Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 5965696 times)

SwenTanortsch

  • Erweiterter Zugriff
  • Hero Member
  • *
  • Beiträge: 2,536
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14505 am: 27.09.2024 16:29 »
Ihr drei Streithähne (wenn ich euch mal so nennen darf, ohne das despektierlich zu meinen) habt jeder für sich jeweils allesamt Recht wie Unrecht in dem, was ihr sagt:

Das zentrale Problem in eurer Diskussion ist - wenn ich das richtig sehe -, dass ihr nicht zwischen der indiziellen und materiellen Betrachtung unterscheidet, was dem Umstand geschuldet sein wird, dass das die Besoldungsgesetzgeber wiederkehrend ebenfalls so tun und dass diese Unterscheidung in der ansonsten schlüssigen Stellungnahme des DRB aktuell ebenfalls nicht hinreichend geschieht (hier wird der Begriff der "Mindestbesoldung" sachlich unklar verwendet).

Sobald wir entsprechende tabellariche Bemessungen zur Mindestalimentation durchführen (also vom Bruttobesoldungsniveau ausgehen, um dann nach dem steuerlichen Abzug ebenso die PKV-Kosten abzuziehen, um dann das Kindergeld zu addieren), betrachten wir jene Mindestalimentation in ihrer "Zwitterstellung" in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung:

1. Sie hat hier eine materielle Bedeutung: Sobald die Nettoalimentation einer Besoldungsgruppe unterhalb der Mindestalimentation liegt, zeigt sich hier das Mindestabstandsgebot unmittelbar als verletzt. Materiell-rechtlich ist die dieser Besoldungsgruppe gewährte Alimentation als verfassungswidrig zu betrachten.

2. Darüber hinaus hat die so betrachtete Mindestalimentation ebenso eine indizielle Bedeutung: Überschreitet die dem Musterbeamten gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation, liegt damit im Prüfverfahren ein Indiz für die Vermutung einer verfassungskonformen Alimentation vor, das für sich allein jedoch nicht hinreicht, um eine amtsangemessene Alimentation zu betrachten. Denn dafür ist das gesamte Prüfprogramm durchzuführen, um am Ende zu dem Ergebnis zu kommen, dass eine evidente Unteralimentation vorliegt oder dass dem nicht der Fall ist.

Darüber hinaus gibt es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neuerdings eine neue Kategorie, die ausschließlich eine indizielle Bedeutung hat, nämlich die Mindestbesoldung. Sie hat der Senat in der aktuellen Rechtsprechung als ein Indiz in seine Rechtsprechung eingeführt, jedoch noch nicht methodisch weiter ausgeführt. Entsprechend ist in der ZBR 2022 und 2023 ein methodischer Weg vorgeschlagen worden, der von der Mindestalimentation ausgehend den umgekehrten Weg hin zumr Mindestbesoldung vollzieht. Diesen indiziellen Weg geht nun weitgehend auch der DRB in seiner aktuellen Stellngnahme und ihr geht ihn hier jetzt weitgehend ebenfalls.

Dabei bleibt aber zu beachten, dass wir es hier mit der Mindestbesoldung allein mit einem Teil des indiziellen Prüfverfahrens zu tun haben, das also weiterhin nichts über die tatsächlich materiell-rechtlich zu gewährende Bruttobesoldung oder Nettoalimentaton aussagt. Denn beides lässt sich nicht centgenau berechnen, sondern nur sachgerecht begründen.

Entsprechend wird nun ein Schuh aus den indiziellen Berechnungen, also der Indizbildung des Bundesverfassungsgerichts: Sobald der Sozialgesetzgeber eine Kindergrundsicherung einführt und diese - um einen rein fiktiven Betrag zur Veranschaulichung zu bilden - bei jährlich 10.000,- € netto läge, müsste dieser Betrag in die Bemessung der Nettoalimentation mit einfließen und zu einem enstprechenden geringeren Betrag führen, da hier ein konkreter Betrag gegeben wäre, der gleichheitsgerecht gewährt wird, sodass der Besoldungsgesetzgeber berechtigt wäre, diesen Sozialbezug auf die Besoldung und Alimentation anzurechnen. Ebenso entfiele in der Bemessung der Mindestalimentation der Betrag der Kosten für Bildung und Teilhabe sowie für den monetären Gegenwerte der Sozialtarife. Die Nettoalimentation stellte sich entsprechend als höher dar, die Mindestalimentation niedriger. Sofern nun also die Nettoalimentation in allen Fällen die Mindestalimentation überschritte (was bei dem gerade genannten Betrag in den allermeisten Rechtskreisen allein nicht der Fall wäre), wäre ein Indiz für eine verfassungskonforme Alimentation gegeben.

Darüber hinaus könnte nun ebenso das weitere Indiz der Mindestsbesoldung betrachtet werden, also der Weg der Bemessung der Mindestalimentation umgedreht werden. Am Ende müsste im geschilderten Fall ebenso die Mindestbesoldung - oder der äquivalente Grundgehaltssatz zur Mindestalimentation - höher liegen als der tatsächlich gewährte Grundgehaltssatz des Musterbeamten. Damit wäre ein weiteres Indiz sowohl für eine amtsangemessene Besoldung als auch für eine sachgerechte Besoldungssystematik gegeben.

Da sich aber die amtsangemessene Alimentation nicht berechnen, sondern nur begründen lässt, könnte man daraus allein nicht die Begründung für einen ggf. weiter abzusenkenden Grundgehaltssatz vollziehen, sondern müsste das allein deshalb sachgerecht begründen, weil ja über den höheren Betrag der Kindergrundsicherung alle Arbeitnehmer mit Kindern ebenfalls vom höheren Sozialbezug profitieren würden und Grundsicherungsempfänger ebenso, denn auf der anderen Seite würde dieser Betrag der Kindergrundsicherung ebenso in die Bemessung des Grundsicherungsniveaus mit einfließen. Es verbliebe also weiterhin die Pflicht zur sachgerechten Begründung, die dem Besoldungsgesetzgeber obliegt.

Ergo: Letztlich habt ihr in eurer Diskussion - und auch die weiteren Diskutanten - alle drei Recht: Die Mindestalimentation führt als Folge der jahrelangen Verweigerung der Besoldungsgesetzgeber, sachgerechte Schlüsse aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu ziehen, zu dem indiziellen Ergebnis, dass heute das Alimentationsniveau aller Beamten - nicht nur das für Beamte mit Kindern - deutlich anzuheben ist. Wie stark davon allerdings ebenso das Besoldungsniveau und die Grundgehaltssätze betroffen sind, ist eine Frage der Begründung. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Grundgehaltssätze in allen Rechtskreisen deutlich angehoben werden müssen, dass darüber hinaus als Folge dessen die exorbitant angehobenen sozialen Besoldungskomponenten wieder auf ein sachgerechtes Maß gesenkt werden können (sie sind als kinderbezogene Besoldungskomponenten in dieser Höhe ein offensichtliches Beamtenprivileg, das sich verfassungsrechtlich nicht vor dem Gleichheitsgrundsatz rechtfertigen lässt). Darüber hinaus sind zurzeit die in vielen Rechtskreisen exorbitant angehobenen kinderbezogenen Besoldungskomponenten der Bevölkerung nicht zu vemitteln, eben weil sie sachlich berechtigt als Beamtenprivileg augefasst werden.

In dem Moment allerdings, wo sie wieder auf ein sachgerechtes Maß zurückgeführt und dahingegen die Grundgehaltssätze - ggf. auch weitere oder andere (ggf. auch neu eingeführte) leistungsbezogene Zulagen - recht erheblich angehoben werden werden, wird das der Bevölkerung gleichfalls nicht immer sogleich sachlich vermittelbar sein. Aber diese Vermittlung ist nun wiederum vor allem eine politische Aufgabe, die nicht nur die Dienstherrn, sondern ebenso die Gewerkschaften und Verbände mit übernehmen müssen.

Und darüber hinaus ist es bis dahin noch ein nicht unerheblicher Weg, dessen Länge also von den angekündigten und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch von den folgenden Entscheidungen aus Karlsruhe abhängig ist, insbesondere davon, in welchen Tempo nun nach den angekündigten Leitentscheidungen die mittlerweile über 60 anhängigen Richtervorlagen zur Entscheidung kommen.

BVerfGBeliever

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 666
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14506 am: 27.09.2024 17:08 »
Vielen Dank @Swen. Und schön zu lesen, dass du anscheinend eine ähnliche "Meinung" (kleiner Scherz) hast wie ich:
- Grundgehälter und ggf. leistungsbezogene Zulagen rauf
- leistungslose Zuschlagsorgien runter

Und ja, du hast völlig Recht, ich hatte vorhin nicht bedacht, dass ein sehr hohes Kindergeld auch Auswirkungen auf die Bürgergeldfamilie sowie auf die Mindestalimentation hätte. Wobei ich ja auch eigentlich nur kurz das neueste Kaninchen einfangen wollte, dass @MoinMoin heute Mittag mal wieder aus dem Hut gezaubert und mit abstrusen Zahlen auf seinen (Hoppel-)Weg geschickt hatte.

Zumindest musste ich heute noch nichts von einer "Für-sich-Besoldung" lesen, das ist ja auch schon mal was..  :)

PolareuD

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 1,295
  • Bundesbeamter
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14507 am: 27.09.2024 17:39 »
Solange man keine Regierungsverantwortung trägt werden die richtigen Schlüsse gezogen, aber sobald man die Regierungsverantwortung inne hat, sind alle verfassungsrechtlichen Bedenken über Board geworfen:

https://www.spd-fraktion-nrw.de/pressemeldung/was-du-beim-land-verdienst-haengt-vom-einkommen-deines-partners-ab/

MoinMoin

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 9,435
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14508 am: 27.09.2024 18:00 »
Und ja, du hast völlig Recht, ich hatte vorhin nicht bedacht, dass ein sehr hohes Kindergeld auch Auswirkungen auf die Bürgergeldfamilie sowie auf die Mindestalimentation hätte.
Freut mich das mein unsinniges Fabulieren, doch einen Erkenntnisgewinn bei dir produziert hat.

Lichtstifter

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 161
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14509 am: 27.09.2024 18:45 »
Man stelle mal vor, wie der Bund die Länder hätte vorführen können, wenn man die Amtangemessene Alimentation ernsthaft angepackt hätte. Das wäre ein Alleinstellungsmerkmal gewesen. Statt dessen hat man keine Gelegenheit ausgelassen sich zu blamieren und das Schleppnetz nach Hirngespinsten zum Einsatz gebracht.

Ironischerweise gehen die Besolder mit ihren exorbitanten Zuschlägen den für die Bevölkerung fonanziell betrachtet günstigsten Weg, was diese aber ohne das Hintergrundwissen nicht verstehen kann. Ich verübel es ihr auch nicht bei den vielen Horrorartikeln zu uns Beamten.

Und wenn man jahrelang bei den Besoldunganpassungen im Trockenen gelassen wird und das Sonderopfer zum Dauerzustand wird, wirken Erhöhungen um 30, 40, 50% .... auf den ersten Blick natürlich hanebüchen.

Zitat
Ihr drei Streithähne

Ich glaube, die wollen hier nur die 1000 Seiten demnächst vollmachen.  ;D

NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,174
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14510 am: 27.09.2024 20:00 »
....
In dem Moment allerdings, wo sie wieder auf ein sachgerechtes Maß zurückgeführt und dahingegen die Grundgehaltssätze - ggf. auch weitere oder andere (ggf. auch neu eingeführte) leistungsbezogene Zulagen - recht erheblich angehoben werden werden, wird das der Bevölkerung gleichfalls nicht immer sogleich sachlich vermittelbar sein. Aber diese Vermittlung ist nun wiederum vor allem eine politische Aufgabe, die nicht nur die Dienstherrn, sondern ebenso die Gewerkschaften und Verbände mit übernehmen müssen.
...

Vorab: Ich kann Deiner Argumentation hier wieder weitestgehend folgen (auch wenn Du an dieser Stelle bereits Lösungswege in den Raum stellst), kann Dir aber mangels juristischer Expertise natürlich nicht widersprechen - und nehme Deine Ausführungen daher auch als faktisch gegeben hin.

Zu oben zitiertem Ausschnitt: Eine erhebliche Erhöhung der Besoldung ist politisch aktuell faktisch gar nicht vermittelbar. Hier müssen wir uns auch von der juristischen Betrachtung lösen und die politische Dimension einer solchen Veränderung betrachten. Ich mache das an dieser Stelle einfach mal hochplakativ: Ein Wirtschaftsminister, der mit "bedröppeltem" Gesicht verlautbart, dass wir alle ärmer werden, wird sekundiert von einer Innenministerin, die eine 30%ige Erhöhung der Beamtenbesoldung verkündet ... Ich glaube, wir können uns die Paraden und spontanen Jubelfeiern der Bevölkerung nahezu physisch vorstellen.

Das eigentlich hier zugrunde liegende "Problem" ist der mangelnde Abstand zwischen Existenzminimum und dem Medianeinkommen in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Da der Beamte grundsätzlich über jenes Existenzminimum gehoben werden muss, der Angestellte aber im Bedarfsfall nur auf eben jenes gehoben wird, entsteht diese Störung in dem "Gerechtigkeitsgedanken" überhaupt.

Ich glaube, dass muss man neben der juristischen Bewertung auch anerkennen und final bei einer Lösungsfindung berücksichtigen.

Hierbei jetzt noch eine "Idee" und auch eine Frage meinerseits:

Die Idee: Was wäre, wenn man das Kindergeld streicht und stattdessen ein "Mini-BGE" in Form einer negativen Einkommenssteuer einführt? Meinetwegen in Höhe von 500€/Person - was immer noch deutlich unter dem Grundbedarf einer 4k-Familie liegt, aber zumindest erhebliche Teile der notwendigen Alimentation abdeckt. Wie würde sich das auf die verfassungsrechtlich korrekte Bestimmung der Besoldung auswirken?

Die Frage: Wenn der/die Beamte über das Grundgehalt bereits für einen Ehepartner und 2 Kinder besoldet wird, entstünde bei der Heirat zweier Beamte nicht auch eine Form der "Überalimentation"? (Ich weiß, das mag eine doofe Frage sein - aber ich bin ja auch "dumm" und möchte hier lernen ;))

VierBundeslaender

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 147
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14511 am: 27.09.2024 20:29 »
Ich verstehe einen Punkt in Eurer Diskussion nicht. Wir alle sind uns (bis auf wenige) einig, dass die Besoldung nicht amtsangemessen ist und das das BVerfG das demnächst beschließen könnte. Jetzt gibt es einige die sagen: "Das traut sich das Gericht nicht", andere schwächen das ab und sagen "selbst wenn die sich das trauen, wird der Besoldungsgesetzgeber nicht reagieren, weil politisch nicht vermittelbar". Und dann beginnen die Diskussionen, wie der Gesetzgeber das dann irgendwie hinkriegen könnte.

Dazu drei Gedanken:
  • Alles, was ich bisher über der BVerfG gelesen habe, formuliert ganz klar eine Unterscheidung zwischen Rechtssprechnung und legislativer Entscheidung. Anders gesagt: Ob irgend ein Urteil "politisch vermittelbar" ist oder welche Auswirkungen es hat, spielt nur sehr begrenzt bei der Urteilsbegründung eine Rolle. Bestenfalls überlegt man, ob Nichtigkeit oder Aufschub gewährt wird, aber in der Sache bleiben die Richter hart. Also das Gericht wird sich trauen, weil es gar nicht anders kann.
  • Dann kommt die Frage, wie der Besoldungsgesetzgeber reagiert und mit ihm die Sorge, dass der eine amtsangemessene Besoldung nicht umsetzen kann. Warum lassen wir ihn nicht einfach machen? Warten wir doch mal ab. Wenn er nicht reagiert, wird weiter geklagt. Mir sagte kürzlich ein Verbandsvertreter, das man genau das vorhabe: So lange klagen, bis klar ist, dass die Besoldung "nicht mehr evident verfassungswidrig ist". Das halte ich für hilfreicher als sich Gedanken zu machen, was der Gesetzgeber tun soll.
  • Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?

NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,174
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14512 am: 27.09.2024 20:52 »
  • Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?

Weil -und ich überzeichne hier ganz bewusst- der Januar 2021 in den USA eine gewisse Möglichkeit aufgezeigt hat, in welcher Form und auf welchem Weg Entscheidungen eines Verfassungsgerichts in die finale Obsoleszenz überführt werden könnten.

Und nein, diese politische Vermittlung ist nicht "Aufgabe der Beamten" - ich weise nur darauf hin, dass es unter Umständen überhaupt nichts und niemanden gibt, um eine solche Aufgabe erfolgreich zu bewältigen.

Die ganzen Ideen und Überlegungen dienen doch nur dazu, eine rechtssichere Befriedung der Alimentationsbedürfnisse in einer Form zu ermöglichen, die eben keine zu großen Verwerfungen zwischen Beamten und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entstehen lassen.


Maximus

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 181
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14513 am: 27.09.2024 21:10 »
Ich verstehe einen Punkt in Eurer Diskussion nicht. Wir alle sind uns (bis auf wenige) einig, dass die Besoldung nicht amtsangemessen ist und das das BVerfG das demnächst beschließen könnte. Jetzt gibt es einige die sagen: "Das traut sich das Gericht nicht", andere schwächen das ab und sagen "selbst wenn die sich das trauen, wird der Besoldungsgesetzgeber nicht reagieren, weil politisch nicht vermittelbar". Und dann beginnen die Diskussionen, wie der Gesetzgeber das dann irgendwie hinkriegen könnte.

Dazu drei Gedanken:
  • Alles, was ich bisher über der BVerfG gelesen habe, formuliert ganz klar eine Unterscheidung zwischen Rechtssprechnung und legislativer Entscheidung. Anders gesagt: Ob irgend ein Urteil "politisch vermittelbar" ist oder welche Auswirkungen es hat, spielt nur sehr begrenzt bei der Urteilsbegründung eine Rolle. Bestenfalls überlegt man, ob Nichtigkeit oder Aufschub gewährt wird, aber in der Sache bleiben die Richter hart. Also das Gericht wird sich trauen, weil es gar nicht anders kann.
  • Dann kommt die Frage, wie der Besoldungsgesetzgeber reagiert und mit ihm die Sorge, dass der eine amtsangemessene Besoldung nicht umsetzen kann. Warum lassen wir ihn nicht einfach machen? Warten wir doch mal ab. Wenn er nicht reagiert, wird weiter geklagt. Mir sagte kürzlich ein Verbandsvertreter, das man genau das vorhabe: So lange klagen, bis klar ist, dass die Besoldung "nicht mehr evident verfassungswidrig ist". Das halte ich für hilfreicher als sich Gedanken zu machen, was der Gesetzgeber tun soll.
  • Zuletzt: Politisch vermittelbar. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ist das unsere Aufgabe? Noch einmal: Dem BVerfG ist das egal und der Gesetzgeber wird schon merken, was passiert, wenn er es nicht umsetzt. Warum zerbrechen wir uns darüber den Kopf?

Ich glaube nicht, dass die amtsangemessene Besoldung an der "politischen Vermittelbarkeit" scheitert.
Die Besoldungsgesetzgeber würden dies hinbekommen (man muss doch nur die "armen" Polizisten/Feuewehrleute etc. ins Spiel bringen).  Es würde vielleicht einen kleinen Aufschrei geben. Der wäre aber nach ca. 2 Wochen wieder beendet. Außerdem kann man den Schwarzen Peter dem BVerfG zuschieben (Die haben uns ja gezwungen...)

Das Problem ist das gleiche wie in der PW. Die Personalkosten (egal ob Tarif oder Beamte) sollen möglichst gering gehalten werden. Die Parteien möchten ihre Lieblingsprojekte (z.B. Schuldenbremse, Kindergrundsicherung, Rentenpaket etc) nicht gefährden bzw. keine Partei möchte ihr Projekt für die Beamtenbesoldung opfern.


NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,174
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14514 am: 27.09.2024 21:40 »
Ich glaube nicht, dass die amtsangemessene Besoldung an der "politischen Vermittelbarkeit" scheitert.
Die Besoldungsgesetzgeber würden dies hinbekommen (man muss doch nur die "armen" Polizisten/Feuewehrleute etc. ins Spiel bringen).  Es würde vielleicht einen kleinen Aufschrei geben. Der wäre aber nach ca. 2 Wochen wieder beendet. Außerdem kann man den Schwarzen Peter dem BVerfG zuschieben (Die haben uns ja gezwungen...)

Das Problem ist das gleiche wie in der PW. Die Personalkosten (egal ob Tarif oder Beamte) sollen möglichst gering gehalten werden. Die Parteien möchten ihre Lieblingsprojekte (z.B. Schuldenbremse, Kindergrundsicherung, Rentenpaket etc) nicht gefährden bzw. keine Partei möchte ihr Projekt für die Beamtenbesoldung opfern.

Ich finde es lustig bis erschreckend wie wenig der Beamte im allgemeinen über die Bezahlung außerhalb seiner Welt Bescheid weiß - deshalb versteht der Beamte auch nicht, warum es den Bürger im allgemeinen durchaus irritieren könnte, wenn der A8er aus der Zulassungsstelle künftig mit seinen amtsangemessenen 5k netto im Porsche zur Arbeit fährt.

Aber ich lerne, dass es offenkundig relativ sinnbefreit ist, die politische Dimension der Thematik in diesem Teil des Forums beleuchten zu wollen. Das ist ein wenig so, als würde man bei den "flat earthers" die These einer kugelförmigen Erde proklamieren ;)

In diesem Sinne: Viel Erfolg euch allen!

Amtsschimmel

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 311
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14515 am: 27.09.2024 22:30 »
Ich glaube nicht, dass die amtsangemessene Besoldung an der "politischen Vermittelbarkeit" scheitert.
Die Besoldungsgesetzgeber würden dies hinbekommen (man muss doch nur die "armen" Polizisten/Feuewehrleute etc. ins Spiel bringen).  Es würde vielleicht einen kleinen Aufschrei geben. Der wäre aber nach ca. 2 Wochen wieder beendet. Außerdem kann man den Schwarzen Peter dem BVerfG zuschieben (Die haben uns ja gezwungen...)

Das Problem ist das gleiche wie in der PW. Die Personalkosten (egal ob Tarif oder Beamte) sollen möglichst gering gehalten werden. Die Parteien möchten ihre Lieblingsprojekte (z.B. Schuldenbremse, Kindergrundsicherung, Rentenpaket etc) nicht gefährden bzw. keine Partei möchte ihr Projekt für die Beamtenbesoldung opfern.

Ich finde es lustig bis erschreckend wie wenig der Beamte im allgemeinen über die Bezahlung außerhalb seiner Welt Bescheid weiß - deshalb versteht der Beamte auch nicht, warum es den Bürger im allgemeinen durchaus irritieren könnte, wenn der A8er aus der Zulassungsstelle künftig mit seinen amtsangemessenen 5k netto im Porsche zur Arbeit fährt.

Aber ich lerne, dass es offenkundig relativ sinnbefreit ist, die politische Dimension der Thematik in diesem Teil des Forums beleuchten zu wollen. Das ist ein wenig so, als würde man bei den "flat earthers" die These einer kugelförmigen Erde proklamieren ;)

In diesem Sinne: Viel Erfolg euch allen!

Mit welchem Ziel willst du die politische Dimension denn beleuchten? Die Politik schiebt die Verantwortung gezielt in Richtung BVerfG. Dann kann man sagen "wir müssen die Beamtenbesoldung halt erhöhen, und die Polizisten tun ja auch so viel für unser Land" und gut ist.

Wenn du die juristische Ebene der politischen unterwirfst, können wir doch direkt einpacken. Wer entscheidet denn, wann Unrecht akzeptiert werden muss, weil politisch opportun?

Gesetze sind zudem da, um zu gestalten. Wünscht die Politik ein Besoldungssystem, in dem eine A8 keine 5k netto verdient, möge sie etwas mehr schöpferische Kraft in eine Reform der kompletten Systematik stecken, das wäre zumindest mal ambitioniert.

SwenTanortsch

  • Erweiterter Zugriff
  • Hero Member
  • *
  • Beiträge: 2,536
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14516 am: 27.09.2024 23:01 »
@ Nelson

Dumm bist Du sicherlich nicht, Nelson, darüber hinaus ist das, was Du hier um 20 Uhr schreibst, sachlich schlüssig und tangiert dabei - so wie auch mein Beitrag an der genannten Stelle - den politischen Teil des Themas, auf den ich abschließend zurückkomme. Zunächst erst einmal zum Verfassungsrecht:

Lichtstifter und HochlebederVorgang haben heute sachlich berechtigt auf das "Sonderopfer" aufmerksam gemacht, das im Zuge von Haushaltskonsolidierungen verfassungsrechtlich keiner gesellschaftlichen Gruppe abverlangt werden darf, aber der Beamtenschaft in offensichtlich allen Rechtskreisen selbst ohne Haushaltskonsolidierung seit mindestens 25 Jahren abverlangt wird, und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil die Besoldungsgesetzgeber aus ihrer Ermächtigung, die Beamtenalimentation per Gesetz regeln zu müssen, das konnten und können, auch wenn sie das nicht durften und dürfen. Darauf weist - wie vorhin schon zitiert - auch der ehemalige BVR Prof. Huber in seiner vielfach wie nicht anders zu erwarten weiterführenden Stellungnahme im aktuellen nordrhein-westfälischen Gesetzgebungsverfahren hin, und zwar nicht irgendwo versteckt, sondern - methodisch doch eher ungewöhnlich, da methodisch zu erwarten wäre, dass zunächst einmal die erst unter II. referierten verfassungsrechtlichen Vorgaben dargestellt werden - an herausgehobener Stellung, nämlich in einer Vorbemerkung unter I.

Damit stellt er zunächst einmal ein Ergebnis seiner Stellungnahme voran, das sachlich erst unter III. zu erwarten gewesen wäre, nämlich in der Betrachtung des Gestaltungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers, der verfassungsrechtlich begrenzt ist. Um diese Begrenzung der Sache nach klarzustellen, sind vorweg methodisch die verfasungsrechtlichen Grundlagen darzulegen. Entsprechend ist dieses Vorgehen von einem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht im erheblichen Maße erstaunlich, weil das Bundesverfassungsgericht in einem hohen Maße methodisch vorgeht und also nicht erst ein Ergebnis in seiner Entscheidungsbegründung darlegt, um dann später ggf. dessen verfassungsrechtliche Grundlagen nachzureichen, wie das hier aber - und damit offensichtlich als rhetorischer Kunstgriff - geschieht. So verstanden geht es dem ehemaligen BVR an dieser Stelle also offensichtlich pointiert darum, Grundsätzliches von vornherein in den Mittelpunkt zu rücken. Dieses Grundsätzliche ist nun das von mir gerade genannte "Sonderopfer". Entsprechend hebt er eingangs hervor:

"Spätestens seit der Jahrtausendwende lässt sich eine gewisse Abkoppelung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Lohnentwicklung feststellen, die durch die Rückübertragung der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz auf die Länder im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahre 2006 und die 2009 in das Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse (Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG) weiter befördert worden ist." (https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST18-1743.pdf)

Die "gewisse Abkopplung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Lohnentwicklung", von der er spricht, und die er seit rund 25 Jahren sich vollziehen sieht, sei seiner Meinung nach jeweils vor 18 und 15 Jahren (also mittlerweile weitgehend aus dem Prüfhorizont im engeren Sinne verschwunden) noch einmal signifikant befördert worden. Damit will er offensichtlich im Rahmen der Möglichkeiten, sich äußern zu dürfen, darauf hinweisen, dass Beamte, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien verfassungsrechtlich zunächst einmal lebenslang angemessen zu alimentieren  sind und dass ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessenrn Lebensunterhalt zu gewähren ist (vgl. im aktuellen Judikat in der Rn. 23 unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html) und dass diese Verpflichtung eben seit rund 25 Jahren nicht mehr erfüllt wird - "im Rahmen seiner Möglichkeiten" meint damit, dass er sich weiterhin an das Beratungsgeheimnis gebunden sieht und wegen seiner zu vermutenden Beteiligung an bis zum Januar 2023 getätigten Beratungen im Rahmen heute weiterhin anhängiger Verfahren keine Vorverurteilungen anstellen darf, deshalb geht er auch nachfolgend so weit, wie ihm das entsprechend "im Rahmen seiner Möglichkeiten" gestattet ist, indem er im Anschluss seiner Darlegung in besagter Vorbemerkung auf den Rechtsprechungswandel seit 2012 hinweist und dabei zugleich darauf verweist, dass das Bundesverfassungsgericht seitdem regelmäßig Verfassungsverstöße von bundesdeutschen Besoldungsgesetzgeber mit der Folge des verletzten Alimentationsprinzips feststellen musste:

"Seit 2012 hat das Bundesverfassungsgericht für unterschiedliche Länder und unterschiedliche Besoldungsgruppen wiederholt festsgetellt, dass die Höhe der gesetzlich jeweils vorgesehenen Besoldung gegen das Alimentationsprinzip
des Art. 33 Abs. 5 GG verstieß. Im Einzelnen betraf dies die
• W 2 – Besoldung in Hessen (BVerfGE 130, 263 ff.),
• R 1 – Besoldung in Sachsen-Anhalt (BVerfGE 139, 64 ff.),
• A 10 – Besoldung und aufwärts in Sachsen (BVerfGE 140, 240 ff.),
• R 1 – R 3 – Besoldung im Lande Berlin (BVerfGE 155, 1 ff. – Richterbesoldung II) und die
• R 2 – Besoldung für Richter mit drei und vier Kindern in Nordrhein-Westfalen (BVerfGE 155, 77 ff.- Alimentation kinderreicher Beamter)".

Als wäre das nun nicht bereits genug, hebt er im Anschluss hervor, dass auch weitere die Besoldung betreffende Regelungen im gesamten Zeitraum seit dem Rechtsprechungswandel als verfassungswidrig betrachtet werden mussten:

"Weitere Entscheidungen beanstandeten Wartefristen beim Besoldungsanstieg (BVerfGE 145, 1 ff.), die voraussetzungslose Absenkung der Eingangsbesoldung (BVerfGE 149, 382 ff.) oder die Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter (BVerfGE 150, 169 ff.)."

Darüber hinaus sah er sich nun ebenfalls gehalten, vorweg als weitere Ergebnisse der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung der letzten rund zwölf Jahre hervorzuheben, dass in weiteren Fällen nur deshalb kein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip festgestellt worden ist, da - das bleibt implizit, ist aber nachweisbar und also hier offensichtlich Thema - zu jener Zeit noch nicht die Methodik zur Betrachtung des Mindestabstandsgebots direktiv geregelt war, was erst im letzten Judikat geschehen ist. Entsprechend heißt es im weiteren direkten Anschluss:

"In einer Reihe weiterer Fälle stand das Risiko einer Verletzung des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG zumindest im Raum."

Und schließlich weist er darauf hin, dass heute weiterhin eine überbordene Zahl an Richtervorlagen in Karlsruhe anhängig sind, die wiederum seit 2016 auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen sind, dass hier in den beklagten Fällen eine verfassungswidrige Unteralimentation gegeben sei; denn ansonsten hätte die Verwaltungsgerichtsbarkeit keine entsprechenden Vorlagen nach Karlsruhe geschickt:

"Gegenwärtig sind zudem über 50 Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig, in denen eine unzureichende Alimentation gerügt wird."

Auf dieser Basis kommt er zu dem Schluss, in dem er sich weiterhin gehalten sieht, keine Vorverurteilung zu vollziehen, sodass er schreibt (und man darf sich denken, was er nun tatsächlich schriebe, wenn er nicht bis 2023 Richter am Bundesverfassungsgericht gewesen, sondern heute"nur" das wäre, was er heute eben ist, eine maßgebliche Autorität des bundesdeutschen Verfassungsrechts):

"Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass sich die Alimentation der Beamten, Richter und Soldaten in Deutschland am unteren Rande des von der institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG Gebotenen bewegt."

Damit endet seine Vorbemerkung, die man letztlich ebenso implizit in den Kontext des Rechtsprechungswandels des Bundesverwaltungsgerichts einordnen darf, denke ich, das im vergangenen März bekanntlich entsprechend ähnlich ausgeführt hat: "Dies gilt umso mehr, als angesichts erfolgreicher Klagen von Beamten auf Feststellung mangelnder Amtsangemessenheit ihrer Alimentation nicht mehr selbstverständlich davon ausgegangen werden kann, die Alimentation übersteige regelmäßig das nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 5 GG gebotene Besoldungsniveau und enthalte insoweit Spielräume für Kürzungen im Beihilfebereich" (BVerwG, Urteil vom 21.03.2024 – 5 C 5.22 –, https://www.bverwg.de/210324U5C5.22.0, Rn. 14 - by the way, dazu wird im in der nächsten Woche erscheinenden Heft der ZBR eine sogenannte Urteilsanmerkung erscheinen; vgl. darüber hinaus auch: https://www.berliner-besoldung.de/uebersteigt-die-alimentation-noch-regelmaessig-das-nach-massgabe-von-art-33-abs-5-gg-gebotene-besoldungsniveau-ein-offensichtlich-fundamentaler-rechtsprechungswandel-des-bundesverwaltungs/)

Diese methodisch ungewöhnliche Vorbemerkung des ehemaligen BVR geht also so weit wie nur irgend möglich, um die Problematik des mittlerweile mindestens 25 Jahre währenden regelmäßigen "Sonderopfers" der bundeseutschen Beamten zunächst einmal in den Blickfeld zu bringen, weshalb danach bekanntlich eine weitgehende Kritik vom ehemaligen BVR vollzogen wird, die allerdings bislang zumeist gar nicht als solche erkannt wird.

Soweit - pointiert aus der genannten Stellungnahme heraus; die Thematik ließe sich darüber hinaus deutlich vertiefen - zum Verfassungsrecht.

Und damit wären wir bei der Politik. Sie hat in Gestalt der Besoldungsgesetzgeber auf Basis von Gesetzentwürfen der jeweiligen Landes- und Bundesregierungen das von ihr angerichtete Chaos zu verantworten und es also zunächst einmal zu korrigieren und das dann der Bevölkerung zu erklären, was sie alles drei nachvollziehbar nicht will. Dieser Unwille ist insbesondere für Entscheidungen aus der Vergangenheit, für die heutige politische Entscheidungsträger keine Verantwortung mehr tragen, nachvollziehbar - das enthebt sie aber nicht der Verantwortung mindestens für eigene Entscheidungen aus der jüngsten Vergangenheit und mittelbar auch für die ihrer Vorgänger mitsamt der Ergebnisse des fortwirkenden "Sonderopfers".

Und damit sind wir erneut bei den Beamten und der eigentlichen Ursache dafür, dass Du hier wiederkehrend Emotionen auslöst: Denn ausnahmslos jeder der hier schreibenden Beamten und Versorgungsempfänger sieht sich der letztlich heute breit nachgewiesenen Tatsache ausgesetzt, in der Vergangenheit und Gegenwart beständig ein verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigendes "Sonderopfer" erbracht zu haben und es täglich weiter zu erbringen. Sie empfinden deshalb - jedenfalls in Teilen, die sich hier äußern - Deine Ausführungen in Strecken als Beschimpfung, was ich durchaus nachvollziehen kann, ohne dass ich das so empfinde. Sie haben - denke ich - keine Lust, sich auch noch dafür rechtfertigen zu müssen, dass sie nur das fordern, was ihnen als grundrechtsgleiches Recht verfassungsrechtlich zusteht und seit langer Zeit regelmäßig verwehrt wird, nämlich eine amtsangemessene Alimentation. Solange Du also mit Deinen Darlegungen Gefühle verletzt, wirst Du nur bedingt eine sachliche Diskussion führen können, denke ich, weil Du wiederkehrend emotionale Reaktionen erfahren wirst.

Mit diesem letzten Absatz will ich nun nicht die m.E. durchaus jedes Mal wieder notwendigen Diskussionen abwürgen, die uns allesamt nur weiterbringen können, insbesondere weil nicht wenige Deiner - insbesondere politischen - Argumente bedenkenswert sind und weil sich aus Deinen Antithesen zu manchen der hier geäußerten Thesen Synthesen bilden lassen können, und zwar gemeinsam im Diskussionsprozess. Insofern sollten wir Deine - durchaus manchmal provokanten - Thesen allesamt, denke ich, hier aushalten und sie als das nehmen, als was sie nach meinem Empfinden gemeint sind, die Sichtweise eines tariflich beschäftigten Kollegen, der gleichfalls von seinem Arbeitgeber (der also unser Dienstherr ist) regelmäßig deutlich zu gering entlohnt wird.

Denn letztlich sitzen wir alle im öffentlich Dienst Beschäftigten im gemeinsamen Boot öffentlicher Dienst, das hinsichtlich der Entlohnung und Besoldung eine beträchtliche Schieflage hat, da uns Beamten seit Jahr und Tag ein regelmäßiges "Sonderopfer" abverlangt wird, und da ihr Tarifbeschäftigten seit Jahr und Tag weit überwiegend mit unterdurchschnittlichen Tarifergebnissen abgespeist worden seid und es auch alsbald erwartbar erneut werdet, eben weil auch für euch Tarifbeschäftigte die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gegenüber der des Arbeitgebers viel zu gering ist, was zu einem nicht geringen Teil insbesondere daran liegt, dass wir Beamte als Streikpotenzial im öffentlichen Dienst regelmäßig ausfallen, sodass die Gewerkschaften das scharfe Schwert des Streiks regelmäßig nur in begrenztem Maße dem Arbeitgeber entgegenhalten können: Von "Waffengleichheit" kann hier keine Rede sein, weshalb sich nun das Bundesverfassungsgericht als Folge seiner Beamtenstreikentscheidung aus dem Jahr 2018 (BVerfGE 148, 296) in der besonderen Pflicht sehen muss, seinen dort getätigten Worten zum Alimentationsprinzip nun auch weitere Taten folgen zu lassen. Die Worte Prof. Hubers weisen darauf offensichtlich bis zu einem gewissen Grad bereits hin. Schauen wir also mal, was wir alsbald gemeinsam mit unseren Dienstherrn aus Karlsruhe lesen können (nebenbei: Es scheint hier so zu kommen, wie ich das seit geraumer Zeit prognostiziere: https://www.gdp.de/berlin/de/stories/2024/09/never-ending-story-amtsangemessene-alimentation-entscheidung-des-bverfg-wahrscheinlich-nicht-mehr-in-diesem-jahr; das wird hier für nicht wenige als keine gute Nachricht rüberkommen; ich halte sie für eine gute, da sie zeigt, dass man in Karlsruhe streng nach Sachlage vorgehen wird, was auch nicht anders zu erwarten war).

Zu Deinen beiden abschließenden Fragen:

Da die Beamtenbesoldung der Besteuerung unterliegt, hat jede Änderung des Steuerrechts Auswirkung auf die Höhe der ihm gewährten Nettoalimentation. Insofern zeigt sich das Steuerrecht insgesamt als eine Möglichkeit, die amtsangemessene Alimentation (mit) zu garantieren. Nicht umsonst hat heute schon der Grundfreibetrag eine unmittelbare Auswirkung auf die dem Beamten gewährte Alimentation.

Jeder Beamte - ob verheiratet, in Lebenspartnerschaft, unverheiratet, geschieden oder verwitwet - hat für sich das grundrechtsgleiche Individualrecht auf eine amtsangemessene Alimentation. Allein deshalb kann ein entsprechendes Partnereinkommen hier bgereits schon nicht mit angerechnet werden, ohne das Alimentationsprinzip zu verletzen. Darüber hinaus findet der Besoldungsgesetzgeber heute hinsichtlich der Betrachtung von Partnereinkommen von Beamten einen weiten Entscheidungsspielraum vor, da sich das Bundesverfassungsgericht hierzu noch nicht geäußert hat. Deshalb formuliert der ehemalige BVR in seiner Stellungnahme wiederkehrend so, wie er formuliert: also den weiten Entscheidungspielraum hervorhebend und zugleich darauf hinweisend, dass eine Betrachtung der Einkünfte eines Ehe- oder Lebenspartners sich vor der Verfassung als Ganze sachlich rechtfertigen lassen muss. Auch deshalb weist er regelmäßig auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG hin, also auf den besonderen Schutz der Ehe und ebenso der Familie und auf das damit einhergehende Diskriminierungsverbot, wie es aus der Eheschließung gegenüber Unverheirateten hervorgeht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Den Ehe- oder Lebenspartner als Ersatzbesolder betrachten zu wollen, ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen, da sich das nicht sachgerecht begründen lässt. Das weiß auch jeder, der das in den Dienstrechtsministerien oder auf Minister- oder Abgeordnetenbänken wissen will. Auch deshalb habe ich vorhin von der Politiksimulation gesprochen. Der Bürger als Souverän will keine Simulanten, sondern Politiker, die Verantwortung übernehmen. Und da immer größere Teile der Bevölkerung offensichtlich das Gefühl haben, nicht mehr richtig entscheiden zu können, ob sie nun jeweils einen Politiker oder einen Simulanten vor sich haben, wird die Skepsis gegenüber der Politik hier immer größer, und weil ein offensichtlich nicht kleiner werdender Teil der Bevölkerung das Gefühl nicht mehr loswird, dass er zunehmend Simulanten und nicht mehr Politiker vor sich hat, wählen sie eben Simulanten, auch wenn die sich in ihrer politischen Unfähigkeit oftmals weiterhin zu dämlich anstellen, um überhaupt noch als Simulant durchgehen zu können. Auch deshalb macht höchstwahrscheinlich auch morgen wieder um halbzehn in Deutschland Knoppers Politik, also die kleine braune Waffelschnitte mit der weißen Füllung - außen braun und innen weiß, das bringt es auf den Punkt -, der die Parlamentsglocke unverrichteter Dinge in die Hände gefallen ist und die sie jetzt als Bimmel benutzen will, um auf die eigene Unfähigkeit hinzuweisen, selbst überhaupt noch Politik simulieren zu können. Wer zunehmend nicht mehr den Eindruck hinterlässt, Politiker und nicht Simulant zu sein, muss sich nicht wundern, wenn er alsbald mehr und mehr putzige Typen aus der Geisterbahn als Sitznachbar auf der Abgeordnetenbank begrüßen darf.

Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.

Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.

Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew'gen Wonnen.

Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.


Und darüber hinaus: @ Vier

Du bringst es, wie ich finde, präzise auf den Punkt. Nach der nächsten Entscheidung wird es eine übernächste geben - und die wird ganz sicher nicht erst wieder in über vier Jahren vom Stapel gehen. Nachdem im Winter bis spätestens Februar/März die angekündigten Leitentscheidungen gefällt und veröffentlich worden sind, kann für das Bundesverfassungsgericht kein sachlicher Anlass mehr gegeben sein - wie es das durch einen der maßgeblichen Berichterstatter im letzten Winter selbst ausgeführt hat -, nun nicht erheblich schneller den Berg an Vorlagen abzuarbeiten: Denn das ließe sich dann nicht mehr sachlich rechtfertigen. Der effektive Rechtschutz wird hinsichtlich der vielfach zu betrachtenden Verfahrenslängen nun zwingend deutlich zügigere Entscheidungen ab dem nächsten Jahr verlangen. Als Folge wird ein zunehmend erheblicher Druck auf immer mehr Besoldungsgesetzgeber entstehen. "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin" wird eher nicht der politische Schlachtruf des nächsten Besoldungsjahrs werden, so darf man begründet annehmen.
« Last Edit: 27.09.2024 23:15 von SwenTanortsch »

MoinMoin

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 9,435
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14517 am: 28.09.2024 10:27 »
Gesetze sind zudem da, um zu gestalten. Wünscht die Politik ein Besoldungssystem, in dem eine A8 keine 5k netto verdient, möge sie etwas mehr schöpferische Kraft in eine Reform der kompletten Systematik stecken, das wäre zumindest mal ambitioniert.
Absolut korrekt.
Und wie schon mehrfach von mir fabuliert ist das Kindergrundsicherungsgesetz ein erster Schritt, dass eben nicht 5k netto notwendig ist für eine Amtsangemessen Besoldung. Sondern durch diese Familienzuschuß für alle, die Grundbesoldung nicht auf dieses Niveau angehoben werden müsste.

Auch ist es traurig, dass die 4K Familie noch Steuern bezahlen muss (und als Angestellter dann nebenbei noch Grundsicherung beantragen darf um über die Runden zu kommen - irgendwie pervers aber andere Bausstelle, die durch das Kndergrundsicherungsgesetz obsolet wäre)

Denn wenn das Grundeinkommen der Kinder vom Staat "übernommen" wird, dann braucht man auch keine Erhöhung der Grundbesoldung für diesen Aspekt errechnen oder irgendwelche riesigen Familienzuschläge vorsehen und kann sich auf die anderen Aspekte der Beurteilung einer Amtsangemessenheit - was hier in der Diskussion ja komplett untergeht - konzentrieren.

NelsonMuntz

  • Hero Member
  • *****
  • Beiträge: 2,174
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14518 am: 28.09.2024 10:35 »
Hallo Swen, vielen Dank für Deine sehr ausführliche Reaktion. Ich schätze das wirklich sehr :)

Für eine umfassende Reaktion meinerseits fehlt mir aktuell leider die Zeit, daher dient dies nur als "Eingangsbestätigung". Ich freue mich durchaus auf weiteren Austausch mit Dir (und selbstverständlich auch mit allen anderen!).


bebolus

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 504
Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14519 am: 28.09.2024 14:53 »
Gesetze sind zudem da, um zu gestalten. Wünscht die Politik ein Besoldungssystem, in dem eine A8 keine 5k netto verdient, möge sie etwas mehr schöpferische Kraft in eine Reform der kompletten Systematik stecken, das wäre zumindest mal ambitioniert.
Absolut korrekt.
Und wie schon mehrfach von mir fabuliert ist das Kindergrundsicherungsgesetz ein erster Schritt, dass eben nicht 5k netto notwendig ist für eine Amtsangemessen Besoldung. Sondern durch diese Familienzuschuß für alle, die Grundbesoldung nicht auf dieses Niveau angehoben werden müsste.

Auch ist es traurig, dass die 4K Familie noch Steuern bezahlen muss (und als Angestellter dann nebenbei noch Grundsicherung beantragen darf um über die Runden zu kommen - irgendwie pervers aber andere Bausstelle, die durch das Kndergrundsicherungsgesetz obsolet wäre)

Denn wenn das Grundeinkommen der Kinder vom Staat "übernommen" wird, dann braucht man auch keine Erhöhung der Grundbesoldung für diesen Aspekt errechnen oder irgendwelche riesigen Familienzuschläge vorsehen und kann sich auf die anderen Aspekte der Beurteilung einer Amtsangemessenheit - was hier in der Diskussion ja komplett untergeht - konzentrieren.

Bitte nicht zu sehr auf die Family mit zwei Kindern versteifen, weil das was Du dazu ausführst, würde einem Single Staatsanwalt oder Richter nix bringen. Und gerade da ist ja der Ausgangspunkt.