Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6271118 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15885 am: 09.12.2024 15:06 »
Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung Parameter aufgestellt, die eine verfassungswidrige Alimentation indizieren.

Diese Parameter haben zumindest Orientierungscharakter. Einen solchen würde ich mir zumindest bei der Frage des Verhältnisses von leistungslosen Komponenten wünschen, um eine bessere Orientierung zu erhalten.

Meine Befürchtung ist folgende: Solange hier keine objektiven Parametern aufgestellt wird, die eine Verfassungswidrigkeit indizieren können, wird der Besoldungsgesetzgeber die familienbezogenen Bestandteile nach der Salami Taktik solange reduzieren, bis das BVerfG es nicht mehr rügt.

Ein solche, absolute Grenze dürfte in meinen Augen, so wie Du es bereits erwähnt hast, die Höhe des normierten Bedarfes sein. Mehr als den Bedarf, so denke ich auch, darf durch leistungslose Komponenten in keinem Fall gedeckt werden. So verstanden würde demnach ein Familienzuschlag, der höher als der Bedarf des Kindes wäre, in jedem Fall materiell rechtlich zur Verfassungswidrigkeit des Zuschlages (also ähnlich wie bei dem Mindestabstandsgebot) führen.

Aber auch unter dem Begriff "weit überwiegend" dürfte aus meiner Sicht verstanden werden, dass eben auch der gesamte Bedarf zuviel ist. Hier wäre ein Hinweis, eine Verfassungswidrigkeit des Familienzuschlages ist zumindest indiziert, wenn es bspw mehr als 40 % des Bedarfes deckt, schon aus meiner Sicht mehr als hilfreich. Hierbei kann es natürlich auch zu rechtfertigende Ausnahmen geben, die dann prozedual seitens des Gesetzgebers begründet werden müssten und ebenfalls der gerichtlichen Kontrolle unterliegen würden.

Auch wäre es aus meiner Sicht hilfreich, wenn zur Klarstellung der Hinweis käme, ob sich das BVerfG bei den möglichen Familienzuschläge an den Werten der Düsseldorfer Tabelle oder des SGB II orientiert.

Alles in allem erhoffe ich mir keine exakte oder genaue Zahl, allerdings weitere Prüfparameter, um den Spielraum der Besoldungsgesetzgeber weiter einzuengen, als es bisher der Fall ist.

Ich denke, weitere Prüfparameter wird der Senat mindestens auf der ersten Prüfungsstufe nicht einführen, da sie offensichtlich gemeinsam mit denen der zweiten Prüfungsstufe hinreichend sind, um den notwendigen Abwägungsprozess zu vollziehen. Zugleich würde eine wie auch immer geartete Festlegung oder eine in diesem Sinne zu interpretierende Direktive zum Verhältnis von leistungsbezogenen und leistungslosen Besoldungskomponenten offensichtlich unverhältnismäßig in den weiten Entscheidungsspielraum eingreifen, über den der Gesetzgeber verfügt, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass der zukünftige Besoldungsgesetzgeber in bspw. zwanzig Jahren nichts dafür kann, dass die heutigen Besoldungsgesetzgeber sich allesamt vom Boden des Grundgesetzes absentieren. Entsprechend wird der Hüter der Verfassung andere Mittel und Wege finden müssen, um den Besoldungsgesetzgeber jenen Weg zurück in die Bundesrepublik Deutschland zu weisen, denke ich.

Hinsichtlich der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe finden wir letztlich in den ersten drei Parametern und bis zu einem gewissen Grad hinsichtlich des Mindestabstandsgebots volkswirtschaftliche Indizien als Vergleichsgegenstand vor, was aber für das Verhältnis von Besoldungskomponenten zueinander nicht der Fall wäre. Insofern stände ein solcher Parameter über das hinaus, was ich gerade ausgeführt habe, quer zur entwickelten Prüfsystematik.

Anders sieht das allerdings hinsichtlich der Betrachtung tatsächlicher Bedarfe aus, die das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit bereits insbesondere mit der Düsseldorfer Tabelle konkretisiert hat, sodass der Senat daran anschließen könnte, was m.E. nicht gänzlich unwahrscheinlich dann der Fall sein wird, wenn es konkret eine der betreffenden gesetzlichen Regelungen, wie sie seit 2021/22 zunehmend vollzogen worden sind, zu prüfen haben wird. Dabei können wir davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht konkret sagen wird (wie gesagt, das wäre unverhältnismäßig und darin zugleich hinsichtlich möglicher gesellschaftlicher Veränderungen auch zu starr), welches Verhältnis noch sachgerecht wäre, sondern vielmehr entscheiden wird, dass das jeweils betrachtete sich nicht sachlich rechtfertigen lässt. Daraus kann man dann weitere Schlüsse ziehen. Das ist zumindest ein typischer Weg, den Karlsruhe geht.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte zu vermuten sein, dass in den angekündigten Entscheidungen zu den ausgewählten "Pilotverfahren" erste entsprechende allgemeine Ausführungen - eher randständig - zu finden sein werden. "Eher randständig" deshalb, weil sich die aktuelle Problematik für den zu behandelnden Entscheidungszeitraum nicht nachweisen lässt. Allerdings hat der Berichterstatter angekündigt, dass der Senat in Pilotverfahren Leitlinien entwickeln würde, anhand derer die zahlreichen Vorgänge einer zügigeren Beendigung zugeführt werden könnten. Die "zahlreichen Vorgänge" dürften bspw. gleichfalls die mittlerweile über 8.000 aktuell vor dem VG Hamburg anhängigen Verfahren mit einschließen, denke ich. Entsprechend kann der Senat kaum davon absehen, was sich in den letzten rund vier Jahren als Kirmes im Besoldungsrech abgespielt hat, ohne dass dieser Kirmes im Mittelpunkt stehen könnte, da er noch nicht Thema der konkreten Normenkontrollverfahren ist.

@ lotsch

Als Beamter kenne ich keine "Verfassungsprosa", sondern nur Recht und Gesetz, denen ich qua Eid verpflichtet bin, nachdem ich geschworen habe, "das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Niedersächsische Verfassung und die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen". Insofern kann ich mit solchen unsere Verfassung herabwürdigenden Begrifflichkeiten wenig anfangen, egal, ob sie von Dir oder den Besoldungsgesetzgebern so formuliert werden. Der Verfassungspatriot, als den ich mich begreife, lehnt solche Begrifflichkeiten und Vorstellungen ab. Unsere Verfassung ist keine Prosa, sondern jede einzelne Verfassungsnorm setzt das Recht, die allesamt zu wahren, anzuwenden und zu schützen, ich mich verpflichtet sehe. Ansonsten würde ich nicht die Zeit, Arbeit und Kraft in das Thema investieren, die ich investiere.

Udo de Fabios Darlegungen zeigen sich entsprechend ebenfalls nicht als "Verfassungsprosa". Vielmehr erinnert er den Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen an seine Bindungen, die er nicht abschütteln kann und die es weiterhin anzuerkennen und zu schützen gilt. Ich will - das ist ein weiterer Grund dafür, dass ich mich hier regelmäßig engagiere - nicht ins verfassungsrechtliche Ausland, da sich mir die dortigen Aussichten als zu trüb darstellen. Da können uns die Besoldungsgesetzgeber noch so viele schöne Ansichtkarten von dorther schreiben. Irgendwann werden sie wieder in die Bundesrepublik zurückkehren müssen. Dafür gilt es zu arbeiten.

@ Knecht

Das Ende des besoldungsrechtlichen Interregnums ist in Sicht. Es wird dabei allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit noch einiger Zeit und nicht minder einiger gerichtlicher Entscheidungen bedürfen, bis es tatsächlich endet. Die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat ihr Ziel, die Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation in Deutschland, grundlegend verfehlt, hat aber eine zentrale Etappe erreicht, nämlich dass wir heute in der untersten Besoldungsgruppe für die vierköpfige Alleinverdienerfamilie mit Ausnahme des Saarlands ein beträchtlich höheres Besoldungsniveau vorfinden. Denn im Saarland ist das entsprechende Besoldungsniveau nur um 12,4 % gestiegen. Dahingegen liegt es bspw. in NRW in der Mietenstufe VI heute bei 50.952,96 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/nw?id=beamte-nrw&g=A_5&s=1&f=3&fstand=v&mst=VI&zulageid=10.2&z=100&fz=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2). 2019 hat derselbe Beamte noch über ein Besoldungsniveau in Höhe von 32,665,68 € verfügt (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/nw/a?id=beamte-nrw-2019&g=A_5&s=1&f=3&z=100&fz=100&zulageid=10.2&zulage=&stj=2024&stkl=1&r=0&zkf=2&pvk=2u). Sein Bruttogehalt ist entsprechend in den letzten fünf Jahren um über 18.000,- € gestiegen (+ 56 %).

Insofern - das habe ich hier in der Vergangenheit bereits wiederholt tiefgehender dargelegt, weshalb ich das hier nicht wiederholen muss - haben die Besoldungsgesetzgeber seit 2020 bereits die erste Kröte geschluckt, nämlich ein im Einzelnen beträchtlich höheres Besoldungsniveau in den untersten Besoldungsgruppen. Ein so sicherlich eher nicht formuliertes - aber grundlegend vom Senat anvisiertes - Ziel der angekündigten Entscheidungen dürfte sein, das deutlich höhere Besoldungsniveau nun über die untersten Besoldungsgruppen hinauszutragen - das dürfte danach ein gleichfalls durchaus mühevoller und langwierigerer Prozess werden. Aber eines ist sicher: Den entsprechend besoldeten Beamten in NRW (und entsprechend in den anderen Rechtskreisen) kann man nicht wieder auf 36.716,- € zurücksetzen (das wäre die Steigerung um 12,4 %, wie wir sie im Saarland vorfinden). Denn das sollte selbst gegenüber jenen Medien nicht mehr gerechtfertigt werden können, die Beamten gegenüber nicht unendlich positiv eingestellt sind.

Ergo: Das Ende ist in Sicht. Aber auch hier gilt: step by step. Es wird auch ab der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres noch genug zu tun geben, denke ich.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15886 am: 09.12.2024 15:18 »
Wenn man - wie das BVerfG es ausdrücklich tut - der Besoldung eine qualitätssichernde Funktion zuspricht, verbietet sich ein ausufernder Familienzuschlag bereits systematisch.

Yep, das Leistungsprinzip und die Ämterwertigkeit sind bereits jetzt sehr scharfe verfassungsrechtliche Schwerter gegen absurde (leistungslose) Zuschlagsorgien, siehe beispielhaft @Swens heutige Ausführungen in #15.878.

Aber vielleicht holt Karlsruhe ja trotzdem demnächst noch mal kurz den Schleifstein raus und "schärft" an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig nach..

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15887 am: 09.12.2024 15:46 »
"Der Gesetzgeber hat die anrechnungsfreien Hinzuverdienstmöglichkeiten und Ansprüche auf Einmalzahlungen in der Grundsicherung übersehen."(Di Fabio)

Auf diese Hinzuverdienstmöglichkeiten habe ich auch schon hingewiesen. Nach meinem Verständnis müssten diese folglich bei der Berechnung der Mindestbesoldung auf Seiten der Grundsicherung berücksichtigt werden. Bei Einmalzahlungen dachte ich, dass diese auch bisher schon berücksichtigt wurden, aber scheinbar nicht. Die Frage ist nun, mit welchen Beträgen müssten diese Aspekte bei der Mindestbesoldung berücksichtigt werden? Man muss ja spätestens in der Klageschrift substantiieren, denn Gerichte und auch das BVerfG urteilen nur darüber was an sie herangetragen wird.

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15888 am: 09.12.2024 16:11 »
Ergo: Das Ende ist in Sicht. Aber auch hier gilt: step by step. Es wird auch ab der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres noch genug zu tun geben, denke ich.

 ;) Deine Leidensfähigkeit ist immer wieder bewundernswert.

Hier im Geschäftsbereich gibt es mittlerweile bei den informierten Kolleg:innen nur noch drei Lager:

  • Diejenigen, welche resigniert haben und nur noch aus intrinsischer Motivation qualitativ hochwertig Dienst tuen
  • Diejenigen, welche "die da oben einfach nicht gewinnen lassen wollen" und für die Zukunft an das Gute im Staatswesen glauben
  • Diejenigen, welche nach dem Motto verfahren "wenn mein Dienstherr eine amtsangemessene Alimentation vortäuscht, dann täusche ich auch eine qualitativ und quantitativ ausreichende Diensterfüllung vor"

Die erste Gruppe der Überzeugungstäter scheint recht konstant, während sich das Verhältnis von zweiter zu dritter Gruppe mit jedem Jahr mehr in eine Richtung verschiebt, welche einem Angst und bange werden lässt. Man überblickt ja immer nur seine kleine Scholle, aber wenn ich mir das sicherheitsrelevanten Tätigkeiten mit Gefahr für Leib und Leben vorstelle ...

Obwohl den Dienstherren in die Karten spielen dürfte, dass es gerade in diesen Tätigkeitsfeldern viele Beamt:innen der ersten Kategorie gibt.

Der Obelix

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15889 am: 09.12.2024 16:17 »
"Der Gesetzgeber hat die anrechnungsfreien Hinzuverdienstmöglichkeiten und Ansprüche auf Einmalzahlungen in der Grundsicherung übersehen."(Di Fabio)

Auf diese Hinzuverdienstmöglichkeiten habe ich auch schon hingewiesen. Nach meinem Verständnis müssten diese folglich bei der Berechnung der Mindestbesoldung auf Seiten der Grundsicherung berücksichtigt werden. Bei Einmalzahlungen dachte ich, dass diese auch bisher schon berücksichtigt wurden, aber scheinbar nicht. Die Frage ist nun, mit welchen Beträgen müssten diese Aspekte bei der Mindestbesoldung berücksichtigt werden? Man muss ja spätestens in der Klageschrift substantiieren, denn Gerichte und auch das BVerfG urteilen nur darüber was an sie herangetragen wird.

Herr di Fabio ist auch wieder auf weiteren Feldern aktiv geworden:

https://www.dbb-nrw.de/aktuelles/news/ehemaliger-bundesverfassungsrichter-erkennt-verfassungswidrigkeit-der-beamtenbe-soldung-in-nrw/

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15890 am: 09.12.2024 19:18 »
Ergo: Das Ende ist in Sicht. Aber auch hier gilt: step by step. Es wird auch ab der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres noch genug zu tun geben, denke ich.

 ;) Deine Leidensfähigkeit ist immer wieder bewundernswert.

Hier im Geschäftsbereich gibt es mittlerweile bei den informierten Kolleg:innen nur noch drei Lager:

  • Diejenigen, welche resigniert haben und nur noch aus intrinsischer Motivation qualitativ hochwertig Dienst tuen
  • Diejenigen, welche "die da oben einfach nicht gewinnen lassen wollen" und für die Zukunft an das Gute im Staatswesen glauben
  • Diejenigen, welche nach dem Motto verfahren "wenn mein Dienstherr eine amtsangemessene Alimentation vortäuscht, dann täusche ich auch eine qualitativ und quantitativ ausreichende Diensterfüllung vor"

Die erste Gruppe der Überzeugungstäter scheint recht konstant, während sich das Verhältnis von zweiter zu dritter Gruppe mit jedem Jahr mehr in eine Richtung verschiebt, welche einem Angst und bange werden lässt. Man überblickt ja immer nur seine kleine Scholle, aber wenn ich mir das sicherheitsrelevanten Tätigkeiten mit Gefahr für Leib und Leben vorstelle ...

Obwohl den Dienstherren in die Karten spielen dürfte, dass es gerade in diesen Tätigkeitsfeldern viele Beamt:innen der ersten Kategorie gibt.

Mühsam nährt sich das Eichhörnchen - wir verschieben den Status Quo Mirkometer für Mikrometer in die richtige Richtung, getreu dem Planckschen Wirkungsquantum, wonach die besoldungsrechtliche Naturkonstante h = 6,62607015 x 10-34 € ist. So betrachtet kann es an sich nur noch 6,62607015 x 1034 Jahre dauern, bis die Besoldungsgesetzgeber ein Einsehen haben und zur verfassungskonformen Besoldung zurückkehren werden. Ich bin guten Mutes, das noch erleben zu dürfen. Was sind schon 6,62607015 x 1034 Jahre im Angesicht der Ewigkeitsklausel des Art. 20 Abs. 3 GG?

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15891 am: 10.12.2024 09:17 »
@Swen: Das BVerfG hat, wie du zutreffend schreibst, bei der Frage der 4K Beamtenfamilie bereits tragfähige Parameter aufgestellt, um die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es bei der Frage der 4K Familie weitere Parameter aufstellt.

Bei den jetzt vorliegenden Fällen geht es aber auch um Beamte mit anderen Familienkonstellationen als die 4 K Familie. Auch dort wird das BVerfG in irgendeiner Form Farbe bekennen müssen und es fällt mir einfach schwer zu glauben, dass der Single Beamte einen Anspruch auf die exakt gleiche Besoldung hat wie ein Beamter mit Ehepartner und zwei Kindern. So schreibt das Gericht dazu:

Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

und zu den Wohnkosten etwas später:

Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>).

Bei der Frage der Mindestalimentation des Single Beamten, des verheirateten Beamten ohne Kinder und der 3 K Familie helfen die bisher aufgestellten Parameter nach meinem Empfinden daher nicht abschließend weiter. Die amtsangemessene Besoldung ist qualitativ etwas anderes als die Grundsicherung. Daher gehe ich davon aus, dass es für die anderen Familienkonstellationen weitere Parameter oder Orientierungshilfen geben muss, um auch dort prüfen zu können, ob die Alimentation mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist.

Sobald also hier mehr Klarheit herrscht, was dem jeweils kleinsten Beamten in einer anderen Familienkonstellation mindestens zusteht, kann man auch ein Delta zu dem kleinsten 4 K Beamten ziehen und hat so einen Anhaltspunkt oder eine Orientierung, in welcher Größenordnung die Grundbesoldung und somit auch indirekt die Familienzuschläge mindestens sein müssen, um das Delta abzudecken.

Von daher erhoffe ich mir von der weiteren Rechtsprechung einen feiner justierten Orientierungsrahmen für die Prüfung der amtsangemessenen Alimentation der Beamten in anderen Familienkonstellationen, um so Rückschlüsse ziehen zu können, in welchem Umfang Familienzuschläge wohl notwendig und erlaubt sein könnten.

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15892 am: 10.12.2024 10:25 »
Hello Folks :D,

heute habe ich meinen Widerspruch für 2024 und die Wiedereinsetzung in den vorherigen
Stand ab 2021 eingereicht.

Das Ganze ging sowohl via Einschreiben mit Rückschein, als auch als E-Mail (Signiert und verschlüsselt mit er
fortgeschrittenen elektronische Signatur) an die bezügezahlende Stelle geschickt.

Mal sehen was als Antwort kommt.

Jetzt nochmal die Frage:
Was ist für die Jahre 2021 - 2024 zu erwarten.
Die Entwürfe sind noch immer entwürfe und somit kann doch eigentlich kein Konstrukt innerhalb eines solchen Entwurfes, welches mich schlechter als andere stellt, rückwirkend eintreten oder?
Die Minderalimentation besteht allerdings dennoch.
Wie will man den Zustand, den man selber eingesteht, denn Rückwirkend heilen, ohne Rückwirkend den AEZ, Partnereinkommen und Anhebung der unteren Besoldunggruppen einzuführen?

Gibt es da irgendwelche Anhaltspunkte?


Danke nochmal an Swen für seinen unermüdlichen Einsatz.

Hoffen wir, dass es nächstes Jahr langsam vorwärts geht. 
 

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15893 am: 10.12.2024 10:37 »
@Swen: Das BVerfG hat, wie du zutreffend schreibst, bei der Frage der 4K Beamtenfamilie bereits tragfähige Parameter aufgestellt, um die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es bei der Frage der 4K Familie weitere Parameter aufstellt.

Bei den jetzt vorliegenden Fällen geht es aber auch um Beamte mit anderen Familienkonstellationen als die 4 K Familie. Auch dort wird das BVerfG in irgendeiner Form Farbe bekennen müssen und es fällt mir einfach schwer zu glauben, dass der Single Beamte einen Anspruch auf die exakt gleiche Besoldung hat wie ein Beamter mit Ehepartner und zwei Kindern. So schreibt das Gericht dazu:

Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

und zu den Wohnkosten etwas später:

Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>).

Bei der Frage der Mindestalimentation des Single Beamten, des verheirateten Beamten ohne Kinder und der 3 K Familie helfen die bisher aufgestellten Parameter nach meinem Empfinden daher nicht abschließend weiter. Die amtsangemessene Besoldung ist qualitativ etwas anderes als die Grundsicherung. Daher gehe ich davon aus, dass es für die anderen Familienkonstellationen weitere Parameter oder Orientierungshilfen geben muss, um auch dort prüfen zu können, ob die Alimentation mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist.

Sobald also hier mehr Klarheit herrscht, was dem jeweils kleinsten Beamten in einer anderen Familienkonstellation mindestens zusteht, kann man auch ein Delta zu dem kleinsten 4 K Beamten ziehen und hat so einen Anhaltspunkt oder eine Orientierung, in welcher Größenordnung die Grundbesoldung und somit auch indirekt die Familienzuschläge mindestens sein müssen, um das Delta abzudecken.

Von daher erhoffe ich mir von der weiteren Rechtsprechung einen feiner justierten Orientierungsrahmen für die Prüfung der amtsangemessenen Alimentation der Beamten in anderen Familienkonstellationen, um so Rückschlüsse ziehen zu können, in welchem Umfang Familienzuschläge wohl notwendig und erlaubt sein könnten.

Auch hier liegt m.E. wiederum eine nicht hinreichende Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und indiziellen Betrachtungen vor. Materiell-rechtlich hat sich das Bundesverfassungsgericht m.W. in den letzten 73 Jahren noch nicht zur vierköpfigen Beamtenfamilie geäußert und wird, denke ich, dazu auch zukünftig keine Veranlassung haben. Es hat - ursprünglich, um den alimentationsrechtlichen Mehrbedarf kinderreicher Beamtenfamilie betrachten zu können - die vierköpfge Beamtenfamilie mit einem Alleinernährer bislang nur als eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße betrachtet, auch anhand derer Indizien zu bilden sind, die in ihrer Gesamtheit abzuwägen sind, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die Besoldung eines Beamten - unabhängig von seinem Familienstand, der am Ende eine Sonderbelastung mit sich bringt, die leistungslos sachgerecht abzugelten ist und dabei also besoldungsrechtlich nur eine Rolle als "Nebenkomponente" spielt - evident sachwidrig oder (ggf. gerade noch) sachgerecht ist.

Es bleibt bis auf Weiteres weitgehend unerheblich, in welchem Familienstand oder Familienkonstellationen sich der Beamte befindet, da das seine Privatentscheidung ist. Egal, in welcher Familienkonstallation er sich befindet, die ihn treffenden tatsächlichen Bedarfe - und damit auch die zum Kindesunterhalt - müssen auch bei der Familie mit einem oder zwei Kindern ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. "familienneutralen" und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden können, sodass die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten (BVerfGE 44, 240 <274 f.>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv044249.html).

Der Dienstherr darf also auch bei dem Beamten nicht maßgeblichen Einfluss auf dessen Familienplanung nehmen, da das weiterhin dessen Privatangelegenheit ist. Er darf also dessen Familien nicht privilegieren, indem er den Beamten in seiner Familienplanung animiert, möglichst viele Kinder zu bekommen (denn das verletzte die Gleichheitsrechte aller anderen Bürger, die keine Beamten sind, und wäre auch nicht im Interesse des Dienstherrn, da mit zunehmender Kinderzahl tendenziell Arbeitskraft entzogen wird, vgl. nur die vielfältigen Möglichkeiten familienbezogener Teilzeittätigkeiten von Bediensteten); und er hat zu akzeptieren, dass der Beamte, der weder verheiratet noch Kinder hat, keine Sonderbelastungen zu erfüllen hat, sodass man davon ausgehen kann, dass er als Folge seiner privaten Entscheidung über einen de facto größeren finanziellen Spielraum verfügt als ein alleinverdiender Beamte mit Kindern.

Ich kann nicht erkennen, was daran verfassungsrechtlich falsch wäre - denn ansonsten müsste der zu verbeamtende Nachwuchs, der in der Regel keine Kinder hat, anders zu betrachten sein als ein bspw. zwanzig Jahre älterer Beamter - der jüngere Beamte hätte dann also ggf. gar nicht die Möglichkeit, an die Familienplanung zu denken, weil eine solche Abwägung ökonomisch auch damit verbunden ist (oder zumindest diese Möglichkeit bestehen sollte), eine entsprechende Vorsorge für sie zu betreiben. Denn auch das ist im Interesse des Dienstherrn, da der Beamte seine Pflichten nur dann hinreichend erfüllen kann, wenn er auskömmlich finanziell abgesichert ist.

Der langen Rede kurzer Sinn: Eine bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung mit andere Familienkonstellationen zur Indizierung einer amtsangemessenen Alimentation als die bis zu vierköpfige Beamtenfamilien sowie - als Sonderfall - der Betrachtung des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs ab dem dritten Kind wird es nicht geben, da hier die vorhandene Bezugsgröße der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie völlig ausreicht, um eine evident unzureichende von einer (ggf. gerade noch) sachgerechten Alimentation zu unterscheiden. Denn um mehr geht es hinsichtlich der Bezugsgröße nicht, eben als indizielles Mittel unter weiteren indiziellen Mitteln. Und dass diese Bezugsgröße hinreichend und sachgerecht ist, hat der Senat in beiden aktuellen Entscheidungen noch einmal hervorgehoben - wieso sollte er vier Jahre später als Folge des seitdem vollzogenen Besoldungskirmes der 17 Gesetzgeber daran etwas ändern?

@ Harry

Die Lage ist durch das spezifische Handeln der Besoldungsgesetzgeber so unübersichtlich, dass Dir Deine Fragen leider - denke ich - keiner hinreichend beantworten kann. Einen Tage nach Hape Kerkelings 60. Geburtstag können wir leider nur das wiederholen, was er schon vor mehr als 30 Jahren getextet: "Das ganze Leben ist ein Quiz." Nichtsdestrotz oder gerade deshalb halte ich Deine Entscheidung, Widerspruch zu führen, für sachlich richtig. Ein Nachteil kann Dir daraus nicht erwachsen.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15894 am: 10.12.2024 10:48 »
Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

Ich lese die beiden Sätze jetzt mal im Zusammenhang, in diesem stehen sie m.E. nämlich:

Der Beamte muss die Familie (4K) nicht als Alleinverdiener - und zwar von seiner Grundbesoldung, die leistungsbezogen ist - unterhalten können. Soweit so gut.

Man kann das aber so lesen, dass hiermit lediglich ein Zusammenhang zwischen dem Alleinverdienermodell und den leistungsbezogenen Komponenten der Besoldung hergestellt wird.

Das heisst nun aber nicht, dass damit gemeint ist, nun ein Ehegatteneinkommen, weitere Einkünfte etc. hinzurechnen zu dürfen bzw. sich vom sog. Alleinverdienermodell abzuwenden, wie es die Gesetzgeber gerne tun würden.

Vielmehr wird die Aussage getroffen, dass der Gesetzgeber, sollte die leistungsbezogene Komponente als Alleinverdiener nicht ausreichen, als dass der Beamte seine 4k- Familie unterhalten kann, den weiteren Bedarf über nicht leistungsbezogene Komponenten wie Familien und Ortszuschläge regeln kann.

Ich verstehe das so, dass hier lediglich eine Klarstellung erfolgt, dass der Begriff Alleinverdiener in Zusammenhang mit den leistungsbezogenen Komponenten (Grundbesoldung) und der Begriff Bedarf in Zusammenhang mit nicht leistungsbezogenen Komponenten (Zuschläge) gesetzt wird.

Insoweit ist das Mehrverdienermodell eine reine Erfindung des Gesetzgebers. Offen ist damit weiterhin wie hoch der Anteil der Zuschläge sein darf.

M.E. kann die Regelung über den Bedarf nicht der Regelfall sein. Insoweit wäre es insoweit eine Möglichkeit, bei zeitgleich stärkerer Spreizung der Besoldungstabelle noch oben hin - zur Wahrung der Abstände -  in unteren Besoldungsgruppen einen größeren Anteil über den Bedarf zu regeln. Mit möglichen Folgeproblemen für die spätere Versorung.

Und jetzt hat Swen schon wieder dazwischengeschrieben und macht meinen letzten Gedanken zunichte.



Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15895 am: 10.12.2024 10:56 »
Jetzt nochmal die Frage:
Was ist für die Jahre 2021 - 2024 zu erwarten.
Die Entwürfe sind noch immer entwürfe und somit kann doch eigentlich kein Konstrukt innerhalb eines solchen Entwurfes, welches mich schlechter als andere stellt, rückwirkend eintreten oder?
Die Minderalimentation besteht allerdings dennoch.
Wie will man den Zustand, den man selber eingesteht, denn Rückwirkend heilen, ohne Rückwirkend den AEZ, Partnereinkommen und Anhebung der unteren Besoldunggruppen einzuführen?

Ich denke mal, dass die gesetzgeber versuchen werden zu argumentieren, dass durch die Maßnahmen nur bestimmte Beamt:innen bessergestellt werden und niemand schlechtergestellt wird. Unter dieser Prämisse wäre eine rückwirkende Einführung von begünstigenden Regeln grundsätzlich möglich.

Dass damit (in der politischen Realität) tatsächlich gar nicht beabsichtigt wird einzelne Beamt:innen Wohltaten zukommen zu lassen, sondern möglichst viele Unbegünstigte zu erzeugen, ist dann nur eine mittelbarer negativer rückwirkender Ausfluss der Rückwirkung einer (für die Begünstigen) unmittelbar positiven Regelung. Sähe politisch ja auch ein bisschen doof aus, wenn man das anders machen wollen würde:

z.B.
A 10 2015 inkl. Nachzahlung ohne jeden Trick = 65.000,00 EUR ;D
A 10 2024 mit Tricks wie Streichung Besoldungsgruppen, AEZ etc. = 42.000,00 EUR  >:(

Man erinnere sich z.B. an die Rückwirkung der Befreiung der Einkünfte aus Photovoltaik von der Einkommenssteuer aus Dezember 2023 zum 01.01.2023.

https://www.iww.de/pfb/steuern-und-recht-aktuell/investitionsabzugsbetrag-kein-iab-fuer-nachtraeglich-steuerbefreite-pv-anlage-n159888

Das erschien erstmal unmittelbar positiv, weshalb das BMF eine Rückwirkung für zulässig erklärte. Dass dadurch mittelbar Investitionsabzugsbeträge aus 2020, 2021 und 2022 rückgängig gemacht wurden (und damit teils hohe vierstellige Beträge an das Finanzamt zurücküberwiesen werden mussten) ließ die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren unter den Tisch fallen und überließ der Finanzverwaltung die politisch unliebsame "Drecksarbeit". Da muss man also immer mit sehr viel Kreativität der Ministerien und Gesetzgebern rechnen.

Warzenharry

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15896 am: 10.12.2024 11:00 »
Nur beinhaltet die besserstellung einiger nicht automatisch einer Schlechterstellung jener, die nicht besser gestellt werden, da sich jetzt das Verhältnis verändert?

Malkav

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15897 am: 10.12.2024 11:43 »
Das sehe ich auch so. Aber die Gesetzgeber werden sich erstmal auf den oben beschriebenen formalen Standpunkt stellen.

Einer der vielen Gründe, warum ich davon überzeugt bin, dass wir im jeweiligen ersten Anlauf auch kein gerichtsfestes Reparaturgesetz bekommen werden.  >:(

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15898 am: 10.12.2024 13:20 »
Das, was das BVerfG klargestellt hat, ist in meinen Augen, dass eine 4K Beamtenfamilie nicht weniger haben darf als das soziale Existenzminimum zzgl 15 %.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Beamten und einer vergleichbaren Angestelltenfamilie ist daher die Tatsache, dass ein Angestellter, dessen Gehalt nicht ausreicht, um den Unterhalt seiner Familie zu decken, ergänzend Grundsicherung, Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragen kann und muss, um genau das zu erreichen.

Da jedoch die Alimentation eines Beamten nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden darf, und der Beamte auch nicht an Dritte oder an andere Sozialleistungsträger verwiesen werden darf, sondern einen unmittelbaren Alimentationsanspruch für sich und seine Familie gegenüber dem Dienstherrn hat, hat der Besoldungsgesetzgeber jetzt die schwierige Aufgabe, im Rahmen der Besoldungsgesetzgebung diese Schlechterstellung abzuwenden.

Dabei dienen die Zuschläge in meinem Augen nicht dazu, eine Besserstellung der Beamtenkinder zu erreichen, sondern eine Schlechterstellung gegenüber anderen Kindern zu vermeiden. Auch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Familienzuschläge ähnlich wie das Kindergeld bei der Familienplanung nur eine untergeordnete Rolle spielen und die tatsächlichen Kosten nur teilweise abdecken. Eine Animation zum Kinderkriegen durch Familienzuschläge ist daher nach meinem Wissen bisher wissenschaftlich nicht zu belegen.

Verstehe ich dass richtig, dass Du denkst, dass der Single Beamte mindestens das Gleiche Einkommen haben muss, wie soziale Existenzminimum einer 4 K Familie zzgl 15 % und die familienbezogenen Bestandteile dann ggf. on Top dazu kommen dürfen? Jedenfalls liest es sich fast so ...

Wenngleich der Beamte so alimentiert sein muss, verstehe ich das Urteil so, dass er den Unterhalt seiner Familie zwar überwiegend aus den familienneutralen Bestandteilen decken muss, aber dennoch nicht vollständig. So wird ihm doch zugestanden, dass zumindest ein Teil des Unterhaltes aus familienbezogenen Bestandteilen gedeckt werden darf. Bei der Betrachtung der materiell rechtlichen Verfassungswidrigkeit der Unteralimentation sind zumindest die bisherigen familienbezogenen Bestandteile und somit die gesamte Nettobesoldung mit in die Berechnung eingeflossen.

Daher ist für mich lediglich klargestellt, welches Gesamtergebnis am Ende herauskommen muss. Für mich ist auch klar, dass familienbezogene Bestandteile generell möglich sind und in die Betrachtung mit einfließen dürfen, auch wenn sie nur eine Nebenbesoldung spielen.

Auch wenn das BVerfG sicherlich nicht von seiner bisherigen Praxis abweicht, wird es hoffentlich den Besoldungsgesetzgebern, die bisher fast ausschließlich lediglich die familienbezogenen Bestandteile angehoben haben, Einhalt gebieten und in irgendeiner Weise klarstellen, dass eine Anhebung der Grundbesoldung unvermeidlich ist. Hier wünsche ich mir einfach mehr Klarheit, wie genau die im Detail auch immer aussehen mag.

Und zumindest für die Besoldungsgesetzgeber scheint die bisherige Rechtsprechung noch nicht die notwendige Klarheit ergeben zu haben, dass nicht nur die familienbezogenen Bestandteile erhöht werden müssen und dürfen, sondern auch die familienneutralen Bestandteile.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #15899 am: 10.12.2024 13:57 »
Ich verstehe es so:

Die nach Ansicht des BVerfG zulässige Deckung des "Bedarfs" durch Zuschläge bedeutet danach nichts anderes als den Ausgleich dafür, dass der Beamte mit seiner Familie nicht an Dritte oder den Sozialleistungsträger verwiesen werden darf. Insoweit stellen die Zuschläge, die den "Bedarf" decken können das beamtenrechtliche Gegenstück zu Aufstockung, Wohngeld, etc. dar. Der Beamte wird hinsichtlich seiner Familie somit zum "Sozialhilfeempfänger", wenn er als Alleinverdiener aus den leistungsbezogenen Komponenten, sprich seiner Grundbesoldung, seine Familie allein nicht versorgen kann.

Das Merkmal "Alleinverdiener" bezieht sich dem Wortlaut des Urteils nach allein auf die Grundbesoldung! Es steht dort vor allem auch nicht, dass der Ehepartner arbeiten müsse oder es ein Doppelverdienermodell gäbe.

Systematisch betrachtet ist es im Extremfall so, dass der Single-Beamte den 115%-Abstand einhält, aber sobald dann Familie dazukommt, die "beamtenrechtliche Sozialhilfe" in Form von Zuschlägen eingreift, damit der 4k-Beamtenfamilie das Existenzminimum zzgl. 15% zur Verfügung steht.

Insoweit ist es vielleicht doch wichtig, dass das BVerfG dazu Stellung bezieht, inwieweit der Beamte einen Anspruch darauf hat, bereits aus der Grundbesoldung seine Familie versorgen zu können.

Ein vollständiger Verweis auf Zuschläge würde in der Tat eine Schlechterstellung ggü. vergleichbaren Angestellten etc. bedeuten.