Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2092621 times)

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8925 am: 15.12.2023 08:00 »
Wir reden hier über ein Thema das derart komplex ist, dass das BVerfG Jahre braucht entscheidungen zu treffen und auch der neuste Entwurf schon fast 2 Jahre in den Beratungen und Ressortabstimmungen ist.
Wie will man da einem "einfachen, rechtsfernen" Beamten (das ist nicht dispektierlich gemeint) zumuten, dass er hätte erkennen müssen, hier dennoch Widerspruch einlegen zu müssen.

Wie lange diskutieren wir hier schon über das Thema und sind teilweiser komplett anderer Meinung? Der Großteil derer, die sich hier einbringen, scheint zumindest in der Lage zu sein, Rechtstexte lesen zu können, was man von vielen Beamten nicht erwarten muss, weil diese einen ganz anderen Auftrag haben.

Ich zweifle auch in keinster Weise an, dass das BMI alles daransetzen wird, den "Schaden" für sich selbst so gering wie möglich zu halten. Ich frage nur, welche Rechtsgrundlagen das BMI finden könnte um jene Beamte, die nichts mit solchen Dingen zu tun haben, dennoch vorwerfen zu können, sie hätten sich nicht informiert.

Wer von uns Verwaltungsbeamten kann denn von sich behaupten, er wäre in der Lage eine Person festzunehmen, eine Baustelle nach Schwarzarbeitern zu durchsuchen oder einen wissenschaftliche Vorträge zu naturwissenschaftlichen Themen (Wetterdienst an der Uni z.B.) durchführen zu können?

Kaum einer.....,denn dazu bedarf es Fachkenntnis und vor allem Erfahrunng.

Also nochmal:
Wie könnte das BMI einem Zollbeamten oder einem Bundespolizisten im mittleren Dienst denn konkret vorwerfen, er hätte erkenn müssen, dass das Schreiben des BMI nicht das Papier wert ist, auf dem es steht ?


Kaldron

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8926 am: 15.12.2023 08:13 »
Indem es das tut, was es schon immer gemacht hat - nichts.

Die Aussage wird fallen: "Wenn es Dir nicht gefällt, dann verklag mich doch." Drei Dekaden später wird das dann entschieden, ob der Kläger dann das noch genießen kann, neben dem schwelenden, inneren Ärger, kann jeder für sich bewerten.

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8927 am: 15.12.2023 08:18 »
Diese Antwort beschreibt zwar eine anzunehmenden Ablauf, beantwortet aber meine Frage nicht.
Der erste Beamte, der mangels fehlenden Widerspruchs "hinten runter fällt" und deshalb dagegen vorgeht, wird ja eine Begründung erhalten, spätestens dann, wenn er vor das Verwaltungsgericht zieht.

Und nichts mehr als dass, also eine mögliche rechtliche Begründung, versuche ich den Mitwirkenden hier im Forum zu entlocken.


Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8928 am: 15.12.2023 08:20 »
Wir reden hier über ein Thema das derart komplex ist, dass das BVerfG Jahre braucht entscheidungen zu treffen und auch der neuste Entwurf schon fast 2 Jahre in den Beratungen und Ressortabstimmungen ist.
Wie will man da einem "einfachen, rechtsfernen" Beamten (das ist nicht dispektierlich gemeint) zumuten, dass er hätte erkennen müssen, hier dennoch Widerspruch einlegen zu müssen.

Wie lange diskutieren wir hier schon über das Thema und sind teilweiser komplett anderer Meinung? Der Großteil derer, die sich hier einbringen, scheint zumindest in der Lage zu sein, Rechtstexte lesen zu können, was man von vielen Beamten nicht erwarten muss, weil diese einen ganz anderen Auftrag haben.

Ich zweifle auch in keinster Weise an, dass das BMI alles daransetzen wird, den "Schaden" für sich selbst so gering wie möglich zu halten. Ich frage nur, welche Rechtsgrundlagen das BMI finden könnte um jene Beamte, die nichts mit solchen Dingen zu tun haben, dennoch vorwerfen zu können, sie hätten sich nicht informiert.

Wer von uns Verwaltungsbeamten kann denn von sich behaupten, er wäre in der Lage eine Person festzunehmen, eine Baustelle nach Schwarzarbeitern zu durchsuchen oder einen wissenschaftliche Vorträge zu naturwissenschaftlichen Themen (Wetterdienst an der Uni z.B.) durchführen zu können?

Kaum einer.....,denn dazu bedarf es Fachkenntnis und vor allem Erfahrunng.

Also nochmal:
Wie könnte das BMI einem Zollbeamten oder einem Bundespolizisten im mittleren Dienst denn konkret vorwerfen, er hätte erkenn müssen, dass das Schreiben des BMI nicht das Papier wert ist, auf dem es steht ?

Kapierst du es nicht? Die ballern nächtes Jahr vermutlich irgendwas raus und jeder der in einer geringen Mietstufe und/oder ohne Kinder lebt, wird fast nichts bekommen. Dann ist das Thema für das BMI fürs erste abgehakt.

Wenn du dann keinen Bescheid bekommst, musst du damit leben. Klagen kannst du ja nicht.

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8929 am: 15.12.2023 08:38 »
Diese Antwort beschreibt zwar eine anzunehmenden Ablauf, beantwortet aber meine Frage nicht.
Der erste Beamte, der mangels fehlenden Widerspruchs "hinten runter fällt" und deshalb dagegen vorgeht, wird ja eine Begründung erhalten, spätestens dann, wenn er vor das Verwaltungsgericht zieht.

Und nichts mehr als dass, also eine mögliche rechtliche Begründung, versuche ich den Mitwirkenden hier im Forum zu entlocken.

Du erhältst doch von diversen Verwaltungen unterschiedlichste Bescheide, die du ebenfalls prüfen und ggfs. Einspruch einlegen musst, da ansonsten Ansprüche und Korrekturen wegfallen. Bist du Experte in allen Bereichen?

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8930 am: 15.12.2023 08:40 »
Widerspruchsführer wurden auch in der Vergangenheit ungeachtet der Möglichkeit des Rechtswegs wiederholt mittels Reparaturgesetzen besser gestellt, als jene die keinen Widerspruch eingelegt hatten. Das erwarte ich hier auch, natürlich nicht im Rahmen des BBVangG (da das BMI Rundschreiben greift) aber ziemlich sicher im Zuge weiterer Reparaturgesetze, die nötig werden. Für die folgenden Gesetze wird das Rundschreiben ziemlich sicher nicht mehr gelten, da das BMI behaupten wird das Thema geheilt zu haben. Die rechtlichen Möglichkeiten von nicht Widerspruchsführern sind mit dem BBVangG jedoch erloschen, im Gegensatz zu denen der Widerspruchsführer.

Im Übrigen werden die wenigsten Kollegen Klagen durch alle Instanzen führen müssen, auch das wurde hier schon hinreichend diskutiert - wenn man denn gewillt wäre es zu lesen - mindestens den Sammelthread, wo PolareuD sich die Mühe gemacht hat viele Themen aufzubereiten. Die Klagen werden in der Regel ruhend gestellt bis weitere Urteile ergehen. Dafür muss aber zwingend vorher ein Widerspruch und anschließend eine Klage eingereicht werden. Dieses Vorgehen nach mittlerweile bald 4 Jahren hier immer noch wiederholt erläutern zu müssen nervt. Das wurde alles schon zigfach diskutiert und jedes Jahr erwacht gefühlt ein weiterer Beamter und meldet "Zweifel" an.

Niemand wird gezwungen Widerspruch einzulegen. Aber natürlich wird der Druck auf die Politik mit steigender Anzahl von Widersprüchen steigen und so sollte es im Eigeninteresse eines jeden Beamten liegen Widersprüche einzulegen. Wieso scheuen das Einige hier eigentlich? Angst vor einer Beförderungssperre? Ich lege jedes Jahr Widerspruch ein und bin mittlerweile 2 mal befördert worden im gD. Erstens sollte der Widerspruch kein Kriterium für eine Beförderung sein und zweitens gehen die Widersprüche an die Besoldungsstelle (oft das BVA) und nicht an die Personalstelle in der Behörde.

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8931 am: 15.12.2023 08:45 »
Bastel...Watch your Language!!

Ich verstehe sehr wohl.
Die frage ist doch, was will das BMI / der Gesetztgeber denn "rausballern"??

Ob ich Widerspruch einlege oder nicht, hat null Auswirkungen.

Wenn dass, was da kommen mag verfassungswidrig ist dann spielt es keine Rolle.
Dass, was da kommen mag schafft erstmal Fakten, bis man feststellt, dass es verfassungswidrig ist, somit bringt dir ein Widerspruch doch auch nichts. Denn die neu geschaffenen, wenn auch sehr warscheinlich verfassungswidrig Fakten schließen dich ggf. sowieso aus.

Mal anders: Was bringt der Widerspruch?

Nicht mehr als einen Bescheid den du dann WIE anfechten möchtest auf welcher Grundlage??

@ FLOKI

Natürlich nicht.
Jedoch sind bescheide vom FA oder von der Bauverwaltung ein anderes Kaliber, als diese Never Ending Story. Welche Menschen befassen sich mit deiner Steuererklärung und ggf mit einer Nachzahlung und um wie viele Menschen und welche Rechtskreise geht es da?
Dass selbe bei einem Bauantrag...setzt das mal in Relation zu dieser Story und schau mal, welche Rechtskreise da betroffen sind, welche Instanzen sich damit, wie lange schon beschäftigen.
Das kann man in nicht miteinander vergleichen.

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8932 am: 15.12.2023 08:52 »
M.E. ist der Gedanke nicht so abwegig...

Wenn man sich vor Augen hält, welch aufwendige Systematik das BVerfG allein für die Prüfung des Mindestabstands
entwickelt hat und welche Berechnungen hierfür vergenommen müssen, anhand von Daten, die dem einzelnen Beamten überhaupt nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen, kommt die derzeitige gesetzliche Regelung, die dem Beamten abverlangt, zeitnah gegen seine Besoldung vorzugehen, fast einer Beweislastumkehr gleich. Ohne weitere Vorkenntnisse kann dies nicht mehr sein, als ein Schuss in Blaue.

Die Frage ist, ob dies bei einem derart komplexen Sachverhalt noch angemessen sein kann.

Hier kann man durchaus mal das besondere Treueverhältnis mit in die Wertung einbeziehen. Ich stelle es mal Provokant in den Raum:

Wieso soll eigentlich der Beamte nachweisen, dass seine Besoldung nicht verfassungsgemäß ist!?

Genauso könnte man verlangen, dass der Gesetzgeber aufgrund des besonderen Treueverhältnisses verpflichtet ist, darzulegen, dass die Besoldung verfassungsgemäß ist. Dies korreliert dann übrigens auch mit den besonderen Begründungspflichten, die das BVerfG dem Gesetzgeber in seinen aktuellen Entscheidungen immer mehr verdeutlicht.

Wieso sollte der Beamte nicht grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass seine Besoldung verfassungsgemäß ist!? Von ihm wird schließlich auch erwartet, dass er stets gemäß der Verfassung handelt.

M.E. gehört die Regelung zur zeitnahen Geltendmachung überprüft. Eine tiefgehende Begründung des Widerspruchs ist dem einzelnen Beamten aufgrund des komplexen Prüfprogramms überhaupt nicht zuzuzmuten.
Sie steht im Widerspruch zu den umfassenden Begründungspflichten, die das BVerfG mittlerweile an den Gesetzgeber stellt.

Vielleicht sollte einfach mal jemand klagen, dessen Widerspruch aufgrund der Regelung der zeitnahen Geltendmachung negativ beschieden wurde.

Wenn der Gesetzgeber seinen Begründungspflichten nämlich umfassend nachkommen würde, könnte man sich die zeitnahe Geltendmachung sparen, da er um die Haushaltsrisiken wissen würde.

Hieran zeigt sich, dass auch die Begründung dieser Regelung auf Scheinargumenten beruht. Sie dient nicht, Haushaltsrisiken zeitnah zu erkennen, nein, sie dient mittlerweile dazu, den Kreis derjenigen, die bei offensichtlich verfassungswidriger Besoldung ihre Ansprüche tatsächlich durchsetzen, klein zu halten.




emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8933 am: 15.12.2023 09:01 »
Vielleicht nur noch ein Hinweis, der es den Zweiflern verständlicher macht. Auch im Entwurf des BBVAngG werden Widerspruchsführer besser gestellt als andere Beamte. Wer 2020 Widerspruch eingelegt hat, erhält für 2020 eine Nachzahlung. Ab 2021 greift das Rundschreiben. Aber eben, ich wiederhole mich, gibt es Nachzahlungen nur nach den Regelungen dieses verfassungswidrigen Gesetzentwurfs.

Der Widerspruch dient primär dazu, sich Nachzahlungen auf der Grundlage nicht irgendeines rausgeballerten Scheißgesetzes zu sichern, sondern auf der Grundlage einer verfassungskonformen Alimentation, die hoffentlich irgendwann doch noch kommt.

@Warzenharry: Niemand Informiertes rechnet mit einem verfassungskonformen Anpassungsgesetz. Und genau deshalb legt man dauernd Widerspruch ein. In Rn 183 des aktuellen Beschlusses steht, dass es letztendlich für Nachzahlungen darauf ankommt, ob sich der Beamte mit statthaftem Rechtsbehelf gewehrt hat weil eine allgemeine rückwirkende Behebung nicht geboten ist.

Viele hier leisten Aufklärungsarbeit ohne Ende und der Dank dafür sind unfundierte Zweifel von satten, bräsigen Amtslämmern. Kein Wunder, dass man es mit uns machen kann.

@ChRosFw: Da stimme ich dir und im Grundsatz auch Warzenharry zu. Wir leben nicht im Rechtsstaat sondern im Rechtsmittelstaat. Man sollte aus dieser verqueren Anforderung an den Beamten aber nicht ableiten, er müsste die gesamte Abwägung des Gerichts vorwegnehmen.

Manyou

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8934 am: 15.12.2023 09:03 »
@ Warzenharry
 So wie ich das Verstehe ist es so:
Wenn ich jedes Jahr rechtzeitig Widerspruch einlege kann ich im Klage fall Geld für all die Jahre bekommen, wenn ich das nicht tue dann nicht.
Wenn ich mich auf das schreiben vom BMI verlasse bekomme ich vielleicht jetzt eine Nachzahlung, aber in einen späteren Klagefall stehen mir keine weiteren Zahlungen für die Jahre 2021 bis 2024 zu.

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8935 am: 15.12.2023 09:32 »

@ChRosFw: Da stimme ich dir und im Grundsatz auch Warzenharry zu. Wir leben nicht im Rechtsstaat sondern im Rechtsmittelstaat. Man sollte aus dieser verqueren Anforderung an den Beamten aber nicht ableiten, er müsste die gesamte Abwägung des Gerichts vorwegnehmen.

Dessen bin ich mir natürlich bewusst. Es zeigt sich aber auch, dass ein Großteil der Beamtenschaft offensichtlich nicht den geringsten Anlaß hat, an der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation zu zweifeln. Wie soll jemand, ohne überhaupt das Zahlenwerk zu kennen, prüfen, ob der Abstand zur Grundsicherung jetzt 12 oder 16 Prozent beträgt!? Im Ergebnis, müsste jeder, auch wenn die Besoldung verfassungsgemäß wäre, allein aus Gründen der Rechtswahrung jedes Jahr Widerspruch einlegen, da selbst eine überschlägige eigene Berechnung für die meisten so gut wie unmöglich ist.

Im Weiteren:

Natürlich nimmt das Gericht letztlich die Abwägung vor. Allerdings kommt es auch darauf an, was dem Gericht zur Entscheidung vorliegt. Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, sich nicht auf einen Angriffspunkt zu versteifen, sondern die Sache systematisch anzugehen.

Insoweit ist es auch nur ein Gedanke. Aber wieso sollte man nicht auch gegen die gesetzliche Regelung zur zeitnahen Geltendmachung vorgehen!? Von sich aus wird das Gericht das nicht tun.

Vielmehr kommt man dem Gesetzgeber mit der Versteifung auf das Mindestabstandsgebot fast entgegen, es gibt aber noch mehr Angriffspunkte, die man zur Disposition stellen kann.

 
« Last Edit: 15.12.2023 09:42 von ChRosFw »

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8936 am: 15.12.2023 09:35 »
@ Warzenharry
 So wie ich das Verstehe ist es so:
Wenn ich jedes Jahr rechtzeitig Widerspruch einlege kann ich im Klage fall Geld für all die Jahre bekommen, wenn ich das nicht tue dann nicht.
Wenn ich mich auf das schreiben vom BMI verlasse bekomme ich vielleicht jetzt eine Nachzahlung, aber in einen späteren Klagefall stehen mir keine weiteren Zahlungen für die Jahre 2021 bis 2024 zu.

Das sehe ich halt anders. Gemäß dem Rundschreiben des BMI verzichtet es auf die Notwendigkeit von Widerspüchen. Faktisch haben somit ALLE Beamten, die in diesem Rundschreiben genannt werden, einen Widerspruch eineglegt und auch haushaltsnah geltend gemacht. Da kommt das BMI einfach nicht mehr raus.
Jene die NICHT in diesem Rundschreiben genannnt werden, können dann versuchen, meiner und auch ChRosFw Argumentation folgen und sich auf die defakto UNMÖGLICHKEIT der Kenntnis eines notwendigen Widerspruches berufen, da diese Systematik derart komplex ist, dass sie in keinem Fall von einem einzelnen Beamten im notwendigen Maße durchdrungen werden kann, sodass dieser sich ordnungsgemäß währen kann.

Die Argumentation "leg doch einfach Widerspruch ein" mag zwar stimmen aber das ist für mich die selbe Mentalität, als wenn ich die These aufstelle: "Wenn ich nicht in ein Flugzeug steige, kann ich auch nicht abstürzen"
Ich gehe natürlich immer ein Risiko ein aber ich muss mich, gerade in Deutschland, wo alles bis aufs kleinste geregelt ist, darauf verlassen können, dass alle Beteiligten ihren Job richtig machen und das Flugzeug sicher von A nach B kommt.   

@ ChRosFw: danke DU hast meinen Punkt verstanden.

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8937 am: 15.12.2023 09:59 »
Ich gehe natürlich immer ein Risiko ein aber ich muss mich, gerade in Deutschland, wo alles bis aufs kleinste geregelt ist, darauf verlassen können, dass alle Beteiligten ihren Job richtig machen und das Flugzeug sicher von A nach B kommt.   

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, ob du Bundesbeamter bist und 41 Stunden wöchentlich arbeiten musst, wo doch eine Rückführung der Wochenarbeitszeit nach erfolgreicher Haushaltskonsolidierung vor 15 Jahren in Aussicht gestellt wurde.

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8938 am: 15.12.2023 10:04 »
Im Grunde sind wir an dem Punkt, dass man seinen Widerspruch "formell" allein damit begründen kann, dass der Gesetzgeber seiner Begründungspflicht/Prozedualisierungspflicht nicht nachgekommen ist.

Eine zutreffende materielle Begründung des Widerspruchs ist eigentlich nur mit einer hinreichenden Gesetzesbegründung möglich, die vielfach nicht vorhanden ist. Hieran sieht man auch die Bedeutung dieser Begründungspflicht: Es geht nämlich darum, anhand der Gesetzgebungsmaterialien nachvollziehen zu können, warum der Gesetzgeber etwas nach umfassender Abwägung mit den gewählten Mitteln gesetzlich regelt.

Deshalb wiegt es umso schwerer, dass der Rechtsschutzweg hieran anknüpft.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #8939 am: 15.12.2023 10:16 »
Diese Antwort beschreibt zwar eine anzunehmenden Ablauf, beantwortet aber meine Frage nicht.
Der erste Beamte, der mangels fehlenden Widerspruchs "hinten runter fällt" und deshalb dagegen vorgeht, wird ja eine Begründung erhalten, spätestens dann, wenn er vor das Verwaltungsgericht zieht.

Und nichts mehr als dass, also eine mögliche rechtliche Begründung, versuche ich den Mitwirkenden hier im Forum zu entlocken.

Diese Antwort ist hier bereits vielfach gegeben und regelmäßig von mir zitiert worden. Es ist die Rn. 27 der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung BVerwG 2 C 50.16 vom 21.02.2019 (https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0; Hervorhebungen durch mich):

"Für die Geltendmachung des Anspruchs genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht mehr zufrieden zu geben. So hätte es im vorliegenden Fall ausgereicht, wenn der Kläger - so wie später im gerichtlichen Verfahren - im Jahr 2004 erklärt hätte, dass er für den Fall einer zulässigen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung jedenfalls die danach verbleibende Gesamthöhe seiner Versorgungsbezüge für zu niedrig halte, weil sie ihm und seiner Familie keinen angemessenen Lebensstandard mehr ermögliche und sie sich in ihrer Lebensführung einschränken müssten. Ein solches Vorbringen wäre ihm auch als juristischen Laien möglich gewesen. Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich."

Da der Beamte verpflichtet ist, seinen Dienstgeschäften aktiv nachzugehen, muss er sich ebenso um seine Alimentation kümmern. Tut er das nicht, akzeptiert er damit für seine persönlichen Belange die damit einhergehenden Rechtsfolgen. Mehr als einen wiederkehrenden und vielfach begründeten Ratschlag kann man auch hier nicht geben. Handeln muss jeder selbst. Tut er's nicht, ist auch das seine Sache. Die Wahrscheinlichkeit, dass er es dereinst bereuen könnte, keinen Widerspruch eingelegt zu haben, dürfte nicht ganz gering sein.

Denn Deine Sichtweise : "Faktisch haben somit ALLE Beamten, die in diesem Rundschreiben genannt werden, einen Widerspruch eineglegt und auch haushaltsnah geltend gemacht" ist sachlich falsch. Ein statthafter Rechtsbehelf ist nur dann gegeben, wenn er aktiv vom Beamten vollzogen worden ist. Du kannst das selbst zwar anders sehen, nur wirst Du für Deine Meinung keine juristische Begründung finden. Insofern ist auch Dir hier nun wiederkehrend eine sachliche Begründung gegeben worden - wo ist nun Deine Begründung, die über eine Meinung hinausgeht? Dein Flugzeugbeispiel hat für die, die sich nicht auskennen, die verführerische Qualität, dass es sich schlüssig anhört - ein Rechtsverhältnis ist aber kein Flugzeug. Und wer das nicht glaubt, darf gerne die oben verlinkte Entscheidung in seiner Gänze lesen, um festzustellen, dass selbst ein Widerspruch ggf. nicht hinreicht, um die eigenen Ansprüche zu wahren - nämlich in dem Moment, wo jener Rechtsbehelf in nicht statthafter Form gestellt worden ist.

Ergo: Wo ist nun Deine juristische Begründung für Deine Meinung?