Hallo zusammen,
mangels passender Themen in der Forensuche frag ich jetzt mal in die Runde...
Ich bin gerade dabei, mir zu überlegen, ob es in meiner Situation schlauer wäre, in der GKV zu bleiben, oder in die PKV zu wechseln. Ich würde mich freuen, wenn ich von euch etwas Input bekomme, was die Erfahrungen mit diversen PKV betrifft.
Zu mir und meiner Situation:
im Oktober 2020 37 Jahre alt, Vorleben in der freien Marktwirtschaft, seit 2015 verbeamtet, Seit 01.08.2020 BaL in der Verwaltung der BPol, BesGr. A06, Stufe 2. Versichert in der gesetzlichen KV, aktueller Monatsbeitrag 421 Euro.
Ich habe mir mal den aktuellsten Test der Stiftung Warentest aus 11/2019 bzgl. der PKV geholt. Dort werden die Concordia und u. a. die HUK als "Testsieger" gekürt. Auf anderen Seiten sind´s dann die Debeka und die DKV etc. Natürlich bewertet jeder "Tester" anders, was es für jemanden, der evtl. die Absicht hat, zu wechseln, nicht einfacher macht. Daher habe ich mich mittlerweile so gut, wie alles im Internet gelesen, was man so über die Vor- und Nachteile der PKV für Beamte lesen kann und bin trotzdem nicht schlauer...
Daher würde mich mal eure Meinung interessieren, was ihr so über das Thema denkt. Ich habe ca. 10 Kolleginnen und Kollegen in der Dienststelle befragt, ob sie, wenn sie nochmal entscheiden müssten, wieder zur PKV gehen würden. Und es haben alle 10 definitiv nein gesagt. Alle erkennen keine wirklichen Vorteile zur GKV. Und alle berichten von der selben schlechten Zahlungsbereitschaft der PKV, egal, welche es ist. Einige sind bei der Debeka, andere bei der DKV und wieder andere bei sonstigen...
Desweiteren habe ich alle Ärzte, die ich in meinem Bekannten- und Freundeskreis habe befragt. Selbst die rieten mir, in der GKV zu bleiben, da es sich laut deren Aussage nicht wirklich lohnen würde, sich in Deutschland privat zu versichern. Ich habe nur mal für mich bei einem Onlinerechner berechnen lassen, dass ich mit einem "guten Tarif" mit einem Beihilfeergänzungstarif bei ca. 270 € dabei wäre. Dann kommt ja noch die Pflegepflichtversicherung mit ca. 20 € dazu. Da ist man dann bei knapp 300 € dabei. Ich überlege mir jetzt halt ganz genau, ob es sich lohnt, nur für 130 Euro "Ersparnis" in eine PKV zu wechseln. Ein Einzelzimmer wäre zwar schon im Krankheitsfall ganz nett, aber auf eine "Chefarztbehandlung" kann ich gern verzichten. Auch, was die schnelle Terminvergabe angeht, habe ich als Kassenpatient noch nie im Leben Probleme gehabt....
Ich würde jetzt gern mal eure Erfahrungen / Meinungen lesen, was das Thema angeht. Habt ihr besonders gute oder schlechte Erfahrungen gemacht, was die Übernahme von Leistungen bei eurer Kasse angeht? Mich würde auch die Situation bei Pensionären interessieren. Wie sieht es mit der Beihilfestelle der Bundespolizei aus? Die BPOL kocht ja leider in allem ihr eigenes Süppchen, auch was die Beihilfe angeht. Anstatt das über das BVA laufen zu lassen, wie fast jede andere Bundesbehörde, gibts ja übers BPOLP eine eigene Beihilfestelle...
Worauf sollte ich evtl. achten, sollte ich mich für eine PKV entscheiden? Ich habe in dem einen oder anderen Blog von unabhängigen Versicherungsberatern (keine Makler oder Vertreter) gelesen, dass die Debeka zwar die größten am Markt sind, aber im Vergleich zu anderen privaten Versicherern teilweise ganz bescheidene Leistungen und Bedingungen haben, z. B. nur ein geschlossener Heilmittelkatalog oder unzulässige Fragen bei der Gesundheitsprüfung etc...
Da es sich hier um eine Entscheidung fürs Leben handelt, wär ich hier um jede Meinung und vor allem Erfahrung dankbar, die ihr mir mitteilen könnt. Danke schon mal.
Ich warne direkt: es wird länger und kreuz und quer.
Da ich auch einmal vor der Entscheidung stand und mir leider - mangels Masse - niemand wirklich helfen konnte, teile ich nun, einige Jahre später, gerne meine Erfahrungen mit dir.
Zunächst gibt es nicht die pauschale Antwort, was besser ist. Wie gewichtest du deine Faktoren? Wie wichtig ist dir Geld? Wie wichtig eine - vermeintlich - bessere Gesundheitsleistung? Wie sieht deine Zukunftsplanung aus? Ist privat versichert sein für dich ein schöner Status? Befriedigen dich Beitragsrückzahlungen? Hoffst du auf schnellere Termine?
Das sind alles Dinge, die ich dir empfehle gründlich zu erörtert, bevor du rasch und schnell Angebote einholst.
Sehr gute Leistungen, niedriger Beitrag und Beitragsstabilität - wähle zwei.
Alle drei auf einmal gibt es (fast) nicht. Das fast bezieht sich darauf, dass, wenn du eine Glaskugel hast und weißt, dass du niemals ernsthaft krank wirst, dann nimm die billigste, die du kriegen kannst.
Die Realität wird aber anders aussehen, vor allem im Alter.
Ich selbst bin in der gesetzlichen Versicherung geblieben. Und bevor das Bashing los geht mit "Geringverdienerin, viele Kinder etc.". Ich bin A14/3 besoldet, kinderlos und habe auch sonst keine offensichtlichen Gründe, in der GKV zu sein. Und für die, die sich mal an den Kopf fassen wollen: Ich zahle knapp 800 Euro monatlich für die GKV. Nächstes Jahr wird es wieder etwas mehr, da die Beitragsbemessungsgrenze steigt, aber das ist okay.
Die Gründe für die Wahl der GKV waren bei mir rein persönliche. Zum einen bin ich ein sehr risikoaverser Mensch. Mich belastet es, wenn ich mich mit Fragen auseinandersetzen muss, ob etwas und in welcher Höhe es bezahlt wird. Der zweite Grund mag träumerisch-idealistisch sein, aber ich war zeitlebens froh im System der Solidargemeinschaft, welches eben die GKV ist, zu sein. Ich habe viele Jahre vieles bezahlt bekommen, obwohl ich wenig einzahlte. Nun bin ich - zum Glück - kaum krank und zahle mehr. Das finde ich ok, habe hierbei kein Störgefühl.
Zudem ist der komplette Betrag - wie der in der PKV auch - steuerlich absetzbar, sodass ich in etwa jedes Jahr eine Rückzahlung von etwa 2.300 Euro erhalte. Auf den Monat umgerechnet und vom Beitrag der GKV abgezogen zahle ich also monatlich etwas mehr als 600 Euro. Ist natürlich auch eine Stange Geld. Du siehst, aus monetärer Sicht war meine Entscheidung dämlich, aber dafür schlafe ich ruhig. Das wäre MIR mit einer PKV nicht möglich gewesen. Vielleicht bist du auch so eine Art Mensch, vielleicht das Gegenteil.
Einen weiteren Ratschlag, den ich dir ans Herz legen möchte: Frag nicht nur nach Erfahrungen von älteren Beamten. Ich tat dies und viele sagten mir "Ich bin zu frieden. Aber ich schloß die Versicherung ab als ich 18, 19, 20 war. Hab mir das nicht einmal durchgelesen, weil jeder hat da unterschrieben." Seitdem ist viel Zeit vergangen, Tarife und Bedinungen wurden angepasst, der Markt ist umkämpfter und vor allem: Die Gesundheitsfragen sind andere geworden. Dazu später mehr.
Du bist 37 Jahre und du weißt nicht, wie eine PKV entscheiden wird. "Niemals im Krankenhaus" besagt gar nichts. Es gibt PKV, die dich wegen Fußpilz ablehnen werden. Andere wieder werden dich auch mit Knieschaden aufnehmen. Beides ist übrigens ein guter Indikator, wer sich so alles in deinem Tarif tummeln wird und wie sich dies auf deinen Beitrag auswirken kann. Eine Versicherung, die fast jeden nimmt, solltest du kritisch hinterfragen. Schau dir Bilanzzahlen an oder Kenngrößen. Zudem wirst du durch dein Alter niemals einen so hohen Altersrückstellungsbetrag aufbauen können, wie ein sehr junger Beamter. Das könnte dir später im Alter, trotz 70% Beihilfe, wehtun. Könnte, muss nicht. Stichwort: Glaskugel.
Solltest du als Spätteenager doch noch eine Familienkarriere mit mehreren Kindern anstreben, solltets du beachten, dass es eine Familienversicherung in der PKV nicht gibt. Jeder, den du mitversicherst, kostet zusätzlich Geld. Der Betrag wird zwar für die Gegenleistung (Kind in der PKV) mehr als fair sein, aber eben doch mehr.
Wenn du einen Berater einschalten willst, dann nur auf Honorarbasis und jemanden, der sich mit Beihilfe und generell im Thema PKV für Beamte spezialisiert hat. Honorarbasis bedeutet, du zahlst ihn selbst. Dafür ist das Ergebnis möglicherweise weniger verzerrt. Wenn du es alleine machen willst, wirst du nicht umher kommen, dir die Vertragsbedinungen und Leistungskataloge der Versicherungen anzuschauen. Stichwort geschlossener/offener Leistungskatalog.
Nicht unbekannt sollte dir auch sein, was eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung ist. Du musst, je nach Zeitraum, Auskünfte zu deinen ambulanten und stationären Eskapaden abgeben. Das bedeutet für dich Klinken putzen bei deinen Ärzten. Verlass dich niemals darauf, was der Arzt dir mitgeteilt hat, was du haben könntest. Beispiel von mir: Bin mit Magenschmerzen zum Arzt, er sagte, es sei eine Magenverstimmung, ich war am Tag zuvor chinesisch essen gewesen. Alles kein Problem. Ein paar Wochen später rief mich meine GKV an und sagte, sie benötige weitere Angaben zu meiner Lebensmittelvergiftung. Ich konnte den Vorgang zu Beginn nicht zuordnen, es stellte sich aber heraus, dass mein Arzt mir Magenverstimmung gesagt hat, bei der GKV aber Meldung und Abrechnung bzgl. Lebensmittelvergiftung angegeben hat. Die PKV interessiert bei Antragstellung aber nicht, was der Arzt dir sagte, sondern was - wenn sie ihn mal fragen sollte - in deiner Akte bei ihm steht. Hätte ich nun vorher Gesundheitsfragen beantworten müssen, hätte ich niemals angegeben, dass ich eine Lebensmittelvergiftung hatte. Das könnte bei einer späteren, teuren Krankheit mir nachteilig ausgelegt werden können. Können, nicht müssen. Aber wo es um viel Geld geht, da schaut jede Versicherung genau hin.
Zudem musst du bedenken, dass es sich hier um die Öffnungsaktion handelt. Das bedeutet, wenn du über diese in die PKV kommst, gibt es zum einen einen Aufschlag von 30%. Das ist der Preis dafür, dass die teilnehmenden Versicherungen dich aufnehmen "müssen". Zum anderen werden dir die wenigsten Versicherungen den Beihilfeergänzungstarif anbieten. Normalerweise schließt dieser Tarif die Lücke zwischen PKV und Beihilfe. Es gibt aber auch Versicherungen, deren Leistungen sich erhöhen, wenn dieser Tarif zusätzlich abgeschlossen wird. Eine dieser Versicherungen ist die Debeka. Dies ist keine Wertung, ich gebe es nur zu bedenken.
Nicht vergessen werden sollte auch die Motivation hinter der Öffnungsaktion. Die allgemeine Öffnungsaktion für Beamte gibt es schon sehr viele Jahre. Diese zeitlich befristete richtet sich aber extra an die Beamten, die schon in der GKV freiwillig versichert sind. Damit möchte die PKV-Wirtschaft u.a. auf zwei Dinge reagieren:
- Demografischer Wandel (Viele tarife sind voll mit älteren Beamten und es kommen weniger neue nach, dadurch könnten Beiträge stärker steigen, also möchte man die Grundgesamtheit vergrößern)
- Pauschale Beihilfe nach dem Hamburger Modell (Beamte bekommen vom Dienstherr anteilig in der GKV quasi einen "Arbeitgeberzuschuss" zum Beitrag).
Wenn es dir also nur ums Geld geht, dann kannst du eine Wette abschließen und hoffen, dass auf Bundesebene irgendwann auch die pauschale Beihilfe eingeführt wird und sich dein Beitrag in der freiwilligen GKV dadurch evtl. halbiert. Da schon einige Länder dies eingeführt haben stellt sich nicht die Frage, ob diese pauschale Beihilfe mal kommen wird, sondern wann. Aber dies ist meine persönliche Einschätzung.
Zum Stichwort Gesundheitsfragen fällt mir noch etwas ein. soweit ich weiß (Stand Januar 2020), ist die Debeka die einzige PKV, die bei den Gesundheitsfragen eine offene Frage stellt. D.h. es wird gefragt, ob du IRGENDWANN einmal IRGENDEINE Krankheit hattest. Ich überlasse es dir zu Beurteilen, mit welcher Sicherheit du diese Frage wahrheitsgemäß beantworten könntest. Vor dem Hintergrund der o.g. vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung und der Tatsache, dass dies die einzige Möglichkeit ist, wie eine PKV sich eines Beamten entledigen kann, der über die Öffnungsklausel genommen werden musste, würde es mich nicht wundern, wenn die Debeka hier ganz genau hinschaut. Aber wer würde das nicht.
Da ich nun zweimal - nicht gerade positiv - die Debeka erwähnt habe, möchte ich auch etwas relativieren: Hätte ich mich damals für eine PKV entscheiden müssen und hätte die Debeka nicht diese offene Gesundheitsfrage, hätte ich mich wohl für sie entschieden, da sie, in Kombination mit dem Beihilfeergänzungstarif, meinen Wünschen entsprach. Hinzu kamen damals gute Kennzahlen. Und auch, wenn sie den ein oder anderen Skandal verursacht hat und "leider" jeden nur allzugern aufnimmt: Too big to fail (wie es hier jemand schrieb) ist auch ein Qualitätsmerkmal, das einem in Krisenzeiten den Hintern retten könnte.
Wenn du aber dennoch einen pauschales Feuerwerk an Ratschlag mit statistischer Unterfütterung haben möchtest: Nimm die PKV, denn in 95% der Fälle ist aus monetärer und leistungstechnischer Sicht die Kombination aus PKV+Beihilfe die bessere Wahl für einen Beamten. Aber vergiss nicht, dass die Leistungen der PKV in erster Linie zu dir und deinen Lebensumständen passen sollte. Erst danach empfehle ich auf den Betrag zu schauen.
Abgesehen von meinem ganzen Blabla ist PKV oder GKV am Ende ein Glücksspiel. Vor allem, da niemand weiß, wie hart Corona das jeweilige Gesundheitssystem treffen wird. Die Niedrigzinsphase könnte noch sehr lange anhalten, wo legen die PKV ihr Geld an? Bekommt eine PKV auch Steuerzuschüsse, wenn sie in Schieflage gerät? ... Du siehst, dieses Thema ist sehr ausbaufähig und es gibt so viele Faktoren. Wenn du auch nur eines hieraus mitnehmen willst: Schließ die Versicherung ab, die dich (auch im Krankheitsfall) nachts ruhig schlafen lässt und hack das Thema dann ab.
Und bevor jemand fragt: Ja, auch ich denke hin und wieder wehmütig an meinen Kontostand, wenn mir Kollegen in der PKV erzählen, wie viel weniger als ich sie bezahlen. Aber das tue ich nur kurz. Ehrenwort!