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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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BVerfGBeliever:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 02.09.2025 07:27 ---Dahingegen gibt es ein indizielles Prüfverfahren, das [...] hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen besagt, dass ein [...] Indiz für eine unzureichende Alimentation dann vorliegt, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen worden sind [...].
Darüber hinaus hat der Besoldungsgesetzgeber hier materiell-rechtlich zu beachten, dass ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände besteht, dass ihm also eine "Salami-Taktik" nicht gestattet ist, dass also Gehaltskürzungen [...] eines sachlichen Grundes bedürfen, jedoch bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen Ausdruck der den Ämtern durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Wertigkeiten sind, weshalb sie nicht infolge von Einzelmaßnahmen [...] nach und nach eingeebnet werden dürfen [...].

--- End quote ---

Vielleicht bekommen wir ja insbesondere zum zweiten Teil demnächst noch etwas mehr "Guidance" seitens des BVerfG.

Allerdings ist ja die fortdauernde schleichende Abschmelzung der Abstände zwischen den Grundbesoldungen in meinen Augen noch nicht mal unbedingt das Hauptproblem. Wenngleich es natürlich schon sehr ärgerlich ist, dass der Faktor zwischen der höchsten und der niedrigsten A-Endstufengrundbesoldung, der im Jahr 1957 noch bei 496% lag, mittlerweile im Bund nur noch 286% beträgt. In Baden-Württemberg sind es übrigens sogar nur noch 231%. 

Mindestens ebenso gravierend ist natürlich die Tatsache, dass die Besoldungsgesetzgeber als Reaktion auf das 2020er BVerfG-Urteil nicht etwa (wie von Karlsruhe "vorgesehen") alle Grundgehälter unter Beibehaltung der relativen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen adäquat erhöht haben (um auf den Boden der Verfassung zurückzukehren), sondern stattdessen mit ihren absurden, sach- und verfassungswidrigen Zuschlagsorgien für die ersten beiden Kinder begonnen haben.

Insofern kann man wirklich nur laut rufen: Mayday, Karlsruhe, Mayday!!!

Knecht:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 02.09.2025 12:48 ---
Insofern kann man wirklich nur laut rufen: Mayday, Karlsruhe, Mayday!!!

--- End quote ---

"... kein Anschluss unter dieser Nummer..."

tigertom:

--- Zitat von: GeBeamter am 02.09.2025 08:38 ---
Die Amtsangemenheit der Alimentation bemisst sich dann daran, ob ein Beamter einen seinem Amt und seiner Bedeutung angemessenen Lebensstil führen kann. Oder platt gesagt und auf die Gefahr hin gesteinigt zu werden:
Ein Volljurist A15 mit Prädikatsexamen und der Verantwortung eines Referatsleiters muss in der Lage sein, den Mitgliedsbeitrag im Tennisverein bezahlen zu können und seinen Kindern Klavierunterricht finanzieren zu können.
Ein Beamter im einfachen Dienst muss in der Lage sein, den Mitgliedsbeitrag im Fußballverein zu bezahlen und seinen Kindern den gemeinsamen Blockflötenunterricht zu finanzieren.

--- End quote ---

Genau so ist es und da muss man mal der deutschen Neidkultur standhalten.

Ich habe es hier schon mal gesagt: In den 90ern kannte ich einige Beamte der Hamburger Polizei. Einer war Polizeihauptmeister A9, der Andere Polizeioberkommissar A10. Beide gehörten zu denen, die sich für eine Immobilie entschieden haben und bei beiden war es jeweils ein Reihenhaus in normalen Hamburger Gegenden (Langenhorn  und Tonndorf). Es hätte auch ein freistehendes Einzelhaus sein können, aber dafür hätte man in den Speckgürtel gemusst. Beide konnten peu a peu ihre Buden abzahlen. Ironischerweise hat die Frau vom A9er nicht mal gearbeitet (es waren 2 Kinder im Spiel). Beim A10er weiß ich es nicht.
Und es ging trotzdem! Ein Studienrat A13, den ich kannte, konnte sich sogar (ohne zu Erben) eine Doppelhaushälfte in HH-Nienstedten leisten.

Heute könnten die Vorgenannten all das nicht mehr und da stimmt doch einfach was nicht. On top kommt dann noch "naja, uns geht's ja ganz gut, X (X=Hamburg/München/Frankfurt) ist halt teuer."

Nee. Man muss sich die Frage stellen, warum das früher möglich war, aber heute nicht mehr. Mag es daran liegen, dass man mittlerweile spürbar unteralimentiert ist? Ist es das vielleicht?

GoodBye:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 02.09.2025 11:35 ---Die Prüfsystematik wird regelmäßig im vierten Parameter des "Pflichtenhefts" indiziell angewandt, da hier beide Abstandsgebote regelmäßig in den Blick genommen werden, lotsch. Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45). Ungeklärt ist dabei weiterhin, inwiefern auch ein Abschmelzen der Abstände zum Grundsicherungsniveau durch die Streichung unterer Besoldungsgruppen und niedriger Erfahrungsstufen ggf. zu einem nicht sachgerechten Abschmelzen von Besoldungsabständen führen kann. Dafür lassen sich gewichtige Gründe ins Feld führen, ob sie aber hinreichend sind, um das wirklich begründen zu können, dürfte sich erst in Zukunft klären lassen.


--- End quote ---

M.E. lässt sich diese Frage auch bereits heute beantworten. Der Gesetzgeber greift durch Streichung unterer Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen durch alleinige Ausrichtung an der Mindestbesoldung tief in die vorhandene Besoldungssystematik ein, ändert diese aber nicht grundlegend. Dabei verkennt er eben, dass jedes Statusamt nicht nur in Relation zur Mindestbesoldung und den übrigen Statusämtern steht, sondern dass er ggü. den Beamten verpflichtet ist, ihnen

"nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren".

Insoweit trägt auch die Argumentation z.B. des DRB, dass die Rechtsprechung zum Mindestabstand von 115% einen Bezug zwischen einer verbeamteten ungelernten Kraft und dem Bürgergeldempfänger herstellt. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, dass in einigen Bundesländern das Eingangsamt bei einem ursprünglichem Beförderungsamt des ehem. m.D. liegt, einem Amt, das zwingend eine - häufig sogar fachspezifische - Ausbildung voraussetzt.

Damit geht für mich eine unmittelbare Status-Verletzung einher, das was einige als "vollständige Entkoppelung" beschreiben.

Gestalten kann der Gesetzgeber meines Erachtens diesbzüglich nur, wenn er die Besoldungstruktur grundsätzlich reformiert und völlig neu in den Kontext des oben zitierten Leitsatzes setzt.

Dabei stellt sich aber zurecht die Frage, ob es dann überhaupt wie bisher bei den 115% bleiben kann. Aber diese Frage muss der Gesetzgeber beantworten.

cyrix42:

--- Zitat von: tigertom am 02.09.2025 12:55 ---Nee. Man muss sich die Frage stellen, warum das früher möglich war, aber heute nicht mehr. Mag es daran liegen, dass man mittlerweile spürbar unteralimentiert ist? Ist es das vielleicht?

--- End quote ---

Nicht notwendigerweise. Möglicherweise sind die Immobilienpreise einfach schneller gestiegen als das gesamte Preisniveau...

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