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Unbefristete Stelle, da befristeter Arbeitsvertrag nicht vorliegt?
Thiesi:
--- Zitat von: carriegross am 20.11.2021 08:14 ---Soll nun also z. B. ein Arbeitsverhältnis zum 1.12. begründet werden, haben vorher alle Unterlagen und somit auch der unterschriebene Arbeitsvertrag spätestens am 1.12. in der Perso vorzuliegen und danach darf die Person die Arbeit aufnehmen oder, sofern noch nicht alles unterschriftenreif ist, das Beginn-Datum des Arbeitsverhältnisses angepasst werden? Ist also erst alles am 7.12. fertig und unterschrieben, kann das Arbeitsverhältnis frühestens am 7.12. gestartet werden? Und wenn man das auch so kommuniziert und am besten von der einzustellenden Person unterschrieben wird, ist man als AG save? Nur der Prof oder wer auch immer, muss evtl. Dinge aus der eigenen Tasche zahlen, wenn etwas passiert?
--- End quote ---
Es kann auch früher gestartet werden, allerdings hätte die Befristungsabrede dann keinen Bestand mehr, da eine solche, um wirksam zu sein, im Vorfeld vereinbart werden muss.
Unsere Angebote auf Schließung eines AV beinhalten regelmäßig ein Anschreiben, das sinngemäß besagt, dass der potenzielle AG ein AV auf Grundlage des beiliegenden Vertrages anbietet, unter der Maßgabe, dass bis zu einem bestimmten Tag vor dem im Vertrag genannten Beginn des AV ggfs. noch fehlende Unterlagen wie Gesundheits- und/oder Führungszeugnis beigebracht werden, auf jeden Fall aber, dass die oder der Angeschriebene das Angebot durch eindeutige Willenserklärung (im Normalfall eigenhändige Unterschrift auf dem Vertrag; zu Corona-Hochzeiten wurde davon abgewichen und es genügte eine Willenserklärung per E-Mail, in der man explizit Bezug auf das AV-Angebot nimmt und den Bedingungen zustimmt) annimmt.
Eventuelle Ansprüche gegen nach außen hin für die bzw. den Bewerber/-in scheinbar im Namen der Uni auftretende Personen bleiben davon natürlich unberührt.
carriegross:
Vielleicht ist das nicht klar genug gewesen oder geworden: meiner Schwester gehts nicht um das Erschleichen eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Ich habe interessiert nachgefragt.
Und: der AG der Schwester, also ihre Hochschule war in diesen Personalprozess involviert. Es fehlt ja "nur" noch der Arbeitsvertrag. Dem Prof ging es eben nicht schnell genug und daher wollte er, dass meine Schwester bereits bevor alles mit Unterlagen fertigt ist, bei ihr arbeitet.
Ist das jetzt eine solch spezielle universitäre Sache oder eigentlich genauso, wie im restlichen Arbeitsleben?
Das muss doch bitte irgendwo geregelt sein und notfalls schonmal gerichtlich entschieden worden sein. Oder? Nur was sind die entsprechenden Quellen?
Thiesi:
Das Schriftformerfordernis der Befristungsabrede ergibt sich aus § 14 TzBfG. Zu ähnlichen wie dem von dir geschilderten Sachverhalten gibt es eine ganze Menge Rechtsprechung; u. a. auch ein Urteil des BAG, das eine Möglichkeit zur Heilung einer ursprünglich unwirksamen Befristungsabrede (siehe https://www.arbeit-und-arbeitsrecht.de/fachmagazin/kommentar/wirksamkeit-der-nachtraeglichen-befristung-nach-arbeitsaufnahme.html) aufzeigt.
Physiker:
Hier ist ein Beispiel von der Uni Marburg, die die Prozeduren der Hilfskraftseinstellung und -beschäftigung gut zusammenfasst:
https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/administration/recht/satzung/leitfaden-hilfskraefte-langfassung-011019.pdf
Siehe dort zB auf S. 3, unten: "Da die Beschäftigung als Hilfskraft erst aufgenommen werden darf, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, muss die Ausschreibung so rechtzeitig erfolgen, dass die anschließenden
Verfahrensschritte (Auswahlverfahren, Vorlage und Prüfung der Unterlagen, Erstellung und
Aushändigung des Arbeitsvertrags) termingerecht vor dem geplanten Beschäftigungsbeginn erfolgen
können."
Ich würde hier wirklich vorschlagen, dass Deine Schwester das pragmatisch handhabt. Rechtlich ist alles durch die anderen Posts hier geklärt. Praktisch ist es so, dass Deine Schwester in einem geringfügigen und prekären Arbeitsverhältnis steht und zudem auch ein Abhängigkeitsverhältnis existiert mit dem Professor. Wenn die Hiwitätigkeit auch etwas für ihr Studium bringt und es letztendlich "nur" so ist, dass halt die Prozeduren an der Uni viel länger dauern, als das inhaltlich für die Tätigkeit sinnvoll ist, dann kann sie sich durchaus überlegen, sich so wie andere Hiwis zu verhalten. Das Gehalt wird dann schon kommen und sie wird für ihre Stunden bezahlt werden. Das ist die pragmatische Lösung, die aber nicht vollständig auf dem Boden des Arbeitsrechts steht, wie auch die anderen Posts schon erklärt haben, denn es gibt keine Sonderregelungen für Universitäten.
Dass es keine Sonderregelungen gibt ist, wie ich in meinem anderen Post auch schon gesagt habe, ein praktisches Problem, das dazu führt, dass so gut wie jeder Prof schon Bestimmungen des Arbeitsrechts verletzt hat. Ansonsten wären Universitäten nicht mehr arbeitsfähig. Aber das ist hier ja nicht die Frage und auch etwas, was nur durch ein spezielles Arbeitsrecht für die Wissenschaft, das von den unpraktikablen und leider auch menschenverachtenden (da effektiv karriereverhindernden) Regelungen des WissZeitVG abweicht.
Max:
Das hat doch nichts mit Uni zu tun. Arbeitsverträge schließt der Arbeitgeber und nicht jeder beliebige Mitarbeiter.
Der Vertragsbeginn wurde deiner Schwester doch durch die Personalabteilung mitgeteilt. Ist dieser denn eingetreten oder beruht das ganze auf einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme ohne Kenntnis des Arbeitgebers?
Ich weiß nicht wie du dir das Ergebnis vorstellst. Du müsstest ja bei Eingang des befristeten Vertrags bzw. spätestens bei Vertragsende der Uni mitteilen, dass du der Auffassung bist, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu stehen. Darauf wird sich die Uni nicht einlassen und egal mit welchen Urteilen oder Paragraphen du wedelst, ohne den Rechtsweg zu beschreiten wird da nichts fortgeführt.
Die einzigen Fälle wo man pragmatisch den Arbeitnehmern ihr Recht direkt zubilligt oder auf die vorgebrachten Forderungen eingeht, ohne die Gerichte zu bemühen, ist bei Mitarbeitern wo eine langfristige Beschäftigung sowieso beabsichtigt war und man das Verhältnis nicht belasten möchte. Der Rest landet vor Gericht.
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