Beamte und Soldaten > Beamte der Länder

[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

<< < (1263/1569) > >>

clarion:
Hallo wie sind denn Zuzahlungen bei Krankheitskosten? In RLP wurde ja die Kostendämpfungspauschale, die bereits als verfassungswidrig abgeurteilr wurde.  In Niedersachsen hat die Beihilfe die gleichen Zuzahlungsregeln wie gesetzlich Versicherte, 5- 10 Euro pro Medikament/ Hilfs- und Heilmittel. Mit einer einkommenasabhängigen Deckelung für chronisch Kranke. Auch diese Ausgaben verringern doch das Einkommen, und müssten auch noch bei der Berechnung der amtsangemessenen Alimentation angebracht werden,  oder?

SwenTanortsch:
Es ist ein wiederkehrendes Missverständnis, das von den politischen Verantwortungsträgern in allen Rechtskreisen regelmäßig suggeriert wird, dass die Mindestalimentation irgendetwas mit einer amtsangemessenen Alimentation zu tun hätte, clarion, dass sich also eine amtsangemessene Alimentation berechnenen ließe. Tatsächlich hat die Mindestalimentation sachlich nichts mit der amtsangemessenen Alimentation zu tun, weshalb ich das regelmäßig wiederhole.

Die centgenau und damit realitätsgerecht bemessbare Mindestalimentation markiert die Grenze zur Unteralimentation und damit den Teil der zu gewährenden Nettoalimentation, der materiell vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in den deshalb keine Einschnitte möglich sind.

Unterschreitet die gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation, ist diese für die davon betroffenen Beamten verfassungswidrig; überschreitet die Mindestalimentation die in der untersten Besoldungsgruppe dem betreffenden Musterbeamten gewährte Nettoalimentation, ist das auf der ersten Prüfungsstufe des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfprogramms nur einer von fünf weiteren Parameter, der in diesem Fall die Vermutung einer amtsangemessenen Alimentation (mit) indiziert, wobei diese Vermutung nur im Konzert aller Parameter erstellt werden kann und sie darüber hinaus nur im Konzert mit den weiteren Parametern der zweiten Prüfungsstufe erhärtet werden könnte.

Mehr Aussagen sind der Mindestalimentation nicht zu entnehmen; sie weist entsprechend eine "Zwitterstellung" auf, hat also zum einen eine materielle und (davon getrennt) zum anderen eine indizielle Bedeutung. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel (dem materiellen oder dem indiziellen) man sie betrachtet, ist ihr jeweiliger sachlicher Bedeutungsinhalt heranzuziehen. In keinem Fall kann sie allein den materiellen Betrag einer amtsangemessenen Alimentation bestimmen, der sich insgesamt nicht berechnen, sondern nur sachgerecht begründen lässt.

MoinMoin:
Kann man es salopp so formulieren:
ist die Mindestalimentation unterschritten, braucht man nicht weiter prüfen.
Aber ist die Alimentation des "untersten" über der Mindestalimentation, dann ist die Alimentation der Beamten mitnichten automatisch eine amtsangemessene Alimentation, sondern dann muss weiter geprüft werden.

SwenTanortsch:
Die Ansicht über die notwendige Tiefe des jeweiligen Prüfungsgehalts ist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umstritten; tendenziell kann man das so sagen, wie Du das schreibst, MoinMoin.

Malkav:

--- Zitat von: MoinMoin am 16.08.2024 10:05 ---Aber ist die Alimentation des "untersten" über der Mindestalimentation, dann ist die Alimentation der Beamten mitnichten automatisch eine amtsangemessene Alimentation, sondern dann muss weiter geprüft werden.

--- End quote ---

Sieht man auch sehr gut an dem aktuellen Urteil des VerfGH BW vom 22.04.2024 - 1 GR 60/20:

A 14 kw ist selbst weit vom Grundsicherungsniveau entfernt und erfüllte trotzdem grundsätzlich nicht zwingend die Anforderungen an eine amtsangemessene Alimentation iSd Art. 33 V GG, welcher in BW aufgrund v. Art. 2 Abs. 1 LVerf BW als unmittelbares Landesrecht gilt.

Fand die Feststellung interessant, dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 V GG ergibt, dass bei (I) gleicher Tätigkeit, (II) gleicher Leistung, (III) gleicher Verantwortung und (IV) gleicher Arbeitslast auch eine gleiche Besoldung zu gewähren ist. Das wird hinsichtlich von Dienstpostenbündelungen bestimmt nochmal spannend (in meinem Geschäftsbereich machen Kolleg*innen von A 9 bis A 13 Z genau die gleiche Arbeit im gleichem Umfang).

Aber echt gut finde ich, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit in BW nun endlich Herrn Stuttmanns Anregung aus 2018 (war glaube ich noch vor 2020?) folgt und zur Entlastung des BVerfG das dortige Landesverfassungsgericht einbindet. Hat natürlich wieder die Kehrseite, dass z.B. die Landesregierung SH (natürlich wesentlich schöner formuliert) von der Förde rufen wird: "Was interessiert uns das unverständliche Gelaber von diesen südlichen Bergvölkern? In der Höhenluft ist wohl zu wenig Sauerstoff drin, deshalb betrifft uns das nicht." Ich kann mir nicht vorstellen, dass Landesregierungen sich an Entscheidungen "fremder" Landesverfassungsgerichte halten werden, wenn diese ja schon das BVerfG offen missachten.

Navigation

[0] Message Index

[#] Next page

[*] Previous page

Go to full version