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Unbefristete Stelle, da befristeter Arbeitsvertrag nicht vorliegt?
Thiesi:
Das ist faktisch natürlich korrekt, aber ich bezweifle, dass es jeder bzw. jedem Bewerber/-in zuzumuten ist, das Binnenverhältnis zwischen Prof, Personalstelle, Fachbereich, Fachvorgesetzten, Uni und AG und wer davon welche Funktion, ggfs. in Personalunion mit einer anderen Funktion, bekleidet, in seiner konkreten Ausprägung zu kennen.
Ich würde es daher so zusammenfassen:
Entweder hat carriegross' Schwester ihre Arbeit mit Wissen und Duldung des AG aufgenommen. In diesem Falle besteht mit großer Wahrscheinlichkeit ein unbefristetes AV, das sich aber möglicherweise unter bestimmten Bedingungen nachträglich befristen lässt (siehe Rechtsprechung zur Heilung unwirksamer Befristungsabreden).
Oder carriegross' Schwester hat ihre Arbeit ohne Wissen und Duldung des AG aufgenommen, möglicherweise in der Annahme, der Prof sei ein vom AG zur Schließung von AV Bevollmächtigter. In diesem Falle besteht mit großer Wahrscheinlichkeit kein unbefristetes AV; allerdings hätte die Schwester möglicherweise Ansprüche gegen den Prof.
Physiker:
--- Zitat von: Max am 20.11.2021 09:28 ---Das hat doch nichts mit Uni zu tun. Arbeitsverträge schließt der Arbeitgeber und nicht jeder beliebige Mitarbeiter.
Der Vertragsbeginn wurde deiner Schwester doch durch die Personalabteilung mitgeteilt. Ist dieser denn eingetreten oder beruht das ganze auf einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme ohne Kenntnis des Arbeitgebers?
--- End quote ---
Ich muss hier die Schwester verteidigen. Für einen Großteil meiner Hiwis ist der Hiwivertrag der erste Arbeitsvertrag, den sie schließen, wenn man mal von Arbeit in den Sommerferien am Band absieht. Sämtliche Kommunikation wird über mein Sekretariat abgewickelt. Für die Studierenden, die die komplexe Struktur der Universität nicht kennen, ist es daher nicht verständlich, wer jetzt eigentlich der Arbeitgeber ist, denn eine Universität ist zwar auf dem Papier so aufgebaut, wie eine Behörde, aber die tatsächliche Eigenständigkeit der Professoren ist viel ausgeprägter als das in anderen Behörden der Fall ist und im "Innenverhältnis" gegenüber den MitarbeiterInnen wirkt ein Lehrstuhl, als ob er komplett eigenständig sei (Art 5 GG führt dazu, dass Professoren viel unabhängiger sind, als alle anderen Beamten). Dass die Schwester da nicht versteht, dass der Arbeitsvertrag eigentlich nicht mit dem Professor geschlossen wird, kann ich gut nachvollziehen.
Ich nehme mir bei meinen Hiwis daher immer Zeit und erkläre ihnen ihre Rechte und Pflichten genau, gerade, weil viele meiner Hiwis sozusagen "zwei Hüte" tragen - sie arbeiten zB in meiner Arbeitsgruppe an einem Forschungsprojekt (das wird nicht bezahlt) und gleichzeitig betreuen sie auch einen Praktikumsversuch in ihrer Funktion als Hilfskraft. Der Versuch hat aber häufig auch etwas mit dem Forschungsprojekt zu tun. Eine wirkliche Trennung von bezahlter Hilfskrafttätigkeit und unbezahlter Forschung ist da tatsächlich häufig schwierig und man muss sich auch etwas auf den gesunden Menschenverstand verlassen (Beispiel: Wenn ich ein Gerät repariere, das in der Forschung und im Praktikum benutzt wird, wird das dann im Rahmen der Hiwi-Tätigkeit oder im Rahmen der Forschung getan? Oder in den Geisteswissenschaften: Wenn ich Literatur zusammenfasse für den Prof, die aber auch etwas mit meiner Abschlussarbeit zu tun hat, ist das Hiwi oder Forschung?).
Max:
Physiker,
das Problem sind zum Teil eben auch die Profs, da sie glauben im rechtsfreien Raum zu agieren.
Das geht überwiegend gut, nach dem Prinzip "Wo kein Kläger, da kein Richter".
Forschung eines Studenten gibt es so pauschal ja auch nicht und man muss Unterscheidungen treffen ob ggf. das BBiG und MiLoG Regelungen vorgibt und Vergütungsansprüche entstehen. Das wäre zum Beispiel bei nicht zwingend vorgeschriebenen Praktika zum Erwerb von Kenntnissen neben dem Studium nach etwas Zeit der Fall. Nur das der Student die Tätigkeit an sich als wertvoll erachtet und nicht unbedingt den Lohn einfordern wird.
XTinaG:
Wenn auf der Website der Uni - und sei es auch nur auf einer Subdomain - eine Stellenausschreibung für eine SHK steht, der Prof dort als Ansprechpartner genannt ist und die Vorstellungsgespräche führt, besteht schon Grund zur Annahme einer Anscheinsvollmacht. Ein Prof ist auch nicht irgendwer, er ist mit Amtsautorität und Weisungsbefugnis ausgestattet. Die Annahme, er dürfe namens des Arbeitgebers handeln und in dessen Namen Willenserklärungen abgeben, nachdem er in einer offiziellen Publikation als Ansprechpartner genannt war, ist also auch nicht von vornherein auf Basis des Empfängerhorizonts des Bewerbers abwegig. Irgendwelche unspezifischen Hinweise an anderer Stelle der Uni-Website ändern daran nichts, es sei denn, dem Bewerber wären sie nachweislich bekannt gewesen. Im Sachverhalt besteht ja auch unzweifelhaft der Wille des Arbeitgebers ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Er wird sich also das Handeln seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen müssen.
Teilt der so rechtsfigürlich legitimierte dann dem Bewerber mit, er sei ausgewählt worden, solle am nächsten Tage anfangen, die Verwaltung bräuchte allerrdings zur Ausfertigung und Übersendung des schriftlichen Arbeitsvertrages ein paar Tage und tritt der Bewerber dann tatsächlich seine Arbeit an, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit das Kind in den Brunnen gefallen sein. Spätestens dann, wenn die Arbeitsstunden, die vor dem Beginn des schriftlichen Arbeitsvertrages geleistet worden sind, stundenmäßig irgendwie mit den nach Beginn des schriftlichen Arbeitsvertrages geleisteten Arbeitsstunden "verrechnet"/ausgeglichen werden, sind dann Tatsachen geschaffen, aus denen der Arbeitgeber nicht mehr heraus kommt. Der Arbeitnehmer muß auch nicht bei Unterschrift unter den schriftlichen Arbeitsvertrag auf sein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis mit erfolgtem Arbeitsantritt hinweisen. Die Befristungsabrede im schriftlichen Arbeitsvertrag ist schlicht unwirksam. Er muß lediglich spätestens 3 Wochen nach dem unwirksam vereinbarten Befristungsende Klage erheben. Am besten ist dann die Wartezeit nach KSchG bereits verstrichen.
Ich stimme Max zu, daß der Wissenschaftsbetrieb nicht im rechtsfreien Raum agiert. Überwiegend prekär und mit besonderer Abhängigkeit zu beschäftigen, kann kein Freifahrtschein für Rechtsbruch sein. "Oh nein, wir können uns nicht an Recht und Gesetz halten, wir müssen dringend ein Personalpronomen für das 56. Geschlecht finden und beweisen, daß Mathematik rassistisch ist!" Nach den Ausführungen von Physiker scheint ja genau das Anspruch und Wirklichkeit zu sein. Die Gewerkschaften täten gut daran, hier einmal den stinkenden Pfuhl des Rechtsbruchs trockenzulegen. Sie haben sich ja in ihr Erfolgsbuch geschrieben, angeblich für ach so tolle rechtliche Arbeitsbedungungen verantwortlich zu sein. Wenn in der Realität unter der Nase der Gewerkschaften aber das Recht mit Füßen getreten wird, bringt einem das beste Recht auch nichts. Reihenweise Entfristungsklagen und, Physiker hat ja ausgeführt, im Falle des Bestehens auf geltendem Recht würde man das bei künftiger Stellenbesetzung berücksichtigen, Konkurrentenklagen (ich kann mir nicht vorstellen, daß den Anforderungen an Stellenbesetzungsverfahren bei SHKs auch nur in Einzelfällen genüge getan würde) wären ein weit größerer Holzschuh in der Maschinerie als es jeder Streik sein könnte. Und auch noch völlig unabhängig von der Friedenspflicht. Und mit Sicherheit wirksam sowohl bei der Gewinnung von Mitgliedern als auch bei der Erreichung der arbeitspolitischen Ziele der Gewerkschaften. Irgendwo im Forum gab es doch auch mal das Problem mit den Arbeitsverhältnissen mit zwei Verträgen, die aber organisatorisch nicht getrennt waren. Das betrifft doch auch in erster Linie Hochschulen. Das kann man gleich mit abfrühstücken. Dann hat man auch einen Hebel für die SHK-/WHK-Tarifverträge.
WasDennNun:
--- Zitat von: Max am 20.11.2021 08:48 ---Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so bestand hätte.
Dann könnte jeder Hinz und Kunz nach Gutdünken Mitarbeiter in einen Betrieb einschleusen.
Ein theoretischer Fall, wo ich das schließen eines unbefristeten Arbeitsvertrags bejahen würde sähe wie folgt aus. Zukünftiger Mitarbeiter bekommt eine Zusage mit Arbeitsantritt 2.2.2222. Der Mitarbeiter erscheint zum angegebenen Termin, bekommt von der Personalabteilung seinen Zugangsausweis, IT Account und was sonst so dazugehört und wird zu seinem Vorgesetzten zur Arbeitsaufnahme geschickt. Nur hat keiner der Handelnden bemerkt, dass kein Arbeitsvertrag unterschrieben wurde, weil die Personalabteilung irrtümlich davon ausging, dass man einen Vertrag schon vorher auf dem Postweg erledigt hat.
In deinem Fall geschieht ja alles hinter dem Rücken des AG.
--- End quote ---
Deutlicher als wie geschildert kann es ja nicht dokumentiert sein, dass da nichts hinter dem Rücken passiert.
Da ist halt das Verwaltungsversagen ordentlich dokumentiert.
Der AG (durch die Personalabteilung) gibt IT Account/Zugangsausweise aus: Ergo er soll bei uns arbeiten! Also eine deutlichste Bejahung des Arbeitsvertrages.
Wenn dann irrtümlicherweise kein befristeter AV schriftlich vorliegt, dann gibt es halt einen "mündlichen" und der ist nun mal unbefristet.
Dumm gelaufen für den AG (und für den AN der dann halt nur den Mindestlohn bekommt.)
Ist aber - wie richtig bemerkt - eher theoretische Natur. Man wird sich dann auf einen schriftlichen AV einigen.
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