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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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Alexander79:

--- Zitat von: Gruenhorn am 02.04.2025 20:42 ---Ob da der einzelne Beamte etwas von ableiten kann entzieht sich meiner Kenntnis (bin ja nur technischer Dienst). Mein Bauchgefühl sagt mir jedoch, das über nicht zu tun.

--- End quote ---
Bin selbst technischer Beamter, ändert aber nichts das wohl jeder Verwaltungsrecht hatte.
Nochmal, ein Rundschreiben ist eine Allgemeinverfügung.
Eine Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt.
Auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist eine Allgemeinverfügung und ein rechtswirksamer Verwaltungsakt.

Hätte man also nicht gewollt das dieses Rundschreiben (Allgemeinverfügung) eine Außenwirkung hat, hätte das BMI eine Verwaltungsvorschrift oder eben eine Dienstanweisung erlassen müssen. Diese hat nur verwaltungsinterne Rechtskraft.

emdy:
Rehm online schreibt:
Der Dienstherr kann auf die zeitnahe Geltendmachung verzichten. Der Verzicht muss unmissverständlich und gegenüber dem Beamten, Soldaten oder Richter erfolgen (z. B. in einer Gehaltsmitteilung oder der Veröffentlichung in einem üblicherweise genutzten Veröffentlichungsblatt).

Adressaten:
Oberste Bundesbehörden
Deutsche Bundesbank
nachrichtlich:
Bundesagentur für Arbeit BA-Service Haus
Bundesanstalt für Post und Telekommunikation
Deutsche Rentenversicherung Bund
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See

Und eine eindeutige Regelung wird auch irgendwie missverständlich, wenn ich sie mit "...empfehle ich" beginne. Aber die Diskussion ist mir ehrlich gesagt zu akademisch im unguten Sinn.

SwenTanortsch:

--- Zitat von: Alexander79 am 02.04.2025 19:15 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 02.04.2025 15:46 ---Der Bund hat mit seinem internen Rundschreiben offensichtlich gerade nicht auf die Frist der haushaltsnahen Geltendmachung verzichtet, jedenfalls nicht mit einer unmittelbare Rechtswirkung nach außen, sodass hier kein Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG vorliegt.

--- End quote ---
Warum nicht?
Zitat aus dem Rundschreiben.
Zitat:"Angesichts der ausstehenden Anpassung des Bundesbesoldungsgesetzes an die Maßstäbe des BVerfG ab dem Jahr 2021 verzichtet der Bund gegenüber allen Besoldungs- und Versorgungsberechtigten des Bundes auf das Erfordernis einer haushaltsjahrnahen Geltendmachung wie auch auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ab diesem Jahr. Widersprüche gegen die Höhe der Besoldung oder Versorgung sind also ab dem Jahr 2021 nicht mehr erforderlich."

So ... nach dem Rundschreiben ist eigentlich unstreitbar dokumentiert das der Bund auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat.

So .. nun haben ja mal so ziemlich alle Beamten mal den VA auswendig gelernt.
Der Paragraf geht aber noch weiter.
Ein Rundschreiben ist eine Allgemeinverfügung.
Diese Allgemeinverfügung ist klar an einen bestimmbaren Personenkreis gerichtet. Besoldungs und Versorgungsempfänger.

Warum soll diese Allgemeinverfügung die nach dem vwvfg §35 Satz 2 ein Verwaltungsakt ist auf einmal kein Verwaltungsakt sein?

--- End quote ---

Ich habe das Thema des Rundschreibens (https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_14062021_D3302009421.htm) hier schon mehrfach dargelegt und habe im Moment keine Zeit, das hier ein weiteres Mal umfassend zu wiederholen (die Darlegungen dürften sich darüber hinaus verhältnismäßig einfach über die Suchfunktion finden lassen). Entsprechend nur in Kürze:

§ 35 Satz 1 VwVfG legt die drei notwendigen Bedingungen für einen Verwaltungsakt fest, der entsprechend nur gegeben ist, wenn alle drei notwendigen Bedingungen erfüllt sind:

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde [1] zur Regelung eines Einzelfalls [2] auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und [3] die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Allein die dritte notwendige Bedingung ist hier nicht erfüllt, denn das Rundschreiben ist ausschließlich eine im Innenverhältnis gegebene Empfehlung, die im Binnenverhältnis den Zweck einer einheitlichen Verfahrensweise verfolgt. Eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen wird nicht bezweckt:

"Zur Sicherstellung einer einheitlichen Verfahrensweise empfehle ich die nachfolgend dargestellten Verfahrensweisen für den Umgang mit Widersprüchen in Bezug auf die Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation".

Es liegt hier also kein Verwaltungsakt vor, sodass sich die Betrachtung der beiden weiteren notwendigen Bedingungen bereits erübrigt (wobei mit guten Gründen ebenfalls in Zweifel gezogen werden könnte, dass hier eine konkret-individuelle Regelung bezweckt wäre, denn sie richtet sich nicht an eine bestimmte Person). Wir finden hier also zweifellos ein Verwaltungshandeln, aber eben keinen Verwaltungsakt vor. Entsprechend ist auch keine Allgemeinverfügung gegeben, denn das Rundschreiben richtet sich weiterhin nicht an die Gesamtheit der Bediensteten, sondern ausschließlich an die Obersten Bundesbehörden und Deutsche Bundesbank als unmittelbare Adressaten, wie das an ihrem Ende ausgeführt wird. Jenen Adressaten wird in der Empfehlung nahegelegt, entsprechend wie ausgeführt zu handeln; es geht also ausschließlich um das Binnenverhältnis, das keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen bezweckt.

Entsprechend gilt darüber hinaus auch hier, dass nach § 35 Satz 2 VwGO eine Allgemeinverfügung zunächst einmal ein Verwaltungsakt ist, sodass für sie ebenfalls zunächst einmal die gerade genannten drei notwendigen Bedingungen erfüllt sein müssten, um dann über den Einzelfall hinaus Regelungen für die Allgemeinheit zu vollziehen, worin der Zweck eine Allgemeinverfügung liegt:

"Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft."

Da aber wie gezeigt kein Verwaltungsakt vorliegt, kann auch keine Allgemeinverfügung vorliegen.

PS. Genauso ist es, emdy!

Ozymandias:
Meistens umfassen solche Zusagen gar nicht alle Zeiträume, sondern sind punktuell und zeitlich begrenzt. Das ist eines der Hauptprobleme, neben den ganzen anderen. Bei meinem Satz (Nichtkläger gehen leer aus) habe ich diese Zusagen daher ignoriert.

Die Zusagen unterliegen dann auch ggf. der gerichtlichen Auslegung. Jeder der schon mal einen Prozess führen musste, würde so ein Risiko nicht eingehen.


SwenTanortsch:

--- Zitat von: Ozymandias am 03.04.2025 01:14 ---Meistens umfassen solche Zusagen gar nicht alle Zeiträume, sondern sind punktuell und zeitlich begrenzt. Das ist eines der Hauptprobleme, neben den ganzen anderen. Bei meinem Satz (Nichtkläger gehen leer aus) habe ich diese Zusagen daher ignoriert.

Die Zusagen unterliegen dann auch ggf. der gerichtlichen Auslegung. Jeder der schon mal einen Prozess führen musste, würde so ein Risiko nicht eingehen.

--- End quote ---

Zugleich ist aber ebenfalls für jeden einzelnen zu bedenken, dass eine Klage regelmäßig mit einem Mehraufwand verbunden ist, nicht nur finanziell, sondern auch hinsichtlich eigener Handlungen und Nerven. Während sich der finanzielle Mehraufwand ggf. in Grenzen hält (jedoch hinsichtlich von Anwälten, die sich wirklich tief in die Materie einarbeiten, eventuell nicht gering ist, dann jedoch durchaus auch die eigenen Erfolgschancen vergrößern könnte), bedarf die Klage selbst ggf. einer stetigen Pflege. Darüber hinaus ist jede Klage mit dem Risiko verbunden, sie zu verlieren. Im Oktober- und Dezemberheft wird sich meines Wissens nach je ein Beitrag in der ZBR mit Problemen langer Verfahrensdauern beschäftigen und jeweils versuchen, entsprechende Probleme zu verringern, was aber ggf. zu eher größerer Komplexität führen wird - und diese Komplexität ist in Anbetracht des vom Bundesverfassungsgericht den Gerichten vorgegebenen "Pflichtenhefts" nicht zu unterschätzen, was ein Mitgrund für die langen Verfahrensdauern ist. Im Januarheft wird dann ein für die Klageverfahren ggf. zukünftig grundlegender Beitrag in der ZBR erscheinen, der wohl einen neuen Blick auf grundlegende Indizien der Materie werfen wird, was die Sachlage - so vermute ich - nur noch komplexer machen könnte (darauf wird wohl auch in dem für Mai angekündigten Vortrag in Erfurt eingegangen werden). Damit sollte die Erfolgschance für Klagen sicherlich nicht geringer werden, aber wie immer in solchen Fällen sollte so auch die Komplexität zunehmen, die nur durch das Bundesverfassungsgericht reduziert werden kann (denn es kann als einziges Gericht hinreichende Direktiven zur Komplexitätsreduktion erlassen), was ein Grund dafür sein dürfte, dass wir weiterhin auf die vom Senat angekündigten Entscheidungen warten.

Wie ich hier im Forum ja regelmäßig schreibe: In Anbetracht der bekannten Haltung der Dienstherrn dürfte die Formulierung der Entscheidungsbegründung der aktuell vom Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angekündigten Verfahren ein komplexes Feld sein - zugleich kann, da der Aufwand besoldungsrechtlicher Verfahren schon heute für die Verwaltungsgerichtsbarkeit beträchtlich ist, der Zweite Senat wenig Interesse daran haben, die schon heute nicht geringe Komplexität der Materie und des Prüfverfahrens noch einmal signifikant zu erhöhen. Denn erhöhte der Senat die Komplexität noch einmal beträchtlich, würde das den Aufwand für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur noch einmal vergrößern, was praktisch zwangsläufig zu nur noch längeren Verfahrensdauern führen müsste. Reduzierte er die heutige Komplexität der neuen Dogmatik hingegen, sollten sich ggf. nur weitere Schlupflöcher für (um es so auszudrücken) uneindeutige Entscheidungen der Besoldungsgesetzgeber ergeben. Größere Schlupflöcher dürften allerdings die Wahrscheinlichkeit für "Hybridbildungen" im Besoldungsrecht wohl eher nur noch größer werden lassen, was das Alimentationsprinzip nur noch mehr zuschanden fahren lassen dürfte. Die Kunst dürfte darin liegen, mehr Klarheit in gleichzeitiger Komplexitätsreduktion zu finden, was eine durchaus komplexe Aufgabe oder Problemstruktur darstellt.

Der langen Rede kurzer Sinn: Mit diesen Zeilen will ich am Ende niemand vom Klageweg abhalten - aber der alte Satz, wonach man vor Gericht und auf offener See in Gottes Hand sei, ist sicherlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen: Wer nicht klagt, muss damit rechnen, dass mit seinem Widerspruch seitens des Dienstherrn zukünftig nicht unendlich sorgsam umgegangen werden könnte. Wer klagt, muss damit rechnen, dass am Ausgangspunkt die Substantiierung der eigenen Klage sich als ein komplexes Unterfangen darstellen dürfte und dass das zuständige Gericht oder die zuständigen Gerichte am Ende zu anderen Schlüssen gelangen können als man selbst. Dabei sollte weiterhin gelten: Je präziser die Klagebegründung, desto überzeugender die Argumentation und deso größer die Erfolgswahrscheinlichkeit. Dieser allgemeine Grundsatz hat so oder so auch weiterhin Bestand.

Was aber so oder so sicher ist, ist, dass der Aufwand, um am Ende eines Jahres einen statthaften Rechtsbehelf zu formulieren, sich in Grenzen hält (wobei wir auch hier in den letzten Jahren zunehmend feststellen durften, dass nicht immer und jeder Dienstherr mit ihnen unendlich sorgsam umgeht). Wie weit das am Ende tatsächlich tragen wird, das dürfte in einigen Rechtskreisen alsbald mehr und mehr deutlich werden - nämlich zunächst einmal in Berlin, Bremen und dem Saarland. In Anbetracht der Kassenlage in den Ländern und Gemeinden dürften auch dort in den nächsten Jahren (negative) Überraschungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können, vermute ich heute.

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