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Bürgergeld vs. Morgens aufstehen?

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Rentenonkel:
Das Thema Bürgergeld und das Thema Sanktionen sind getrennt voneinander zu betrachten. Die Sanktionen sind derzeit bei Arbeitslosengeld II ausgesetzt, weil das BVerfG diese Sanktionen weitgehend gekippt hat.

Mit diesem Gesetz wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung der Leistungsminderungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 01.04.2023 umgesetzt.

Für Betroffene unter 25 Jahren sollen gravierende Einschnitte in ihre Lebensbedingungen vermieden sowie das Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt gestärkt werden. Die Neuregelung beinhaltet die folgenden Kernelemente:

- Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert.

- Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn dies im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde.

- Leistungsminderungen sind aufzuheben, wenn sich die Leistungsberechtigten nachträglich glaubhaft bereit erklären, ihren Pflichten nachzukommen oder die Mitwirkungspflicht erfüllen.

- Die Neuregelung gilt unabhängig vom Alter für alle Bezieher von Bürgergeld einheitlich, die bisherigen verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen entfallen. Die Jobcenter sollen nunmehr im Fall einer Minderung für diesen Personenkreis ein Beratungs- und Unterstützungsangebot machen.

- Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen in der Vertrauenszeit (mindestens in den ersten sechs Monaten, danach bis zum Ende der Vertrauenszeit) sind ausgeschlossen.

- Den Leistungsberechtigten wird die Möglichkeit eröffnet, vor Erlass einer Minderung die Umstände ihres jeweiligen Einzelfalles persönlich vorzutragen. Verletzen Leistungsberechtigte ohne das Vortragen eines wichtigen Grundes wiederholt ihre Pflichten oder versäumen Meldetermine, soll das Jobcenter sie persönlich anhören.

Daher werden mit dem Bürgergeld wieder Sanktionen eingeführt, allerdings müssen diese verhältnismäßig sein.

BAT:
Erstmal haben ich schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass ich dem Verfassungsgericht nicht folgen kann, da Schonvermögen erlaubt ist. Es also durch Sanktionen, zumindest fiktiv für alle Bezieher, nicht zu Härtefallen kommen kann. Da gilt auch für die weitere Umsetzung, der Transformation vom SGB II zum Bürgergeld. Aufgrund der geplanten höheren Freibeträge noch viel mehr.

Eine Verhältnismäßigkeit muss sich auch zum allgemeinen Arbeitsmarkt ergeben, für welchen die Bezieher ja eingesetzt werden soll. Und das ist nichts mit mehrfach oder "Bubu" - Rederunden, da ist ganz schnell die Kündigung auf dem Tisch und das Gehalt ganz weg.

Für eine sachgerechte Integration sind also auch die Maßstäbe des allgemeinen Arbeitsmarktes anzuwenden, sonst ist das Projekt des Förderns von Anfang an zum scheitern verurteilt.

Opa:

--- Zitat von: DiVO am 30.08.2022 11:59 ---
--- Zitat von: BATKFMaui am 30.08.2022 11:19 ---
--- Zitat von: Alphonso am 30.08.2022 10:17 ---
--- Zitat von: BAT am 29.08.2022 15:45 ---
--- Zitat von: Opa am 29.08.2022 15:10 ---
Beim Jobcenter bleiben eben diejenigen hängen, deren Krankheitsbild für ein sich-durchbeißen zu komplex und zu lebensbestimmend ist. Inwieweit man diesem Personenkreis durch Sanktionen zu einem Job verhelfen kann, erschließt sich mir nicht.


--- End quote ---

Wie bereits öfters geschrieben, gehören so einige Personen nicht in den Rechtskreis des SGB II, da sie dem Arbeitsmarkt per se nicht zur Verfügung stehen. Das habe ich schön öfters kritisiert, wird wegen der Mischfinanzierung durch Bund/Länder/Kommunen gerne hin und hergeschoben, teils fehlen auch schlicht Fachärzte zur Diagnostik, etc. pp.

Aber soll man diesen Umstand als Grund zum Wegfall der Sanktionen für alle Bezieher nehmen?

--- End quote ---

Wenn man das Agieren der Politik verfolgt, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass Geld ohne Grenzen auf Bäumen wächst.
Somit können ohne Bedenken grundsätzlich alle Sanktionen abgeschafft werden. Würde man den entsprechenden Verwaltungsapparat im selben Maße reduzieren und Stellen nicht nachbesetzen, könnte das vielleicht ne win-win-Situation werden. Das müsste man aber mal im Detail ausrechnen. Gab es hier nicht mal Leute, die Masterarbeit schreiben. Das wäre dich mal ein Thema.

--- End quote ---

(...)"Stellen nicht nachbesetzen" (...)
würde bedeuten, es würden mehr Arbeit suchende Menschen generiert werden. Fachkräfte, welche mit gutem Bürgergeld  alimentiert werden müssen.

--- End quote ---
Genau das würde es eben nicht bedeuten. Die nächsten Jahre gehen vermehrt die geburtenstarken Jahrgänge in Rente und verlassen den Arbeitsmarkt. Die nachrückenden Geburtenjahrgänge sind deutlich kleiner und können diese Lücke nicht 1 zu 1 schließen. Es macht daher Sinn Stellen nicht nachzubesetzen, weil schlicht und ergreifend keine Leute für diese da sind.

--- End quote ---
Dazu möchte ich anmerken, dass in den Jobcentern bundesweit seit vielen Jahren Personalnotstand herrscht. Schon mit Einführung des SGB II im Jahr 2005 gab es schlichtweg nicht genügend verwaltungserfahrene Mitarbeiter, weshalb in den ersten Jahren tausende Amtshilfekräfte von Post, Bahn, Telekom eingesetzt wurden. Anschließend wurde zur Besetzung von Stellen überwiegend am freien Markt rekrutiert, sodass der größere Teil der in den Jobcentern beschäftigten Mitarbeiter heute keine Verwaltungsausbildung hat. Diese Rekrutierung und anschließende monatelange Qualifizierung reicht bis heute nicht, um Stellen zeitnah zu besetzen.
Durch die von DiVO beschriebenen demographischen Effekte wird sich die Situation perspektivisch drastisch verschärfen.

Die beabsichtigten Neuregelungen zu Sanktionen führen mitnichten zu einem Rückgang des Arbeitsvolumens. Sowohl im Sanktionsbereich als auch in weiteren Regelungen zum Leistungsrecht werden neue unbestimmte Rechtsbegriffe eingeführt. Jeder, der Entscheidungen nach Subsumption von Sachverhalt und Paragraf zu treffen hat weiß, was das bedeutet. Ebenso ist im Integrationsbereich von einer Steigerung der qualitativen und quantitativen Anforderungen auszugehen, wie der DLT in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf vor wenigen Tagen festgestellt hat.

Zusammengefasst trifft ein eskalierender Mangel an geeigneten Fachkräften auf eine erhebliche Aufgabenmehrung.

Kaiser80:

--- Zitat von: Opa am 30.08.2022 16:03 ---...

Zusammengefasst trifft ein eskalierender Mangel an geeigneten Fachkräften auf eine erhebliche Aufgabenmehrung.

--- End quote ---
@Opa, sehr schön sachlich ausgeführt.

Die zitierte Konstellation macht mir auch tatsächlich "Angst", als noch Mitarbeitender und als Bürger. Denn sie ist bereits Realität. Gut mag anekdotisch sein, aber die Berichte aus mir bekannten Behörden und auch privaten AG (insb. Handwerk/fertigende Industrie) sind absolut deckungsgleich. Du kriegst kaum noch fähige Leute und die Aufgaben werden mehr und mehr.
Und da vielen öff AG die Hände gebunden sind und übertarifliche Leistungen nicht gezahlt werden dürfen haben die privatrechtlichen AG halt einfach mehr Mölglichkeiten. Ich habe frisch mein Bewerbungsverfahren durch, mein derzeitiger AG kann da weder inhaltlich, perspektivisch noch finanziell mithalten. Und so geht es vielen. Ich sehe den Arbeitgeber ÖD auf einem deutlich absteigenden Ast!

Bastel:
Sehe ich es richtig, dass das neue „Entlastungspaket“ ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten ist?

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