Nein, hat er nicht. Das ist die Denke der veralteten Strukturen, dass 40h zu arbeiten und möglichst viel Geld rauszuholen das Sinnvollste ist. Das ist die Denke aus den 70ern des vorigen Jahrhunderts. Natürlich ist mehr Geld immer gut, aber Flexibilisierung und Reduzierung der Arbeitszeit muss das Ziel sein, sonst gewinnt man keinen Nachwuchs mehr (die negativen gesundheitlichen Aspekte kommen nch dazu)! 40h will heute kaum jemand U30 noch arbeiten und der Arbeitsmarkt gibt es her - Fachkräftemangel. Du gewinnst niemanden mehr, wenn du sagst, "mach doch Teilzeit mit entsprechenden Abzügen, Vollzeit ist 40h". Was man dann mit der gewonnenen freien Zeit anfängt, kann dann jeder individuell entscheiden. Ob man dafür zusätzlich arbeiten gehen will, um mehr Geld zu haben, oder ob man das für Konsum/Freizeit oder soziales Engagement nutzt, ist dann die individuelle Entscheidung. Das jetzige 40h Korsett gibt das nicht her.
Man kann ja gerne über eine Flexibilisierung von Arbeitszeiten reden, dennoch halte ich es für fatal, im Rahmen einer Tarifverhandlung über eine Verkürzung der Arbeitszeit anstelle(!) einer Tariferhöhung zu diskutieren. Was U30 möchte, ist ja ganz nett, aber als Ü40 mit Kindern hat man doch eine ganz andere Ausgabenseite, in der auch die Inflation ganz anders ihre Wirkmacht entfaltet.
Als mitte 30 mit Kindern und ganz anderer Ausgabenseite sage ich:
Lieber eine Stundenreduzierung und mehr Zeit für die Kinder, als ein paar Euro mehr. Hast du kein schönes Zuhause oder keine tolle Familie, dass du dich so gerne hinter deiner ach so wichtigen Arbeit versteckst? Oder ist für die Kinderbetreuung/-erziehung und Haushalt nur deine Frau zuständig?
Ich kenne weder Deine Ausgaben- noch Einnahmenseite, aber wenn Dir die Freizeit wichtiger ist, warum dann nicht in Teilzeit mit 35h, 32,5h, 30h arbeiten? Wenn hier eine ordentliche Tariferhöhung stattfindet, ist das doch auch finanziell kein Verlust für Dich und Dein Wunsch nach mehr Zeit ist erfüllt. Nur: Warum sollte dieses Modell allen aufgezwungen werden?
... Ich arbeite übrigens zu 80% im HomeOffice bei freier Zeiteinteilung. Meine Kinder kommen nicht zu kurz und ich kann auch eine Waschmaschine bedienen
Dem kann man zustimmen. Unser AG hat es uns auch ermöglicht (mit gut ausgestatteter IT) im Homeoffice zu arbeiten. Das erspart Anfahrtswege und ermöglicht so mehr Zeit für Familie. Des Wegen braucht man keine Stunden reduzieren und auf eine Entgelterhöhung verzichten. Ich denke, dass ist für viele die es nutzen können im öD (vor allem Bürosachbearbeiter) bereits ein Gewinn von 2-3 Stunden in der Woche.
Aber eine Erhöhung der Entgelte ist definitiv vorzuziehen, anstatt die Arbeitszeit zu reduzieren. Danach kann jeder für sich entscheiden, ob er weniger arbeitet. Wir haben das in der Familie so geregelt, dass meine Frau auf 30 h geht, ich habe dafür 5 Tage mehr Urlaubstage und kann unser Kind auch in den Ferien aus dem Hort für eine Woche nehmen.
Das ich aber 35 Stunden hinnehme solle statt Lohnerhöhung - weil Arbeitszeitreduktion gerade bei den TikToker'n en vogue ist - das ist für mich genauso brachial, wie LisaV ihre Meinung versucht jedem aufzuzwingen und alle anderer Meinung und mit realen Argumenten dennoch als Rückständig betitelt. Keiner geht in der Woche nochmal 5 - 8 Stunden irgendwo extra arbeiten für 540 € zusätzlich und nimmt dafür höchstwahrscheinlich einen weiteren Fahrweg in Kauf. Da fehlt mir die Logik und der Zusammenhang zu "mehr Freizeit". Mehr Freizeit hat der, der seine Arbeitszeit reduzieren möchte. Für mehr Freizeit brauche ich i.d.R. jedoch mehr Geld. Diese Entscheidung sollte jedem selber obliegen und nicht dem AG oder der Gewerkschaft.
Auch wurde schon vor 200 Seiten erklärt/gefragt, wo will der AG die bereits 400.000 fehlenden Fachkräfte im gesamten öD hernehmen und die weiteren womöglich 100.000 bei einer Reduzierung auf 35 h-Woche? Ich versuche mir immer wieder die Auswirkungen vorzustellen und wie man ohne weitere Fachkräfte, die nun mal von heute auf morgen nicht vorhanden sind, dem entgegensteuern soll? Dann gibt es eben noch weniger Unterreicht auf den Schulen, dann werden eben noch mehr OP's verschoben, dann fahren halt Nachts noch weniger Polizeistreifen, dann wartet der Bürger halt noch länger auf seinen Antrag oder auf einen Gerichtstermin.
Klar, wer 35 Stunden arbeitet, arbeitet effektiver. Der Argumentation kann ich sogar folgen. Ich persönlich hatte bereits eine 35 Stunden Woche, dafür gab es aber keine Pause sprich, 7h-non-stop-Tage. Das war dann der Kompromiss. Diesen Weg würde ich auch bedingt befürworten. Wobei das beim Pflegepersonal auch gerne mal 10-12 Stunden ohne Pause ohnehin schon die Regel ist.
Was aber nicht funktioniert ist eine radikale Änderung der Arbeitszeit auf Kosten einer Entgelterhöhung. Die Patienten bleiben deswegen nicht kürzer auf der Intensiv nach einem Verkehrsunfall. Eine so schnelle Umschichtung der Arbeitspläne inklusive Neueinstellungen ist nicht möglich - nicht in Krankenhäusern, nicht in den Schulen und auch nicht bei der Polizei. Nur weil TikTokerinnen sich über eine 40 h-Woche ausheulen heißt das nicht, dass der AG jetzt springen muss und so einen radikalen Umbruch ermöglichen soll, damit der "öD attraktiver" wird.
Die Menschen im öD arbeiten sich an den 40 Stunden nicht kaputt. Kaputt gearbeitet werden diejenigen, die schon jetzt aufgrund mangelhafter Personalpolitik und Kostenreduzierung beginnend vor über 20 Jahren leiden und deutlich über 40 Stunden in der Woche - oft ohne Pause - schuften (vor allem im Gesundheitsbereich). Wenn wir nicht mal die Probleme gelöst bekommen, wie sollen wir das mit einer 35h-Woche ändern???