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[SN] Besoldungsrunde 2021-2023 Sachsen

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Aloha:
Battis "verbietet sich inzwischen jegliche diplomatische Zurückhaltung" in der Bewertung des Entwurfes - und das ist auch gut so.

Kernpunkte
- Streichen der Besoldungsgruppen A4 nicht ausreichend begründet und nur vorgeschoben, um breitere Auswirkungen zu vermeiden.
- Behilfeänderungen nicht für alle Beamten somit tiefer Eingriff ins Leistungsprinzip. Als Korrektur für die Verluste von über 10 Jahren Jahren nicht ausreichend. -> Amtangemesse Alimentation nur bei Anhebung der Grundbesoldung auf 115% des Grundsicherheitsniveaus

III. Fazit
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der vorgelegte Gesetzentwurf nicht die Herstellung einer
verfassungsgemäßen Besoldung zum Gegenstand hat, sondern es sich dabei vielmehr um
den Versuch einer rückwirkenden arithmetischen Korrektur der inzwischen seit über einem
Jahrzehnt hinweg verfassungswidrigen Besoldung handelt, der jedoch von vornherein zum
Scheitern verurteilt ist.

Insoweit ist allen Sächsischen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern, Staatsanwälten und Staatsanwälten dazu zu raten, Widerspruch auch gegen diese Besoldungsanpassung einzulegen.

Völlig unterschätzt wird dabei offenbar die Symbolwirkung einer derartigen Besoldungsgesetzgebung. Darin kommt nicht nur eine offene Missachtung des Bundesverfassungsgerichts zum
Ausdruck, sondern nicht zuletzt auch eine Missachtung der hiervon unmittelbar betroffenen
Beamtinnen und Beamten.
Angesichts der Dreistigkeit dieses offensichtlich inzwischen über Jahre hinweg länderübergreifend konzertierten Verfassungsbruchs verbietet sich inzwischen jegliche diplomatische
Zurückhaltung. Vielmehr ist einmal mehr herauszustellen, dass hier mit voller Absicht die
eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, deren Bindungswirkung § 31
BVerfGG sowie zuletzt auch die Verfassung selbst, insbesondere die hergebrachten
Grund-sätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG offen missachtet werden. Der
Unterzeichner hat bereits bei früheren Gelegenheiten deutlich gemacht, dass die fortgesetzte
Missachtung der Judikate von Bundesverfassungsgericht und Verwaltungsgerichtsbarkeit
rechtsstaatsgefährdend ist.
Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber führen mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine
Verfassungskrise herbei, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende
Auswirkungen haben wird. Nicht nur wird damit die Autorität des Bundesverfassungsgerichts
beschädigt, sondern darüber hinaus die Integrität und damit auch die Funktionalität des
Beamtentums insgesamt untergraben. Damit steuert der Besoldungsgesetzgeber im Ergebnis
genau in die entgegengesetzte Richtung der vom Bundesverfassungsgericht mit seiner
Rechtsprechung verfolgten Zielsetzung.



Die Stellungnahme des SBB ist da unklarer. Grundsätzlich schließt man sich zwar der Kritik im Gutachten an und würde sich natürlich auch über eine Anhebung der Gesamtbesoldung freuen (Inflation, Amtsangemessenheit, ...). Allerdings freut man sich dann doch sehr über sie Streichung von A4 und Einführung der "Familienversicherung". Hier wird eben nicht gesehen, dass hier nur einzelne Beamte profitieren und das Gesamtbild doch gerade zu rücken wären. Also eher eine Art "Spatz in der Hand" als "Taube auf dem Dach", wobei die Taube doch inzwischen eher ein Albatros ist.

SwenTanortsch:
Die gutachterliche Stellungnahme Ulrich Battis' stellt eine weitere argumentativ brilliante Betrachtung eines Gesetzentwurfs aus seiner Feder dar, die die Zentralproblematiken unumwunden auf den Punkt bringt. Entsprechend bereitet sie die zukünftig nötigen Klageverfahren vor, wobei hier neben vielen anderen Textpassagen diese nachfolgend zitierte für die Klageverfahren von erheblicher Bedeutung sein wird:

"Der Entwurf verfolgt damit unverblümt den Anspruch, die fiskalischen Folgen der zwingenden Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis auf die Nachkommastelle zu minimieren." (S. 11)

Wieso dürfte dieser Satz Zentralität in der Begutachtung genießen?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.11.2015 - 2 BvL 5/13 - die sächsische Besoldungsgesetzgebung schon einmal für das Jahr 2011 betrachtet und als verfassungswidrig entschieden hat, ausgehend von dem Vorlagebeschluss des  Verwaltungsgerichts Halle vom 22. Februar 2012 - 5 A 55/12 HAL. Ulrich Battis konstatiert nun durchgehend zurecht, dass der sächsische Besoldungsgesetzgeber im Gefolge dieser bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung, die Gesetzeskraft beansprucht, nicht seiner Verpflichtung nachgekommen ist, zu einer Praxis amtsangemessener Alimentation zurückzukehren. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner genannten Entscheidung in der Einleitung seiner Entscheidungsbegründung in aller gebotenen Deutlichkeit hervorgehoben:

"Die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A genügen in der Besoldungsgruppe A 10 in Sachsen in dem Jahr 2011 nicht, um einem Beamten nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieses Amtes für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung der Grundgehaltssätze die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Beamten für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Beamten geforderte Ausbildung, seine Verantwortung und seine Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt." (Rn. 115)

Als Fazit hat es festgehalten: "In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der A 10-Besoldung in Sachsen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum verfassungsrechtlich nicht mehr angemessen war. Gegenläufige Aspekte, die die Vermutung der evidenten Unangemessenheit der Alimentation entkräften könnten, sind nicht ersichtlich." (Rn. 139)

Der sächsische Besoldungsgesetzgeber hatte 2016 nun auf diese Problematik reagiert, indem er im Gefolge der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2015 entsprechend dem oben zitierten Satz Ulrich Battis' fortgeschritten ist und also "unverblümt den Anspruch" verfolgte, "die fiskalischen Folgen der zwingenden Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis auf die Nachkommastelle zu minimieren".

Denn das Land Sachsen hat 2016 in offensichtlich sachwidrigen Umsetzung der vorzunehmenden Reparatur ein methodisch ausschließlich mathematisches Verfahren gewählt, mit dem das Ziel, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts so kostengünstig wie - nach eigener Vorstellung - möglich umzusetzen, verfolgt wurde. Darauf hat 2016 der sachsen-anhaltinische Besoldungsgesetzgeber hingewiesen, der dem Verfahren dann weitgehend folgte (was das VG Halle in seinem Vorlagebeschluss vom 11.07.2017 - 5 A 111/16 - als hinsichtlich der Besoldungsgesetzgebung in Sachsen-Anhalt verfassungswidrig betrachtet hat). Der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt hatte entsprechend ausgeführt: "Es wird die Berechnungsmethode übernommen, die in dem sächsischen Gesetzentwurf zur Ermittlung der Nachzahlungssätze [im Gefolge der genannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2015; S.T.] angewandt wurde. Eine Erhöhung der unter B. vorgesehenen Nachzahlungssätze wäre damit jedoch [in Sachsen-Anhalt; S.T.] nicht verbunden. Nach einer Analyse der in der sächsischen Gesetzesbegründung angegebenen maßgeblichen Daten kann davon ausgegangen werden, dass der Ermittlung der Nachzahlungen eine Abweichung des Besoldungsindexes von einem der Parameter Tarifentwicklung, Nominallohnentwicklung und Entwicklung der Verbraucherpreise in Höhe von maximal 4,99 % zugrunde gelegt wurde." (ST-Drs. 7/369 v. 21.09.2016, S. 5 f.) Damit wurde eine Anpassung der Besoldung vom sächsischen Gesetzgeber vorgenommen, die in den ersten drei Parametern der ersten bundesverfassungsgerichtlichen  Prüfungsstufe um 0,01 % oberhalb des Wertes liegen sollte, der als gerade noch verfassungskonform vom Gesetzgeber angesehen wurde. Entsprechend hat der sächsische Gesetzgeber dann 2016 die Reparatur der Beoldung für die Jahre 2011 bis 2020 (ab 2016 fiktiv) bemessen (vgl. SN-Drs. 6/5079 v. 06.05.2016, S. 23 ff.).

Mit seiner Entscheidung 2 BvR 883/14 vom 23. Mai 2017 hat das Bundesverfassungsgericht dann die sächsische Besoldungsregelung der Jahre 2008 und 2009 (eine Entscheidung zur sog. "Ostbesoldung") als verfassungswidrig betrachtet, ein weiteres Mal insbesondere die Besoldungsgruppe A 10 behandelnd. Dabei hob es unter anderem explizit hervor: Die "verzögerte Besoldungsanpassung für die Besoldungsgruppen A 10 und aufwärts [stellt sich] nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts zur Sanierung des sächsischen Haushalts dar, sondern als einmaliger 'Sparbeitrag' dieser Besoldungsgruppen" (Rn. 99). Am Ende verpflichtete es ihn, "spätestens bis zum 1. Juli 2018 für die Jahre 2008 und 2009 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen" (Rn. 125). Dieser Verpflichtung ist er aber offensichtlich bis heute nicht nachgekommen, wie es der DÖV-Beitrag aus dem Frühjahr dieses Jahres in der Tabelle 7 zeigt.

Zusammengefasst:

- Obgleich das Bundesverfassungsgericht 2015 die sächsische Besoldung des Jahres 2011 - in Betrachtung der Besoldungsgruppe A 10 - für verfassungswidrig betrachtet hat, ist der Gesetzgeber nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren.

- Vielmehr hat er ein Verfahren zur Reparatur gewählt, das das Ziel verfolgte, die fiskalischen Folgen der zwingenden zu vollziehenden Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis auf die Nachkommastelle zu minimieren, was das VG Halle in einem Vorlagebeschluss in schlüssiger Argumentation hinsichtlich des Gesetzgebers in Sachsen-Anhalt als verfassungswidrig betrachtet hat.

- 2017 hat das Bundesverfassungsgericht dem sächsischen Besoldungsgesetzgeber aufgetragen, die in den Jahren 2008 und 2009 ebenfalls verfassungswidrig zu geringe Besoldung - erneut festgestellt anhand der Besoldungsgruppe A 10 - bis 2018 hinreichend zu reparieren.

- Tatsächlich ist der sächsische Besoldungsgesetzgeber jedoch beiden Verpflichtungen bis heute nicht nachgekommen, wie die Tabelle 7 des genannten DÖV-Beitrags zeigt. Die absoluten und prozentualen Fehlbeträge zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation für den Zeitraum ab 2008 sehen laut dieser Tabelle (S. 206) wie folgt aus:

                                     2008        2010      2015      2016      2017      2018      2019     2020
absoluter Fehlbetrag        397,78 €  215,36   308,86   305,03   336,11   313,57   190,93   283,91
prozentualer Fehlbetrag   19,2 %     9,9 %    12,9 %   12,6 %  13,1 %   12,2 %   7,3 %    10,3 %

Als Ergebnis lässt sich also festhalten, dass der sächsische Gesetzgeber zwei maßgebliche, ihn betreffende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts missachtet hat und die seit spätestens 2008 gegebene Unteralimentation seiner Beamten - nicht zuletzt ab der Besoldungsgruppe A 10 konkretisiert - zwecks verfassungswidriger Kosteneinsparungen seitdem weiterhin aufrechterhält. Er hat dabei in der Vergangenheit bereits wiederkehrend das praktiziert, was Ulrich Battis nun in seiner Stellungnahme als "unverblümt den Anspruch, die fiskalischen Folgen der zwingenden Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis auf die Nachkommastelle zu minimieren", bezeichnet.

1998 hat das Bundesverfassungsgericht gegen den Besoldungsgesetzgeber eine Vollstreckungsanordung erlassen, nachdem jener den bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen des Jahres 1977 und 1990 nicht hinreichend nachgekommen war, sodass die Alimentation kinderreicher Familien über 20 Jahre lang fortgesetzt verfassungswidrig vollzogen worden war. Sofern der von Ulrich Battis in aller gebotenen Deutlichkeit betrachtete Gesetzentwurf Gesetzeskraft erlangen sollte, läge der hier zu betrachtende Fall sachlich recht ähnlich. Es läge dann ebenfalls eine zunächst zweifache Missachtung bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen vor, die jeweils Gesetzeskraft beanspruchen. Der Zeitraum der Missachtung wäre in seinem Beginn spätestens auf das Jahr 2008 zu datieren, umfasste also schon heute 15 Jahre.

Entsprechend dürfte neben Berlin (s. meine Ausführungen im entsprechenden Unterforum) hier der zweite Fall vorliegen, in dem eine Vollstreckungsanordnung mit einer weiteren bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit haben sollte. Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung sollte m.E. hier in Sachsen in Anbetracht der fortgesetzt wiederholten Missachtung von Gesetzeskraft beanspruchenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch einmal höher liegen als in Berlin. Die ungeschminkte Deutlichkeit der Ausführungen Ulrich Battis' ist insofern auch als ein Wink in Richtung des sächsischen Besoldungsgesetzgebers zu verstehen. Der sächsische Gesetzgeber dürfte im Moment noch über eine allerletzte Chance verfügen, sich nicht weiterhin als fortgesetzter Verfassungsbrecher in Deutschland zu etablieren. Es ist nach Stand heute davon auszugehen, dass er diese Chance weiterhin nicht ergreifen wird. Wer als verantwortlicher Politiker den Respekt vor unserer Verfassung vermissen lässt, muss sich nicht wundern, wenn unsere Verfassung auch von anderer Seite in den Schmutz getreten wird. Entsprechend dürfte Ulrich Battis Mahnung zu verstehen sein: "Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber führen mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine Verfassungskrise herbei, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende Auswirkungen haben wird."

Dailydrvr:
Vielen Dank für die Einschätzungen!

Ich bin ja mal gespannt, ob es noch Änderungen am Gesetz gibt und ob die 2,8% noch dieses Jahr realisiert werden. Für beides hab ich wenig Hoffnung, aber die stirbt bekanntlich zuletzt.

Het13:
Ich kann den Entwurf auf der Seite der Bürgerbeteiligung nicht einsehen. Sind nun Nachzahlungen für Familien mit 2 Kindern geplant, wenn auch der Ehegatte über 18.000 Eur Einkünfte erzielt?

Dailydrvr:
So wie ich es verstanden habe, nur in sehr geringem Rahmen (ca 50€/Kind/Monat?), so hab ich es in Erinnerung.

Würde mich auch freuen, wenn da von kompetenterer Seite nochmal was zu gesagt werden könnte 😂

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