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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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NelsonMuntz:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 27.09.2024 16:29 ---....
In dem Moment allerdings, wo sie wieder auf ein sachgerechtes Maß zurückgeführt und dahingegen die Grundgehaltssätze - ggf. auch weitere oder andere (ggf. auch neu eingeführte) leistungsbezogene Zulagen - recht erheblich angehoben werden werden, wird das der Bevölkerung gleichfalls nicht immer sogleich sachlich vermittelbar sein. Aber diese Vermittlung ist nun wiederum vor allem eine politische Aufgabe, die nicht nur die Dienstherrn, sondern ebenso die Gewerkschaften und Verbände mit übernehmen müssen.
...

--- End quote ---

Vorab: Ich kann Deiner Argumentation hier wieder weitestgehend folgen (auch wenn Du an dieser Stelle bereits Lösungswege in den Raum stellst), kann Dir aber mangels juristischer Expertise natürlich nicht widersprechen - und nehme Deine Ausführungen daher auch als faktisch gegeben hin.

Zu oben zitiertem Ausschnitt: Eine erhebliche Erhöhung der Besoldung ist politisch aktuell faktisch gar nicht vermittelbar. Hier müssen wir uns auch von der juristischen Betrachtung lösen und die politische Dimension einer solchen Veränderung betrachten. Ich mache das an dieser Stelle einfach mal hochplakativ: Ein Wirtschaftsminister, der mit "bedröppeltem" Gesicht verlautbart, dass wir alle ärmer werden, wird sekundiert von einer Innenministerin, die eine 30%ige Erhöhung der Beamtenbesoldung verkündet ... Ich glaube, wir können uns die Paraden und spontanen Jubelfeiern der Bevölkerung nahezu physisch vorstellen.

Das eigentlich hier zugrunde liegende "Problem" ist der mangelnde Abstand zwischen Existenzminimum und dem Medianeinkommen in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Da der Beamte grundsätzlich über jenes Existenzminimum gehoben werden muss, der Angestellte aber im Bedarfsfall nur auf eben jenes gehoben wird, entsteht diese Störung in dem "Gerechtigkeitsgedanken" überhaupt.

Ich glaube, dass muss man neben der juristischen Bewertung auch anerkennen und final bei einer Lösungsfindung berücksichtigen.

Hierbei jetzt noch eine "Idee" und auch eine Frage meinerseits:

Die Idee: Was wäre, wenn man das Kindergeld streicht und stattdessen ein "Mini-BGE" in Form einer negativen Einkommenssteuer einführt? Meinetwegen in Höhe von 500€/Person - was immer noch deutlich unter dem Grundbedarf einer 4k-Familie liegt, aber zumindest erhebliche Teile der notwendigen Alimentation abdeckt. Wie würde sich das auf die verfassungsrechtlich korrekte Bestimmung der Besoldung auswirken?

Die Frage: Wenn der/die Beamte über das Grundgehalt bereits für einen Ehepartner und 2 Kinder besoldet wird, entstünde bei der Heirat zweier Beamte nicht auch eine Form der "Überalimentation"? (Ich weiß, das mag eine doofe Frage sein - aber ich bin ja auch "dumm" und möchte hier lernen ;))

VierBundeslaender:
Ich verstehe einen Punkt in Eurer Diskussion nicht. Wir alle sind uns (bis auf wenige) einig, dass die Besoldung nicht amtsangemessen ist und das das BVerfG das demnächst beschließen könnte. Jetzt gibt es einige die sagen: "Das traut sich das Gericht nicht", andere schwächen das ab und sagen "selbst wenn die sich das trauen, wird der Besoldungsgesetzgeber nicht reagieren, weil politisch nicht vermittelbar". Und dann beginnen die Diskussionen, wie der Gesetzgeber das dann irgendwie hinkriegen könnte.

Dazu drei Gedanken:

* Alles, was ich bisher über der BVerfG gelesen habe, formuliert ganz klar eine Unterscheidung zwischen Rechtssprechnung und legislativer Entscheidung. Anders gesagt: Ob irgend ein Urteil "politisch vermittelbar" ist oder welche Auswirkungen es hat, spielt nur sehr begrenzt bei der Urteilsbegründung eine Rolle. Bestenfalls überlegt man, ob Nichtigkeit oder Aufschub gewährt wird, aber in der Sache bleiben die Richter hart. Also das Gericht wird sich trauen, weil es gar nicht anders kann.
* Dann kommt die Frage, wie der Besoldungsgesetzgeber reagiert und mit ihm die Sorge, dass der eine amtsangemessene Besoldung nicht umsetzen kann. Warum lassen wir ihn nicht einfach machen? Warten wir doch mal ab. Wenn er nicht reagiert, wird weiter geklagt. Mir sagte kürzlich ein Verbandsvertreter, das man genau das vorhabe: So lange klagen, bis klar ist, dass die Besoldung "nicht mehr evident verfassungswidrig ist". Das halte ich für hilfreicher als sich Gedanken zu machen, was der Gesetzgeber tun soll.
* Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?

NelsonMuntz:

--- Zitat von: VierBundeslaender am 27.09.2024 20:29 ---
* Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?
--- End quote ---

Weil -und ich überzeichne hier ganz bewusst- der Januar 2021 in den USA eine gewisse Möglichkeit aufgezeigt hat, in welcher Form und auf welchem Weg Entscheidungen eines Verfassungsgerichts in die finale Obsoleszenz überführt werden könnten.

Und nein, diese politische Vermittlung ist nicht "Aufgabe der Beamten" - ich weise nur darauf hin, dass es unter Umständen überhaupt nichts und niemanden gibt, um eine solche Aufgabe erfolgreich zu bewältigen.

Die ganzen Ideen und Überlegungen dienen doch nur dazu, eine rechtssichere Befriedung der Alimentationsbedürfnisse in einer Form zu ermöglichen, die eben keine zu großen Verwerfungen zwischen Beamten und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entstehen lassen.

Maximus:

--- Zitat von: VierBundeslaender am 27.09.2024 20:29 ---Ich verstehe einen Punkt in Eurer Diskussion nicht. Wir alle sind uns (bis auf wenige) einig, dass die Besoldung nicht amtsangemessen ist und das das BVerfG das demnächst beschließen könnte. Jetzt gibt es einige die sagen: "Das traut sich das Gericht nicht", andere schwächen das ab und sagen "selbst wenn die sich das trauen, wird der Besoldungsgesetzgeber nicht reagieren, weil politisch nicht vermittelbar". Und dann beginnen die Diskussionen, wie der Gesetzgeber das dann irgendwie hinkriegen könnte.

Dazu drei Gedanken:

* Alles, was ich bisher über der BVerfG gelesen habe, formuliert ganz klar eine Unterscheidung zwischen Rechtssprechnung und legislativer Entscheidung. Anders gesagt: Ob irgend ein Urteil "politisch vermittelbar" ist oder welche Auswirkungen es hat, spielt nur sehr begrenzt bei der Urteilsbegründung eine Rolle. Bestenfalls überlegt man, ob Nichtigkeit oder Aufschub gewährt wird, aber in der Sache bleiben die Richter hart. Also das Gericht wird sich trauen, weil es gar nicht anders kann.
* Dann kommt die Frage, wie der Besoldungsgesetzgeber reagiert und mit ihm die Sorge, dass der eine amtsangemessene Besoldung nicht umsetzen kann. Warum lassen wir ihn nicht einfach machen? Warten wir doch mal ab. Wenn er nicht reagiert, wird weiter geklagt. Mir sagte kürzlich ein Verbandsvertreter, das man genau das vorhabe: So lange klagen, bis klar ist, dass die Besoldung "nicht mehr evident verfassungswidrig ist". Das halte ich für hilfreicher als sich Gedanken zu machen, was der Gesetzgeber tun soll.
* Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?
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Ich glaube nicht, dass die amtsangemessene Besoldung an der "politischen Vermittelbarkeit" scheitert.
Die Besoldungsgesetzgeber würden dies hinbekommen (man muss doch nur die "armen" Polizisten/Feuewehrleute etc. ins Spiel bringen).  Es würde vielleicht einen kleinen Aufschrei geben. Der wäre aber nach ca. 2 Wochen wieder beendet. Außerdem kann man den Schwarzen Peter dem BVerfG zuschieben (Die haben uns ja gezwungen...)

Das Problem ist das gleiche wie in der PW. Die Personalkosten (egal ob Tarif oder Beamte) sollen möglichst gering gehalten werden. Die Parteien möchten ihre Lieblingsprojekte (z.B. Schuldenbremse, Kindergrundsicherung, Rentenpaket etc) nicht gefährden bzw. keine Partei möchte ihr Projekt für die Beamtenbesoldung opfern.

NelsonMuntz:

--- Zitat von: Maximus am 27.09.2024 21:10 ---Ich glaube nicht, dass die amtsangemessene Besoldung an der "politischen Vermittelbarkeit" scheitert.
Die Besoldungsgesetzgeber würden dies hinbekommen (man muss doch nur die "armen" Polizisten/Feuewehrleute etc. ins Spiel bringen).  Es würde vielleicht einen kleinen Aufschrei geben. Der wäre aber nach ca. 2 Wochen wieder beendet. Außerdem kann man den Schwarzen Peter dem BVerfG zuschieben (Die haben uns ja gezwungen...)

Das Problem ist das gleiche wie in der PW. Die Personalkosten (egal ob Tarif oder Beamte) sollen möglichst gering gehalten werden. Die Parteien möchten ihre Lieblingsprojekte (z.B. Schuldenbremse, Kindergrundsicherung, Rentenpaket etc) nicht gefährden bzw. keine Partei möchte ihr Projekt für die Beamtenbesoldung opfern.

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Ich finde es lustig bis erschreckend wie wenig der Beamte im allgemeinen über die Bezahlung außerhalb seiner Welt Bescheid weiß - deshalb versteht der Beamte auch nicht, warum es den Bürger im allgemeinen durchaus irritieren könnte, wenn der A8er aus der Zulassungsstelle künftig mit seinen amtsangemessenen 5k netto im Porsche zur Arbeit fährt.

Aber ich lerne, dass es offenkundig relativ sinnbefreit ist, die politische Dimension der Thematik in diesem Teil des Forums beleuchten zu wollen. Das ist ein wenig so, als würde man bei den "flat earthers" die These einer kugelförmigen Erde proklamieren ;)

In diesem Sinne: Viel Erfolg euch allen!

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