Ja, Diplom Verwaltungswirt, das ganze Unterfangen ist zum Scheitern vor den Gerichten verurteilt, was in der Landesregierung auch jeder weiß, der auch nur halbwegs bei klarem Verstand ist.
Und darüber hinaus sind auch weitere Posten in der Bemessung des Grundsicherungsniveaus evident ungenügend, weil nicht realitätsgerecht.
So kann zur Bemessung der Wohnkosten nicht die Anlage 1 des WoGG verwendet werden, worauf das Bundesverfassungsgericht in seiner aktuellen Entscheidung explizit hinweist: "Dass die Auffassung der Bundesregierung, diese Methodik sei auch für die Bestimmung der Mindestalimentation heranzuziehen, nicht zutreffen kann, folgt schon daraus, dass sie in ihrer Stellungnahme die Beamten ausdrücklich auf den Wohngeldbezug verweist. Der Besoldungsgesetzgeber kann sich seiner aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtung aber nicht mit Blick auf Sozialleistungsansprüche entledigen; die angemessene Alimentation muss durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden" (vgl. dort die Rn. 56).
Der Gesetzentwurf geht entsprechend von kalten Unterkunftskosten in Höhe von 14.454,- € aus. Legt man das vom Bundesverfassungsgericht als realitätsgerecht betrachtete 95 %-Perzentil zugrunde, ist von kalten Unterkunftskosten in Höhe von 16.548,- € auszugehen, also von 2.094,- € höheren Kosten. Da die vom Gesetzentwurf vollzogene Methodik keine realitätsgerechten Kostenbemessung vornimmt, kann sie nicht herangezogen werden.
Ebenso ist die Methodik zur Bemessung der Heizkosten nicht sachgerecht und entsprechend evident unzureichend. Realitätsgerecht ist der Heizspiegel für Deutschland mit den entsprechenden Höchstwerten heranzuziehen (vgl. ebd., Rn. 62 f.). Die zugrunde zu legenden Heizkosten betragen entsprechend nicht 1.443,48 €, sondern 2.331,90 €, sind also um 888,42 € höher.
Ob darüber hinaus die Bemessung der Kosten der Bedarfe für Bildung und Teilhabe und für die Sozialtarife realitätsgerecht erfolgen, müsste gleichfalls noch einmal gesondert geprüft werden. Denn hier wird mit Durchschnittswerten gearbeitet, was so im Lichte der aktuellen Entscheidung offensichtlich zweifelhaft ist (ebd., Rn. 64 ff.).
Auch ist in Bayern die Betreuung in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes für Grundsicherungsempfänger kostenfrei, nicht so aber für alle anderen Eltern. Das Bundesverfassungsgericht hebt entsprechend in den Rn. 69 f. explizit hervor, dass diese Kosten gewichtet bei den Sozialtarifen Berücksichtigung finden müssen. Da Bayern darüber hinaus die Kosten für dreijährige und ältere Kinder nur mit einem Elternbeitragszuschuss von 100,- € im Monat bezuschusst, sind auch hier erhebliche Mehrkosten zu berücksichtigen, die anteilsmäßig vom Gesetzgeber zu gewichten und entsprechend zwingend zu beachten sind. Das Bundesverfassungsgericht macht dies in der Rn. 69 mehr als deutlich: "Von erheblicher praktischer Bedeutung sind auch die Kosten für die Kinderbetreuung." Nimmt man bspw. die Kita-Gebühren des Bayerischen Roten Kreuzes für die Stadt Bayreuth zur Grundlage, um die Problematik hier zu verdeutlichen, dann ist bei einer acht bis neunstündigen täglichen Betreuung von monatlichen Kosten in Höhe von 240,- € pro Kind, also 480,- € für zwei Kinder in den ersten beiden Lebensjahren auszugehen; darüber hinaus fallen monatlich 144,- € pro Kind, also 288,- € für zwei Kinder in den weiteren vier Lebensjahren an (
https://www.brk-kitas.de/wp-content/uploads/2021/03/brk-kitas-beitragszuschuss-kostenerhoehung-2021.pdf). Damit ist von Kosten in Höhe von 2.112,- € auszugehen, die in den ersten sechs der zu betrachtenden 18 Lebensjahren anfallen, die in die Sozialtarife mit dem Faktor 1/18 eingehen, sodass allein dieser Posten der Sozialtarife rund 117,33 € monatlich bzw. 1.408 € jährlich ausmacht. Der Gesetzentwurf legt aber insgesamt nur 129,78 € an monatlichen Kosten für die Sozialtarife zugrunde, ohne dabei irgendwie die Betrachtung von Betreuungskosten vorzunehmen.
Summa summarum: Es ist realitätsgerecht von jährlich 2.094,- € höhern kalten Unterkunftskosten sowie von jährlich 888,42 € höheren Heizkosten sowie über 1.400,- € höheren Sozialtarifen auszugehen. Die Bemessung des Grundsicherungsbedarfs fällt also um mindestens rund 4.400,- € zu gering aus; die Mindestalimentation ist um mindestens mehr als 5.000,- € zu gering bemessen worden. Selbst unter Heranziehung eines fiktiven Beitrags von 12.736,- € zum Familieneinkommen durch den Ehepartner, der so, wie die Begründung im Gesetzentwurf erfolgt, verfassungsrechtlich offensichtlich keinen Bestand haben kann, liegt die gewährte Nettoalimentation geradeso oberhalb der Mindestalimentation. Streicht man diesen sachwidrigen fiktiven Fantasiebetrag, dann verfehlt die geplante Nettoalimentation die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestalimentation um deutlich mehr als 11.000,- €.
Ich könnte mir vorstellen, dass nun verständlicher wird, wieso ich hier wiederkehrend davon gesprochen habe, dass das Land Bayern trotz nominal gewährter hoher Bruttobesoldung mindestens in den letzten 15 Jahren in der Realität einer der größten Niedrigbesolder ist (vgl. im folgenden den bekannten DÖV-Beitrag). Nicht unmsonst lag 2020 der Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation bei 928,20 € (26,4 %), wobei darin noch nicht die Kosten für die Kinderbetreuung enthalten waren, da hierzu weiterhin vom Land keine realitätsgerechten Beträge ausgewiesen worden sind, obgleich das Land seit spätestens 2020 dazu verpflichtet ist: "Auch insoweit ist in erster Linie der Besoldungsgesetzgeber gefordert, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten, um Art und Ausmaß der geldwerten Vorteile zu ermitteln und die Höhe der Besoldung diesen kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen" (Rn. 71).
Darüber hinaus beachten die von mir vorgenommenen Anmerkungen hier noch nicht die neuen Regelsätze, die durch die Einführung des Bürgergelds noch einmal höher ausfallen werden - und zugleich gehe ich davon aus, dass die von mir hier skizzierte Prüfung bislang von keiner Gewerkschaft und keinem Verband in Bayern vorgenommen worden ist. Ich würde mich folglich als Bayerischer Beamter entsprechend an meine Gewerkschaft wenden, damit im Gesetzgebungsverfahren zukünftig über realitätsgerechte und keine willkürlich bemessene Beträge gesprochen wird.