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[NI] Besoldungsrunde 2021-2023 Niedersachsen

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Dogmatikus:
In Niedersachsen gab es nun mehrere kurze Online-Informationsveranstaltungen durch den NRB. Die Resonanz war wohl recht groß und ich habe von einigen Kollegen danach gehört, dass sie zum ersten Mal von der Thematik etwas mitbekommen hätten.  ::)

Es wurde bspw. auch dargestellt, dass der Gesetzgeber nichtmal ein Problem damit hat, dass durch die Neuregelung eine niedrigere Besoldungsgruppe am Ende mehr erhält als eine höhere, weil "so wenig davon betroffen sind". Schönes Rechtsverständnis...

Danach wurde zudem in meiner Behörde auch in den einzelnen Abteilungen kommuniziert, dass ein Widerspruch sich lohnt. Eventuell ist damit für 2022 mit nochmal deutlich mehr Widersprüchen zu rechnen, zu wünschen wäre es.

Ein Punkt hat mich jedoch nicht ganz überzeugt: Es wurde dargestellt, dass das Delta zwischen "Ist" und "Soll" hinsichtlich des Mindestabstandsgebots bei ca. 3.700 € liegt und dies der Betrag ist, den jeder mehr erhalten müsse.

Das würde nach meinem Verständnis aber bedeuten, dass A5, A14, R1, R6 usw. alle den gleichen Mehrbetrag erhalten müssten. Meiner Ansicht nach würde das jedoch zu einem deutlichen Näherrücken aller Besoldungsgruppen führen, mit der Gefahr, dass zwar das Mindestabstandsgebot gewahrt wäre, das allgemeine Abstandsgebot aber Probleme machen könnte.

Zur Verdeutlichung:
- 3.700 € bedeuten für einen A5-Beamten knapp 13% seines Jahresnettolohns, für einen A14er "nur" 8,3%.
- Legen beide 7 Jahre Widerspruch ein, erhält der A5-Beamte für diesen Zeitraum 91% seines derzeitigen Jahresgehalt, der A14er "nur" 58% eines Jahresgehalts.

Ich habe es jetzt nicht für die gesamte Tabelle ausgerechnet, aber würde "ein Betrag für alle" nicht letztlich dazu führen, dass alle Gruppen deutlich enger zusammenrücken, und ist das wirklich gewollt?

SwenTanortsch:
Das, was Du schreibst, ist sachlich völlig richtig, Dogmatikus; es kann weder zukünftig noch rückwirkend einen gleichermaßen für alle geltenden, einheitlichen Betrag geben, dabei wird die rückwirkende Korrektur offensichtlich komplexer zu betrachten sein (auch dazu gibt es noch keine bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung) als die zukünftige, die am Ende auch in Niedersachsen zu dem Ergebnis führen wird, dass die Grundgehaltssätze recht deutlich angehoben werden müssen. In der hier schon mehrmals genannten Stellungnahme, die im Auftrag der GEW Niedersachsen erstellt worden ist (und als Vorlage 9 zu Nds.-Drs. 18/11498 von der Landtagsverwaltung zu beziehen ist), werden entsprechend anhand der Dezembererhöhungen die Mehrkosten aus einer Tabellenanhebungen bemessen (vgl. dort S. 58 ff.); damit kann nicht geklärt werden, um welchen Betrag die Nettoalimentation jedes einzelnen Beamten insgesamt anzuheben ist. Jedoch lässt sich die Dimension der Anhebung anhand der auf das Land zukommenden Mehrkosten erahnen.

Der Gesetzentwurf beziffert die haushaltsmäßigen Auswirkungen aus der Anhebung der jährlichen Sonderzahlungen auf jeweils insgesamt 32,4 Mio. € in diesem und dem nächsten Jahr (vgl. wie auch im Folgenden S. 13 von Nds-Drs. 11/498)). Die sich aus der Streichung der ersten Erfahrungsstufe in den Besoldungsgruppen A 5 bis A 7 ergebenden Mehrkosten werden für das Jahr 2023 mit 0,5 Mio. € angegeben, die aus der Gewährung des „Familienergänzungszuschlags“ mit rund 21,7 Mio. €. Der Gesetzentwurf geht folglich davon aus, dass es dem Land möglich sei, einen wieder verfassungskonformen Zustand herzustellen, indem es im Jahr 2022 Mehrkosten in Höhe von 32,4 Mio. und 2023 in Höhe von 54,6 Mio. € für Besoldungsleistungen zusätzlich zur Verfügung stellte. Da eine realitätsgerechte Bemessung für das Jahr 2022 von einem prozentualen Fehlbetrag von mindestens rund 20 % zwischen der vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Mindest- und der vom Land tatsächlich gewährten Nettoalimentation ausgehen muss (vgl. die Tabelle 7 des bekannten DÖV-Beitrags) und indiziell aktuell eine Bruttobesoldungslücke von mindestens über 26 % zu betrachten ist (vgl. die Tabelle 4, S. 27 der genannten Stellungnahme), bricht sich der evident sachwidrige Gehalt der geplanten Maßnahmen in der sich hier zeigenden fiskalisch motivierten Besoldungsgesetzgebung.

Wenn nun die Begründung zu NBVAnpG 2022 die haushaltswirtschaftliche Belastung des Landes aus der linearen Anpassung der Bezüge um 2,8 % für den Dezember 2022 auf rund 26,46 Mio. € beziffert, dann ist davon auszugehen, dass eine einprozentige monatliche Erhöhung für das Jahr 2022 zu Mehrkosten von rund 9,45 Mio. €
bzw. zu jährlichen Mehrkosten von rund 113,4 Mio. € führte. In Anbetracht des materiell mindestens um rund 20 % verletzten absoluten Alimentationsschutzes, dessen zwingend wieder herzustellende Garantie nur durch eine substanzielle Anhebung der Grundgehaltssätze erreicht werden kann, und einer indiziellen Unterschreitung der Mindestbesoldung um mindestens mehr als 26 % ist realistischerweise davon auszugehen, dass im Jahr 2022 das
evident sachwidrig vollzogene Einsparvolumen deutlich mehr als eine Mrd. € beträgt und mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit eher näher an zwei Mrd. € heranreicht bzw. die zwei Mrd. € übersteigt. Diese Beträge zeigen das Volumen, das nötig sein wird, um auch in Niedersachsen wieder zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückzukehren.

fuchsy2022:
Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach § 36a NBesG zusätzlich zum Familienzuschlag noch ein Familienergänzungszuschlag ab dem 01.01.2023 zu gewähren.

Wie soll das zeitlich denn noch klappen?
Die dazugehörige Regelung / Verordnung ist ja noch nicht einmal veröffentlicht.

SwenTanortsch:
Zugleich dürfte es nicht völlig unwahrscheinlich sein, dass auch die Verordnung zur Regelung des sog. Familienergänzungszuschlags zuvor noch einem Beteiligungsverfahren unterworfen werden soll, was ebenfalls noch einmal Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Denn nicht umsonst wird die Landesregierung zur konkreten Ausformung der Verordnung gezwungen sein, nun die im Gesetzgebungsverfahren nicht vollzogenen Bemessungen des Grundsicherungsniveaus, der Mindestalimentation und der zu gewährenden Nettoalimentation vorzunehmen, so wie das im Gesetzgebungsverfahren von ihr angekündigt worden ist; denn ohne solche Bemessungen kann keine Abwägung erfolgen, wem und in welcher Höhe der sog. Familienergänzungszuschlag zu gewähren ist. Die Prozeduralisierung jener Verordnung zur Herstellung eines sog. Familienergänzungszuschlags dürfte vom Umfang her folglich der eines Gesetzes kaum nachstehen können.

Dabei zeigt allein schon dieser Sachverhalt, dass im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Bemessungen nicht vorgenommen worden sind, den wiederkehrend sachlich groteske Gehalt des am Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Niedersächsischen Gesetzes zur amtsangemessenen Alimentation (Nds. GVBl. 2022 S. 611); denn der Regelungszweck jenes Gesetzes war die Wiederherstellung einer amtsangemessenen Alimentation. Wie hoch ein entsprechender Betrag zur Widerherstellung einer amtsangemessenen Alimentation jedoch ausfallen müsste (und wie hoch nun eigentlich die sog. Familienergänzungszuschläge ausfallen müssen), ist im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht ermittelt worden: Man hat also ein Gesetz zur Überwindung der eingestanden verfassungswidrigen Alimentation in Niedersachsen verabschiedet, ohne konkret zu prüfen, wie hoch eine Alimentation sein muss, um nicht weiterhin den absoluten Alimentationsschutz zu verletzen (der ausnahmslos nicht verletzt werden darf). Als Folge verbleibt auch der sog. Familienergänzungszuschlag als eine zufällige Einzelmaßnahme, die als solche offensichtlich keinen gerichtlichen Bestand haben kann. Um ein Bild zu gebrauchen: Man ist im Gesetzgebungsverfahren so vorgegangen, wie VW (sich) verfahren würde, wenn es Autos ohne Vorderachse und Lenkräder baute.

Dabei kann davon ausgegangen werden - denke ich -, dass man sich im Finanzministerium bewusst ist, dass die Verordnung anders als ein Gesetz über § 75 NJG i.v.m. § 47 (1) Nr. 2 VwGO vor dem Niedersächsischen OVG beklagt werden kann, worauf ChRosFw hier unlängst berechtigt hingewiesen hat; https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,117251.195.html Entsprechend ist 2014 die GEW Niedersachsen mit der ÄndVO ArbZVO Schule vom 4. Juni 2014 (Nds. GVBl. S. 150) verfahren. Das OVG hat diese Rechtsverordnung dann im betreffenden Normenkontrollverfahren am 09.06.2015 - 5 KN 148/14 - (https://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE150001960&psml=bsndprod.psml&max=true) als mit höherrangigem Recht unvereinbar zurückgewiesen, sodass jene Verordnung dann nichtig war und die von der Verordnung geregelte Arbeitszeiterhöhung zurückgenommen werden musste. Dabei hat das OVG wie in jedem Klageverfahren zunächst die Zulässigkeit der Klage geprüft und dort entsprechend festgestellt, dass die Klage auf Grundlage von NJG und VwGO zulässig war (vgl. ebd., Rn. 30 ff.), was genauso dann für die ausstehende Rechtsverordnung gelten wird.

Der langen Rede kurzer Sinn: Im Finanzministerium dürfte man derzeit an der entsprechenden Verordnung arbeiten; in Anbetracht der offensichtlich in vielfacher Art und Weise verfassungswidrigen gesetzlichen Ermächtigung und ihrer je spezifischen Vorbereitung jenes sog. Familienergänzungzuschlags (vgl. die S. 36 ff. der Vorlage 9 zu Nds-Drs. 18/11498) dürfte es prinzipiell nicht möglich sein, denke ich, sie nicht rechtsverletzend zu konzipieren. Denn nicht zuletzt dürfte der sog. Familienergänzungszuschlag in seiner Konzeption als Herdprämie unter anderem den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen, was der Landesregierung weiterhin nicht verborgen bleiben kann, vgl. z.B. auch die S. 15 der EW vom 30.09. unter https://www.gew-nds.de/magazin-ew-niedersachsen-1

Allein schon die nun anstehenden Bemessungen werden interessant zu lesen sein. Ebenso wird es interessant werden, wie nun die Verordnung konkret konzipiert werden soll, ohne gegen das Gebot des Abstands zwischen den Besoldungsgruppen zu verstoßen. Denn entweder wird man wie bspw. in Schleswig-Holstein einen in den höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen immer geringer werdenden Betrag konzipieren, sodass die betroffenen Beamten in jenen betroffenen Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen identisch hoch besoldet werden würden, was ein Verstoß gegen das Abstandsgebot darstellte - oder man würde einen einheitlichen Betrag für alle Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen als sog. Familienergänzungszuschlag gewähren (was nach der Begründung im Gesetzgebungsverfahren offensichtlich nicht vorgesehen ist), was dann de facto aber ebenfalls das Abstandsgebot verletzte, da dann die Abstände insbesondere zwischen den untersten und höchsten Besoldungsgruppen ebenfalls deutlich verringert werden würden. Denn wie in der genannten Vorlage dargelegt, muss jener Familienergänzungszuschlag brutto deutlich über 400,- € betragen, um das Mindestabstandsgebot zu erfüllen, weshalb eine gehörige Anzahl an Besoldungsgruppen von ihm betroffen sein sollten (in der genannten Vorlage wird ab den S. 29 ff. berechnet, dass mindestens noch der 3. Erfahrungsstufe der Besoldungsruppe A 9 ein sog. Familienergänzungzuschlag zu gewähren wäre, damit diese als Wenigstes noch die Mindestalimentation überschritte).

Die Quadratur des Kreises dürfte allemal leichter zu bewerkstelligen sein, als jene Rechtsverordnung zu konzipieren, was allen Abgeordneten des letzten Landtags klargewesen sein könnte, da allen die genannte Vorlage 9 zu Nds-Drs. 18/11498 im direkten Vorfeld des Septemberplenums von der Landtagsverwaltung zugesandt worden ist. Es hat jeder Abgeordnete gewusst oder zumindest wissen können, in welche Probleme man sich mit der aktuellen Gesetzgebung hineinkatapultierte.

SwenTanortsch:
Heutige Mail der GEW Niedersachsen, der nicht zuletzt hinsichtlich der dort geäußerten Bitte nur zugestimmt werden kann:

Liebes Mitglied,

das Jahr 2022 geht langsam dem Ende entgegen und wir – die Vorsitzenden der GEW Niedersachsen – möchten uns ganz herzlich für deine Treue bedanken.

Es waren enorm anstrengende Monate, in denen sich der gesamte Bildungssektor nicht nur erneut mit der Corona-Pandemie auseinandersetzen musste, sondern auch mit einem Personal- und Ressourcenmangel, der vielerorts zu einer Art negativem „Normalfall“ geworden ist. Damit sich die GEW und die Beschäftigten aller Bildungsbereiche weiterhin gegen die bestehenden Missstände zur Wehr setzen können, braucht es nicht nur viel Kraft und Engagement, sondern bisweilen auch Phasen der Ruhe.

Daher wünschen wir dir und deinen Angehörigen zu den Feiertagen und zum Jahreswechsel einige schöne Stunden und möglichst viel Erholung! Im Jahr 2023 wird unser Kampf für bessere Rahmenbedingungen im Bildungswesen dann mit voller Kraft weitergehen.

Eine letzte Bitte noch:
Wer als Beamt*in im Landesdienst steht, ist auch in diesem Jahr aufgefordert, gegebenenfalls mit dem Musterschreiben der GEW Widersprüche einzulegen: einerseits in Bezug auf eine Altersdiskriminierung und andererseits wegen der Amtsangemessenheit der Alimentation. Informationen und Vorlagen sind hier zu finden: www.gew-nds.de/aktuelles/detailseite/amtsangemessenheit-der-besoldung

Herzliche Grüße

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