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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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SwenTanortsch:
Ihr drei Streithähne (wenn ich euch mal so nennen darf, ohne das despektierlich zu meinen) habt jeder für sich jeweils allesamt Recht wie Unrecht in dem, was ihr sagt:

Das zentrale Problem in eurer Diskussion ist - wenn ich das richtig sehe -, dass ihr nicht zwischen der indiziellen und materiellen Betrachtung unterscheidet, was dem Umstand geschuldet sein wird, dass das die Besoldungsgesetzgeber wiederkehrend ebenfalls so tun und dass diese Unterscheidung in der ansonsten schlüssigen Stellungnahme des DRB aktuell ebenfalls nicht hinreichend geschieht (hier wird der Begriff der "Mindestbesoldung" sachlich unklar verwendet).

Sobald wir entsprechende tabellariche Bemessungen zur Mindestalimentation durchführen (also vom Bruttobesoldungsniveau ausgehen, um dann nach dem steuerlichen Abzug ebenso die PKV-Kosten abzuziehen, um dann das Kindergeld zu addieren), betrachten wir jene Mindestalimentation in ihrer "Zwitterstellung" in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung:

1. Sie hat hier eine materielle Bedeutung: Sobald die Nettoalimentation einer Besoldungsgruppe unterhalb der Mindestalimentation liegt, zeigt sich hier das Mindestabstandsgebot unmittelbar als verletzt. Materiell-rechtlich ist die dieser Besoldungsgruppe gewährte Alimentation als verfassungswidrig zu betrachten.

2. Darüber hinaus hat die so betrachtete Mindestalimentation ebenso eine indizielle Bedeutung: Überschreitet die dem Musterbeamten gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation, liegt damit im Prüfverfahren ein Indiz für die Vermutung einer verfassungskonformen Alimentation vor, das für sich allein jedoch nicht hinreicht, um eine amtsangemessene Alimentation zu betrachten. Denn dafür ist das gesamte Prüfprogramm durchzuführen, um am Ende zu dem Ergebnis zu kommen, dass eine evidente Unteralimentation vorliegt oder dass dem nicht der Fall ist.

Darüber hinaus gibt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neuerdings eine neue Kategorie, die ausschließlich eine indizielle Bedeutung hat, nämlich die Mindestbesoldung. Sie hat der Senat in der aktuellen Rechtsprechung als ein Indiz in seine Rechtsprechung eingeführt, jedoch noch nicht methodisch weiter ausgeführt. Entsprechend ist in der ZBR 2022 und 2023 ein methodischer Weg vorgeschlagen worden, der von der Mindestalimentation ausgehend den umgekehrten Weg hin zumr Mindestbesoldung vollzieht. Diesen indiziellen Weg geht nun weitgehend auch der DRB in seiner aktuellen Stellngnahme und ihr geht ihn hier jetzt weitgehend ebenfalls.

Dabei bleibt aber zu beachten, dass wir es hier mit der Mindestbesoldung allein mit einem Teil des indiziellen Prüfverfahrens zu tun haben, das also weiterhin nichts über die tatsächlich materiell-rechtlich zu gewährende Bruttobesoldung oder Nettoalimentaton aussagt. Denn beides lässt sich nicht centgenau berechnen, sondern nur sachgerecht begründen.

Entsprechend wird nun ein Schuh aus den indiziellen Berechnungen, also der Indizbildung des Bundesverfassungsgerichts: Sobald der Sozialgesetzgeber eine Kindergrundsicherung einführt und diese - um einen rein fiktiven Betrag zur Veranschaulichung zu bilden - bei jährlich 10.000,- € netto läge, müsste dieser Betrag in die Bemessung der Nettoalimentation mit einfließen und zu einem enstprechenden geringeren Betrag führen, da hier ein konkreter Betrag gegeben wäre, der gleichheitsgerecht gewährt wird, sodass der Besoldungsgesetzgeber berechtigt wäre, diesen Sozialbezug auf die Besoldung und Alimentation anzurechnen. Ebenso entfiele in der Bemessung der Mindestalimentation der Betrag der Kosten für Bildung und Teilhabe sowie für den monetären Gegenwerte der Sozialtarife. Die Nettoalimentation stellte sich entsprechend als höher dar, die Mindestalimentation niedriger. Sofern nun also die Nettoalimentation in allen Fällen die Mindestalimentation überschritte (was bei dem gerade genannten Betrag in den allermeisten Rechtskreisen allein nicht der Fall wäre), wäre ein Indiz für eine verfassungskonforme Alimentation gegeben.

Darüber hinaus könnte nun ebenso das weitere Indiz der Mindestsbesoldung betrachtet werden, also der Weg der Bemessung der Mindestalimentation umgedreht werden. Am Ende müsste im geschilderten Fall ebenso die Mindestbesoldung - oder der äquivalente Grundgehaltssatz zur Mindestalimentation - höher liegen als der tatsächlich gewährte Grundgehaltssatz des Musterbeamten. Damit wäre ein weiteres Indiz sowohl für eine amtsangemessene Besoldung als auch für eine sachgerechte Besoldungssystematik gegeben.

Da sich aber die amtsangemessene Alimentation nicht berechnen, sondern nur begründen lässt, könnte man daraus allein nicht die Begründung für einen ggf. weiter abzusenkenden Grundgehaltssatz vollziehen, sondern müsste das allein deshalb sachgerecht begründen, weil ja über den höheren Betrag der Kindergrundsicherung alle Arbeitnehmer mit Kindern ebenfalls vom höheren Sozialbezug profitieren würden und Grundsicherungsempfänger ebenso, denn auf der anderen Seite würde dieser Betrag der Kindergrundsicherung ebenso in die Bemessung des Grundsicherungsniveaus mit einfließen. Es verbliebe also weiterhin die Pflicht zur sachgerechten Begründung, die dem Besoldungsgesetzgeber obliegt.

Ergo: Letztlich habt ihr in eurer Diskussion - und auch die weiteren Diskutanten - alle drei Recht: Die Mindestalimentation führt als Folge der jahrelangen Verweigerung der Besoldungsgesetzgeber, sachgerechte Schlüsse aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu ziehen, zu dem indiziellen Ergebnis, dass heute das Alimentationsniveau aller Beamten - nicht nur das für Beamte mit Kindern - deutlich anzuheben ist. Wie stark davon allerdings ebenso das Besoldungsniveau und die Grundgehaltssätze betroffen sind, ist eine Frage der Begründung. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Grundgehaltssätze in allen Rechtskreisen deutlich angehoben werden müssen, dass darüber hinaus als Folge dessen die exorbitant angehobenen sozialen Besoldungskomponenten wieder auf ein sachgerechtes Maß gesenkt werden können (sie sind als kinderbezogene Besoldungskomponenten in dieser Höhe ein offensichtliches Beamtenprivileg, das sich verfassungsrechtlich nicht vor dem Gleichheitsgrundsatz rechtfertigen lässt). Darüber hinaus sind zurzeit die in vielen Rechtskreisen exorbitant angehobenen kinderbezogenen Besoldungskomponenten der Bevölkerung nicht zu vemitteln, eben weil sie sachlich berechtigt als Beamtenprivileg augefasst werden.

In dem Moment allerdings, wo sie wieder auf ein sachgerechtes Maß zurückgeführt und dahingegen die Grundgehaltssätze - ggf. auch weitere oder andere (ggf. auch neu eingeführte) leistungsbezogene Zulagen - recht erheblich angehoben werden werden, wird das der Bevölkerung gleichfalls nicht immer sogleich sachlich vermittelbar sein. Aber diese Vermittlung ist nun wiederum vor allem eine politische Aufgabe, die nicht nur die Dienstherrn, sondern ebenso die Gewerkschaften und Verbände mit übernehmen müssen.

Und darüber hinaus ist es bis dahin noch ein nicht unerheblicher Weg, dessen Länge also von den angekündigten und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch von den folgenden Entscheidungen aus Karlsruhe abhängig ist, insbesondere davon, in welchen Tempo nun nach den angekündigten Leitentscheidungen die mittlerweile über 60 anhängigen Richtervorlagen zur Entscheidung kommen.

BVerfGBeliever:
Vielen Dank @Swen. Und schön zu lesen, dass du anscheinend eine ähnliche "Meinung" (kleiner Scherz) hast wie ich:
- Grundgehälter und ggf. leistungsbezogene Zulagen rauf
- leistungslose Zuschlagsorgien runter

Und ja, du hast völlig Recht, ich hatte vorhin nicht bedacht, dass ein sehr hohes Kindergeld auch Auswirkungen auf die Bürgergeldfamilie sowie auf die Mindestalimentation hätte. Wobei ich ja auch eigentlich nur kurz das neueste Kaninchen einfangen wollte, dass @MoinMoin heute Mittag mal wieder aus dem Hut gezaubert und mit abstrusen Zahlen auf seinen (Hoppel-)Weg geschickt hatte.

Zumindest musste ich heute noch nichts von einer "Für-sich-Besoldung" lesen, das ist ja auch schon mal was..  :)

PolareuD:
Solange man keine Regierungsverantwortung trägt werden die richtigen Schlüsse gezogen, aber sobald man die Regierungsverantwortung inne hat, sind alle verfassungsrechtlichen Bedenken über Board geworfen:

https://www.spd-fraktion-nrw.de/pressemeldung/was-du-beim-land-verdienst-haengt-vom-einkommen-deines-partners-ab/

MoinMoin:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 27.09.2024 17:08 ---Und ja, du hast völlig Recht, ich hatte vorhin nicht bedacht, dass ein sehr hohes Kindergeld auch Auswirkungen auf die Bürgergeldfamilie sowie auf die Mindestalimentation hätte.

--- End quote ---
Freut mich das mein unsinniges Fabulieren, doch einen Erkenntnisgewinn bei dir produziert hat.

Lichtstifter:
Man stelle mal vor, wie der Bund die Länder hätte vorführen können, wenn man die Amtangemessene Alimentation ernsthaft angepackt hätte. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal gewesen. Statt dessen hat man keine Gelegenheit ausgelassen sich zu blamieren und das Schleppnetz nach Hirngespinsten zum Einsatz gebracht.

Ironischerweise gehen die Besolder mit ihren exorbitanten Zuschlägen den für die Bevölkerung fonanziell betrachtet günstigsten Weg, was diese aber ohne das Hintergrundwissen nicht verstehen kann. Ich verübel es ihr auch nicht bei den vielen Horrorartikeln zu uns Beamten.

Und wenn man jahrelang bei den Besoldunganpassungen im Trockenen gelassen wird und das Sonderopfer zum Dauerzustand wird, wirken Erhöhungen um 30, 40, 50% .... auf den ersten Blick natürlich hanebüchen.


--- Zitat ---Ihr drei Streithähne
--- End quote ---

Ich glaube, die wollen hier nur die 1000 Seiten demnächst vollmachen.  ;D

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