Autor Thema: Keine Anerkennung von Beschäftigungszeiten vor Studienabschluss  (Read 2975 times)

Chirps

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Hallo zusammen!

Aktuell läuft mein Einstellungsverfahren in den Schuldienst. Mein 1. Staatsexamen habe ich bereits abgeschlossen und trete zur Überbrückung bis zum Ref eine befristete Vertretungslehrerstelle an. Seit 2019 arbeite ich für eine örtliche VHS und habe neben dem Studium 500 UE für diese an verschiedensten Schulformen durchgeführt, die auch von der VHS in einem umfangreichen Arbeitszeugnis bestätigt wurden.

Nun habe ich probiert, mir diese Erfahrung anrechnen zu lassen, nachdem eine Mitarbeiterin des Schulamtes eine höhere Stufe in Aussicht gestellt hat ("Schule ist Schule"). Mein Sachbearbeiter lehnte dies nun ab, da diese Tätigkeit vor dem Abschluss meines Studiums erfolgte, mein Studium vorher im Vordergrund stand und nicht 100% der Arbeit an einer richtigen Schule entsprechen würde.

Laut Vertrag fange ich in der ersten Stufe in der E13 an, worüber ich mich natürlich nicht beklagen kann. Etwas irritiert bin ich aber trotzdem, dass so verschiedene Aussagen im gleichen Haus getätigt werden.

Sollte ich diesbezüglich nochmal einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren oder mich mit dem Ist-Zustand glücklich schätzen?

Unterschrieben habe ich noch nichts.

Ich freue mich auf Eure Einschätzung! :)


cyrix42

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Einschlägige Berufserfahrung liegt vor, wenn die Tätigkeit i.W. unverändert fortgesetzt wird. Dabei spielt weder die Stellenbezeichnung noch der Teilzeit-Umfang eine Rolle, siehe z.B. BAG, Urteil v. 27.3.2014 – 6 AZR 571/12 –. (Dort geht es zwar um einen WiMi; aber die Aussagen sind natürlich generell auf alle Tätigkeiten im Rahmen des TV-L übertragbar.)

Die Frage ist natürlich, ob du i.W. unveränderte Tätigkeiten übertragen bekommen hast. War z.B. der vorhergehende Unterricht, den du betreut hast, eigenverantwortlich zu halten, oder hattest du (formal) jemanden, der dich betreut? Hast du Noten gegeben und auch sonstige Betreuungsaufgaben (Pausenaufsicht, Elternabende, ... ) übernommen? Wenn ja, dann liegt einschlägige Berufserfahrung vor und sie muss dir auch nach Tarif-Vertrag angerechnet werden. Wenn nein, dann hättest du vor Einstellung dir diese Zeit als förderlich anerkennen lassen können. Dies kann der AG, muss es aber nicht. Voraussetzung ist, dass die Stelle sonst nicht besetzt werden könnte, weil die sich bewerbende Person sonst nicht kommt. Ist der Arbeitsvertrag einmal unterschrieben, ist die Stelle ja offensichtlich besetzt -- und dies kann nicht mehr angewendet werden.

Faunus

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 Seit 2019 arbeite ich für eine örtliche VHS und habe neben dem Studium 500 UE für diese an verschiedensten Schulformen durchgeführt, die auch von der VHS in einem umfangreichen Arbeitszeugnis bestätigt wurden.


VHS ist für mich in aller erster Linie Erwachsenenbildung. Es gibt aber auch vereinzelt z.B. "Töpfern für die Kleinen" ist aber eher unüblich.

In welcher Form ist die VHS in welche "verschiedenen Schulformen" (da denke ich an Grundschule/Mittelschule/Gymnasium/Förderschule/Berufsschule) involviert, so dass es als berufsförderliche Zeit anerkennt werden könnte?

Was haben die 500 UE beinhaltet? Französich für Urlauber:innen? Ikabena für Erwachsene abends in einem Klassenraum einer Mittelschule? Excel für Jugendliche?

Chirps

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 Seit 2019 arbeite ich für eine örtliche VHS und habe neben dem Studium 500 UE für diese an verschiedensten Schulformen durchgeführt, die auch von der VHS in einem umfangreichen Arbeitszeugnis bestätigt wurden.


VHS ist für mich in aller erster Linie Erwachsenenbildung. Es gibt aber auch vereinzelt z.B. "Töpfern für die Kleinen" ist aber eher unüblich.

In welcher Form ist die VHS in welche "verschiedenen Schulformen" (da denke ich an Grundschule/Mittelschule/Gymnasium/Förderschule/Berufsschule) involviert, so dass es als berufsförderliche Zeit anerkennt werden könnte?

Was haben die 500 UE beinhaltet? Französich für Urlauber:innen? Ikabena für Erwachsene abends in einem Klassenraum einer Mittelschule? Excel für Jugendliche?

Es handelt sich vor allem um Förderunterricht im Fach Deutsch (welches ich auch studiert habe) sowie Projekte in der pol. Bildung (Juniorwahl, Workshops) die mein zweites Fach (Sozialkunde) betreffen.

Die UE wurden selbstständig geplant und durchgeführt, ich war lediglich Honorardozent der VHS und wurde an die Schulen entsandt.

Also ich war durchgehend in der Kinder- und Jugendbildung bei der VHS.

Faunus

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Siehe Post @cyrix42.

Lohnt sich ein Anwalt? Wenn Du eine Retschutzversicherung hast, könntest Du Dich beraten lassen. Vermutlich kommt dabei nicht viel rum, da der Vertrag ja scheinbar schon unterzeichnet ist.

Organisator

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Unterschrieben habe ich noch nichts.

Ist die Frage, ob du tatsächlich deine Tätigkeit nahezu unverändert weiterführen kannst, ob du davon ein Gericht überzeugen kannst und ob dir das den Aufwand wert ist.

Gangbarer wäre aus meiner Sicht der von Cyrix genannte weg: Vorab dem AG klar machen, dass er diese Zeiten als förderlich anerkennen soll, da du ansonsten nicht für den AG arbeiten würdest.

Faunus

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Gangbarer wäre aus meiner Sicht der von Cyrix genannte weg: Vorab dem AG klar machen, dass er diese Zeiten als förderlich anerkennen soll, da du ansonsten nicht für den AG arbeiten würdest.

Wenn in letzter Konsequenz die Möglichkeit besteht auf die Stelle verzichten zu können... sofort!

Wenn man sich auf's Pokern einlässt, sollte auch Überlegungen wie "sind Lehrer mit Deutsch&Sozialkunde" dringend gesucht/steht eine Verbeamtung im Raum und will man die dann auch/passt einem der Schulort zum Leben/usw.

Aber freundlich&bestimmt nochmals nachhaken mit dem Verweis auf die genannte Info von @cyrix42 sollte möglich sein.





Chirps

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An sich passt die Stelle schon gut, ich war in der Schule während des Studiums im Langzeitpraktikum und die Vergabe der Stelle hat verdächtig schnell geklappt, da ich auch die Schulleitung kenne. In der Einstellungsrichtlinie bin ich eigtl. sehr weit hinten, da ich nur ein vorläufiges Abschlusszeugnis habe (nur Quereinsteiger sind wohl hinter mir).

Es geht bei mir auch nur maximal um ein Jahr, wenngleich der befristete Vertrag auf zwei ausgelegt ist. Nächstes Jahr steht sowieso das Referendariat an.

Normalerweise werden die Stellen wohl auch erst mit dem 1. Schultag im neuen Schuljahr besetzt, ich habe eine ab Monatsbeginn erhalten (was den Sachbearbeiter auch verwunderte, nach Angebotsannahme aber wohl nicht mehr geändert werden konnte).

Also scheint es alles in allem den Aufwand für die paar Monate nicht Wert zu sein. 😅

Organisator

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An sich passt die Stelle schon gut, ich war in der Schule während des Studiums im Langzeitpraktikum und die Vergabe der Stelle hat verdächtig schnell geklappt, da ich auch die Schulleitung kenne. In der Einstellungsrichtlinie bin ich eigtl. sehr weit hinten, da ich nur ein vorläufiges Abschlusszeugnis habe (nur Quereinsteiger sind wohl hinter mir).

Es geht bei mir auch nur maximal um ein Jahr, wenngleich der befristete Vertrag auf zwei ausgelegt ist. Nächstes Jahr steht sowieso das Referendariat an.

Normalerweise werden die Stellen wohl auch erst mit dem 1. Schultag im neuen Schuljahr besetzt, ich habe eine ab Monatsbeginn erhalten (was den Sachbearbeiter auch verwunderte, nach Angebotsannahme aber wohl nicht mehr geändert werden konnte).

Also scheint es alles in allem den Aufwand für die paar Monate nicht Wert zu sein. 😅

Unter Berücksichtigung, dass es nur 1 Jahr ist und du auch noch kein Referendariat hast (und dafür ne E13 eigentlich ganz gut ist), bin ich bei dir und deinem letzten Satz.

Chirps

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An sich passt die Stelle schon gut, ich war in der Schule während des Studiums im Langzeitpraktikum und die Vergabe der Stelle hat verdächtig schnell geklappt, da ich auch die Schulleitung kenne. In der Einstellungsrichtlinie bin ich eigtl. sehr weit hinten, da ich nur ein vorläufiges Abschlusszeugnis habe (nur Quereinsteiger sind wohl hinter mir).

Es geht bei mir auch nur maximal um ein Jahr, wenngleich der befristete Vertrag auf zwei ausgelegt ist. Nächstes Jahr steht sowieso das Referendariat an.

Normalerweise werden die Stellen wohl auch erst mit dem 1. Schultag im neuen Schuljahr besetzt, ich habe eine ab Monatsbeginn erhalten (was den Sachbearbeiter auch verwunderte, nach Angebotsannahme aber wohl nicht mehr geändert werden konnte).

Also scheint es alles in allem den Aufwand für die paar Monate nicht Wert zu sein. 😅

Unter Berücksichtigung, dass es nur 1 Jahr ist und du auch noch kein Referendariat hast (und dafür ne E13 eigentlich ganz gut ist), bin ich bei dir und deinem letzten Satz.

Ich danke Euch für Eure Beiträge und Einschätzungen! :)

Ang2008

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Eine ähnliche Situation entsteht bei einer Beförderung. Du kommst nach einer Beförderung als Angestellter zwar in die höhere Entgeltgruppe wirst aber automatisch eine Stufe zurück gestuft. Dies passiert meistens, wenn du kurz vor der nächsten Höherstufung bist. Leider bedeutet dies immer wieder Gehaltsverlust. Dies wird dann mit einem kleinen Zuschuss etwas ausgeglichen.

cyrix42

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Eine ähnliche Situation entsteht bei einer Beförderung. Du kommst nach einer Beförderung als Angestellter zwar in die höhere Entgeltgruppe wirst aber automatisch eine Stufe zurück gestuft.

Die Aussage ist falsch. Eine Höhergruppierung fürht nach TV-L §17 (4) immer in die Stufe, in der man mindestens das gleiche Entgelt erhält wie bisher, mindestens jedoch in Stufe 2.

Zitat
Dies passiert meistens, wenn du kurz vor der nächsten Höherstufung bist.

Auch diese Aussage ist falsch. Eine eingruppierungsrelevante Tätigkeitsveränderung bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers. Insofern könnte man eine solche Vertragsänderung auch einfach ablehnen bzw. mit dem Arbeitgeber aushandeln, dass bis zum Ablauf der Stufenlaufzeit die höherwertigen Tätigkeiten zuerst nur vorübergehend übertragen werden und erst danach dauerhaft. Dann erhält man zuerst eine Zulage, als ob man schon höhergruppiert worden wäre, während man noch in der alten Entgeltgruppe verbleibt und dort die entsprechende Stufenlaufzeit absolviert. Ist man dann in der nächsten Stufe angelangt, wird zumeist die dann mit der dauerhaften Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten einhergehende Höhergruppierung auch in eine höhere Stufe führen.

Zitat
Leider bedeutet dies immer wieder Gehaltsverlust.

Nächster Fehler: Eine Höhergruppierung führt nie zu einem direkten Gehaltsverlust, siehe oben genanntes Vorgehen. Richtig ist aber, dass bei einer vergleichenden Betrachtung zweier alternativer Welten, in welchen die Höhergruppierung nun stattgefunden vs. nicht stattgefunden hat, bei einer Höhergruppierung mit schon einiger erfolgter Stufenlaufzeit sich für einige Jahre die Welt mit Höhergruppierung als schlechter darstellt, bis der Break Even erreicht wird. Dieser tritt bei genügend langer Beschäftigungszeit jedoch immer ein, da das Entgelt der Endstufe der höheren Gruppe immer höher ist als das in der jeweiligen Ausgangsgruppe.

Zitat
Dies wird dann mit einem kleinen Zuschuss etwas ausgeglichen.

Und der nächste (und zum Glück letzte) Fehler deines Beitrags. Es gibt keinen "Zuschuss", sondern einen Höhergruppierungsgewinn. Dieser beträgt in jedem Fall mindestens den Garantiebetrag, also bei einer Höhergruppierung in eine der EG 2 bis 8 mindestens 100€, bei allen anderen mindestens 180€, solang eine stufengleiche Höhergruppierung nicht einen kleineren Wert ergeben würde. Auch wird hier nichts ausgeglichen, sondern mehr gezahlt als zuvor.

Merke: Nichts von dem, was du schreibst, stimmt auch nur ansatzweise. Insofern solltest du Nachfragende damit nicht verwirren.

btw: Den Hinweis, dass deine Aussagen alle falsch sind, hattest du auch schon zu deinem inhaltsgleichen Beitrag am 23.06. erhalten. Nur, weil du dich nicht über den für dich gültigen Tarif-Vertrag informiert hast, auf den in deinem Arbeitsvertrag, den du unterschrieben hast, und deshalb eine für dich schlechte Entscheidung getroffen hast, musst du nicht anderen fälschlicherweise einreden, dass dies auf alle zutreffen muss. Du hättest deine Höhergruppierung ablehnen können oder, siehe oben, mit deinem AG über eine vorübergehende Übertragung der Tätigkeiten bis zum nächsten Stufenaufstieg verhandeln können. Auch hast du durch die erfolgte Höhergruppierung nicht weniger, sondern mehr Entgelt als zuvor erhalten. Das scheinst du alles auszublenden...
« Last Edit: 30.07.2023 10:23 von cyrix42 »

MoinMoin

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Danke für die höchst umfängliche und sachliche Richtigstellung den fehlerhaften Behauptungen von Ang2008.

KakPuh

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Insofern könnte man eine solche Vertragsänderung auch einfach ablehnen bzw. mit dem Arbeitgeber aushandeln, dass bis zum Ablauf der Stufenlaufzeit die höherwertigen Tätigkeiten zuerst nur vorübergehend übertragen werden und erst danach dauerhaft. Dann erhält man zuerst eine Zulage, als ob man schon höhergruppiert worden wäre, während man noch in der alten Entgeltgruppe verbleibt und dort die entsprechende Stufenlaufzeit absolviert. Ist man dann in der nächsten Stufe angelangt, wird zumeist die dann mit der dauerhaften Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten einhergehende Höhergruppierung auch in eine höhere Stufe führen.

Ich dachte, dass das auch nicht so einfach ist, weil bei einer direkt an eine vorübergehende Übertragung anschließende dauerhafte Übertragung so gerechnet wird, als wäre man bei Beginn der vorübergehenden Übertragung höhergruppiert worden.

Ich meine, es hieß, dass man dazwischen besser nochmal einen Monat etwas ohne Zulage macht, um dann "passend" höhergruppiert werden zu können? 

cyrix42

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Ich dachte, dass das auch nicht so einfach ist, weil bei einer direkt an eine vorübergehende Übertragung anschließende dauerhafte Übertragung so gerechnet wird, als wäre man bei Beginn der vorübergehenden Übertragung höhergruppiert worden.

Woher hast du diese Information? Weder §14 („vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit“) noch §17 (4) (Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe durch dauerhafte Übertragung höherwertiger Tätigkeiten) des TV-L regeln dergleichen.

Es mag natürlich für die meisten Arbeitnehmer von Vorteil sein, wenn eine solche Regelung, wie von dir angesprochen, Verwendung findet — nämlich immer dann, wenn während der Zeit der vorübergehenden Übertragung kein Stufenaufstieg stattfand, der bei der Höhergruppierung in eine andere Stufe führen würde; aber deshalb gibt es sie noch nicht notwendigerweise…