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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
Maximus:
Hallo Swen, vielen Dank für deine Einschätzung. Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?
Außerdem habe ich erhebliche Zweifel, ob wir zeitnah etwas aus Karslruhe hören werden. Erst hieß es Mitte/Ende 2024, dann erstes Quartal 2025, und jetzt wird schon vom zweiten Quartal 2025 gesprochen. Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn in 2025 überhaupt etwas passiert.
Die Verzögerungen kann man aus meiner Sicht nicht mehr schön reden ("verfassungsrechtlicher Präzision vor Schnelligkeit"). Karlsruhe muss jetzt handeln!!! Wenn es zu weiteren Verzögerungen kommt, nimmt auch das Vertrauen in das Verfassungsgericht Schaden.
PolareuD:
--- Zitat von: Maximus am 27.01.2025 01:00 ---Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?
--- End quote ---
Bei den angekündigten Entscheidungen geht es es um die Besoldungsgesetzgebung der Jahre 2013/2014 (Bremen) und 2010-2015 (Berlin). Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich das BVerfG überhaupt mit der Thematik der Mehrverdienerhaushalte befasst, da diese in der Besoldungsgesetzgebung von Berlin und Bremen keine Rolle gespielt haben.
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Maximus am 27.01.2025 01:00 ---Hallo Swen, vielen Dank für deine Einschätzung. Bei der Berliner Entscheidung ist das Mehrverdienermodell doch eigentlich kein Thema oder irre ich mich? Wie wahrscheinlich ist es, dass Karlsruhe hierzu eine eindeutige Aussage treffen wird?
Außerdem habe ich erhebliche Zweifel, ob wir zeitnah etwas aus Karslruhe hören werden. Erst hieß es Mitte/Ende 2024, dann erstes Quartal 2025, und jetzt wird schon vom zweiten Quartal 2025 gesprochen. Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn in 2025 überhaupt etwas passiert.
Die Verzögerungen kann man aus meiner Sicht nicht mehr schön reden ("verfassungsrechtlicher Präzision vor Schnelligkeit"). Karlsruhe muss jetzt handeln!!! Wenn es zu weiteren Verzögerungen kommt, nimmt auch das Vertrauen in das Verfassungsgericht Schaden.
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Gern geschehen, Maximus. Gegebenenfalls nichts über das Leitbild der Doppel- oder Hinzuverdienerfamilie zu sagen, muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, nichts über die Alleinverdienerannahme als aus der bisherigen Besoldungspraxis und der zu ihr ergangenen Rechtsprechung abgeleiteten Kontrollmaßstab zu sagen. Denn das hat Karlsruhe ja in seinen letzten beiden Entscheidungen jeweils getan, ohne dass in Berlin und Nordrhein-Westfalen im entscheidungserheblichen Zeitraum die Doppel- oder Hinzuverdienerfamilie eine Rolle gespielt hätte. Der zweite Senat hat dabei unmissverständlich klargestellt, dass es bar jeden Leitbilds oder der jeweils herrschenden sozialen Wirklichkeit zunächst einmal eines Kontrollmaßstabes bedarf, um das Mindestabstandsgebot hinreichend prüfen zu können (vgl. in der Parallelentscheidung die Rn. 37; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000617.html). Als aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße hat es dabei die Alleinverdienerannahme weiterhin zum Kontrollmaßstab gemacht (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 47; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Die Alleinverdienerannahme als Kontrollmaßstab verlangt also bis auf Weiteres verfassungsrechtliche Gültigkeit.
Da nun ausnahmslos alle Besoldungsgesetzgeber, die entsprechend neue Leitbilder in ihr Besoldungsrecht eingeführt oder nicht eingeführt haben, aber auf jeden Fall zwischenzeitlich die Einkünfte des Ehe- oder Lebenspartners von Bediensteten betrachten, keinen sachgerecht neuen Kontrollmaßstab zur Prüfung des Mindestabstandsgebot eingeführt haben, ist es offensichtlich notwendig und genügt es meines Erachtens also schon, in wenigen, aber präzisen und also unmissverständlichen Sätzen die Funktion darzulegen, die ein Kontrollmaßstab zur Prüfung des Mindestabstandsgebots erfüllen muss, um als solcher sachgerecht zu sein. Das als Minimum zu vollziehen, muss meines Erachtens vom Zweiten Senat gewährleistet sein, da ja die angekündigten "Pilotverfahren" unter anderem dazu dienen sollen, dass zukünftig in schnellerer Abfolge über die anhängigen Verfahren entschieden werden kann - was sich (so verstehe ich das) insbesondere auch auf jene aktuellen hamburgischen und rheinland-pfälzischen Vorlagen beziehen muss, die spezifische Mehr- oder Hinzuverdienerannahmen als Leitbild geprüft haben. Darüber hinaus ist eine solche Klarstellung offensichtlich notwendig in Anbetracht immer weiter um sich greifender "Hybridbildungen" im Besoldungsrecht, die allesamt daran kranken, keinen sachgerechten Kontrollmaßstab in der Prüfung des Mindestabstandsgebots zu verwenden.
Die Zweifel an ggf. zeitnahen Entscheidungen nicht zuletzt hinsichtlich des "Pilotverfahrens" sind nachvollziehbar und beruhen insbesondere darauf, dass der Zweite Senat seit März 2022 verschiedene Entscheidungen angekündigt, diese Entscheidungen aber bislang weiterhin nicht vollzogen und darüber hinaus zwischenzeitlich die Ankündigung von Entscheidungen zugunsten anderer zurückgezogen hat. Dass das Vertrauen in die eigene Entscheidungstätigkeit kosten kann und wiederkehrend insbesondere bei Normunterworfenen kostet, dürfte man in Karlsrruhe in Rechnung stellen. Nicht umsonst hat der Berichterstatter der angekündigten Entscheidungen im letzten Winter hervorgehoben, dass "der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen ist. Auch ist dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst, dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist" (Beschluss der Beschwerdekammer vom 21.12.2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 ).
Nun kann sich niemand für Äußerungen des Gerichts über dessen eigenes Schmerzempfinden etwas kaufen; auch sollte ein entsprechendes Schmerzempfinden verfassungsrechtlich eher unerheblich sein. Verfassungsrechtlich kommt es vielmehr darauf an, dass im Sinne des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gerichtliche Entscheidungen keine überlangen Verfahrensdauern aufweisen. Aus diesem Grund - so hat es der Berichterstatter im letzten Winter dargestellt (und es gibt für mich weiterhin kein Indiz, der mich an dieser Darstellung sachlich zweifeln ließe) - ist etwa in jenem Zeitraum des letzten Winters die Entscheidung im Senat korrigiert worden, zunächst neben den anhängigen Bremer nun ebenso über Teile der anhängigen niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Normenkontrollverfahren entscheiden zu wollen; vielmehr sind letztere beide Gruppen von Entscheidungen nun zugunsten von Teilen der anhängigen Berliner Verfahren ersetzt worden. Die Erklärung dafür ist zur Rechtfertigung der langen Verfahrensdauern (der angekündigte Aufruf der Bremer Verfahren betrachtet Fälle, die seit 2016 in Karlsruhe anhängig sind, die zunächst angekündigten niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Fälle sind dort seit 2018 anhängig, die nun aufgerufenen Berliner seit 2017) schlüssig, da sie sowohl die Dienlichkeit der Beschleunigung als auch - vgl. das, was ich zu Beginn hinsichtlich des Kontrollmaßstabs geschrieben habe; denn entsprechend würde ich die nachfolgende Passage auch lesen - die weitere Problemaufklärung in den Fokus rückt. Entsprechend hat der Berichterstatter im letzten Winter an der eben bereits zitierten Stelle weiterhin ausgeführt:
"Eine dem Rechtsschutzauftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werdende Bearbeitung dieser hohen Anzahl von Verfahren hat u.a. folgenden Aspekten Rechnung zu tragen: Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen. Vor diesem Hintergrund spricht Überwiegendes dafür, Verfahren vorrangig zu bearbeiten, die durch mehrere gerichtliche Instanzen bis zur Ebene des Revisionsgerichts eine besonders gründliche Vorbereitung aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren haben und auch im Bereich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen - etwa durch bereits vorliegende Judikate des Bundesverfassungsgerichts - auf vorhandene Daten zurückgreifen können."
Das Zitat wirft also insbesondere auf, dass es dem Senat mit der Umentscheidung auf die genannten "Pilotentscheidungen" - diese Umentscheidung hat, das ist der Subtext, zu einer weiteren Verzögerung von Entscheidungen geführt - darum geht, die Effizenz der eigenen Entscheidungstätigkeit zu erhöhen und damit weitere Verfahrensdauern zu verkürzen, indem bislang ungeklärte Sach- und Rechtsfragen weiter aufgeklärt und offensichtlich seit 2020 neu aufgekommene Problematiken hinterfragt werden sollen (hier nun, so lässt sich begründet vermuten, sollte gleichfalls der genannte Kontrollmaßstab eine Rolle spielen). Die weitere in jener Randnummer 8 gemachte Aussage, dass die als Leitverfahren ausgewählte Gruppe von Vorlagen sich in der Schlussphase der Erstellung von Senatsvoten befände und dass in ausgewählten weiteren Verfahren - so auch im vorliegenden Verfahren - derzeit die Zustellungen und Anforderung von Stellungnahmen vorbereitet und durchgeführt werden würden, hat Ende des vorletzten Jahres begründet zur Vermutung Anlass gegeben, dass 2024 mit einer Entscheidung insbesondere über die "Pilotverfahren" zu rechnen sein dürfte, ohne dass zu jener Zeit erkennbar war, dass der Senat von Berlin wiederholt um eine Verlängerung der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme beten und dass der Zweite Senat im ersten Halbjahr 2024 den Senat von Berlin durch eine weitere Möglichkeit zur Stellungnahme Anlass zur weiteren Präzisierung der Erklärung seines Handelns aus der Vergangenheit geben würde.
Insbesondere diese weitere Möglichkeit zur Stellungnahme, die eben zu Beginn und im ersten Halbjahr 2024 von außen nicht absehbar gewesen ist, sollte dazu geführt haben, dass die letzte zu den "Pilotverfahren" ergangene Stellungnahme im Herbst in Karlsruhe eingegangen ist. Wenn also der Berichterstatter im letzten Winter die Schlussphase der Erstellung von Senatsvoten - das Senatsvorum ist das zentrale Mittel zur Vorbereitung der Beratung - angekündigt hat, dann konnte er jenes von ihm dem Senat zur Beratung vorzulegende Votum erst dann abschließen, nachdem die genannten Stellungnahmen in Karlsruhe eingegangen und sie in jenes Votum mit eingeflossen sind, also ab dem letzten Herbst. So verstanden durfte man Anfang 2024 davon ausgehen, dass der Senat alsbald in die Beratung über die "Pilotverfahren" eintreten würde, so wie man nun davon ausgehen muss, dass er zwischenzeitlich im Winter 2024/25 tatsächlich in die Beratung über die "Pilotverfahren" eingetreten ist.
Entsprechend wird es nun - auch hierzu habe ich mich in der Vergangenheit wiederholt begründet geäußert - hinsichtlich der weiteren Verfahrensdauer darauf ankommen, wie einig oder uneinig sich der Zweite Senat nicht zuletzt hinsichtlich des Inhalts des ihm vom Berichterstatter vorgelegten Senatsvotums sein wird. Wird man sich über den Inhalt verhältnismäßig schnell einig, kann entsprechend verhältnismäßig schnell eine Entscheidung gefällt werden, wobei auch dann gilt, dass die Senate in der Regel ausführlich beraten, also ihre Entscheidung in umfassenden Diskussionen abwägen. Im Anschluss könnte dann gleichfalls der auf Grundlage der Beratung vom Berichterstatter zu erstellende Entscheidungsentwurf - also die spätere schriftliche Begründung der Entscheidung - fertiggestellt werden, um diese zweite Phase der Beratung - diese sogenannte "Leseberatung" geschieht regelmäßig im Umlageverfahren - gleichfalls verhältnismäßig schnell mit einer Entscheidung zu beenden.
Verhältnismäßig schnell bedeutete m.E., dass eine Entscheidung im ersten Quartal gefällt und die Leseberatung im zweiten Quaratal samt Veröffentlichung beendet werden könnte. Auf der anderen Seite lässt sich aber - fünf der acht Richter des Senats sind seit der aktuellen Entscheidung neu berufen worden - nicht abschätzen, ob eine solche Einigkeit tatsächlich (noch) gegeben ist. Zugleich dürften m.E. die spezifischen "Hybridbildungen" der letzten Jahre unter der oben skizzierten Programmatik, die mit den "Pilotverfahren" verbunden ist, einen nicht unerheblichen Beratungs- und ggf. Diskussionsbedarf nach sich ziehen. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir im Verlauf des dritten Quartals eine veröffentlichte Entscheidung vorliegen hätten, was ich für realistisch erachtete, sofern die bislang entwickelte neue Dogmatik zum Besoldungsrecht ohne sachliche Zäsuren - jene bedürften, so wäre zu vermuten, mindestens hinsichtlich der drei verbliebenen Richter einen nicht unerheblichen Beratungsbedarf - fortgeführt werden sollte. Sollte hingegen die sachliche Uneinigkeit im Senat so groß sein, dass ein erheblich größerer Beratungsbedarf mitsamt sich abzeichnender Zäsuren notwendig wäre, sollte auch das dritte Quartal kaum dazu angetan sein, uns eine Entscheidung zu bringen.
So in etwas stellt sich mir heute die Sachlage dar. Schönzureden gibt es da nichts, wobei ich mich nicht entsinnen könnte, das je getan zu haben. Ich versuche in allem Schreiben hier im Forum vor allem eines, zu verstehen, was Sache ist. Darüber hinaus versuche ich an anderen Stellen, dazu mit beizutragen, die Sache zu klären. Aber das ist nun ein anderes Thema.
Maximus:
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, insbesondere zu den (zeitlichen) Abläufen beim BVerfG. Die waren mir so nicht bekannt. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich bin nur wegen der langen Verfahrensdauer genervt und habe mich daher etwas im Ton vergriffen. Bitte nicht falsch verstehen. Ich schätze deine differenzierten Einschätzungen und möchte diese nicht missen.
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Maximus am 27.01.2025 12:32 ---Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, insbesondere zu den (zeitlichen) Abläufen beim BVerfG. Die waren mir so nicht bekannt. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich bin nur wegen der langen Verfahrensdauer genervt und habe mich daher etwas im Ton vergriffen. Bitte nicht falsch verstehen. Ich schätze deine differenzierten Einschätzungen und möchte diese nicht missen.
--- End quote ---
Ich habe es nicht so verstanden, dass Du mich angreifen wolltest, Maximus - und zugleich kann ich die bei nicht wenigen vorhandene allgemeine Unverständnis und Enttäuschung bis hin zur Wut über die jeweiligen Verfahrenslängen durchaus nachvollziehen, und zwar das nur umso mehr, als dass nicht wenige Dienstherrn immer weiter zunehmend die Rechtssicherheit untergraben, indem sie bspw. unverhältnismäßig hohe Anforderungen an Widersprüche gegen die im Kalenderjahr gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze stellen wollen, um nur eines der vielen Details zu nennen, die in ihrer Gesamtheit zu einem für die Bediensteten untragbaren wie unerträglichen Zustand geführt haben und weiterhin führen.
Ich kann darüber hinaus nachvollziehen, dass Karlsruhe für 2021 keine Entscheidung über weitere anhängige Normenkontrollverfahren angekündigt hat, da das - auch das habe ich in der Vergangenheit hier im Forum umfangreicher dargelegt (wie auch jede der weiter folgenden Aussage im Verlauf der Zeit) - nach einer Grundsatzentscheidung nicht ungewöhnlich ist. Auch leuchtet mir ein, dass 2022 Entscheidungen über die anhängigen Bremer Normenkontrollverfahren angekündigt worden sind, da sie die am Längsten in Karlsruhe anhängigen sind. Darüber hinaus ist es für mich schlüssig, dass 2023 mit den weiteren angekündigten Entscheidungen über die niedersächsische und schleswig-holsteinische Besoldung offensichtlich eine Art "verfassungsrechtliches Faustpfand" hatte gebildet werden sollen, worin sich also eine offensichtlich deutliche Verschärfung der Gangart hatte angekündigt. Schließlich ist es für mich nicht minder nachvollziehbar, dass nun 2024 doch anhängige Berliner Normenkontrollverfahren über weitgehend denselben Zeitraum wie den der letzten Entscheidung aufgerufen worden sind und also nun damit gerechnet werden dürfte, dass eine weitere Verschärfung mitsamt der Ultima Ratio, der Vollstreckungsanordnung, nun auf der Tagesordnung stehen sollte.
Wenn also jede der Entscheidungen für mich im Kontext des jeweiligen Handelns der Dienstherrn nachvollziehbar ist, muss am Ende doch konstatiert werden, dass zwischen der Entscheidung aus dem Mai 2020 und den angekündigten (über) fünf Jahre ohne eine maßgebliche Entscheidung liegen werden, während die Dienstherrn in diesen fünf Jahren das Besoldungsrecht so weit zuschanden gefahren haben, dass es zukünftig ungewiss ist, wie wir nun im Besoldungsrecht wieder in geordnete Verhältnisse zurückkehren sollten, wobei jenem "Sollen" zunächst einmal ein weiterhin und noch einmal erheblich verschärftes "Nicht-Wollen" bei allen 17 Besoldungsgesetzgebern zugrunde liegt, das sich seit 2020 zunehmend verstetigt hat und deshalb nur umso schwerer zu beheben sein dürfte. Die seit 2020 regelmäßig wiederholte Missachtung nicht nur der 2020 erlassenen bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur in allen 17 Rechtskreisen zeigt sich so als eine schwärende Wunde des Verfassungsrechts - und droht sich nur immer weiter auszuweiten, je länger sie nicht geheilt wird.
Die Verantwortung dafür liegt nun ausnahmslos bei den 17 Dienstherrn, die dem Besoldungsrecht diese Wunde zugefügt und sie seit 2020 beständig vergrößert haben - allerdings muss Karlsruhe trotz aller Schmerzbekundungen doch die Frage zulassen, ob ein so langer Zeitraum zwischen zwei Entscheidungen wirklich glücklich war (unabhängig davon, dass wir alle im Nachhinein immer schlauer sind). Denn nicht umsonst sind zwischen 2015 und 2020 immerhin fünf maßgebliche Entscheidungen gefällt worden, in denen zunächst das heute maßgebliche "Pflichtenheft" entwickelt worden ist (2015 in zwei Entscheidungen), um dann unter anderem das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen (2017) sowie das Mindestabstandsgebot (2020) jeweils als einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums zu betrachten und zwischenzeitlich die den Besoldungsgesetzgeber treffenden besonderen Begründungspflichten weiter zu konkretisieren und sie in der Konkretsisierung weiter zu verschärfen (2018).
Die Antwort auf diese Frage wird man tatsächlich sachlich erst dann geben können, wenn die angekündigten Entscheidungen mitsamt ihrer Begründungen öffentlich vorliegen. Sie werden thematisch und an Präzision einiges bieten müssen, um im Kontext der letzten fünf Jahre tatsächlich überzeugen zu können. Dabei sollte sich nicht nur der Zweite Senat, sondern das Bundesverfassungsgericht als Ganzes - denke ich - im Klaren darüber sein, dass es sich einen weiteren Autoritätsverlust nicht wird leisten können, worüber ich ja erst vor ein paar Tagen geschrieben habe.
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