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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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Rentenonkel:
Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Das ergibt eine repräsentative Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Bundesfrauenministeriums (BMFSFJ). Rund 75 Prozent finden zudem, dass Abbrüche künftig eher nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden sollten.

Bemerkenswert ist, dass die Wählerinnen und Wähler aller im Bundestag vertretenen Parteien die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen deutlich ablehnen. Selbst bei der Union, die eine Legalisierung von Abtreibungen ablehnt, sind es 77,5 Prozent, bei der AfD 67,4 Prozent. 93,9 Prozent der Linken-WählerInnen und 92,4 Prozent der Grünen-WählerInnen halten die Rechtswidrigkeit für falsch, unter SPD-WählerInnen sind es 87,5 Prozent.

Auch aufgeschlüsselt nach Religionszugehörigkeit finden alle befragten Gruppen die Rechtswidrigkeit falsch. Selbst unter KatholikInnen sind es rund 65 Prozent.

Fast 80 Prozent der Befragten finden es zudem richtig, dass das Recht zum Schwangerschaftsabbruch in Frankreich in die Verfassung aufgenommen wurde. Mehr als 86 Prozent finden, dass ÄrztInnen offen darüber sprechen sollten, dass sie Abbrüche durchführen.

Frauke Brosius-Gersdorf hat eine Gesetzesinitiative von SPD-, Grünen- und Linke-Abgeordneten unterstützt, in der es vor allem darum ging, Abtreibungen im ersten Trimester der Schwangerschaft zu liberalisieren, indem man sie nicht mehr im Strafrecht regelt. Bisher sind Abbrüche bis zum Ende der zwölften Woche zwar nicht rechtmäßig, aber unter bestimmten Bedingungen – die Frau lässt sich beraten, wartet danach drei Tage – straffrei. Sehr umstritten war, dass die obligatorische Bedenkzeit wegfallen und in der Beratung nicht mehr der Schutz des ungeborenen Lebens im Mittelpunkt stehen sollte. Der Gesetzentwurf fand im letzten Bundestag keine Mehrheit und wird im derzeitigen Bundestag keine Mehrheit finden.

In der zum Teil stark zugespitzten Debatte heißt es mitunter, Brosius-Gersdorf plädiere dafür, Abtreibungen bis in den neunten Monat der Schwangerschaft zu erlauben. Kinder sollten im Mutterleib zerstückelt werden können, wenn es nach ihr ginge. Dazu muss man sagen: Nichts von dem hat die Juristin je gesagt.

Denkbar ist, dass sich die Ansicht von Frauke Brosius-Gersdorf, die volle Menschenwürde beginne erst mit der Geburt, auf andere Debatten rund um Schwangerschaft, Geburt und den Umgang mit ungeborenem Leben auswirken könnte. Auch wenn sie nicht die einzige Juristin mit dieser Auslegung sein dürfte – gesellschaftlich dürfte diese Position hoch umstritten bleiben.

Die Meinung von Frauke Brosius-Gersdorf zur Abtreibung nach der 12. Schwangerschaftswoche ist, dass sie zwar grundsätzlich straffrei sein könnte, aber dennoch als rechtswidrig und als Unrecht gekennzeichnet wird. Sie betont, dass eine Änderung der aktuellen Regelung nicht nur eine formale Anpassung wäre, sondern erhebliche Auswirkungen auf betroffene Frauen und die Leistungspflicht der Krankenkassen hätte.

Brosius-Gersdorf plädiert dafür, dass Abtreibungen nach der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs nicht erlaubt sein sollten, mit Ausnahme von medizinischen Gründen oder wenn die Schwangerschaft durch Vergewaltigung entstanden ist. Sie sieht im mittleren Schwangerschaftsabschnitt einen Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber, insbesondere bezüglich der Beratungspflicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Brosius-Gersdorf eine differenzierte Position vertritt, die einerseits die Entkriminalisierung früher Schwangerschaftsabbrüche befürwortet, andererseits aber auch die Grenzen der Abtreibung nach der 12. Woche, mit Ausnahme von medizinischen oder vergewaltigungsbedingten Fällen, betont.

Es gibt verschiedene, eng miteinander vernetzte AkteurInnen der organisierten „Lebensschutz“-Bewegung mit sehr guten Kontakten in die Unionsfraktion. Da sind zum Beispiel die „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), die schon Anfang Juli die Union aufgefordert haben, die Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf nicht zu unterstützen.

Bis 2018 gab es in verschiedenen europäischen Großstädten jährliche Geheimtreffen antifeministischer Organisationen unter dem Namen „Agenda Europe“. Das waren Netzwerk- und Strategietreffen von Personen, die sich gegen emanzipatorische und progressive Politik wenden und an einem Rollback sexueller und reproduktiver Rechte arbeiten. Eine zentrales Vorhaben: Richterposten mit ihren Leuten zu besetzen, vor allem an den obersten Gerichten. Die Ergebnisse sehen wir in Polen, aber auch in den USA. Das hat ganz klar Strategie.

Auf demokratischer Ebene ist für die AntifeministInnen nichts zu holen. Also müssen sie die Politik von oben bestimmen, wenn sie etwas erreichen wollen: Von den Gerichten aus, wenn dort Rich­te­r sitzen, die in ihrem Sinne urteilen und Fortschritt verhindern. Deswegen ist es aus ihrer Sicht auch so wichtig, liberale Rich­te­rin­nen zu verhindern.

Hummel2805:
Unabhängig von jeder politischen Einstellung ist es ein Unding, dass Frau Brosius-Gersdorf massive Morddrohungen erhält und Personenschutz haben muss. Wo sind wir hier nur gelandet?
Und dafür tragen die Unionsparteien und auch die Medien die Hauptverantwortung.
Ich stimme mit den angeblichen Aussagen von Frau Brosius-Gersdorf auch nicht überein, aber Sie sollte jetzt erst Recht eine Chance erhalten und gewählt werden. Außerdem entscheidet Sie als Verfassungsrichterin nicht alleine sondern immer das Kollegium!

SwenTanortsch:
@ Rentenonkel
Ich kann als alter weißer Mann, der ich zwischenzeitlich offensichtlich bin (wenn ich das auch entschieden anders sehe, solang ich nicht in den Spiegel schaue, also nicht den Blick auf mich selbst richte), das, was Du schreibst, weitgehend unterschreiben. Mich stört auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch ebenfalls, dass hier regelmäßig die Sichtweisen und Empfindungen von Frauen unterbelichtet bleibt und von nicht wenigen Männern und damit von nicht wenigen derer, die mit größerer Wahrscheinlichkeit politische Verantwortungsträger sind, mehr oder minder ausgeblendet wird, dass der Eingriff nicht zuletzt seelisch von einer großen Zahl von Frauen nicht mal eben so und dann für sie spurlos vollzogen wird. Das Thema ungeborenes Leben ist darüber hinaus ein ethisch so komplexes, das also so viele Facetten beinhaltet, dass man fast zwangsläufig - egal, welche eigene Meinung man dazu hat - Empfindungen und Werte anderer verletzt. Gerade deshalb ist es wichtig, denke (oder empfinde) ich, dass von juristischer Seite eine abgewogene Sicht auf die Dinge geschieht, wobei jedem qualifizierten Juristen klar ist, dass bei einem ethisch so komplexen Thema wie dem Schwangerschaftsabbruch das Verfassungsrecht eine Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten erlaubt, da hier grundlegende Verfassungsgüter im Hinblick auf zwei Leben zu betrachten sind. Und genau das tut Frauke Brosius-Gersdorf ab der S. 13 im Rahmen ihres Auftrags, also ggf. noch nicht einmal ihre eigenen Standpunkte darstellend, denn sie fasst ja als Kapitelverantwortliche offensichtlich Ergebnisse der betreffenden Arbeitsgruppe in einem Kurzbericht zusammen (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Kom-rSF/Kurzbericht_Kom-rSF.pdf). Das, was daraus wiederkehrend gemacht worden ist und weiterhin gemacht wird, zeugt dabei nicht immer von einer sachlichen Bewertung dessen, was ab der Seite 13 ausgeführt wird. Cyrix hat dazu gerade Grundlegendes geschrieben. Es nützt nichts, sich den Aussagen ab der S. 13 vom Hörensagen zu nähern, sondern man muss die rund drei Seite selbst lesen und dann nachvollziehen, zu welchem Ergebnis die Arbeitsgruppe gekommen ist. Dabei muss man bei der Bewertung ebenfalls in Rechnung stellen, dass jemand, der als Berichterstattener Ergebnisse einer Arbeitsgruppe zusammenfasst, ggf. nicht seine eigene Meinung referiert. Nicht umsonst bestand die AG aus neun Personen.

Gleichzeitig sehe nicht Weniges, was Jens Spahn politisch macht, durchaus kritisch - allerdings erfolgt hier in Teilen der Medien (und zwar durchaus auch in Teilen jener Medien, die die Kampagne endgültig öffentlich losgetreten haben) nun ein ähnliches Vorgehen, wie zuvor und auch in Teilen weiterhin gegen Frauke Brosius-Gersdorf. Denn nun wird in nicht wenigen Medien unterstellt, die Union hätte doch spätestens, als die Kandidatin der Unionsspitze von der SPD vorgestellt worden ist, sehen müssen, auf was sie sich einließe, wenn sie die Kandidatur unterstützte und also ebenfalls sehen müssen, dass Brosius-Gersdorf in Teilen der Fraktion nicht vermittelbar sei.

Das aber ist ebenfalls ein nachträgliche Interpretation. Denn die SPD hat der Unionsspitze seinerzeit eine sachlich respektable und moralisch integere Kandidatin vorgeschlagen, die allerdings vor allem ein sachliches Problem mit sich brachte und das lag nicht in ihrer Person begründet: Die Kandidatin sollte (und soll es weiterhin) die Nachfolge von BVR Doris König sein und damit alsbald Vizepräsidentin und ab 2030 Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts sein. Das war ihr Hauptproblem, was dann offensichtlich in der Union Mandatsträger auf den Plan gerufen hat, sich mit ihren Entäußerungen weitgehend beschäftigt zu haben, wobei schon zu jener Zeit, wenn ich richtig informiert bin, verschiedene Lobbygruppen bei verschiedenen Mandatsträgern der Union erheblich Stimmung in dem Sinne gemacht haben, wie sie am Ende - also ab der letzten Woche - unreflektiert und im Sinne ihrer Kampagne von Journalisten der NZZ, der FAZ und der WELT aufbereitet worden sind.

All das war aber auch für Jens Spahn nicht absehbar, als die SPD ihre Kandidatinnen der Unionsspitze präsentiert hat. Ebenso ist es der Ehre zu viel, nun der zweifellos intelligente, jedoch politisch nicht immer einfallsreichste und Sachen zuende denkende Beatrix von Storch eine weitreichende Strategie und gar ein Fallenstellertum unterstellen zu wollen, auf die der Kanzler vergangene Woche hereingefallen sei, sodass nun plötzlich das Problem erst in der Mitte der letzten Woche in der Unionsfraktion akut geworden sei.

Tatsächlich - das habe ich ja schon begründet - sah sich die Unionsspitze ab dem letzten Wochenende der von der NZZ, der FAZ und der WELT losgetretenen Kampagne gegenüber, die Frauke Brosius-Gersdorf gerne verhindern wollte, aber nicht minder auch gegen die Unionsspitze gerichtet war, befeuert von interner Unzufriedenheit einzelner Fraktionsmitglieder, die nach weiteren Unterstützern suchten, während von außen die gezielte Kampagne ihre Wirkung entfaltete und darüber hinaus verschiedene Lobbygruppen ebenfalls weiterhin gezielt auf Fraktionsmitglieder der Union eingewirkt haben. Die Frage ist nun, wie hätte Jens Spahn darauf so reagieren können, dass nun nicht das gestrige Ergebnis dabei herausgekommen wäre?

Die Unionsspitze hätte nun mit der der Linken sprechen können, was auf den ersten Blick notwendig gewesen wäre, jedoch sicherlich dann erst recht aus Teilen der Fraktion gegen sie gewendet worden wäre. Der Kanzler hätte seine Fraktion ggf. nicht erst gestern morgen um 8 Uhr zur Besprechung laden können. Allerdings - davon ist auszugehen - hätte ihn dann, wenn er bspw. am Mittwoch eine entsprechende außerordentliche Fraktionssitzung anberaumt hätte, der wie alles in dieser Sache, was im Sinne der Kampagne getätigt wird, verdrehte Vorwurf eines Plagiats eben nicht erst am vorgestrigen Donnerstag, sondern am letzten Dienstag ereilt. Die Situation wäre dann also dieselbe gewesen, nur mit dem Unterschied, dass die Fraktionssitzung nur noch stärker in die mediale Betrachtung gerückt wäre, da man der Sache noch einmal deutlich mehr Gewicht nach außen verliehen hätte, wenn man zwei Tage und nicht eine Stunde vor der betreffenden Bundestagssitzung vonseiten der Unionsspitze nach außen sichtbar handelnd aktiv geworden wäre.

Ergo: Das ist für mich das Gefährliche, was sich da gerade in Teilen der Union vollzieht: Hier scheint es eine nicht geringe Zahl an Fraktionsmitgliedern zu geben, die politisch nicht so gefestigt sind, dass sie in der Abwägung, was nun in den nächsten Wochen in der Sommerpause an Druck von außen auf die Unionsspitze und die Regierung zukommen wird (der darüber hinaus dann auch für den einzelnen Abgeordneten spätestens in seinem Wahlkreis spürbar werden dürfte), und was es bedeutet hätte, eine in allen Belangen geeignete Kandidatin möglichst geräuschlos zur BVR zu wählen, zu einem gänzlich irrationalen, nämlich für sie selbst schädlichen Schluss gelangt sind: also ausgerechnet vor der Sommerpause eine Palastrevolte anzuzetteln. Das tun in meinen Augen entweder nur völlige politische Idioten, die also nicht in der Lage sind, sich zu erinnern, was gerade der verflossenen Ampel widerfahren ist, oder eben Leute, die ihre eigene Agenda haben und dabei nicht davor zurückschrecken, ihre eigene Spitze schwer zu beschädigen. Und das ist m.E. wirklich gefährlich.

lotsch:
Ich verstehe die Aufregung nicht. Die demokratisch Mehrheit, welche im GG für die Wahl vorgesehen ist, wurde nicht erreicht. Ich finde es fast lustig wie sich die Linke nun echauffiert. Sie sagen, so etwas darf nicht öffentlich debattiert werden. Natürlich muss soetwas öffentlich debattiert werden, und dann wird darüber nach dem GG abgestimmt.

emdy:
Kennt man die Position von Brosius-Gersdorf zur amtsangemessenen Alimentation? Ich würde mir gerne selbst ein Bild davon machen, ob sie für das Amt geeignet ist. :P

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