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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
DeGr:
--- Zitat von: Rentenonkel am 30.09.2024 16:18 ---@Nelson: Die Rechtsprechung übernimmt nicht das Denken für den Gesetzgeber. Es obliegt dem Gesetzgeber, eine verfassungsgemäße Besoldung zu "basteln".
Allerdings gibt es ein Füllhorn an Möglichkeiten, um eine verfassungsgemäße Besoldung zu erreichen. Dabei darf man die ständige Rechtsprechung aller Kammern des BVerfG nicht außen vor lassen. Das BVerfG möchte keine Besserstellung von Beamtenkindern erreichen. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, auf Grundlage dieser Urteile etwas im Steuerrecht zu ändern, das Kindergeld zu erhöhen oder zum Beispiel Kita Gebühren abzuschaffen, oder insgesamt die Familienpolitik auf neue Beine zu stellen. So ist es in den nordischen Ländern üblich, das Kinder eine Ganztagsbetreuung inklusive kostenfreies Essen erhalten und auch für Bücher, Schulmaterial und Klassenfahrten keine Zuzahlung zu leisten haben.
Der Steuergesetzgeber orientiert sich beim Grundfreibetrag hinsichtlich der Wohnkosten eher am unteren Ende des Mietspiegels. Dadurch durchbricht der Steuergesetzgeber bei höheren Wohnkosten den Grundsatz, dass kein Steuerpflichtiger seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen sichern muss. Auch wirkt sich der Grundfreibetrag der Kinder praktisch nicht aus.
Eine individuelle Berücksichtigung des Bedarfs für Wohnung und Heizung wie im Sozialrecht kann das Steuerrecht als Massenverfahren nicht leisten. Hinsichtlich der Kosten für Wohnung und Heizung darf daher bei der Berechnung des Grundfreibetrags typisiert werden, da eine solche Typisierung für ein Massenverfahren erforderlich ist.
Daher hat das BVerfG ausnahmsweise in der Vergangenheit dem Steuergesetzgeber zugebilligt, auch das aus der Grundsicherung bekannte Existenzminimum zu besteuern, sofern er bei einem erheblichen Preisgefälle auf dem Wohnungsmarkt dem Steuerpflichtigen zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag zur Verfügung stellt.
So verstanden helfen diese Leistungen demnach, das durch das Grundgesetz geschützte Existenzminimum unversteuert zu belassen und helfen, dass aus der Grundsicherung bekannte System der anerkannten Kosten für Wohnung und Heizung nach dem Gebot der Folgerichtigkeit ins Steuerrecht zu übertragen.
Grundsätzlich besteht keine rechtsgebietsübergreifende Wirkung des Folgerichtigkeitsgebots, da dem Gesetzgeber gerade bei der Ausgestaltung einzelner Rechtsgebiete ein großer Gestaltungsspielraum zukommt. Diesen hat er bei der Übertragung aus dem Recht der Grundsicherung in das System des Steuerrechts dahingehend genutzt, dass er lieber anstelle einer höheren Steuererstattung bedarfsorientiert Wohngeld und/oder Kinderzuschlag zahlt.
Dieses Prinzip funktioniert bei den Beamten allerdings nicht. Der Besoldungsgesetzgeber darf zur Erfüllung der Alimentationspflicht nicht auf andere Sozialleistungen (außer Kindergeld) verweisen.
Gleichwohl könnte der Besoldungsgesetzgeber beispielsweise einen höheren Beihilfesatz gewähren, er könnte auch einen "Ortszuschlag" für alle mit höheren Wohnkosten einführen, er könnte wieder Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld) mit einem für alle starren Betrag einführen, er könnte aber auch den Steuergesetzgeber dazu animieren, die Kinder stärker im Steuersystem zu berücksichtigen oder sämtliche Teilhabekosten zu übernehmen, er könnte die unteren Erfahrungsstufen streichen und das System der Erfahrungsstufen verschlanken/verändern, er könnte im Rahmen der Familienpolitik alle Familien mit Kindern entlasten, usw.
Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist, ob die bisherigen Vorschläge die Vorgaben des BVerfG verfassungsgemäß umsetzen oder eben nicht. Und da gibt uns Swen eine sehr gute Einschätzung darüber, warum das aus juristischer Sicht nicht reicht.
Alles andere sind Probleme der Politiker. Denen fehlt es offenkundig an Ideen oder dem Mut für durchgreifende Änderungen nicht nur im Besoldungsrecht, sondern auch im Familienrecht und im Steuerrecht.
--- End quote ---
Danke für die Ausführungen. Viele denken bei dem Thema Gestaltungsspielraum nur an den Spielraum innerhalb der Besoldungsgesetzgebung und vergesen dabei die Möglichkeit, das große Ganze zu betrachten. Ich plädiere beispielsweise seit Jahren für Kindergeld auf Bürgergeld-Niveau. Das würde nicht nur die Beamten näher in Richtung amtsangemessene Alimentation bringen, sondern es würde allen Familien helfen. Auf Bürgergeld wird es zu 100 % angerechnet, sodass sich bei den Bürgergeldempfängern nichts ändert.
HochlebederVorgang:
Mit Verlaub, ich möchte kein Geld "für meine Kinder." Ich möchte entsprechend meiner Leistung und Qualifikation besoldet werden, so daß ich allein für meine Kinder sorgen kann. Hier herrscht ein teilweise diskussionswürdiges Menschenbild.
Möchte man alle Familien abhängig vom Staat machen? Wird dann auch die Kita mit 8 Stunden Pflicht? Ich sage nur: Lufthoheit über den Kinderbetten (Scholz).
Eine Orientierung am Bedarf ist auch immer mit Bevormundung verbunden.
NelsonMuntz:
--- Zitat von: Rentenonkel am 30.09.2024 16:18 ---@Nelson: Die Rechtsprechung übernimmt nicht das Denken für den Gesetzgeber. Es obliegt dem Gesetzgeber, eine verfassungsgemäße Besoldung zu "basteln".
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Genau das wollte ich ja so ein wenig hier zusammen ausprobieren: "Komm, heute spielen wir Besoldungsgesetzgeber" ;)
Mir ist schon bewusst, dass der Beamte selbst ja anders als all die Angestellen bei der Besoldung kein Mitspracherecht im Rahmen von Verhandlungen hat, aber die Legislative bestimmen wir doch alle gemeinsam in unser Demokratie über Wahlen. "Die Politik" sind wir am Ende doch irgendwie selbst.
Ansonsten hast Du natürlich Recht.
--- Zitat von: DeGr am 30.09.2024 16:57 ---... Ich plädiere beispielsweise seit Jahren für Kindergeld auf Bürgergeld-Niveau. Das würde nicht nur die Beamten näher in Richtung amtsangemessene Alimentation bringen, sondern es würde allen Familien helfen. Auf Bürgergeld wird es zu 100 % angerechnet, sodass sich bei den Bürgergeldempfängern nichts ändert.
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In genau diese Richtung denke ich eben auch.
DerAlimentierte:
https://www.bdz.eu/aktuelles/news/referentenentwurf-zur-bundesbesoldung-bleibt-erneut-deutlich-hinter-den-erwartungen-des-bdz-zurueck/
DerAlimentierte:
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/johann-saathoff/fragen-antworten/werden-die-formalitaeten-eventueller-nachzahlungen/ausgleichszahlungen-im-bbvangg-selbst-oder-in-einer
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