Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2090224 times)

BerndStromberg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9600 am: 17.01.2024 13:15 »
Die Antwort ist doch eigentlich ziemlich simple:

Durch vermehrte und schnellere Urteile, vermindert sich durchgehend der Gestaltungsspielraum der Besoldungsgeber. Zudem würden auch generell mehr Gerichtsverfahren angestrengt werden, da davon ausgegangen werden kann auf absehbare Zeit eine rechtskräftige Entscheidung zu haben.

Gegenfrage, was nützen denn im Gegenzug langsamere Entscheidungen? Es werden Jahre beurteilt, die mittlerweile schon lange zurücklegen. Der Gesetzgeber baut Mist, es muss erneut geklagt werden. Die weitere Entscheidung dauert wieder etliche Jahre und behandelt naturgemäß wieder Altjahre. Supi!

Es betrifft im Übrigen auch nicht nur die Entscheidungen zur Alimentation. Es sind dermaßen viele "Altfälle" vor dem Verfassungsgericht und betreffen ebenso alte Thematiken, dass ich mich ernsthaft fragen muss, ob das höchste deutsche Gericht, gemessen an dem Standard den wir als Rechtsstaat haben sollten, noch arbeitsfähig ist. Das lässt sich auch nicht mehr Arbeitsabläufen, komplizierten Thematiken, auszuarbeitenden Dogmatiken begründen. Denn wir reden hier nicht von Wochen und Monaten, sondern etlichen Jahren. Das passt dann nicht mehr zusammen.

Auch ich habe viel mit Gerichten zu tun, zwar nicht mit dem Bundesverfassungsgericht, aber vom Amtsgericht bis zu Bundesgerichten ist alles mit dabei. Es ist mehr als erschreckend, was im Bereich der Justiz alles über den Jordan geht, weil die Belastung zu hoch und die Mitarbeiter und die Zeit zu wenig ist. Mit einem Rechtsstaat hat das langsam nichts mehr zu tun. Wer meint, dass ich hier übertreibe, darf sich gerne die offenen noch nicht angepackten, verjährungsbedrohten Verfahren in NRW anschauen.
Warum sollte das Bundesverfassungsgericht hier eine Ausnahme bilden?

Wenn die Rechtsthematik dermaßen kompliziert ist, was bei vielen Verfahren durchaus bezweifelt werden darf (man schaue sich die Vorläufigkeiten in einem Einkommensteuerbescheid an), und man teilweise Jahrzehnte braucht für Entscheidungen, dann muss man einfach mehr Personal einstellen und vor allem öffentlich kommunizieren.

Das hat auch nichts mehr mit einer "emotionalen" Betrachtungsweise zu tun, sorry.
Vielen Dank Floki, du nimmst mir die Worte aus dem Mund!

Das Problem der Justiz insgesamt ist die mangelnde finanzielle wie personelle Ausstattung. Dass als Resultat einer solchen auch im internationalen Vergleich beschämenden Low-Budget-Justiz Verfahrenslaufzeiten von 20 Jahren herauskommen, ist dann leider konsequent.

Wenn ich aber dann wieder Peter Müller im ARD-Podcast vom 22.12.2023 höre, indem dieser auf die Frage nach einem zusätzlichen dritten Senat mit Nein antwortet und auch ansonsten die Arbeitsbelastung zwar als hoch, aber die Stellensituation als noch auskömmlich bezeichnet, komme ich nicht mehr ganz mit.

Wenn ich mir anschaue, wieviel Wert gerade in der 1. Instanz mittlerweile auf möglichst kurze Verfahrenslaufzeiten gelegt wird und wie oft dafür von unserer Gerichtsleitung und den Berufsverbänden nach mehr Personal erlangt wird, kann ich die Aussagen von Müller und Maidowski nicht mehr nachvollziehen. Dann verdoppelt man eben die Zahl der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, dem intern bereits jetzt schon sog. Dritten Senat, weil er die eigentliche Vorarbeit leistet. An einer solchen überschaubaren Stellenaufstockung kann es doch in einem derart reichen Land wie unserem bitte nicht scheitern.

@Swen: Ich bewundere deine fachliche Expertise in diesem Bereich ebenso wie dein grosses Engagement in dieser Sache! Deine Beiträge sind überhaupt der Grund dafür, dass ich hier fast täglich vorbeischaue. Aber ich stelle bei dir etwas fest, das ich auch bei einigen Kollegen feststelle: die Neigung, der Suche nach der „perfekten“ Entscheidung den Vorzug vor einer schnellen Entscheidung zu geben. Gerade im effektiven (sic!) Rechtsschutz nach Art. 19 IV GG stellt der Zeitfaktor aber einen nicht unwesentlichen Faktor dar! Wie es ein Vorredner schon geschrieben hat, es geht gerade beim Alimentationsgrundsatz um die Gewährleistung eines gegenwärtigen amtsangemessenen Lebensstandard und nicht um Rückerstattungsansprüche nach Jahrzehnten! Heute werden Immobienfinanzierungen abgeschlossen oder eben nicht, da helfen keine Rückerstattungen in 10-20 Jahren.

Wenn das BVerfG nicht den Personalkörper hat, um effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 IV GG zu gewähren, dann muss es dessen Ertüchtigung einfordern. Punkt. In den Instanzen gehen dem im Einzelnen Überlastungsanzeigen des jeweiligen Berichterstatters voran. Einer solchen kommt mE die Stellungnahme Maidowskis iRd hier verlinkten Anhörungsrüge zumindest inhaltlich gleich. Trotzdem widerstrebt es vielen Richtern aus Gründen der Gesichtswahrung, einen solchen Schritt als ultima ratio zu gehen und man lässt lieber die Verfahrenslaufzeiten ansteigen. In der Summe ist man dann bei 20 Jahren wie im vorliegenden Falll und wundert sich über das zunehmende Akzeptanzproblem unseres Rechtsstaats.
« Last Edit: 17.01.2024 13:30 von BerndStromberg »

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9601 am: 17.01.2024 13:54 »
gezwungenermaßen freiwillig

Sehr schönes Oxymoron, @Swen  :)
(und natürlich wie immer herzlichen Dank für deine Erläuterungen!)

Mir graut es trotzdem etwas vor der Zeit, die die Gesetzgeber sich nach dem nächsten Urteil nehmen um es umzusetzen.

Weil sie das Urteil nicht studieren werden um es umzusetzen, sondern um irgendein Schlupfloch zu finden.

Ich hoffe weiterhin auf eine möglichst "schlupflochfreie" Entscheidung des BVerfG..

Gern geschehen, BVerfGBeliever: Die "schlupflochfreie" Entscheidung wird der Anspruch des Senats sein, darauf darf man wetten, und zwar allein schon - aber nicht nur und auch nicht als erstes Interesse -, weil das Bundesverfassungsgericht als Gesamtheit beider Senate ein starkes Interesse daran hat, das Schwert der Justiz scharf zu halten. Denn alles andere führte früher oder später in die eigene Bedeutungslosigkeit. In der Rechtswissenschaft wird seit etwa Mitte des letzten Jahrzehnts ein umfangreiche Debatte über die Verfassungsgerichtsbarkeit unter Druck geführt - so bspw. anhand der ungarischen, polnischen oder israelischen Entwicklungen -; auch diese Debatte verfolgt man in Karlsruhe genau und zieht auch daraus seine Schlüsse.

@ Finanzer

Unterschätze (ich bleib mal beim gegenseitigen Du) nicht die Lernfähigkeit beider Senate. Die ausgeschiedenen Verfassungsrichter heben weitgehend unisono eines hervor, was sie mit ihrem Ausscheiden vermissen, nämlich die umfassenden und auf das Argument ausgerichteten Beratungen. Während die Besoldungsgesetze der letzten Jahre vielfach nur irgendwie zusammengewürfelt worden sind und also wiederkehrend keine hinreichende sachliche Präzision erkennen lassen, analysiert man in Karlsruhe zumeist die Sachlage recht präzise, um auf dieser Grundlage zu Entscheidungen zu kommen - das zeigt im Moment weiterhin die Entscheidung vom 15. November 2023 zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 in weitgehender Reinform. Der Senat hat hier die Schärfe seines Schwerts kurz aufblitzen lassen und damit Legislative und Exekutive in und vor aller Öffentlichkeit gezeigt, was ihnen blühen darf, wenn sie sich gezielt über die Verfassung hinwegsetzen wollen. Für eine Diskussion mit Karlsruhe ist hier von dessen Seite kein Platz mehr - der Senat hat alles, was notwendig ist gesagt -, was die Bedeutung, die Karlsruhe für unsere Demokratie hat, noch einmal unterstreicht. Dieser Bedeutung sind sich alle Akteure in Kalrsruhe bewusst - das Ergebnis der umfassenden Beratungen ist i.d.R. keine abgehobene Theorie, sondern einschneidendes Verfassungsrecht.

@ ChRosFw

Präziser hätte ich es nicht auf den Punkt bringen können.

@ xap

Ich kann das, was Du schreibst, sachlich gut nachvollziehen. Zugleich haben aber Gerichte als Kontrollinstanz, also nicht zuletzt als Kontrollinstanz der staatlichen Herrschaft, die Aufgabe, sachliche Präzision walten zu lassen, weil nur das neben dem (Grund-)Rechtschutz den Rechtsfrieden in einem Rechtsstaat garantieren kann, weshalb zum Richter bislang nur genügt hat(te), wer zwei Prädikatsexamen nachweisen konnte. Die Verfahrenslänge, die in den letzten Jahren vielfach im Durchschnitt eher zugenommen hat, hat dabei mehrere Gründe, nämlich insbesondere die zunehmende Verrechtlichung der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die für Richter bedeutet, die Vielfalt an Rechtsnormen auf den einen Fall sachgerecht anzuwenden, sodass diese Verrechtlichung also zwangsläufig einen größeren Aufwand und damit eine längere Beschäftigungszeit mit sich bringt, als das zuvor der Fall gewesen ist, und was zweitens auf eine Justiz trifft, die vielfach - und also sicherlich wiederkehrend vielfach nicht zu Unrecht - hervorhebt, dass ihre personelle Ausstattung nicht ausreicht, um entsprechend den effektiven Rechtsschutz ausnahmslos zu garantieren, der sich auch in der Verfahrenslänge bricht. Weiterhin ist auch diesbezüglich bspw. der Roland Rechtsreport eine sachliche Quelle, um sich auch auf seiner Basis ein differenziertes Bild vom Zustand unseres Justizwesens zu machen: https://www.roland-rechtsschutz.de/unternehmen/presse/roland-rechtsreport-2023.html Zugleich hat Floki hierzu vorhin noch einmal ein paar Gedanken geliefert, die man unterschreiben kann.

Um auf den Zweiten Senat zurückzukommen: Auf Basis dessen, was ich gestern geschrieben habe, hat das Bundesverfassungsgericht idealypisch ab 2016 zwei Alternativen gehabt:

1. Nachdem bis Ende 2015 mit einer Ausnahme die anhängigen Vorlagen vollständig abgearbeitet waren, nun die ab 2016 eingehenden Vorlagen möglichst umgehend und in der Reihenfolge ihres Eingangs abzuarbeiten, ohne dass an ihnen automatisch das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen und die Ausschärfung der prozeduralen Anforderungen hätten erfolgen können, hätte sich dann wie folgt darstellen müssen:

a) Es hätten als erstes die fünf Bremer Vorlagen die Jahre 2013 und 2014 betreffend behandelt werden müssen (2 BvL 2/16 bis 6/16), deren Entscheidung aktuell angekündigt sind und die die Besoldungsgruppen A 6 bzw. A 7, A 11, A 13, R 1 und C 3 betreffen (und damit also drei Besoldungsordnungen). Das wäre ggf. zeitlich 2017 möglich gewesen, wobei nicht vergessen werden darf, dass 2017 über diese eine Ausnahme entschieden worden ist, nämlich in den beiden sächsischen Verfahren 2 BvR 883/14 und 2 BvR 905/14, in denen das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums betrachtet worden ist, dem seitdem - ich denke, hier besteht im Forum Einigkeit - eine wichtige Funktion in der seit 2012 neu entwickelten Besoldungsdogmatik zukommt. Dabei bliebe allerdings zu beachten, dass in diesen beiden sächsischen Verfahren keine Anwendung des umfassenden Prüfprogramms notwendig gewesen ist (was die Arbeit an diesen Verfahren deutlich verkürzt hat), was sich für die fünf bremischen Vorlagen anders darstellt, die darüber hinaus wegen der Form dieser Vorlagen entweder der umfangreichen Einholung weiterer Daten bedurften (was ebenfalls die Länge der seit 2022 ausstehenden Ankündigung mit erklärt) oder die - sofern Karlsruhe diese Arbeit nicht als seine betrachtet hätte (oder aktuelle weiterhin betrachete) - zumindest in zwei Fällen als unbegründet zurückzuweisen gewesen wären. Vielleicht hätte der Zweite Senat diese Aufgabe 2017 leisten können - dann wäre aber über eine gehörige Zahl an anderen Entscheidungen, die 2017 vom Zweiten Senat gefällt worden sind, nicht entschieden worden, da dann für diese Fälle keine Zeit mehr gewesen wäre, oder die bremischen Vorlagen wären mindestens in zwei Fällen ohne viel Zeitaufwand als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Zurückweisung mindestens derer zwei Fälle als unbegründet hätte sich der Senat seit 2016 jederzeit berechtigt sehen können.

b) Im Jahr 2017 sind in Karlsruhe dann folgende Vorlagen eingegangen:

aa) die drei niedersächsischen Vorlagen 2 BvL 9/17 bis 11/17, das Jahr 2013 und die Besoldungsgruppen A 8, A 11 und A 13 betreffend. Auch hier wären vor der Arbeit am Recht umfangreicher weitere Daten einzuholen gewesen;

bb) die sechs sachsen-anhaltinischen Vorlagen 2 BvL 13/17 bis 18/17, insgesamt die Jahre 2008 bis 2014 und die Besoldungsgruppen A 7 bis A 9 sowie R 1 betreffend; auch hier - wie auch in den folgenden genannten Vorlagen - wäre das zu beachten gewesen, was ich unter aa im zweiten Satz geschrieben habe;

cc) die beiden Berliner Vorlagen 2 BvL 20/17 und 21/17, insgesamt die Jahre 2009 bis 2016 und die Besoldungsgruppen A 7 bis A 9 betreffend.

Wenn Du Dir die drei Entscheidungsstränge mitsamt ihren Begründungen anschaust, die des vollen Prüfprogramms bedürfen, was in diesen elf Richtervorlagen ausnahmslos der Fall gewesen wäre (und weiterhin ist), dann stellt sich mir weiterhin die Frage, wie das ab 2019 zu leisten gewesen sein soll, nachdem der Senat 2018 in dem Verfahren 2 BvL 2/17 die Absenkung der Eingangsstufenbesoldung in Baden-Württemberg mitamt der Ausschärfung der prozeduralen Anforderungen betrachtet hat. Den Umfang der Kontrollarbeit in diesen elf weiteren Fällen kannst Du bspw. anhand der beiden Verfahren des Jahres 2015 und dem Umfang deren Entscheidungsbegründungen ermessen. Ich führe mal nur die Entscheidungen 2 BvL 17/09 u.a. auf, an denen sich der Aufwand der Abarbeitung des dreistufigen Prüfprogramms offenbart: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/ls20150505_2bvl001709.html

c) Im Jahr 2018 gingen in Karlsruhe die folgenden Vorlagen ein:

aa) die beiden sachsen-anhaltinischen Vorlagen 2 BvL 1/18 und 2/18, das Jahr 2015 und die Besoldungsgruppen A 8 und A 9 betreffend;

bb) die fünf Berliner Vorlagen 2 BvL 5/18 bis 9/18, insgesamt die Jahre 2008 bis 2015 und die Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 betreffend;

cc) die niedersächsische Vorlage 2 BvL 10/18, insgesamt die Jahre 2009 bis 2013 sowie 2016 und die Besoldungsgruppen R 1 betreffend;

dd) die drei saarländischen Vorlagen 2 BvL 11/18 bis 12/18 und 14/18, insgesamt die Jahre 2011 bis 2016 und die Besoldungsgruppen A 7 sowie R1 und R 2 betreffend;

ee) die schleswig-holsteinische Vorlagen 2 BvL 13/18, das Jahr 2007 und die Besoldungsgruppe A 7 betreffend.

Für alle diese zwölf Vorlagen gilt nun wiederum das, was ich am Ende unter b für das Jahr 2017 gesagt habe.

Diese Betrachtung der bis 2023 erfolgten Eingänge der weiteren Richtervorlagen spare ich mir. Für wie realistisch erachtest Du, dass also die Ausurteilung dieser vielen Eingänge in kurzer Zeit ohne eine ausgearbeitete Dogmatik hinreichend sachgerecht und zugleich, ohne andere Verfahren sachlich zu vernachlässigen, möglich gewesen wäre? Was meinst Du, wieso BVR Maidowski in seiner Stellungnahme den Effizienzgedanken sachlich in den Mittelpunkt rückt? Und wer trägt nun die Verantwortung dafür, dass diese hohe Zahl an Eingängen in kurzer Zeit erfolgte und dass sich der Senat offensichtlich außerstande sah, über sie in absehbarer Zeit - also sagen wir bis 2021 oder 2022 - sachgerecht und ohne Vernachlässigung anderen Verfahren zu entscheiden?

2) Die Darlegung des zweiten Wegs spare ich mir. Ihn hat BVR Maidowski in seiner Stellungnahme dargelegt, die ich gestern zusammengefasst und so interpretiert habe, wie sie sich mir darstellt.

@ Bernd

Hab zunächst Dank für Deine Worte, über die ich mich freue!

Zugleich geht es mir gar nicht in erster Linie um eine möglichst "perfekte" Entscheidung und also eine entsprechende Begründung, also in erster Linie um die Juristerei - sondern es geht um die politischen Folgen einer Entscheidung, die trotz aller sachlichen Präzision im politischen Geschäft nicht trägt. Denn das haben wir mit der aktuellen Entscheidung des Jahres 2020 vor uns: Sie ist präzise ausgearbeitet, rundet letztlich bei sachlicher Betrachtung die bis dahin erstellte neue Besoldungsdogmatik weitgehend ab - und hat zur Wirkung das Folgende gehabt:

1. Durch die sachwidrig hohe Anhebung familienbezogener Besoldungskomponenten hat sich für den größten Teil der Richter, Staatsanwälte und Beamten nichts geändert; ihre Besoldung und Alimentation ist weitgehend unverändert geblieben.

2. Durch die in extremer Form sachwidrige Einführung eines sog. Doppelverdienermodells in einer beträchtlichen Zahl an Rechtskreisen ist die gesetzliche Handhabe geschaffen worden, nun jederzeit das Besoldungsniveau von Richtern, Staatsanwälten und Beamten im Einzelfall bis auf den Betrag von null € abzusenken. Diese Doppelverdienermodelle wären in den letzten beiden Jahren nicht eingeführt worden, wenn es die Entscheidung vom 04. Mai 2020 nicht gegeben hätte. So betrachtet hat jene Entscheidung in einem erheblichen Maße zur Verschlimmbesserung beigetragen.

3. Der Senat darf mit jeder Entscheidung, die er nun treffen wird, damit rechnen, dass dieser Prozess sich fortsetzt und in seiner Extremität noch zunimmt.

Dieser Sachlage sieht sich der Senat seit spätestens Sommer 2022 mehr und mehr gegenüber, da seitdem mehr und mehr Rechtskreise ein entsprechendes Familienmodell zur Grundlage seiner Besoldung gemacht haben - und zwar insbesondere die fünf Nordstaaten offensichtlich konzertiert im Verbund.

Jede Entscheidung des Senats hat die immer extremere Form der Besoldungsgestaltung in den Rechtskreisen zu bedenken; nicht umsonst hat Ulrich Battis bereits 2022 alles, was notwendig ist, gesagt: Vor uns liegt und das bedeutet: vor allem vor dem Senat als Hüter der Verfassung liegt die rechtsstaatsgefährdende Verfassungskrise, die eintreten muss, wenn es ihm nicht gelingt, mit seinen angekündigten Entscheidungen der Missachtung seiner Judikate Herr zu werden. Entsprechend hebe ich sie als den einen "Schuss" hervor, den der Senat im Moment noch hat.

Diese Prozesse haben wir hier vielfach betrachtet - und das gilt genauso für den Senat, wie Peter Müller das unlängst offenbart hat. Wer also eine rasche Entscheidung fordert, fordert damit mit einiger Wahrscheinlichkeit nur eines: Die ewige Wiederkehr des Gleichen. Wenn hier nicht ähnlich wie hinsichtlich der Entscheidung vom 15. November Justitias Schwert nicht hinreichend deutlich aufblitzt, laufen wir mit einiger Wahrscheinlichkeit in Probleme hinein, die ich mir nicht vorstellen möchte - denn dann werden wir in nicht mehr allzu ferner Zukunft in 17 Rechtskreisen entsprechende Doppelverdienermodelle vorfinden, die daraufhin alsbald dazu verwendet werden dürften, um das Besoldungsniveau strukturell abzusenken (worauf man in Bayern bereits einen Vorgeschack gibt).

Genau deswegen lege ich hier so viel Kraft in meine Bemühungen, das Handeln des Senats nachzuvollziehen (nicht: es zu rechtfertigen), also es argumentativ zu erklären, wie sich mir dieses Handeln darstellt. Denn der berechtigte Frust bricht sich meiner Meinung nach am falschen Subjekt - nicht das Bundesverfassungsgericht ist das Problem, denn es hat die Verfahrenslängen nicht zu verantworten, wie ich das mit weiteren Argumenten weiter oben dargelegt habe. Die ausschließliche Verantwortung trifft die Besoldungsgesetzgeber und damit ebenso die die Gesetzentwürfe erstellenden Landes- und Bundesregierung.

Es ist meiner Meinung nach - der ich am liebsten ebenfalls bereits vor mehreren Jahren eine rechtskräftige Entscheidung erlebt hätte - in einem hohen Maße verantwortungsvoll (aber genauso mit dem eigenen Verfassungauftrag und den eigenen Interessen verbunden), dass der Senat offensichtlich sehr viel Zeit und Arbeit in die Heilung dieser schwärenden Wunde des Verfassungsrechts steckt. Und wenn das zu nachvollziehbaren Frust führt, dann sollte der sich auf die erstrecken, die ausnahmslos durch ihr Handeln die Verantwortung für ihn, den Frust, tragen.
« Last Edit: 17.01.2024 14:04 von SwenTanortsch »

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9602 am: 17.01.2024 14:08 »
Also, ich bin da weiter bei Swen.

Man darf auch nicht vergessen, dass das BVerfG die absolut letzte Instanz nach Ausschöpfung des Rechtsweges darstellt und die alleinige Normververwerfungskompetenz besitzt. Das ist schon etwas anderes als die Ordentliche oder Fachgerichtsbarkeit.

Die strengen formellen Voraussetzungen für ein Verfahren vor dem BVerfG zeigen auch eines: Die Anrufung sollte in einem Rechtsstaat eigentlich die Ausnahme und auf bedeutende Einzelfälle beschränkt sein. Die Verwerfung einer Norm ebenfalls die Ausnahme sein.

Dass dem derzeit nicht so ist, dafür sorgen allein die Besoldungsgesetzgeber, die sich nicht an die Verfassung gebunden fühlen.

Nun kann man dem begegnen, indem man den Personalkörper des BVerfG aufstockt, oder aber indem das BVerfG die ihm zugedachte Rolle einnimmt und die zwei anderen Gewalten im angedachten Umfang in die Schranken weist. Ich halte es nicht für erstrebenswert, der "Errosion des Rechtsstaats" und der daraus resultierenden Vielzahl an Verfahren mit einer Ausweitung der Verfassungsgerichtsbarkeit zu begegnen, sondern die anderen Gewalten vielmehr an ihre Bindung an die Verfassung zu erinnern und die Vielzahl an Verfahren auf diesem Wege obsolet zu machen.

Genau dies erfordert eine saubere Ausarbeitung einer Entscheidung durch das BVerfG.

Gleichzeitig zeigt der Sachverhalt aber auch:

Es ist dringend erforderlich, dass das Beamtentum wieder seine angedachte Rolle als Gegenpol zur Politik einnimmt. Das bedeutet insbesondere die Abschaffung der Politisierung der Beamtenschaft bis in mittlerweile mittlere Entscheidungsebenee und eine Rückkehr zur Bestenauslese. M.E. trägt dies auch zur derzeitigen Situation im erheblichen Maße bei.

Der Rechtstaat benötigt einen Beamtenkörper, der der Politik widerspricht, wenn Vorhaben rechtlich nicht umsetzbar sind.
 

 
« Last Edit: 17.01.2024 14:14 von ChRosFw »

Floki

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9603 am: 17.01.2024 14:47 »
@Swen: ich meine, dass ich nirgendwo geschrieben hätte, dass die Urteile nicht hinreichend ausgearbeitet und begründet werden müssten. Ich halte es aber einen Trugschluss, die Dauer bis zu einem Urteil mit der Qualität eines Urteils in Korrelation setzen zu wollen oder zu müssen. Für mich gibt es hier keine Zusammenhänge. Nur weil Gerichtsverfahren in Deutschland in der Regel sehr lange dauern heißt das nicht, dass dadurch die Qualität der Urteile steigt oder umgekehrt. Ich bin als Laie hingegen der Meinung, dass man das auch in einer kürzeren Bearbeitungszeit realisieren können sollte, wenn nicht sogar müsste, weil Lebenszeit von Menschen endlich ist. Recht und Rechtsumsetzung dienen keinem Selbstzweck, sondern bilden einen Rahmen für das Zusammenleben von Menschen. Hier liegt die Betonung für mich auf Menschen und dem Zusammenleben, womit ich wieder auf die begrenzte Lebenszeit zurückkomme. Welches Ausmaß einige Gerichtsverfahren haben sehen wir ja gerade auf den letzten Seiten. Das ist absolut inakzeptabel aber ganz sicher natürlich auch nicht dem Bundesverfassungsgericht alleine anzulasten.

Die obigen Ausführungen möchte ich auch noch mal unterstreichen: Ihr geht in eurer Argumentation u.a. davon aus, dass durch die lange Verfahrensdauer auch die Qualität der Urteile entsprechend steigt. Das ist aber mitnichten ein Fakt, sondern erstmal nur eine Mutmaßung. Und selbst wenn dem so wäre, rechtfertigt das vielleicht eine Verfahrensdauer von wenigen Jahren und nicht (teilweise) Jahrzehnten. Losgelöst von der Beamtenbesoldung sind auch, ich darf erneut auf die Vorläufigkeiten in einem Einkommensteuerbescheid verweisen, nicht alle Verfahren wirklich kompliziert oder mit durchschlagender, gesellschaftlicher Bedeutung. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso diese Verfahren teilweise Ewigkeiten dauern. Das ist auch eben nicht begründbar mit "ist halt oberstes Gericht und die müssen ausarbeiten".....

Was spricht denn dagegen einen "3.Senat" einzuführen?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9604 am: 17.01.2024 15:56 »
@Swen: ich meine, dass ich nirgendwo geschrieben hätte, dass die Urteile nicht hinreichend ausgearbeitet und begründet werden müssten. Ich halte es aber einen Trugschluss, die Dauer bis zu einem Urteil mit der Qualität eines Urteils in Korrelation setzen zu wollen oder zu müssen. Für mich gibt es hier keine Zusammenhänge. Nur weil Gerichtsverfahren in Deutschland in der Regel sehr lange dauern heißt das nicht, dass dadurch die Qualität der Urteile steigt oder umgekehrt. Ich bin als Laie hingegen der Meinung, dass man das auch in einer kürzeren Bearbeitungszeit realisieren können sollte, wenn nicht sogar müsste, weil Lebenszeit von Menschen endlich ist. Recht und Rechtsumsetzung dienen keinem Selbstzweck, sondern bilden einen Rahmen für das Zusammenleben von Menschen. Hier liegt die Betonung für mich auf Menschen und dem Zusammenleben, womit ich wieder auf die begrenzte Lebenszeit zurückkomme. Welches Ausmaß einige Gerichtsverfahren haben sehen wir ja gerade auf den letzten Seiten. Das ist absolut inakzeptabel aber ganz sicher natürlich auch nicht dem Bundesverfassungsgericht alleine anzulasten.

Die obigen Ausführungen möchte ich auch noch mal unterstreichen: Ihr geht in eurer Argumentation u.a. davon aus, dass durch die lange Verfahrensdauer auch die Qualität der Urteile entsprechend steigt. Das ist aber mitnichten ein Fakt, sondern erstmal nur eine Mutmaßung. Und selbst wenn dem so wäre, rechtfertigt das vielleicht eine Verfahrensdauer von wenigen Jahren und nicht (teilweise) Jahrzehnten. Losgelöst von der Beamtenbesoldung sind auch, ich darf erneut auf die Vorläufigkeiten in einem Einkommensteuerbescheid verweisen, nicht alle Verfahren wirklich kompliziert oder mit durchschlagender, gesellschaftlicher Bedeutung. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wieso diese Verfahren teilweise Ewigkeiten dauern. Das ist auch eben nicht begründbar mit "ist halt oberstes Gericht und die müssen ausarbeiten".....

Was spricht denn dagegen einen "3.Senat" einzuführen?

Ich gehe nicht von der Annahme aus, die Du im ersten Satz schreibst, Floki, und denke auch nicht, dass das, was ich hier schreibe, Anlass dazu geben sollte, zu glauben, ich würde jene Annahme teilen. Denn in Anbetracht einer Vielzahl an gerichtlichen Entscheidungen, die Tag für Tag gefällt werden, werden wir die gesamte Spannbreite an Qualität unabhängig von der Dauer, in der jene gefällt werden, haben. Wovon auszugehen ist - das habe ich vorhin dargelegt -, ist, dass die zunehmende Verrechtlichung der Gesellschaft und also eine zunehmende rechtliche Komplexität im Durchschnitt zwangsläufig längere Verfahrensdauer nach sich zieht.

Worüber ich spreche, sind hingegen die angekündigten Entscheidungen - entsprechend begründe ich anhand der dargelegten Argumenten und auf Basis umfassenderer konkreter Daten das, was ich hier schreibe und was sich kaum in dem Satz zusammenfassen ließe: "ist halt oberstes Gericht und die müssen ausarbeiten"; wenn das Deiner Meinung nach die Quintenessenz dessen ist, was ich hier schreibe, dann liest Du mich offensichtlich anders, als ich das wahrnehme, was ich hier schreibe: nämlich dass ich davon ausgehe, dass diesen "Pilotentscheidungen" zukünftig eine maßgebliche Rolle zukommen wird, weil sie an herausragender Stelle dazu beitragen müssen, einen politisch herbeigeführten verfassungsrechtliche Ausnahmezustand zu beenden, den unsere Verfassung also nicht vorsieht und für den es also keine Vorbilder gibt, an denen sich der Senat orientieren könnte, um seinen Verfassungsauftrag als Hüter der Verfassung konkret erfüllen zu können, sodass er in einem starken Maße Neuland betreten, vermessen und abstecken muss, und zwar innerhalb der engen Grenzen, die ihm die Verfassung hinsichtlich einer konkreten Normenkontrolle lässt, was insgesamt im Rahmen der bislang vorliegenden Besoldungsdogmatik, die nur kontinuierlich fortentwickelt werden kann, ein umfangreiches und komplexes Unterfangen ist, sodass es der Zeit bedarf, um sachgerecht vollzogen werden zu können. Die im letzten Satz ab dem Doppelpunkt festgehaltenen Aussagen sind die Quintessenz dessen, was ich schreibe. Und wenn die Argumente und Daten, die ich zur Begründung beigebracht habe, nicht überzeugen, dann muss ich damit leben und kann ich damit leben.

Ob darüber hinaus nun das Ziel, einen "Dritter Senat" des Bundesverfassungsgerichts einrichten zu wollen, irgendetwas an der dargelegten Problemstruktur ändern würde, wage ich zu bezweifeln, weil das eine gänzlich spekulative Idee ist, der es in der Umsetzung bereits an einem maßgeblichen Initiator mangelte, und es darüber hinaus bezweifelt werden dürfte, dass sich für eine solche Gesetzesinitiative ein wie auch immer geartetes größeres Interesse in der Legislative finden sollte. Das Bundesverfassungsgericht verfügt nicht über die Gestaltungmacht, von sich aus einen "Dritten Senat" mit deutlich erhöhten personellen Ressourcen einzurichten; vielmehr müsste eine solch substanzielle Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes mitsamt der heute nicht absehbaren Konsequenzen einen gehörigen zeitlichen Vorlauf in Rechnung stellen. Von daher würde es, wenn sich ein entsprechender Initiator für einen solchen Umbau fände und die Zeichen in der Legislative auf allgemeine Zustimmung schließen ließen, Jahre dauern, bis eine solche Initiative in die Tat umgesetzt wäre. Für das Thema, über das wir hier sprechen, hätte all das also keine Auswirkung.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9605 am: 17.01.2024 16:05 »
Für das Thema, über das wir hier sprechen, hätte all das also keine Auswirkung.

Dein Wort in Gottes Ohr.

Rollo83

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« Antwort #9606 am: 17.01.2024 16:09 »
Die Tabelle mit der Gegenüberstellung die in dem anderen Topic gepostet wurde passt aber doch irgendwie nicht richtig zusammen und es fehlt auch Erfahrungsstufe 8 ?

Dazu zB was dort bei A11 Stufe 6 aufgeführt wird steht hier auf der Seite eigentlich bei Stufe 7.

Moabit

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9607 am: 17.01.2024 16:52 »
2010 hatte im Bund A16 höchste Stufe 3,6 mal mehr als die niedrigste Gruppe und Stufe.

In dem Fall müsste die Besoldungsmatrix von 47,4 bis 170,6k Euro gehen. Es gibt zwar keinen Schutz der relativen Abstände, die relativen Abstände sind aber der Maßstab und nicht die absoluten. Irgendwann fliegt einem die Stauchung der Besoldungsmatrix um die Ohren.
Wenn ich deine Zahlen durchrechne (Zahlen aus dem Archiv dieser Seite, entweder ich verrechne mich oder etwas stimmt nicht), dann komme ich 2010 nur auf 3,16 mal mehr. Und 2022 auf 2,99 mal mehr. 2024 2,86 mal mehr. 1967 komme ich aber sogar auf 4,95 mal mehr. Eine gewisse Stauchung im Laufe der Jahrzehnte ist allerdings nicht das Problem und auch grundsätzlich möglich. Ja sogar angebracht, da gerade im eD, mD und gD die Anforderungen gestiegen sind und häufig Aufgaben übernommen werden, die der nächsthöheren Laufbahn entsprechen oder damals entsprachen. Zwar hat sich auch bei der Führung von Mitarbeitern vieles getan, aber eine Akademisierung der Berufsausbildungen kann ja nicht abgestritten werden. Selbst Laufbahnausbildungen mD und gD haben inzwischen überwiegend die gleichen Inhalte.

Aber wie schon erwähnt, es macht eben keinen Sinn z.B. alle A16 gleich zu behandeln. Es gibt viele A16 mit wenig Verantwortung und wenigen Mitarbeitern. Wieso sollten diese auf ihrem Posten so viel verdienen wie ihre Kolleginnen und Kollegen mit weit mehr Mitarbeitenden? (in anderen Gruppen gibt es natürlich auch Beispiele). Eine Ausweitung von Stellenzulagen ist eine einfache und unkomplizierte Lösung entsprechend der tatsächlichen Verantwortung weiter! zu differenzieren und gleichzeitig intern Anreize und Gerechtigkeit schaffen kann.

Ozymandias

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« Antwort #9608 am: 17.01.2024 17:11 »
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/a/2010?id=beamte-bund-2010&matrix=1

Hatte hier geschaut, 6081/1688 gibt 3,6 und etwas Rest. Aber interessant, dass es früher fast eine Spanne von 500% gab. 1957 war die Spanne bei fast 700%.

In BW wird die Spanne 2025 nur noch 292% betragen und das ist alles nur Grundgehalt. Durch die Antwort der Gesetzgeber auf den Beschluss 2 BvL 4/18 ist übrigens eine massive Verschlechterung des höheren Diensts eingetreten, da es die ganzen zusätzlichen Familienzuschläge, AEZ und wie es alles heißt, für den hD gar nicht gibt. Die Spanne der Besoldungsmatrix ist de facto noch geringer geworden.

Ich kenne jetzt nicht alle Besoldungsgruppen auswendig, meines Erachtens gibt es aber immer noch Beamte, die quasi Pförtner spielen, die in der Justiz Türen auf- und zu machen, Eingangskontrolle an Gerichten, die in der Poststelle stundenlang Stempel auf Schriftstücke stempeln. Da können die beruflichen oder mentalen Anforderungen nicht wirklich steigen. Dort muss die Mindestalimentation ansetzen und dann das Besoldungsgefüge mit einer vernünftigen Spanne bis A16 geben. Das ist wie wir alle wissen, überhaupt nicht mehr der Fall.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9609 am: 17.01.2024 17:17 »
Man darf auch nicht vergessen, dass das BVerfG die absolut letzte Instanz nach Ausschöpfung des Rechtsweges darstellt und die alleinige Normververwerfungskompetenz besitzt.

Da möchte ich doch entschieden widersprechen! Die Länder haben eine echte Eigenstaatlichkeit auf welche diese sonst in nahezu jedem Kontext gegenüber dem Bund pochen. Mittlerweile haben auch alle Länder eigene Landesverfassungsgerichte mit Normverwerfungskompetenz, wenn Landesrecht mit der Landesverfassung kollidiert.

Ich werde nicht müde zu betonen, dass u.a. das VG Hamburg und Dr. Stuttmann diesen Landesgerichten eine Letztentscheidungskompetenz in Besoldungsfragen zubilligen möchte, wenn die jeweilige Landesverfassung Bezug auf die Grundrechte des Grundgesetzes nimmt. Dass die grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 33 GG unter den Begriff der "Grundrechte" zu subsumieren sind, hat der VerfGH NRW 2014 überzeugend dargelegt.

Es würde folglich niemand z.B. das VG Schleswig daran hindern können bei einer Klage "gegen des SHBesG" aufgrund Unvereinbarkeit mit Art. 3 LV SH i.V.m. § 33 Abs. 5 GG  einen Vorlagebeschluss  an das LVerfG (zufälligerweise im gleichen Haus eine Etage höher) gem. Art. 100 GG zu fertigen. Und das LVerfG könnte dann gem. § 3 Nr. 3 i.V.m. § 29 Abs. 2 LVerfGG SH mit Gesetzeskraft die Norm als unvereinbar mit der Landesverfassung oder nichtig zu erklären.

Was spricht denn dagegen einen "3.Senat" einzuführen?
Das Bundesverfassungsgericht verfügt nicht über die Gestaltungmacht, von sich aus einen "Dritten Senat" mit deutlich erhöhten personellen Ressourcen einzurichten; vielmehr müsste eine solch substanzielle Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes mitsamt der heute nicht absehbaren Konsequenzen einen gehörigen zeitlichen Vorlauf in Rechnung stellen.

Und bei der Forderung nach einem dritten Senat muss ich sofort an die vorletzte (?) Folge von "Die Anstalt" denken. Da hat eine hypothetische AfD-Mehrheit im Bundestag schnell das BVerfGG geändert und dem neuen Senat die Zuständigkeit für Fragen des Wahlrecht, der Wahlprüfung und Staatsorganisation übertragen. Das war wirklich gruselig anzuschauen wie leicht sowas ginge.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9610 am: 17.01.2024 17:29 »
[...] Eine gewisse Stauchung im Laufe der Jahrzehnte ist allerdings nicht das Problem [...]

Doch! Die von dir genannte Stauchung von 4,95 auf 2,86 ist wie dargelegt sogar ein sehr großes Problem!

Und mit deinem (abwegigen) Vorschlag eines Sockels von 1.000 € wäre man dann bei nur noch 2,40 (in den jeweiligen Endstufen).

Warum nicht direkt für alle den gleichen Betrag?? *Ironie off*

ChRosFw

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9611 am: 17.01.2024 17:32 »

Da möchte ich doch entschieden widersprechen! Die Länder haben eine echte Eigenstaatlichkeit auf welche diese sonst in nahezu jedem Kontext gegenüber dem Bund pochen. Mittlerweile haben auch alle Länder eigene Landesverfassungsgerichte mit Normverwerfungskompetenz, wenn Landesrecht mit der Landesverfassung kollidiert.


Widerspruch unnötig, ich habe mich hier lediglich am Bund orientiert.

Aber wo wir bei den Ländern sind:

Den Vogel werden die Niedersachsen mit ihrer Rechtsverordnung für den Familienergänzungszuschlag abschießen. Da geht es dann über § 47 VI VwGO direkt zum OVG.



Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9612 am: 17.01.2024 17:36 »
Den Weg über das Landesverfassungsgericht ist leider bisher noch niemand gegangen. Stuttmann hatte es glaube ich vor 4-6 Jahren empfohlen.
Aber die Richter an den meisten Landesverfassungsgerichten/Höfen sind dort nur zusätzlich tätig.
Ich hatte mal zufällig einen langjährigen Landesverfassungsrichter an seinem normalen Gericht in einem Verfahren. Leider gab es keinen passenden Moment für eine solche Frage bezüglich einer Besoldungsklage, ist auch allgemein etwas unpassend vielleicht.
Jedenfalls haben die meisten Landesverfassungsgerichte wenig Fälle, ich glaube unter 100 Fälle pro Jahr und fast keine Ressourcen. (Ressourcen bemängelt auch Maidowski, die Berechnungen und Daten die benötigt werden, sind ja recht aufwändig mittlerweile).

Man kann aber auch ohne Rechtswegauschöpfung dort mal "Verfassungsbeschwerden/Popularklagen" oder was es alles gibt versuchen. Hat aber jedes Bundesland andere Regeln.

Moabit

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9613 am: 17.01.2024 18:48 »
Doch! Die von dir genannte Stauchung von 4,95 auf 2,86 ist wie dargelegt sogar ein sehr großes Problem!

Und mit deinem (abwegigen) Vorschlag eines Sockels von 1.000 € wäre man dann bei nur noch 2,40 (in den jeweiligen Endstufen).

Warum nicht direkt für alle den gleichen Betrag?? *Ironie off*
Zunächst sind allerdings auch inzwischen die Gruppen gestrichen worden, die zu den 4,95 führten. Aber selbst damals war der Öffentliche Dienst dadurch auch nicht unbedingt besser oder die Personen in ihm. Die Stauchung selbst ist also nicht das Problem... die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes in der heutigen Zeit insgesamt ist es und nicht die Besoldung höherer Besoldungsgruppen allein. Bei der Besetzung der Posten gäbe es schließlich sonst nicht immer ein Hauen und Stechen. Die Stauchung bedeutet mMn also nur, dass innerhalb des ÖD der Abstand nicht mehr zu groß wird, weil sich dies auch gut mit den geänderten Anforderungen begründen lässt. Dass es Fälle, wie Ozymandias anspricht, gibt, die tatsächlich noch einfachsten Tätigkeiten entsprechen und irgendwann verbeamtet wurden.. ja gibt es. So wie viele unfähige Führungskräfte. Die Fälle mit einfachsten Tätigkeiten werden aber altersbedingt immer weniger. Unfähige Führungskräfte... gibt es leider wahrscheinlich immer.

Und natürlich wär es schön, wenn alle einfach viel mehr verdienten.. aber es gibt nunmal die Realität. Und man wird es ja sehen, aber ich bezweifel, dass einmal eine Gerichtsentscheidung kommt, die uns z.B. allen einfach so 30% mehr Geld aufs Konto spült.

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #9614 am: 17.01.2024 21:41 »
Nun ja von den 30% würden ja erkleckliche Summen in Form von Einkommenssteuer wieder direkt in die Staatskassen zurück spülen, bei den höheren Dienste sogar die Hälfte.

Es ist genug Geld da, es hapert nur mit den Prioritäten.