Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2093311 times)

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8250 am: 11.11.2023 10:02 »
Ich habe am 27.10.2023 das BVerfG um Auskunft gebeten, ob die dort anhängigen Normenkontrollverfahren 2 Bvl 2/16 u.a. noch dieses Jahr zum Abschluss kommen.

Habe heute schriftlich die Antwort erhalten:
...Es kann derzeit davon ausgegangen werden, dass die Verfahren nicht mehr im Jahr 2023 zum Abschluss gelangen...

Dann hoffe ich mal auf das nächste Jahr.  :(

Dann wäre die Bremer Besoldung zum 3. Mal in der Jahresvorschau. Ist mittlerweile so üblich.

Auch wenn es etwas Kaffeesatzleserei ist, aber Ablehnungen/Abweisungen gehen generell immer einfacher und schneller. Vielleicht basteln die ja an einem Knüller, damit nicht jedes Jahr Vorlagen aus 17 Rechtskreisen reinflattern.

Ich kann mich an ein Interview mit dem früheren Vorsitzenden des BVerfG, Voßkuhle, erinnern, in dem der sagte, dass ihm die Beamtenbesoldungsverfahren vor dem BVerfG auch zu lange dauern. Und was macht das BVerfG? Es verzögert, und verzögert, und verzögert, bis die Ansprüche der Beamten durch die Inflation völlig entwertet sind. Soweit ich mich erinnern kann, sind noch Verfahren von 2004 anhängig.
Das schadet dem Ansehen des BVerfG. Man fragt sich warum dauert das so lang, und man spekuliert nach den Gründen. Gibt es vielleicht doch Absprachen zwischen Politik und BVerfG? Ist die Haushaltslage vielleicht wirklich so dramatisch, dass ein bisher vorgesehenes Urteil den Todesstoß für Bund, Länder und Kommunen bedeutet? Hat es mit ausstehenden Urteilen auf EU-Ebene zu tun? Gibt es keine Einigkeit zwischen den Richtern? Ist Deutschland auf dem Weg in eine illiberale Demokratie?
Voßkuhle soll vor kurzem, auf das Thema Beamtenbesoldung angesprochen, gesagt haben, "wir haben euch gewarnt". Anscheinend hat die Politik diese Warnungen des BVerfG unbeachtet gelassen, wenn man die neuen Besoldungsgesetze betrachtet. Die Politik will bei der Beamtenbesoldung und insbesondere bei der Beamtenversorgung einsparen, koste es was es wolle. Sie ist anscheinend für dieses Ziel auch bereit die Demokratie und den Rechtsstaat zu beschädigen. Es muss Deutschland wirklich sehr schlecht gehen.

tigertom

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8251 am: 12.11.2023 18:24 »
Bin schon total auf die zukünftigen Antworten aus dem Hause Saathoff gespannt.

Man arbeite an einer Umsetzung
Man arbeite an einer zeitnahen Umsetzung
Man arbeite an einer zügigen Umsetzung
Man arbeite mit Druck an einer zügigen Umsetzung
Man arbeite mit Hochdruck an einer zügigen Umsetzung
Man arbeite mit äußerstem Höchstdruck an einer beschleunigten Umsetzung

Und dann im Jahre 2025/2026 heißt es dann, man wolle erst das Ergebnis der Tarifverhandlungen abwarten.

Danach dann die Kabinettsitzung zu den TV 2025/2026 abwarten.
Dann, dass der Gesetzentwurf durch den Bundesrat geht.
Dann, dass das BesÄG2026 in Kraft tritt.

Dann wird natürlich neu berechnet, vor allem der REZ, und dann wird wieder an einer zeitnahen Umsetzung der amtsangemessenen Alimenation gearbeitet.

Da Capo.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8252 am: 12.11.2023 18:48 »
Klingt realistisch. Nur wird der Name bis dahin ein anderer sein.

Vorfreude ist ja auch die schönste Freude... So gesehen tun sie uns einen Gefallen.

Lichtstifter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8253 am: 13.11.2023 13:21 »
Zitat
Auch wenn es etwas Kaffeesatzleserei ist, aber Ablehnungen/Abweisungen gehen generell immer einfacher und schneller. Vielleicht basteln die ja an einem Knüller, damit nicht jedes Jahr Vorlagen aus 17 Rechtskreisen reinflattern.

Wer weiß, wer weiß.

Es spricht auf jeden Fall viel dafür, dass sie es sich nicht leicht machen, bei der Komplexität, die diese Thematik mittlerweile angenommen hat. Da wieder Ordnung zu schaffen, bei den täglich neu geschaffenen Ergüssen der Besoldungsgeber.

Sicherlich ist man sich auch der Tragweite eines scharfen Urteils mit aller Konsequenz bewusst. Einerseits will man ernst genommen werden, weil man ja schon auf den Missstand in aller Deutlichkeit hingewiesen hat. Andererseits wird bei diesem Treffen mit der BReg die finanzielle Komponente besprochen worden sein und was da alles so dran hängt.

Deswegen kann ich mir vorstellen, dass eine sorgfältige Abwägung der Interessen den Sachverhalt halt auch wie Kaugummi in die Länge zieht.

Nanum

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8254 am: 13.11.2023 14:43 »
Hallo,


irgendwie nähert sich trotzdem der Zeitpunkt, an dem dann die Notoperation zwar durchgeführt der Patient aber bereits lange verstorben ist.


Was bedeuten soll: Die Zeit wird mit steigender Verfahrensdauer ein immer wichtigerer Faktor.

Lichtstifter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8255 am: 13.11.2023 14:52 »
Der Patient steht auf der Warteliste für das passende Organ.

Solange muss es das beschädigte richten.



SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8256 am: 13.11.2023 15:14 »
Hier ist ein auch für unser Thema wiederkehrend trefflicher Beitrag zu lesen:

https://verfassungsblog.de/verlockung-der-macht/

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8257 am: 13.11.2023 19:28 »
Zitat
Auch wenn es etwas Kaffeesatzleserei ist, aber Ablehnungen/Abweisungen gehen generell immer einfacher und schneller. Vielleicht basteln die ja an einem Knüller, damit nicht jedes Jahr Vorlagen aus 17 Rechtskreisen reinflattern.

Wer weiß, wer weiß.

Es spricht auf jeden Fall viel dafür, dass sie es sich nicht leicht machen, bei der Komplexität, die diese Thematik mittlerweile angenommen hat. Da wieder Ordnung zu schaffen, bei den täglich neu geschaffenen Ergüssen der Besoldungsgeber.

Sicherlich ist man sich auch der Tragweite eines scharfen Urteils mit aller Konsequenz bewusst. Einerseits will man ernst genommen werden, weil man ja schon auf den Missstand in aller Deutlichkeit hingewiesen hat. Andererseits wird bei diesem Treffen mit der BReg die finanzielle Komponente besprochen worden sein und was da alles so dran hängt.

Deswegen kann ich mir vorstellen, dass eine sorgfältige Abwägung der Interessen den Sachverhalt halt auch wie Kaugummi in die Länge zieht.

Wenn man tatsächlich diskutiert, ob man sich geltendes Recht „leisten kann“, dann ist man wirklich vom Rechtsstaat in der Bananrepublik angekommen.

Demnächst enthält dann jedes Urteil eine „wirtschaftliche Urteilsfolgenabschätzung“:

„Der Kläger hat einen Anspruch…..
Allerdings bedeutet dies für den Beklagten eine finanzielle Belastung von x.
Diese finanzielle Härte ist dem Beklagten nicht zuzumuten.
Dementsprechend war die Klage abzuweisen.“

Beschleunigt auch die Arbeit der Gerichte. Man braucht nicht mehr in der Sache einzusteigen,
sondern weist die Klage einfach aus diesem Grund ab. Am besten gleich in der Zulässigkeit prüfen.

xyz123

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8258 am: 13.11.2023 20:26 »
Aber einmal eine andere Frage: Warum wurden gestern eigentlich Beiträge vom Admin gelöscht?

Die Kolleginnen und Kollegen werden hier um mehrere zehntausend, wenn nicht hunderttausend Euro pro Familie betrogen. Da muss ja wohl etwas Frust rauslassen oder ein kleines Späßchen drin sein oder etwa nicht?

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8259 am: 13.11.2023 20:59 »
Hier ist ein auch für unser Thema wiederkehrend trefflicher Beitrag zu lesen:

https://verfassungsblog.de/verlockung-der-macht/

Danke für den Link Swen.
Wieder mal erhellend wie alle deine Beiträge.
Leider auch in diesem Fall lässt der Beitrag immer mehr Zweifel an unserem System wachsen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8260 am: 14.11.2023 00:36 »
Gern geschehen, Bundi, und Danke für die Worte, über die ich mich freue!

Und wenn ich so zurückdenke in die 1980er Jahre - Helmut Kohl kommt ja in dem Beitrag ebenfalls vor -, dann war's da höchstwahrscheinlich auch nicht anders; es haben nur weniger Menschen tatsächlich mitbekommen, weil die Informationsmöglichkeiten in der Zeit vor den digitalen Medien noch deutlich eingeschränkter waren. Politik als Kunst des Möglichen, wie der Ausspruch Bismarck zugeschrieben wird, wird wohl seit jeher wiederkehrend vor allem Kunstgriffe meinen - und so hat dann jede Zeit ihre "Emser Depesche". Damit will ich das auch im Thema Besoldungsrecht nicht hinnehmbare Handeln der Verantwortungsträger nicht rechtfertigen - es höhlt mit jedem weiteren gezielt vorgenommenen Verfassungsbruch unsere Rechtsordnung aus; und so handeln in Anbetracht dessen, was da an Neofaschismus immer noch größer wird und auch deshalb noch immer größer wird, nur geschichtsvergessene Toren -, aber die "Kunst des Möglichen" bedeutet wohl als wirkmächtige geschichtliche Konstante nicht zuletzt die Dehnung des Rechts: Der Unterschied zwischen demokratischen und nicht-demokratischen Politikern liegt vielleicht vor allem darin, dass erste dabei die Hoffnung nicht aufgeben, dass ihr nicht akzeptables Handeln, von dem sie wissen, dass es nicht akzeptabel ist, die Demokratie nicht zerreißt, während letzteren das Recht seit jeher egal ist, solange es ihnen nicht zunutze ist.

Da die bundesdeutsche Politik sich praktisch in ihrer Gesamtheit spätestens in den letzten drei Jahren als unfähig gezeigt hat, hinsichtlich der Alimentation der Bediensteten grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten, kann man weiterhin nur hoffen, dass sich das zumindest in Teilen zu ändern beginnt, sofern Karlsruhe präzise Entscheidungen tätigen wird - wann auch immer der Zweite Senat vermeint, sich dazu in der Lage zu sehen. Mindestens bis dahin, darauf darf man spätestens nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre rechnen, wird weiterhin Hand an das Besoldungsrecht gelegt werden.

Wie hatte schon Rudolf Summer im direkten Vorfeld der Reföderalisierung des Besoldungsrechts bedenkenswert prophezeit: Es sei "bei der Rückverlagerung der Gesetzgebung auf den Gebieten des Besoldungsrechts und des Beamtenversorgungsrechts mit einer rasch abnehmenden Transparenz des Rechts und einem Fortschreiten des Qualitätsverfalls des Rechts zu rechnen. [...] Die Länder werden mit ihrer Personalausstattung in den Dienstrechtsministerien die Aufgabe aus der neuen Ländergesetzgebung wohl kaum sachgetrecht schultern können." (Summer, ZBR 2006, S. 120 <128 f.>; Hervorhebungen i.O.). Genauso ist es gekommen - und zur sachlichen Unfähigkeit, das Recht zu wahren, kam zunehmend ein offensichtliches politisches Wollen hinzu, es gar nicht mehr allzu genau nehmen zu wollen, das seit spätestens drei Jahren nun auf die Spitze getrieben wird.

Der Obelix

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8261 am: 14.11.2023 07:14 »
Ich muss aber auch mal die Bundesländer in Schutz nehmen. Wer hätte denn auch ahnen können, dass sich die folgenden Maßnahmen negativ auswirken:

- Arbeitszeiterhöhung (NRW) von 38.5 auf 41 std
- Abschaffung Weihnachtsgeld
- Kostendämpfungspauschale
- Streckung von Dienstaltersstufen und damit Vorenthalten von Besoldung
- Nullrunden 2005,2006,2007
- Geringere Erhöhung durch Einführung einer Leistungsprämie, Abschaffung dieser 3 Jahre später
- Abschaffung Urlaubsgeld

Also ich dachte das wären alles positive Maßnahmen. Kann ich echt gar nicht verstehen warum dieses böse Verfassungsgericht hier jetzt Recht spricht...

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8262 am: 14.11.2023 08:10 »
Ich muss aber auch mal die Bundesländer in Schutz nehmen. Wer hätte denn auch ahnen können, dass sich die folgenden Maßnahmen negativ auswirken:

- Arbeitszeiterhöhung (NRW) von 38.5 auf 41 std
- Abschaffung Weihnachtsgeld
- Kostendämpfungspauschale
- Streckung von Dienstaltersstufen und damit Vorenthalten von Besoldung
- Nullrunden 2005,2006,2007
- Geringere Erhöhung durch Einführung einer Leistungsprämie, Abschaffung dieser 3 Jahre später
- Abschaffung Urlaubsgeld

Also ich dachte das wären alles positive Maßnahmen. Kann ich echt gar nicht verstehen warum dieses böse Verfassungsgericht hier jetzt Recht spricht...

Sind doch positive Maßnahmen. Haushalte konnten saniert werden und man hatte Geld für Sozialgedöhns.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8263 am: 14.11.2023 09:22 »
Gern geschehen, Bundi, und Danke für die Worte, über die ich mich freue!

Und wenn ich so zurückdenke in die 1980er Jahre - Helmut Kohl kommt ja in dem Beitrag ebenfalls vor -, dann war's da höchstwahrscheinlich auch nicht anders; es haben nur weniger Menschen tatsächlich mitbekommen, weil die Informationsmöglichkeiten in der Zeit vor den digitalen Medien noch deutlich eingeschränkter waren. Politik als Kunst des Möglichen, wie der Ausspruch Bismarck zugeschrieben wird, wird wohl seit jeher wiederkehrend vor allem Kunstgriffe meinen - und so hat dann jede Zeit ihre "Emser Depesche". Damit will ich das auch im Thema Besoldungsrecht nicht hinnehmbare Handeln der Verantwortungsträger nicht rechtfertigen - es höhlt mit jedem weiteren gezielt vorgenommenen Verfassungsbruch unsere Rechtsordnung aus; und so handeln in Anbetracht dessen, was da an Neofaschismus immer noch größer wird und auch deshalb noch immer größer wird, nur geschichtsvergessene Toren -, aber die "Kunst des Möglichen" bedeutet wohl als wirkmächtige geschichtliche Konstante nicht zuletzt die Dehnung des Rechts: Der Unterschied zwischen demokratischen und nicht-demokratischen Politikern liegt vielleicht vor allem darin, dass erste dabei die Hoffnung nicht aufgeben, dass ihr nicht akzeptables Handeln, von dem sie wissen, dass es nicht akzeptabel ist, die Demokratie nicht zerreißt, während letzteren das Recht seit jeher egal ist, solange es ihnen nicht zunutze ist.

Da die bundesdeutsche Politik sich praktisch in ihrer Gesamtheit spätestens in den letzten drei Jahren als unfähig gezeigt hat, hinsichtlich der Alimentation der Bediensteten grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten, kann man weiterhin nur hoffen, dass sich das zumindest in Teilen zu ändern beginnt, sofern Karlsruhe präzise Entscheidungen tätigen wird - wann auch immer der Zweite Senat vermeint, sich dazu in der Lage zu sehen. Mindestens bis dahin, darauf darf man spätestens nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre rechnen, wird weiterhin Hand an das Besoldungsrecht gelegt werden.

Wie hatte schon Rudolf Summer im direkten Vorfeld der Reföderalisierung des Besoldungsrechts bedenkenswert prophezeit: Es sei "bei der Rückverlagerung der Gesetzgebung auf den Gebieten des Besoldungsrechts und des Beamtenversorgungsrechts mit einer rasch abnehmenden Transparenz des Rechts und einem Fortschreiten des Qualitätsverfalls des Rechts zu rechnen. [...] Die Länder werden mit ihrer Personalausstattung in den Dienstrechtsministerien die Aufgabe aus der neuen Ländergesetzgebung wohl kaum sachgetrecht schultern können." (Summer, ZBR 2006, S. 120 <128 f.>; Hervorhebungen i.O.). Genauso ist es gekommen - und zur sachlichen Unfähigkeit, das Recht zu wahren, kam zunehmend ein offensichtliches politisches Wollen hinzu, es gar nicht mehr allzu genau nehmen zu wollen, das seit spätestens drei Jahren nun auf die Spitze getrieben wird.

Zu all den genannten Gründen kommt dann noch die fiskalische Not hinzu. Wir befinden uns in oder zumindest am Rand einer Rezession, es soll eine teure Transformation der Energie durchgeführt werden, es tun sich überall neue Aufgabengebiete auf und unsere Politiker haben die alte Scheckbuchpolitik nicht abgelegt.
Außerdem funktioniert das alte Narrativ vom sicheren, gutbezahlten und nicht so stressigen öffentlichen Dienst immer noch. Umfragen zeigen, dass immer noch viele Jugendliche in den Öffentlichen Dienst wollen.
Die Proteste sind für Politiker auch noch zu ertragen. Schließlich wollen auch Ärzte, Apotheker und Taxifahrer mehr Geld, und steigende Löhne würden die Inflation weiter anheizen. Auch der Druck durch das BVerfG ist noch zu ertragen, und wenn man alles mögliche versucht, ist ja vielleicht doch irgendwo eine Einsparmöglichkeit gegeben.
Die Bürger und auch so mancher Wirtschaftsweise haben zudem das "gesunde Rechtsempfinden", dass man zur Not immer bei den Beamten sparen kann.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8264 am: 14.11.2023 09:29 »
Auch wenn ich die Sendung gestern nicht gesehen habe, scheint hier eine ja schon länger schwellende Diskussion losgetreten worden zu sein: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/hubertus-heil-warnt-vor-kuendigung-wegen-steigendem-buergergeld-a-ba295771-c733-4373-bc04-5d6a69ec81f6

Auch diese Diskussion läuft offensichtlich sachlich verquer, wenn nun der vom Grundgesetz garantierte Anspruch auf ein menschwürdiges Existenzminimum dafür verantwortlich gemacht wird, dass in nicht wenigen Branchen in Deutschland offensichtlichen sowohl das Netto-Lohnniveau nicht hinreicht, um einen zu erwartenden Abstand zwischen den Arbeitssuchenden gewährten sozialen Leistungen und den Arbeitnehmern zur Verfügung stehenden Netto-Löhnen zu wahren. Wenn darüber hinaus ein nicht geringer Teil von Arbeitnehmern zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen ist, um gerade so oberhalb des jeweiligen Grundsicherungsniveaus zu liegen, dann dürfte das Problem wohl eher nicht beim Bürgergeld liegen - es sei denn, man möchte, dass nicht geringe Teile auch der arbeitenden Bevölkerung zunehmend weiter verarmt. Politisch verantwortungsvoll wäre es so wohl eher, dort als politischer Verantwortungsträger sachlich zu handeln, wo die Möglichkeit besteht, mit für ein höheres Nettolohn-Niveau zu sorgen, sodass sich der Ausruf, dass Arbeit sich lohnen müsse, tatsächlich gelte, anstatt auf die gesellschaftlich Schwächsten einzudreschen, als säßen hier Millionen an Sozialschmarozern, die nur das eine Ziel hätten, den Sozialstaat auszubeuten (jene gibt es durchaus; aber sicherlich nicht als Regelfall).

Wenn darüber hinaus auch 2021 die Zahl derer, die Mindestsicherungsleistungen bezogen haben - immerhin 6,6 Millionen Menschen und also rund acht % der Bevölkerung (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Mindestsicherung/aktuell-mindestsicherung.html) -, weiterhin rückläufig war und darüber hinaus das Leben auf Grundsicherungsniveau zumeist kein erstrebendwerter Zustand ist, dann sollte man sich als politischer Verantwortungsträger vielleicht eher fragen, was man tun kann, um diesen Trend rückläufiger Zahlen weiter voranzutreiben, anstatt stigmatisierende Debatten(beiträge) zu liefern, die nur populistische Trends bestätigen, jedoch keine sachlichen Probleme lösen. https://www.diw.de/de/diw_01.c.859029.de/nachrichten/die_falschen_behauptungen_ueber_das_buergergeld_sind_gefaehrlich.html

Wenn man als politische Verantwortungsträger Haushaltsmittel sparen will - ob in der sozialen Sicherung oder bei der Alimentation und Versorgung -, dann sollte man vielleicht im Rahmen der rechtlichen und politischen Möglichkeiten eher nach sachlichen Mitteln und Wegen suchen, die einem das gestatten, als wiederkehrend an die niederen Instinkte der Bevölkerung zu appellieren. Wer nun bspw. eine Arbeitspflicht auch für alleinerziehende Mütter fordert - ein großer Teil an Sozialleistungsbeziehenden -, wie das gestern der Generalsekretär der Union der Demokratischen Christen der Bundesrepublik Deutschland wohl in seiner Funktion des guten Christenmenschen getan hat, der sollte vielleicht mit der Arbeitspflicht sinnvoller Tätigkeit erst einmal bei sich selbst anfangen, also seinen Kopf nicht allein zum Sprechen, sondern zuvor eventuell mal zum Nachdenken benutzen. https://www.sueddeutsche.de/politik/buergergeld-abschaffung-cdu-carsten-linnemann-grundsatzprogramm-1.6302864 https://www.tagesspiegel.de/politik/cdu-kritisiert-hartz-iv-nachfolger-linnemann-fordert-arbeitspflicht-fur-burgergeld-bezieher-10775626.html Eine Arbeitspflicht kannte man in Deutschland in der Vergangenheit bereits, jedoch weiterhin nicht auf dem Boden der Bundesrepublik, sondern insbesondere dort, wo es eine daran maßgeblich mitwirkende Block-CDU gegeben hat. Wer sich durch eigene Leistung in der Vergangenheit mit aller Kraft darum beworben hat, heute eine maßgebliche Oppositionspartei zu sein, sollte stolz darauf sein, diese große Leistung in der Vergangenheit vollbracht zu haben, und sollte also durch tägliche Arbeit den Unterschied zu denen, die nicht so leistungsfähig sind, um eine große Oppositionspartei zu sein, herausstellen. Das Spalten des Landes könnte er dann einer anderen Oppositionspartei überlassen, die jenes Spalten des Landes bislang besser berherrscht hat.