allerdings kann der Familienzuschlag selbst bei recht vielen Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe kaum so hoch bemessen sein, dass die Nettoalimentation höher liegt als die Nettoalimentation eines unverheiratete Beamten ohne Kinder, der sich in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 14 befindet. Das wäre vielleicht möglich, aber dann müssten schon sehr viele Kinder zur Welt gekommen sein, die allesamt ernähert werden und deshalb ihre Berücksichtigung im Familienzuschlag finden müssen.
--- End quote ---
4-5 Kinder ist zwar viel aber mitnichten sehr viel!
Guckst Du A4 5Kids:
41643.36
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2020&g=A_4&s=1&f=6&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2020&stkl=3&r=0&zkf=5
A14:39916.23
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2020&g=A_14&s=1&stkl=1&r=&kk=15.5&z=100&zkf=&f=0&zulage=&zulageid=&stj=2020&zv=VBL
Oder A5er 4 Kinder (38256€) erreicht schon den höheren Dienst A13 (38373€)
Bleibt die Frage wann ein Familienernährer und ein unverheirateter Beamter mit Blick auf ihren Familienstand wesentlich Ungleiche sind.
Von daher glaube ich, dass da am Famzuschlag durchaus noch höher gedreht werden kann, als ich oben geschrieben habe. Auch im Hinblick, dass ja offensichtlich die Grundbesoldung für Singles nicht verfassungswidrig ist bzgl. der Mindestalimentation.
Also nochmals 300€ mehr Famzuschlag und die restlichen 200€ auf die unteren Stufen verteilen (oder A4 und Eingangsstufen auflösen) und die Stufen 8 von der Grundbesoldung unverändert lassen wird wohl das Ergebnis werden.
Natürlich muss der Gesetzgeber (sofern er zur Kompensation die oberen Stufen weniger stark steigen lässt und horizontal die Stufen verdichtet) aufpassen, dass nicht der A4er Pensionär unter die Mindestalimentation fällt.
Edit:
Und spannend finde ich ob und wie er einen Ortszuschlag einbauen wird/kann, was ja gerade für den Bund extrem grundbesoldungsrelevant wird.
SwenTanortsch:
--- Zitat von: WasDennNun am 25.08.2020 06:58 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 24.08.2020 18:53 ---Allerdings kann der Familienzuschlag selbst bei recht vielen Kindern in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe kaum so hoch bemessen sein, dass die Nettoalimentation höher liegt als die Nettoalimentation eines unverheiratete Beamten ohne Kinder, der sich in der Eingangsstufe der Besoldungsgruppe A 14 befindet. Das wäre vielleicht möglich, aber dann müssten schon sehr viele Kinder zur Welt gekommen sein, die allesamt ernähert werden und deshalb ihre Berücksichtigung im Familienzuschlag finden müssen.
--- End quote ---
4-5 Kinder ist zwar viel aber mitnichten sehr viel!
Guckst Du A4 5Kids:
41643.36
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2020&g=A_4&s=1&f=6&z=100&zulageid=10.1&zulageid=10.2&zulage=&stj=2020&stkl=3&r=0&zkf=5
A14:39916.23
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2020&g=A_14&s=1&stkl=1&r=&kk=15.5&z=100&zkf=&f=0&zulage=&zulageid=&stj=2020&zv=VBL
Oder A5er 4 Kinder (38256€) erreicht schon den höheren Dienst A13 (38373€)
Bleibt die Frage wann ein Familienernährer und ein unverheirateter Beamter mit Blick auf ihren Familienstand wesentlich Ungleiche sind.
Von daher glaube ich, dass da am Famzuschlag durchaus noch höher gedreht werden kann, als ich oben geschrieben habe. Auch im Hinblick, dass ja offensichtlich die Grundbesoldung für Singles nicht verfassungswidrig ist bzgl. der Mindestalimentation.
Also nochmals 300€ mehr Famzuschlag und die restlichen 200€ auf die unteren Stufen verteilen (oder A4 und Eingangsstufen auflösen) und die Stufen 8 von der Grundbesoldung unverändert lassen wird wohl das Ergebnis werden.
Natürlich muss der Gesetzgeber (sofern er zur Kompensation die oberen Stufen weniger stark steigen lässt und horizontal die Stufen verdichtet) aufpassen, dass nicht der A4er Pensionär unter die Mindestalimentation fällt.
Edit:
Und spannend finde ich ob und wie er einen Ortszuschlag einbauen wird/kann, was ja gerade für den Bund extrem grundbesoldungsrelevant wird.
--- End quote ---
"Bleibt die Frage wann ein Familienernährer und ein unverheirateter Beamter mit Blick auf ihren Familienstand wesentlich Ungleiche sind."
Juristisch gesehen sind sie es automatisch dann, wenn sich ihr Familienstand ändert, denn dann sind sie wesentlich Ungleiche.
Mathematisch betrachtet, sind die Fallbeispiele richtig und schlüssig. Aber Du denkst weiterhin so, dass Du den Besoldungsgesetzgebern unterstellst, dass sie unter allen Umständen die Besoldung für ledige Beamte auf den niedrigsten Betrag drücken woltlen.
Die Befürchtung ist nicht verkehrt, aber meiner Meinung nach insgesamt in einer stärkeren Form doch unrealistisch.
Zum einen sind eben die genannten Wirkungen zu beachten, sie schränken den Ermessensspielraum der Besoldungsgesetzgeber nicht gering ein. Denn der ursprünglich zweckgebundene Charakter der sozialgesetzlichen Festsetzung des Grundsicherungsniveaus wirkt ja weiter fort. Wenn es den Besoldungsgesetzgebern also bislang schon möglich gewesen wäre, innerhalb des weiterwirkenden zweckgebundenen Charakters das Grundgehalt weiter zu senken, dann wäre das - davon gehe ich aus - auch geschehen.
Denn zum anderen sind die Besoldungsgesetzgeber in den verschiedenen Ländern - das kann man in ihren Gesetztesbegründungen nachlesen - streckenweise mathematisch sehr kreativ gewesen, um zu dokumentieren oder genauer zu suggerieren, dass die Alimentation in der untersten Besoldungsgruppe deutlich weiter als 15% oberhalb der Mindestalimentation liegt. Das diente insbesondere zur Beruhigung der Gewerkschaften und Verbände, aber natürlich auch dazu, das eigene Image aufzupolieren und die eigenen Beamten zu beruhigen bzw. ruhig zu halten.
Jedoch hat bislang kein Land solche Phantasiewerte genutzt, um die Grundbesoldung noch weiter nach unten zu schrauben. Erstens dürfte ihnen das juristisch zu heikel gewesen sein, weil denen, die solche Berechnungen anstellen, ja klar war, dass sie sich damit offensichtlich sogleich in die Verfassungswidrigkeit hineinkicken. Zweitens wäre das für sie auch aus praktischen Gründen heikel gewesen.
Denn die Länder stehen ja tatsächlich zunehmend nicht nur miteinander, sondern insbesondere auch mit der freien Wirtschaft in Konkurrenz um Fachkräfte. Die weiterhin recht aktuelle pwc-Studie hinterlässt, was man so hört, doch auch einige Spuren (https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-dienst.html) - insbesondere in jenen Flächenländern, die niedrig besolden. Denn denen fällt es immer schwerer, den Fachkräftemangel insbesondere in ihren ländlichen Regionen auszugleichen.
Und schließlich gibt es so etwas wie die normative Kraft des Faktisch, d.h., jeder der Besoldungsgesetzgeber möchte zwar Personalkosten sparen - aber keiner der sein, der an letzter Stelle der Besoldungshöhe steht: Berlin hatte da lange Zeit den Vorteil, dass es den Hauptstadt-Bonus hat, den es auch weiterhin haben wird. Jedoch schwindet auch und gerade in Berlin der weitere Vorteil der Vergangenheit, nämlich die auf's Ganze gesehen verhältnismäig niedrigen Wohnkosten. Da sich das auch dort ändert - eines, wenn nicht das entscheidende Signal der aktuellen BVerfG-Entscheidung -, wird auch das Land Berlin zunehmend bessere Gehälter zahlen müssen, um die benötigten Fachkräfte zu rekrutieren.
Damit beginnen nun keine seeligen Zeiten im öffentlichen Dienst, die Besoldungsgesetzgeber werden weiterhin versuchen, von einem nötigen höheren Besoldungsniveau aus, zu dem sie nun juristisch gezwungen sind, Personalkosten zu sparen, und doch ist die Entscheidung eine positive Botschaft: Die Besoldung wird zukünftig flächendeckend steigen - und wenn davon insbesondere auch und gerade Beamtenfamilien profitieren, umso besser. Denn sie benötigen einen größeren Wohnraum, sind also tatsächlich auch maßgeblich davon betroffen, dass das Verfassungsgericht die Besoldungsgesetzgeber nun dazu zwingt, Unterkunftskosten stärker zu beachten.
Navigation
[0] Message Index
[#] Next page
[*] Previous page
Go to full version