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TV-L: Anspruch auf vollzeitnahe Teilzeit?

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DiVO:

--- Zitat von: XTinaG am 22.02.2022 11:03 ---Die im Rahmen der Verkürzung angestrebte Verteilung könnte ggfs. auch aus anderen Gründen vom Arbeitgeber abgelehnt werden. Die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden hinaus auf bis zu zehn Stunden ist gem. ArbZG eine Ausnahme. Hier wären es ständig 8,75 Stunden pro Arbeitstag.

--- End quote ---

§ 3 ArbZG trifft hierzu eine eindeutige Aussage, die 8,75 Stunden an vier Arbeitstagen pro Woche nicht entgegensteht.

XTinaG:
Die sehr eindeutige Aussage in § 3 ArbZG lautet: "Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten." Die in Satz 2 getätigte Kann-Regelung erlaubt es dem Arbeitgeber, die Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden zu verlängern. Das Arbeitszeitgesetz ist eine Arbeitsschutznorm. Die Anwendung der Kann-Regelung steht also genau dann offen, wenn davon ausgegangen werden kann, daß ie dauerhafte Beschäftigung über 8 Stunden hinaus dem Arbeitsschutz nicht abträglich ist.

Fragepudel:
Auch dazu gibt es vom BAG ein interessantes Urteil (18. August 2009 - 9 AZR 517/08). Hintergrund:

Der Kläger beantragte seine wöchentliche Arbeitszeit (40 h) ab 1. Mai 2007 um vier Stunden zu verringern und auf Montag bis Donnerstag zu verteilen (36 h). Also 9 Stunden täglich. Dem AG gefiel die Verteilung auf 4 Tage nicht und dargelegt, der Betriebsrat lehne eine Abweichung von dem vereinbarten Organisationskonzept - dh. der Begrenzung auf einen achtstündigen Arbeitstag und dem darauf beruhenden System der Vertrauensarbeitszeit.

Der AN hatte Erfolg mit seiner Klage. Zitat vom BAG in der Begründung:

"Der Arbeitnehmer ist nicht auf das vertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung beschränkt. § 8 TzBfG begründet nicht nur für die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch für ihre Verteilung bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Vertragsänderung (vgl. Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - Rn. 29 mwN zu der in Rspr. und Schrifttum geführten Kontroverse, AP TzBfG § 8 Nr. 27 = EzA TzBfG § 8 Nr. 23). Der Kläger kann deshalb nicht nur eine proportionale Verkürzung der Arbeitszeit an fünf Tagen von Montag bis Freitag verlangen. Er hat Anspruch darauf, in der Viertagewoche von Montag bis Donnerstag zu arbeiten."

Die Hürden sind offensichtlich hoch für AG. Sicher gibt es begründete Fälle die eine Ablehnung erlauben. So ganz einfach wird es aber in den meisten Fällen vermutlich nicht. Gute Karten für AN mit Wunsch nach vollzeitnaher 4-Tage-Woche.

XTinaG:
In dem Verfahren hat sich die Beklagte lediglich darauf berufen, § 3 Satz 1 ArbZG stünde als Verbotsnorm der gewünchten Verteilung entgegen. Das tut die Norm jedoch nicht, wie das BAG zutreffend ausführt. Die Beklagte hatte es unterlassen, sich auf ihre arbeitsschutzrechtliche Verantwortung aus der Anwendung der Kann-Norm in § 3 Satz 2 ArbZG zu berufen. Die Festlegung der werktäglichen Arbeitszeit auf nicht mehr als 8 Stunden in Satz 1 begründet die Vermutung, daß eine darüber hinausgehende Beanspruchung die Kräfte des Arbeitnehmers überspannt. Denn sonst gäbe es diese Regelung nicht. Wendet der Arbeitgeber die Kann-Regelung us Satz 2 an, so muß er dies bei jeder Anwendung berücksichtigen. Bei vier aufeinanderfolgenden Tagen ist auch nicht ohne weitere Feststellungen davon auszugehen, daß die drei dann folgenden Ruhetage diese Überspannung ausgleichen. Vielmehr dürfte sich das Risiko eines Schadenseintritts am zweiten, dritten und vierten Tag in Folge erhöhen. Diese Vorbringung ließe sich lediglich gutachterlich entkräften.

Fragepudel:
Ich verstehe, das ist Schade. Gibt es dieses Modell demnach so gar nicht im ÖD?

Welche Rolle spielt hierbei konkret die maximal zulässige Gesamtarbeitszeit von 48 Wochenarbeitsstunden? Umgerechnet auf eine 6-Tage-Woche (als Grundlage für die 48 h gem. ArbZG) werden die täglich zulässigen 8 Stunden bei 4-Tage-Woche mit 35 h rechnerisch ja nicht überschritten. Ich kenne ehemalige Studienkollegen die außerhalb vom ÖD dieses Modell erfolgreich mit dem AG vereinbart haben.

Hätte das BAG im diskutierten Urteil nicht auch formal den Verstoß gegen das ArbZG ankreiden müssen im Rahmen der Urteilsfindung?

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