Beamte und Soldaten > Beamte der Länder
[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
lotsch:
Soweit es mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist, dürfen Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Bestimmung der Amtsangemessenheit herangezogen werden (Umkehrschluss aus dem unten stehenden Leitsatz), und sie werden auch herangezogen (siehe Rd.Nr. 120)
Urteil des Zweiten Senats vom 27. September 2005
- 2 BvR 1387/02 -
Leitsatz:
Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung können zur Bestimmung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge und zur Rechtfertigung von deren Absenkung nur herangezogen werden, soweit dies mit den strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme vereinbar ist.
c) Die absehbare Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung des Alterseinkommens der Rentner, nicht jedoch wegen des Anstiegs der Versorgungsausgaben gerechtfertigt. Die Reform der Beamtenversorgung geht zwar über die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Rentenreform 2001 hinaus. Sie hält sich aber noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums. Rd.Nr. 120
InternetistNeuland:
--- Zitat von: InternetistNeuland am 12.08.2024 18:30 ---
--- Zitat von: HansGeorg am 12.08.2024 16:35 ---Naja grundsätzlich wirkt es sich ja sofort auch auf die Versorgungsbezüge aus, wenn das BVerfG die Besoldung durch Urteil insgesamt anhebt. Fraglich ist dann, gab es schon Gerichtsurteile oder Verfahren oder hergebrachten Grundsatz zur Prozentualen Versorgung in Abhängigkeit zur den Besoldungen? Sonst können die diese dann ja einfach frei runter senken um den Versorgungsempfängern nicht mehr zahlen zu müssen.
--- End quote ---
Eigentlich ist es doch einfach.
Pensionär muss 115% über Grundsicherungsniveau erhalten.
Geburtsjahr 1957 Dienstbeginn 1977 Pension in 2024 A3 Stufe 8 Bund
Letztes Brutto 2.693 €. Daraus ergeben sich Versorgungsbezüge von 1.884 € Brutto und 1.689 € Netto (vor PKV).
Abzüglich Krankenkasse 270 € sind 1.419 €.
Grundsicherungsniveau für München 1 Person sind 849 € Bruttokaltmiete + 70 € Heizkosten + 563 € = 1482 €
1.482 € x 1,15 = 1.704 € Mindestalimentation
Da im Gesetz lebenslang für die gesamte Familie steht, müsste hier theoretisch noch ein Anteil für einen Ehepartner hinzugerechnet werden. Die Kinder sind dann im Regelfall schon aus dem Haus.
--- End quote ---
Ergänzend:
Angenommen die Kinder sind aus dem Haus und der Beamte muss nur noch sich und seinen Ehegatten unterhalten.
Bürgergeld Niveau München:
1.092 € Bruttokaltmiete + 80€ Heizkosten + 506 € + 506 € = 2.184 € Bürgergeld für 2 Personen
2.184 € x 1,15 = 2.511 € (Netto) Mindestalimentation für 2 Personen
SwenTanortsch:
Du zitierst entsprechend die zentrale Passage, nämlich dass der Gesetzgeber die "strukturellen Unterschieden der Versorgungssysteme" hinreichend zu beachten hat, also insbesondere nicht ausklammern kann, dass hinsichtlich des Beamten ein Sonderstatusrecht gilt, weshalb der Beamte prinzipiell anders zu betrachten ist als der in der Privatwirtschaft tätige Arbeitnehmer, was ebenso für Versorgungsempfänger und Rentner gilt. Es gibt in der gesetzlichen Rente keine sachlichen Vergleichsgegenstände, die zur Rechtfertigung der Höhe einer "Mindestversorgung" herangezogen werden könnten. Falls es sie DEiner Meinung nach gäbe, solltest Du sie konkret nennen.
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus 2005 festgestellt, dass das Rentensystem nach seiner Neufassung zu abgesenkten Rentenansprüchen geführt hat, was es u.a. als mit ausschlaggebend dafür betrachtet hat, dass ebenso Versorgungsempfängern trotz abgesenkter Versorgungshöchstbezüge noch eine amtsangemessene Versorgung gewährt worden sei. In diesem Sinne hat es in der Entscheidung unter anderem ausgeführt:
"Die absehbare Verringerung des Versorgungsniveaus ist im Hinblick auf die Entwicklung des Alterseinkommens der Rentner, nicht jedoch wegen des Anstiegs der Versorgungsausgaben gerechtfertigt. Die Reform der Beamtenversorgung geht zwar über die Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Rentenreform 2001 hinaus. Sie hält sich aber noch in den Grenzen des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums" (Rn. 120).
Wenn Du Deine Vermutung belegen willst, dass das Bundesverfassungsgericht 2005 bereits eine Berechnungsmethodik zur Erstellung einer Art "Mindestversorgung" in petto gehabt, dese aber seitdem nicht ausgeführt habe, dann solltest Du das an der jeweiligen Rechtsprechung, der Historie der Rechtsprechungsentwicklung sowie den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen darlegen, in die die jeweilige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts historisch genauso wie aktuell grundsätzlich eingebunden ist. Ansonsten bleibt es eine unbegründete Vermutung, die nicht zuletzt nicht die prinzipiellen Problematiken entkräften könnte, die ich eingangs in meinen Darlegungen ausgeführt und begründet habe. Deren sachliche Entkräftung kann nicht durch Vermutungen geschehen, sondern muss differenziert aus der Betrachtung der jeweils maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen.
Ergo: Begründe mal, wie die in meinem Ausgangspost dargelegten Problematiken unter lit. a bis c im Abschnitt zur indiziellen Mindestversorgung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgelöst werden könnten. Auf der Basis eine solchen Darlegung könnte dann eine fruchtbare Diskussion erfolgen, denke ich.
@ InternetistNeuland
Auch in solchen Darlegungen, die keinerlei Bezug zur bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und damit zum Alimentationsprinzip aufweisen, kommt ihr hier nicht weiter. Es kann prinzipiell aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur der Kontrollmaßstab der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie herangezogen werden, und zwar auch dann, sofern der Besoldungsgesetzgeber ein Doppelverdienermodell betrachten wollte. Will er es betrachten, hätte er zunächst einmal einen dafür hinreichenden Kontrollmaßstab zu erstellen, für den er verfassungsrechtlich die Forderungen des Alimentationsprinzips heranzuziehen hätte. Allerdings ist der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass er in der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation des von ihm ernannten Beamten auf Einkünfte von Familienmitglieder zurückgreifen könnte, die in keinem unmittelbaren Dienstverhältnis zu ihm stehen. Er kann also durchaus ein Doppelverdienermodell als Leitbild seiner familienpolitischen Vorstellungen heranziehen - aber die Prüfung der amtsangemessenen Alimentationshöhe erfolgt bis auf Weiteres anhand der vom Bundesverfassungsgerichts erstellten Kontrollmaßstäbe: Denn an diese ist die judikative Gewalt gebunden. Und aus dieser Bindung heraus haben sie deshalb die entsprechende Kontrolle zu vollziehen, was auch dann der Fall wäre, sofern der Besoldungsgesetzgeber eigene Kontrollmaßstäbe ins Feld führen wollte, die die judikative Gewalt dann auf ihren sachgerechten Gehalt hin kontrollieren, aber nicht als für sie bindend betrachten könnte.
Dogmatikus:
Mit anderen Worten:
BVErfG: Beamter muss aufbauend auf 4-Kopf-Familie mind. Hartz IV + 15% erhalten, darauf aufbauend Abstandsgebot.
Gesetzgeber kann daher regeln, dass Beamte wie folgt betrachtet werden:
* wie bisher aufbauend auf 4-Kopf-Familie Hartz IV + 15 %, darauf aufbauend Abstandsgebot
* aufbauend auf dem Doppelverdienermodell Hartz IV + 15 % + Betrag x, darauf aufbauend Abstandsgebot. Angerechnet werden x € Partnereinkommen. x bspw. 20.000 €
Das Ergebnis ist letztlich gleich. Was der Gesetzgeber allerdings nach der bisherigen Rspr. nicht darf ist, dem Beamten auf Grundlage des Doppelverdienermodells wie folgt zu betrachten:
* Hartz IV + 15 % - 20.000 €
Liegt eigentlich auf der Hand, aber naja, wer Geld sparen will, dem ist alles recht.
SwenTanortsch:
Auf den Punkt gebracht, ist es genauso, Dogmatikus: Es gibt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt, der dafür sprechen könnte, dass der Besoldungsgesetzgeber in der Bemessung seiner Alimentationsverpflichtung auf das Eigentum Dritter zurückgreifen könnte, die sich nicht in einem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu ihm befinden. Vielmehr bildet Art. 14 Abs. 1 GG in unserer Rechtsordnung eine so starke Rechtsposition, dass jeder Politiker weiß, dass sich in unserer Rechtsordnung niemand das Eigentum anderer gegen dessen Willen aneignen darf. Wer das als politischer Verantwortungsträger nicht weiß, dürfte so wenig Ahnung von unserer Rechtsordnung haben, dass ihn das kaum dazu befähigen sollte, entsprechende Verantwortung zu tragen.
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