Beamte und Soldaten > Beamte der Länder

[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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SwenTanortsch:
Immer das Positive sehen, Bernd: Wir warten doch erst seit 15 Jahren darauf, dass es wieder eine verfassungskonforme Besoldung gibt, Widerspruch ist eingelegt und wenn es dann zur Nachzahlung kommt, werden die Enkel zunächst wissen, dass es richtig vom Dienstherrn war, die Widersprüche ruhend zu stellen und dass es ansonsten ebenfalls richtig vom weiteren Herrn war, auch uns zwischenzeitlich ruhend gestellt zu haben, und dann werden sie auf unseren Gräbern tanzen...

Bastel:
Muss die Nachzahlung eigentlich mit 6% verzinst werden?

SwenTanortsch:

--- Zitat von: Bastel am 01.09.2020 09:07 ---Muss die Nachzahlung eigentlich mit 6% verzinst werden?

--- End quote ---

Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Verzinsung, sofern Zahlungsansprüche gegen den Dienstherrn gegeben sind. Das ist zwar für aktive Beamte bislang nirgends rechtlich geregelt (glaube ich). Allerdings heißt es in § 49 Abs. 5 Beamtenversorgungsgesetz: "Werden Versorgungsbezüge nach dem Tag der Fälligkeit gezahlt, so besteht kein Anspruch auf Verzugszinsen." Entsprechend wird auch bei aktiven Beamten verfahren und von den Gerichten entschieden.

Anders sieht es im Falle der Klageerhebung aus: Sofern diese Erfolg hat, sind vom Dienstherrn Prozesszinsen zu zahlen, die fünf Prozent über den Basiszinssatz liegen.

WasDennNun:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 31.08.2020 17:16 ---
--- Zitat von: WasDennNun am 31.08.2020 13:09 ---Wo unterschreiten denn kinderlose Beamte die Mindestalimentation?

--- End quote ---

Das Problem zeigt sich in der letzten Frage, wie ich irgendwie nicht verständlich machen kann:

Kein kinderloser Beamter unterschreitet die Mindestalimentation, auch kein verheirateter ohne bzw. mit einem oder mehr als zwei Kindern unterschreitet sie.

--- End quote ---
Doch! Das ist ein fehlerhafte Gedanke und falsche Prämisse die du da im Kopf zuhaben scheinst.
Dazu aber weiter unten.
Es wurde noch nicht vom Gericht festgestellt, aber es gibt auch Beamte ungleich 2 Kinder die die Mindestalimenation unterschreiten.
Und natürlich muss die zukünftige Besoldung alle Beamte dafür sorgen, dass diese Untergrenze nicht unterschritten wird.

--- Zitat ---Die Mindestalimentation bezieht sich ausschließlich auf einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern - und wenn seine Nettoalimentation die Mindestalimentation unterschreitet, ist das ein gewichtiges Indiz dafür, dass das Besoldungsgefüge als Ganzes nicht verfassungskonform ist - oder in den Worten des Bundesverfassungsgerichts:

--- End quote ---
Auch ein - meiner Meinung nach - fehlerhafter Gedanke. Das Gericht hat exemplarisch anhand einer Konstellation gezeigt, dass die Nettoalimentation die Mindestalimentation unterschreitet und damit die Verfassungswidrigkeit festgestellt.

Der Umkehrschluss, dass die anderen Familienkonstellationen verfassungskonform sind ist natürlich falsch. (s.u.)

--- Zitat ---Von dieser einzigen Mindestalimentation als Ausgangsbasis hat der Gesetzgeber - wenn selbst die Alimentation der in der Besoldungsgruppe A 11 eingruppierten verheirateten Beamten mit zwei Kindern deren Nettohöhe nicht erreicht - ein offensichtlich neues Besoldungsgefüge zu entwickeln.
--- End quote ---
Eben Besoldungsgefüge!

--- Zitat ---Dabei muss er u.a.

- die zweckgebundenen Wirkungen aus der ursprünglich sozialrechtlich bestimmten Grundsicherung,
- das Grundgehalt als dominanten Faktor,
- das Zulagenwesen als Detailregelung,
- den Gleichheitsgrundsatz für alle nach innen (auf die Beamten und ggf. ihre Familien) und außen (gegenüber allen, die keine Beamte sind)

beachten.

--- End quote ---
Frage: Wann ist das Grundgehalt nicht mehr ein dominanter Faktor? wenn er kleiner 50% ist? Wo wurde das definiert?
Frage: Wo hat das BVerG das festgeschrieben, dass das Grundgehalt der dominante Faktor sein muss?
Und der Gleichheitsgrundsatz wird mEn dadurch mitnichten berührt.
a) Wo doch jetzt schon ein A4er mit 4 Kinder eine Nettoalimenation bekommt wie ein A12er.
(Wenn man dem Rechner hier glauben darf)
Das wurde noch nicht beanstandet, also ist da noch Luft nach oben.
b) Und auch im jetzt sind ja schon Beamtenkinder und Ehepartner bevorteilt gegenüber den Nichtbeamten, dass wurde bisher auch noch nicht als verfassungswidrig angesehen, also glaube ich nicht daran, dass es verfassungswidrig ist, wenn der höhere Alimentationsbedarf von Beamten mit Kinder über ein angemessenen (und nicht willkürlichen) Anhebung der Zuschläge erreicht wird.

Wie ich in oben ausführte würde ja alleine die Anpassung der Zuschläge für Kind 1 und 2 schon 50% der Lücke zur Mindestalimentation füllen. Und da würde ja "nur" Kind 1 und 2 dem Kind 2+ gleichwertig betrachtet werden.
Dazu muss man aber eben (und darauf weist das Urteil ja auch hin) von dem Gedanken abweichen (und dies wird ja in die Gesetzesbegründung auch angesprochen), dass das Grundgehalt eine 4k Familie alimentieren soll.

--- Zitat ---Wenn es ihm dabei gelingt das Grundgehalt für alle Beamten so zu belassen, wie es jetzt ist, und zugleich nur die Familienzuschläge für die Beamtenfamilien mit Kindern um deutlich mehr als zehntausend Euro zu erhöhen, dann schafft er meiner Meinung nach einen Golem oder die eierlegende Wollmilchsau.

--- End quote ---
Ja hier sind wir halt unterschiedlicher Meinung, wenn man fordert, dass der Beamte stets eine angemessen Alimentation für sich und seine Familie hat, dann kann das nur über eine angemessen Anpassung der Familienzuschläge führen. Und wenn man die Forderung berücksichtigt, dass das Mindesabstandsgebot für alle Konstellationen eingehalten werden muss, dann geht es nicht ohne hohe Familienzuschläge in

--- Zitat ---Du schreibst nun:

"Nein umgekehrt, Beamtenkinder bekommen kein Harz4 oder andere staatliche Zuwendungen, deswegen muss ja die Alimentation für die Beamtenkinder reichen, damit sie auf das gleiche Niveau gehoben werden."

Diese Sichtweise ist aber sachlich nicht richtig: Das Kindergeld ist kein Teil der Grundsicherung (also kein Teil dessen, was gemeinhin als "Harz4" bezeichnet wird), sondern rechtlich ein Teil des Familienleistungsausgleichs, der in Deutschland dafür sorgen soll, dass der finanzielle Mehraufwand für Unterkunft und (Aus-)Bildung aller Familien mit Kindern ausgeglichen wird. Von daher erhalten Grundsicherungsempfänger mit Kindern gerade kein Kindergeld, sondern das Existenzminimum definiert mit Blick auf die Kinder genau jenen Betrag der steuerlich freigestellt wird und gewährt Grundsicherungsempfängern dann die entsprechenden Regelleistungen.

--- End quote ---
H4ler bekommen meines Wissens nach Kindergeld, dieses wird jedoch bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses mit eingerechnet.


--- Zitat --- Wenn also nun die Lebenshaltungskosten für Kinder in Deutschland massiv steigen, dann kann der Gesetzgeber darauf reagieren, indem er das Kindergeld massiv erhöht, um damit für alle Familien den finanziellen Mehraufwand für Unterkunft und (Aus-)Bildung auszugleichen - er kann auch darauf reagieren, indem er das Kindergeld nur bedingt erhöht, wovon ebenfalls alle Familien betroffen wären.

--- End quote ---
Ja, und? Er muss aber den Bedarfsatz für die Kinder erhöhen, unabhängig vom Kindergeld.

--- Zitat ---
Eines kann der Gesetzgeber im zu beachtenden rechtlichen Rahmen aber nicht: Er kann nicht eine massive Erhöhung der Lebenshaltungskosten für Kinder in Deutschland feststellen, das Kindergeld nicht erhöhen, dann aber die Familienzuschläge für Beamte mit Kindern massiv erhöhen und das mit der massiven Erhöhung der Lebenshaltungskosten für Kinder in Deutschland begründen. Denn damit würde er - wie vorhin dargelegt - den Beamten mit Kindern ein Privileg gewähren, das verfassungswidrig wäre, da er wesentlich Gleiches nicht gleich behandeln würde.

--- End quote ---
Siehst, dass verlange ich doch nicht,
aber so wie in einer solchen Situation der Bedarfsatz der H4ler für seine Kinder steigt, in dem Masse muss zwingend der Kinderzuschlag für Beamte erhöht werden (also werden sie ja gleich behandelt), damit die Mindestalimenation nicht unterschritten wird.
(Gleiches gilt für Wohnraum)

--- Zitat ---
Also müsste er die massive Erhöhung des Familienzuschlags - dessen tatsächlicher Grund die Einsparung von Personalkosten ist - anderweitig begründen. Da ein entsprechender sachlicher Grund aber nicht zu finden ist, wäre das ganze Unterfangen zum Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht verdammt - mit allen Folgen, die ich vorhin schon beschrieben habe.

--- End quote ---
Nein, das ist doch falsch.
Die Erhöhung des Familienzuschlages ist alleinig durch den höheren Bedarf einer Familie begründet und hat überhaupt nichts mit Personalkosteneinsparung zu tun und würde auch nicht damit begründet werden.

Hier noch mal Rn47 und was ich daraus ableite:
--- Zitat ---
Beim Mindestabstandsgebot handelt es sich – wie beim Abstandsgebot – um einen eigenständigen, aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grundsatz. Es besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (vgl. BVerfGE 81, 363 <378>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>). Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt (vgl. BVerfGE 81, 363 <382 f.>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>). Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.
--- End quote ---


Die Berechnungsgrundlage für die Mindestalimenation wird durch das Gericht ja definiert (im Urteil anhand von der 4k Familie errechnet und gezeigt)

Die Mindestalimentation muss also für ALLE Familienkonstellationen erreicht werden, egal ob Single ohne Kinder oder Familie mit 10 Kinder! (und nicht nur für die 4k Familie)
Denn es kann ja nicht sein, dass ein Beamter in der niedrigste Besoldungsgruppe/Stufe nur so viel Netto hat wie ein H4 Bezieher!
Nein, er muss 15% darüber liegen.

Und wenn man deinen Ausführungen folgen würde, dann soll dies durch eine Erhöhung der Grundbesoldung erfolgen.
Wenn man also nur die Grundbesoldung um 10T€ erhöht (und damit die 4k Familie Safe macht), dann könnte der A4er mit seinen 10 Kinder daher kommen und klagen, das bei ihm nicht das Mindestabstandsgebot erfüllt wird.
Das nenne ich eine Besoldungsstruktur, die ein Golem ist.
Denn die 280€ pro Kind mehr reichen bei weitem nicht um die Steigerung der Bedarfe für Kind, Wohnung, Teilhabe auszugleichen.
(Regelbedarf Kinder  250€ bis 5 Jahre, 308€ 6-13, 328€ bis 18, allein daran sieht man den zu niedrigen Ansatz, dazu kommt ja noch Unterkunft (min 93,60€ Steigerung ab 5. Person), Teilhabe...)
Deswegen muss logischerweise eben der Familienzuschlag für Kinder so hoch sein, dass sie eben diese Steigerung ausgleichen, alles andere führt zu einer (rechnerisch denkbaren) Konstellation, die verfassungswidrig ist.

Die Mindestalimenation ist (vereinfacht gesagt, ab 5. Person) eine Gerade, die konstant steigt je mehr Kinder man hat.

Das ist simple Mathematik, denn zwei Geraden die nicht parallele laufen schneiden sich irgendwo.

Wenn du jedoch sagst, ein Beamte mit X Kinder darf durchaus weniger als ein H4er Netto haben, dann ist alles gut. Ich lese aber aus Rn47 was anderes heraus.
(Und X würde dann den Schnittpunkt der beiden Geraden darstellen.)

Ergo:
Wenn also der Beamte soviel mehr an Alimenation pro Kind bekommt, wie er als H4ler an Staatshilfe bekommen würde, dann sehe ich
a) kein Willkürlicher Familienzuschlag, sondern eine dem BVerG folgende Systematik
b) keine Ungleichbehandlung zu den Nichtbeamten (denn die würden es ja auch bekommen)
c) keine Ungleichbehandlung zu den Beamten, denn er hat ja rechnerisch Netto nicht mehr für sich, als der Kinderlose.
Alternative:
Wenn der Familienzuschlag nicht so ausgestaltet werden kann (aus besoldungsrechtlichen oder anderen Gründen), dann muss die Grundbesoldung so hoch sein, dass nicht der Fall eintritt, dass ein Beamter A4S1 mit X Kindern unterm Mindestabstand liegt.
Zur Erinnerung:
Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt
und dieser Satz gilt nicht nur für 2k Familien
Denn wenn man jetzt die Grundbesoldung ohne Änderung der Fambeiträge so anhebt, dass der A4s1 2 Kinder den Mindestabstand einhält (10T€ war da ja in Berlin zu erarten, oder?), fehlen mindestens 150€ Netto monatlich für den mit 3 Kinder, 300 für den mit 4 .....


Also freut euch auf die Anhebung der Grundbesoldung und hofft, dass jemand mit x+1 Kinder klagt, dass diese Besoldung verfassungswidrig ist, damit sie noch weiter angehoben wird.

SwenTanortsch:
Machen wir es noch einmal Schritt für Schritt, damit es nicht immer noch länger wird; denn dann verhaken wir uns inhaltlich nur noch immer mehr.

Also erster Schritt, Du schreibst:

"Doch! Das ist ein fehlerhafte Gedanke und falsche Prämisse die du da im Kopf zuhaben scheinst.
Dazu aber weiter unten.
Es wurde noch nicht vom Gericht festgestellt, aber es gibt auch Beamte ungleich 2 Kinder die die Mindestalimenation unterschreiten.
Und natürlich muss die zukünftige Besoldung alle Beamte dafür sorgen, dass diese Untergrenze nicht unterschritten wird."

Hier wie auch zuvor und danach durchmischt Du wiederkehrend ökonomische und juristische Ebenen, was dazu führt, dass wir beständig aneinander vorbei sprechen.

Ökonomisch wird es ganz sicherlich viele Beamte geben, die unteralimentiert sind - aber verfassungsrechtlich und folglich juristisch geht es zunächst um etwas anderes, was Du, wenn ich das richtig sehe, nicht präzise zur Kenntnis nimmst, wodurch Du beständig die Intention des Verfassungsgerichts unterläufst:

Das Verfassungsgericht hat mit dem Konstrukt der Mindestalimentation eine Definition geschafft, von der aus es erstens bemisst, ob der 15%ige Abstand zum Grundsicherungsniveau gewährleistet ist, und der für den Besoldungsgesetzgeber zweitens als juristisch einzig gegegenen Ausgangspunkt zum Aufbau der von ihm zu gewährleistenden Besoldungssystematik zu dienen hat.

Die Mindestalimentation ist definiert als ebenjener 15%ige Abstand zum Grundsicherungsniveau und wird ausschließlich anhand eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern bemessen, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet.

Nur dieser einzige und kein anderer Ausgangspunkt ist juristisch beim Aufbau der Besoldungssystematik zu beachten. Jede weitere Bemessung der Alimentation an einer anderen Gruppe (ob ledig oder verheiratet ohne oder mit einem oder drei oder noch mehr Kindern) kann man tätigen - das hat aber juristisches nichts mit der Mindestalimentation zu tun. Diese bemisst sich ausschließlich anhand des verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet.

Wenn Du also wiederkehrend davon ausgehst, dass man "Mindestalimentationen" anderer Gruppen (eben von Ledigen oder Verheirateten ohne oder mit einem oder mehr als zwei Kindern) berechnen könnte, dann ist das ökonomisch natürlich möglich - es hat aber juristisch keine Relevanz: Denn es gibt keine juristische Relation zwischen beispielsweise dem Grundsicherungsniveau von ledigen Grundsicherungsempfängern und der Nettoalimentation von ledigen Beamten, die sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befinden - es gibt nur den einen einzigen Vergleichsmaßstab der jeweils vierköpfigen Familien. Juristisch gesehen hat alles andere keine Relevanz, da juristisch keine Relationen gegeben sind - und es sie auch niemals gegeben wird, weil eben die vierköpfige Familie - wie anderweitig gezeigt - das historisch gewachsene Maß ist.

Innerhalb dieser Beachtung kann nun geprüft werden, bis welche Besoldungsgruppen hinauf die Nettoalimentation von einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der zweitniedrigsten, drittniedrigsten, viertniedrigsten... Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, ebenfalls die Mindestalimentation unterschreiten. Da es juristisch keine andere Mindestalimentation gibt als diesen einen Ausgangspunkt des verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, führt das Verfassungsgericht an ihm weiter aus:

"Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen." (Rn. 48)

Wenn also anhand der juristisch einzigen Mindestalimentation für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, eine in verfassungswidriger Weise zu geringe Nettoalimentation festgestelt wird, muss der Besoldungsgesetzgeber eine neue konsistente Besoldungssystematik beschließen. Beim Aufbau dieser dann neu zu erstellenden konsistenten Besoldungssystematik hat er "einen weiten Gestaltungsspielraum, wie er bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung trägt" (Rn. 49). Dieser weite Gestaltungsspielraum gilt insbesondere mit Blick darauf, ob "eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt" (ebd.).

Hier geht es also weiterhin darum, dass der Besoldungsgesetzgeber grundsätzlich zunächst weiter gezwungen bleibt, die verheirateten Beamten mit zwei Kindern, die sich jeweils in der Eingangsstufe unterschiedlicher Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A befinden, miteinander in Relationen zu bringen. Trotz des weiten Gestaltungsspielraums wird zugleich deutlich, worum es insgesamt geht: Wenn der Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in der untersten Besoldungsgruppe anhand des betreffenden verheirateten Beamten mit zwei Kindern festgestellt wird, dann muss das zwar nicht zwangsläufig zur Erhöhung des Grundgehaltssatzes in der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A führen; aber das Grundgehalt ist es, den das Verfassungsgericht in erster Linie - eben als dominater Faktor der Besoldung - in den Blick nimmt; deswegen wird es hier explizit hervorgehoben; und alles andere wäre auch verwunderlich, eben weil das Grundgehalt in ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der dominante Faktor ist und das Zulagenwesen eine Detailfrage.

Dabei ist nun zweierlei möglich: Wenn die Erhöhung des Grundgehaltssatzes in der untersten Besoldungsgruppe nur minimal ausfallen muss, dann kann es erstens sein, dass das zu keiner Erhöhung der Grundgehaltssätze  einer höheren Besoldungsgruppe führen muss, weil durch die geringe Erhöhung des Grundgehaltssatzes der untersten Besoldungsgruppe das Abstandsgebot zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen nicht verletzt wäre (vgl. Rn. 45); und zweitens kann das dazu führen - je nachdem, welche Wirkung die ursprünglich sozialrechtliche Bestimmung des Grundsicherungsniveaus hat -, dass die minimale Erhöhung verfassungskonform auch mittels Zuschläge an einzelne Gruppen oder generell beihilferechtlich gewährt werden kann.

Anders sieht es jedoch dann aus, wenn die Mindestalimentation eben nicht nur in der Nettoalimentation der untersten Besoldungsgruppe unterschritten wird, sondern wenn das auch für die darüber liegenden Besoldungsgruppen der Fall ist - und das wird wie gehabt, eben um einen festen Vergleichsmaßstab als Ausgangspunkt zu haben, anhand der Nettoalimentation eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangsstufe der jeweils höheren Besoldungsgruppen befindet, bemessen.

Unterschreiten also nicht nur die Nettoalimentation eines verheirateten Beamten mit zwei Kindern, der sich in der Eingangstufe der untersten Besoldungsgruppe der Besoldungsordnung A befindet, sondern auch die darüber liegenden Nettoalimentationen von verheirateten Beamten mit zwei Kindern, die sich also jeweils in der Eingangsstufe der höheren Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A befinden, die Mindestalimentation, dann ist das Folgende zu beachten:

"Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können." (Rn. 49)

Mit dem "gesamten Besoldungsniveau" erfolgt nun aber keine Differenzierung - sondern das zielt offensichtlich auf den undifferenzierten Teil der Besoldung ab, eben das Grundgehalt (alle über das Grundgehalt hinausgehenden Faktoren differenzieren die Bruttobesoldung und in deren Gefolge die Nettolimentation). Denn das gesamte Besoldungsniveau ist eben nicht an Zuschlägen allein zu bemessen, da diese die Besoldung differenzieren, sie aber nicht grundlegen. Vielmehr ist also offensichtlich zu beachten, dass, wenn das gesamte Besoldungssystem betroffen ist, dass dann auch und gerade die Grundgehaltssätze als der dominante Faktor der Besoldung betroffen sein müssen. Anders kann man meiner Meinung nach - unabhängig von den vielen weiteren bereits genannten zu beachtenden juristischen Regelungen - die Passage als Ganze nicht verstehen:

"Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, wie er bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht (vgl. BVerfGE 140, 240 <287 Rn. 94>). Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen ist." (Rn. 49)

Ein Verstoß um netto jeweils fast 10.000,- Euro in den 2012 bis 2015 (Rn. 153 f.) ist aber nun ein so massiver Verstoß, dass es völlig ausgeschlossen ist, diesen allein durch die Differenzierung der Besoldung anhand von Zuschlägen zu heilen, da von jenen immer nur Teile der Beamtenschaft betroffen sind, die Besoldungspraxis aber als Ganzes verfassungswidrig ist.

Und falls Dich das weiterhin nicht überzeugt, dann lies noch einmal die abschließende Passage des Beschlusses, die ebenfalls keinen Zweifel daran lässt, dass nicht eine Detailregelung wie der Familienzuschlag, sondern die gesamte Besoldung aller Richter und Staatsanwälte (und nicht nur der verheirateten mit Kindern) in drastischer Weise verfassungswidrig ist (Rn. 177-179); denn wäre das nicht der Fall, dann hätte das das Verfassungsgericht auch entsprechend vermerkt:

"dd) In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen war.

3. Kollidierendes Verfassungsrecht vermag die Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus nicht zu rechtfertigen. Insbesondere hat das Land Berlin weder im Ausgangsverfahren noch in seiner Stellungnahme dargetan, dass die teilweise drastische Abkopplung der Besoldung der Richter und Staatsanwälte von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin, wie sie nicht zuletzt in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck gekommen ist, Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wäre, bei dem die Einsparungen – wie es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist (vgl. BVerfGE 149, 382 <395 Rn. 19>) – gleichheitsgerecht erwirtschaftet werden sollten. Dies ist aber Voraussetzung dafür, eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung (Art. 109 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 143d Abs. 1 GG) zu rechtfertigen.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die vom Land Berlin in Bezug genommenen Dokumente eine hinreichende Definition des Sparziels und eine nachvollziehbare Auswahl der für erforderlich erachteten Maßnahmen erkennen lassen. In der Finanzplanung des Landes Berlin 2003 – 2007 wurde die 'Strategie zur Absenkung der Personalausgaben' dahin umschrieben, dass der Personalbestand global auf 100.000 Vollzeitäquivalente abgebaut und die Personalausgaben um jährlich 250 beziehungsweise 500 Millionen Euro vermindert werden sollten. Als konkrete Maßnahmen wurden der im Anwendungs-TV Land Berlin vereinbarte 'Tausch von Entgelt gegen Freizeit' benannt, der zu einer Absenkung der Lohnsumme um 10 % führe, sowie die Streichung des Urlaubsgelds und die Absenkung der Sonderzuwendung. Abgesehen davon, dass der Aufbau erheblicher Arbeitszeitguthaben bei den Tarifbeschäftigten unerwähnt blieb, wurden die erzielten Einsparungen weder quantifiziert noch miteinander oder mit der Entwicklung anderer Ausgabenposten ins Verhältnis gesetzt.

Jedenfalls steht einer Rechtfertigung der Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus entgegen, dass nicht einmal der Versuch unternommen wurde, die Einsparungen gleichheitsgerecht zu erwirtschaften. Im ersten gemäß der Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 des Stabilitätsratsgesetzes vom 10. August 2009 (BGBl I S. 2702) erstellten Bericht wurde hinsichtlich der Begrenzung der Personalausgaben nur mitgeteilt, dass am genannten Ziel der Absenkung des Personalbestands festgehalten und hierfür die natürliche Fluktuation genutzt werde. Der zweite Bericht bezifferte die Einsparungen, die 2013 und 2014 durch Absenkung des Besoldungs- beziehungsweise Entgeltniveaus im Bereich der Beamten und der Tarifbeschäftigten erzielt werden sollten. Während die geplanten Einsparungen bei den Beamten mit einer im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt rund 6,8 % niedrigeren Besoldung erklärt wurden, wurde zugleich hinsichtlich der Tarifbeschäftigten mitgeteilt, dass zum Oktober 2011 das Entgeltniveau auf 97 % des TV-L angehoben worden sei und der verbliebene Abstand in den Folgejahren sukzessive abgebaut werde. In den Finanzplanungen 2010 bis 2014 und 2013 bis 2017 wurde wiederum nur pauschal ein Konsolidierungsbeitrag durch Reduzierung der Neueinstellungen beziehungsweise durch Begrenzung der Personalausgaben ausgewiesen. Diese Finanzplanung bestätigt den auf der ersten Prüfungsstufe gewonnenen Eindruck, dass das Land Berlin die Besoldung sehenden Auges hinter die von ihm ausgehandelten Tariflöhne hat zurückfallen lassen."

Ergo: Solange Du jeweils nicht konkret anhand der vom Verfassungsgericht entwickelten Vorgaben handelst, kommst Du zu vielleicht wünschenswerten Vorstellungen - aber verfehlst jene Vorgaben oder den verfassungsrechtlichen Rahmen, den das Gericht den Besoldungsgesetzgebern aufzeigt.

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