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[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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VierBundeslaender:
Hier muss ich raten, aber ich denke: ja. Das liegt daran, dass die beteiligten Richter den Urteilstext wirklich Zeile für Zeile besprechen. Da wird tatsächlich über jeden Satz diskutiert.

Das würde erklären, warum man „Späteinstiege“ ablehnt mit der Folge, dass bei Tod neu begonnen werden müsste.

Ozymandias:
Das Hörensagen stammt wohl von gewissen Strafprozessen. Da dort fast immer eine lange Beweisaufnahme (Zeugen etc.) und mündliche Verhandlung stattfindet, muss der Prozess bei Richterwechsel neu aufgerollt werden, da der neue Richter ja nicht bei der Zeugenvernehmung dabei war.
Das dürften die 2 Hauptgründe für dieses Hörensagen sein, ohne jetzt genau in die prozessualen Vorschriften einzutauchen.

Hier gibt es keine Zeugen und mündliche Verhandlung, nur schriftliche Stellungnahmen. Daher kann ein Richterwechsel problemlos vorgenommen werden. Der neue Berichterstatter dürfte nur mehrere Monate zur Einarbeitung benötigen.

SwenTanortsch:
Die acht BVR sind im Senat nicht zuletzt in ihrer Stimme gleichberechtigt. Das muss bei der Beratung und Entscheidungsfindung Beachtung finden. Dabei kann insbesondere der Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht unbeachtet bleiben, wonach also niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Mit dem ordnungsgemäßen Wechsel der Richterbank erlöschen die Rechte und Pflichten des ehemaligen BVR und sind jene des neuen BVR beachtlich. Da er nun in seiner Stimme gleichberechtigt ist, hat auch das BVerfG zu gewährleisten, um formell ein ordnungsgemäßes Verfahren zu garantieren, dass sich der neue BVR in seinen Rechten nicht eingeschränkt sieht, was nicht nur für ihn selbst und die anderen Richter maßgeblich ist, sondern ebenso für unmittelbare oder mittelbare Verfahrensbeteiligte so der Fall sein kann. Von daher ist auch nach einem ordnungsgemäßen Wechsel sorgsam darauf achtzugeben, dass keine Verfahrensfehler insbesondere durch diesen Wechsel entstehen können.

Darüber hinaus handelt das BVerfG im Sinne von § 15a Abs. 2 BVerfGG nach dem Berichterstatterprinzip, und zwar nicht nur in Kammer-, sondern ebenso in Senatsentscheidungen. Der Berichterstatter wird durch die Geschäftsverteilungsbeschlüsse ernannt; allerdings endet seine Berichterstatterpflicht zwangsläufig mit dem ordnungsgemäßen Ende seiner Amtstätigkeit. Aufgabe des Berichterstatters ist u.a. das Führen der Akte, die Vorbereitung und Durchführung der Verfahrensverhandlung sowie die Erstellung eines Votums als Grundlage für eine Entscheidung. Darüber hinaus obliegt es ihm, die Begründung der ergangenen Entscheidung zu formulieren, und zwar unter dem Gebot der loyalen Darstellung der Mehrheitsmeinung, auf deren Grundlage am Ende die Entscheidung gefällt worden ist.

Wird nun der Berichterstatter während eines laufenden Verfahrens von diesem abberufen, ist offensichtlich ein neuer Berichterstatter zu ernennen, der über dieselben Rechte verfügt und dieselben Pflichten zu erfüllen hat wie alle anderen Berichterstatter auch. Entsprechend kann er sich sicherlich die Vorarbeiten oder gar ein bereits erstelltes Votum als Grundlage für die Entscheidung zueigen machen; allerdings dürfte hierbei ebenfalls formell zu beachten bleiben, dass und wie stark am Ende der Vorarbeit für die Entscheidung des Senats Bedeutung und Gewicht zugekommen ist. Denn nicht umsonst wird in diesem Fall ja nicht der vormalige Berichterstatter die Verfahrensverhandlung bis zum Schluss durchgeführt haben.

Für unseren Fall bedeuten die letzten Ausführungen nicht zuletzt im Hinblick auf die bereits jetzt vollzogene Dauer der angekündigten Verfahren, der damit einhergehenden umfangreichen Vorarbeiten durch den aktuellen Berichterstatter, die in der Gerichtsakte dokumentiert sind, sowie das Interesse des Gerichts, die angekündigten Berliner "Pilotverfahren" im Sinne einer "Leitentscheidung" zum Ende zu bringen, dass das Einsetzen eines neuen Berichterstatters, der am Ende in der dokumentierten Gerichtsakte allein aus Zeitgründen kaum nennenswerte oder vergleichbare Spuren hinterlassen haben wird, sofern er sich den Wertungen des vormaligen und nun ausgeschiedenen Berichterstatters anschließen wollte, ein offensichtlich nicht geringes Risiko, nämlich dass die ergangene Entscheidung am Ende formell angegriffen werden könnte. Alles andere wiederum bedeutete eine augenscheinlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dauer des Verfahrens allein aus formellen Gründen noch einmal im ggf. nicht geringen Maße verlängern dürfte.

Insbesondere im Hinblick auf die zu erwartende Bedeutung der Entscheidung, dem ihr am Ende zugrunde liegenden Aufwand und der Dauer bis zu ihrem Ergehen dürfen wir also davon ausgehen, dass der Senat im hohen Maße zu einer formell zweifelsfreien Entscheidung wird kommen wollen. Die dafür mit Abstand größte Garantie bietet der Abschluss des Verfahrens vor dem Ausscheiden des heutigen Berichterstatters. Insofern dürfen wir davon ausgehen, dass es so kommt, dass also der heutige Berichterstatter die Senatsentscheidung zu einem ordnungsgemäßen Ende bringen und dass die am Ende vorliegende schriftliche Entscheidungsbegründung dann mindestens in einem recht weitgehenden Maß seine Handschrift tragen wird. Alles andere wäre entsprechend wie dargestellt doch einigermaßen erstaunlich, wird also nicht eintreten.

VierBundeslaender:

--- Zitat von: Ozymandias am 31.08.2025 08:54 ---Das Hörensagen stammt wohl von gewissen Strafprozessen.

--- End quote ---
Nein, das hatte ich irgendwo gelesen und gerade wieder gefunden:
https://dejure.org/gesetze/BVerfGG/15.html
Absatz 3 sagt "Nach Beginn der Beratung einer Sache können weitere Richter nicht hinzutreten. Wird der Senat beschlußunfähig, muß die Beratung nach seiner Ergänzung neu begonnen werden."

Ozymandias:
Hier bezieht es sich ja nur auf die Beratung, die steht immer am Ende des Verfahrens und führt quasi direkt zur Entscheidung.

Der neue Richter müsste sich dann halt einarbeiten und dann geht es einfach weiter, wo zuvor aufgehört wurde. Denn die anderen haben ihre Standpunkte ja ggf. schon festgelegt und beraten. Müssen also nur wiederholen, was Sie in der vorherigen Beratung gesagt haben.

Bei Strafprozessen müsste dann wirklich quasi von 0 wieder angefangen werden, da Zeugenvernehmungen nicht reproduzierbar sind. Da wird nur darauf verzichtet, wenn nicht maßgeblich für die Entscheidung.

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