Autor Thema: Zwang zur Zusatzrente an Universität?  (Read 9713 times)

ArminFuchs

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Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« am: 17.08.2023 07:28 »
Hallo,
Ich habe ein Jobangebot einer Universität erhalten. Gleichzeitig habe ich ein weiteres Jobangebot, welches ähnliche Grundbedingungen aufweist.

Ein Bekannter, der ebenfalls an dieser Uni arbeitet, sagte mir nun jedoch, dass ich mit dem Wirtschaftsjob besser fahre, da die Uni ungefragt eine Rentenzusatzversicherung (VBL) für mich anschließen würde.
Diese wird mir dann zweistellig (in seinem Fall über 150€) von meinem Brutto abgezogen und ich kann mich nicht dagegen wehren.

Ist das wirklich so? Zwingt dich die Uni zu solch einem Vertrag, oder übertreibt der Kollege hier?

Meine kurze Recherche hat ergeben, dass man sich das Geld bei Renteneintritt nicht auszahlen lassen kann, was wiederum bedeutet, dass ich nicht einmal die eingezahlten Beiträge zurück erhalte, wenn ich nicht ein gewisses Alter erreiche.

Außerdem sagte mein Freund, dass seit einiger Zeit der Arbeitgeber seinen Anteil dazu nicht mehr bezahlt.

Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar, da dies schon ein K.O. Kriterium für mich wäre.

Grüße
Armin

RadWirdKommen

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #1 am: 17.08.2023 07:53 »
Tatsächlich gibt es den "Zwang" zur VBL. Diesen kann man schwer umgehen. Aber man erhält natürlich damit auch einen späteren zusätzlichen Rentenanspruch. Die Bedingung ist meines Wissen eine Einzahlung von mindestens 60 Monaten.

Der VBL Beitrag wird vom Nettogehalt abgezogen und beträgt in Westdeutschland 1,81% vom Brutto. Bei einen Abzug von 150€ wäre das also ein Monatsbrutto von knapp 8300€ den dann dein Freund wohl verdient.

Bei jedem Zwangs-VBL gibt es auch einen Zwanganteil vom Arbeitgeber. Das ein Arbeitgeber seinen Anteil also nicht zahlt kann nicht sein.

ArminFuchs

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #2 am: 17.08.2023 09:57 »
...Der VBL Beitrag wird vom Nettogehalt abgezogen und beträgt in Westdeutschland 1,81% vom Brutto. Bei einen Abzug von 150€ wäre das also ein Monatsbrutto von knapp 8300€ den dann dein Freund wohl verdient.

Bei jedem Zwangs-VBL gibt es auch einen Zwanganteil vom Arbeitgeber. Das ein Arbeitgeber seinen Anteil also nicht zahlt kann nicht sein.

Vielen Dank für die schnelle Antwort.
Ich habe meinen Freund gleich mal angerufen und er hat mir ein Foto seines Gehaltszettels geschickt:


Wenn es vom Netto abgezogen wird, muss ich bei Renteneintritt also keine Steuern mehr darauf zahlen?
Wo kann ich denn sehen, welchen Anteil der Arbeitgeber bezahlt?

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #3 am: 17.08.2023 09:58 »
Hier stimmen mehrere Sachen nicht. Drum mal etwas Aufklärung:

*) Prinzipiell besteht im Öffentlichen Dienst eine Verpflichtung zur Zusatzversicherung bei der VBL. Das ist nichts weiter als eine betriebliche Altersvorsorge. Im Abrechnungsverband West beträgt der Arbeitnehmer-Anteil 1,81% des zusatzversorgungsplichtigen Bruttos und hinzu kommt der Arbeitgeber-Anteil in Höhe von 5,49%. Im Abrechnungsverband Ost sind es 4,25% vs. 3,06%. Natürlich sind beide Seiten verpflichtet, die sich jeweils ergebenden Summen zu zahlen. (Das wird direkt von der Lohnbuchhaltung gemacht -- damit hat man auch gar nichts zu tun.)

*) Hat man mindestens 36 Monate hier eingezahlt, ist die Anwartschaft auf die dadurch erwirtschaftete Betriebsrente unverfallbar. (Im Abrechnungsverband Ost ist dies durch das dort angewandte Kapitaldeckungsverfahren direkt ab dem ersten Monat der Fall.) Mit Zeitablauf von insgesamt 60 Monaten hat man dann die Wartezeit erfüllt, sodass es auch zur Rentenauszahlung im Leistungsfall kommt. Hat man diese Zeit nicht erreicht, kann man sich den selbst gezahlten Arbeitnehmer-Anteil auch wieder erstatten lassen.

*) Für Wissenschaftler_innen an Hochschulen und Universitäten gibt es allerdings aufgrund der häufig befristeten Arbeitsverhältnisse eine Ausnahme zur Pflichtversicherung: Sie können, sofern ihre befristeten Verträge in Summe nicht 36 Monate erreichen, von der Pflicht zur Zusatzversicherung zurücktreten. Dann werden sie nicht in der VBLklassik versichert und zahlen dafür auch keinen Eigenanteil. Der AG versichert diese Angestellten dann in der freiwilligen Zusatzversicherung VBLextra und zahlt dort seinen AG-Anteil ein. Dadruch entstehen den Angestellten auch sofort unverfallbare Rentenansprüche, wobei die Konditionen jedoch etwas schlechter sind als in der Pflichtversicherung. Wichtig ist: Sobald man die 36 Monate durch Vertragsverlängerungen oder neue Arbeitsverträge erreicht bzw. überschreitet, landet man dann in der Pflichtversicherung, deren Laufzeit jedoch dann wieder bei Null beginnt.

*) Generell lässt sich durchrechnen, dass die VBL durch den recht hohen AG-Anteil im Erwartungswert entsprechende Angebote der betrieblichen Altersvorsorge in der "freien Wirtschaft" mindestens erreicht, aber deutlich sicherer und weniger schwankungsanfällig ist. Sie sollte ehemals die Lücke zwischen Rente der Arbeitnehmer und Pension der Beamten schließen, was ihr nicht mehr gelingt. Dennoch ist man darüber trotz fallendem Rentenniveaus zumindest bisher vergleichsweise vernünftig abgesichert. (Dies schließt etwa auch Zahlungen im fall einer Erwerbsminderungsrente sowie Hinterbliebenenschutz mit ein.)

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #4 am: 17.08.2023 10:05 »
...Der VBL Beitrag wird vom Nettogehalt

Wenn es vom Netto abgezogen wird, muss ich bei Renteneintritt also keine Steuern mehr darauf zahlen?

Der VBL-Beitrag wird vom zusatzversorgungspflichtigen Entgelt berechnet. Also dem (AN-)Brutto-Gehalt. Davon werden dann die entsprechenden Prozentsätze gebildet und abgeführt.

Mittlerweile sind Ausgaben für die Altersvorsorge steuerfrei, sodass diese erst nachrangig -- bei Auszahlung in der Rentenphase -- mit der Einkommensteuer belegt werden.

Anders sieht es mit der Sozialversicherungspflicht aus. Diese, inkl. dem AG-Anteil [!], sind auch in der Einzahlungsphase sozialversicherungspflichtig, sodass darauf (bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen) Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge, sowie bei Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgeführt werden. (Darum ist das sozialversicherungspflichtige Brutto dann auch höher als das Steuer-Brutto.) In der Auszahlungsphase gibt es dann einen Freibetrag in der Betriebsrente (derzeit knapp 180€/Monat) und bei allem, was darüber liegt, sind dann auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen.

ArminFuchs

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #5 am: 17.08.2023 10:12 »
...Im Abrechnungsverband West beträgt der Arbeitnehmer-Anteil 1,81% des zusatzversorgungsplichtigen Bruttos und hinzu kommt der Arbeitgeber-Anteil in Höhe von 5,49%. Im Abrechnungsverband Ost sind es 4,25% vs. 3,06%...

Verstehe ich das richtig, dass im Westen der Arbeitgeber 5,49% bezahlt und im Osten nur 3,06%, wogegen der Arbeitnehmer im Osten 5,49% zahlen muss und im Westen nur 1,81%?
Solch eine riesige Differenz?

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #6 am: 17.08.2023 10:15 »
Im Abrechnungsverband Ost beträgt der AN-Anteil 4,25%. Und ja, dies sind die Unterschiede. (Das hat wohl auch was mit den unterschiedlichen Finanzierungsverfahren Kapitaldeckung vs. Umlage zu tun.)

ArminFuchs

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #7 am: 17.08.2023 10:35 »
Wow, das ist in der heutigen Zeit schon heftig.

Vielen Dank für die Antworten.
Dann werde ich den Job an der Universität wohl ablehnen.

So wie ich den Gehaltszettel verstehe, werden ihm tatsächlich 150€ abgezogen. Ich glaube, dass man mit dieser Sparrate im normalen Finanzmarkt bessere Ergebnisse erzielen kann, zumal das nicht verbrauchte Geld bei Ableben dann meine Kinder erhalten und nicht die Versicherung.

Vielen Dank nochmal, ihr habt mir wirklich sehr geholfen.

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #8 am: 17.08.2023 11:03 »
Korrekt ist, 4,25% von 3520€ sind eben 150€. Hier könnte man übrigens die Riester-Förderung mit einfließen lassen.

Für diesen Beitrag erhält man derzeit als z.B. 30-Jähriger von der VBL einen Rentenanspruch (in 37 Jahren) in Höhe von ca. 2,35€/Monat bzw. etwas über 150€ monatliche Rente je 10.000€ eingezahltem Eigenanteil.

Bei aktuellen Rentenversicherungen liegt der Rentenfaktor bei 25, d.h., bei einem Vermögen von 10.000€ bei Auszahlungsbeginn werden 25€ monatliche Rente lebenslang ausgeschüttet. Um auf eine monatliche Rente von 150€ zu kommen, sind dafür also 60.000€ Vermögen notwendig. Um also eine vergleichbare Auszahlung aus dem Eigenanteil wie aus der VBL (inkl. AG-Anteil) zu kommen, müsste das Kapital in den verbleibenden 37 Jahren also etwa versechsfacht werden. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wertsteigerung von 5% pro Jahr.

Das kann besser laufen, das kann auch schlechter laufen. Garantiert ist die Wertentwicklung jedenfalls nicht. Jedenfalls ist das Angebot der VBL im Vergleich zu Angeboten der privaten Altersvorsorge nicht schlecht -- zumindest, wenn man den vergleichsweise hohen AG-Anteil mit einbezieht, den man so in der Privatwirtschaft nur selten bekommt...

ArminFuchs

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #9 am: 17.08.2023 11:22 »
Danke für die Übersicht.
Im Allgemeinen wird bei einem MCSI-World von einer jährlichen Rendite von 7% ausgegangen, so dass man die 5% locker übertrifft.
Hinzu kommt dann auch noch der Erben-Faktor und die Tatsache, dass ich im Osten angestellt wäre und somit der Arbeitnehmeranteil nicht so hoch ist.

In dem Fall werde ich mich gegen den Job im öffentlichen Dienst entscheiden.

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #10 am: 17.08.2023 11:31 »
Du kannst dich entscheiden, wie du willst. Nur sind deine Arugmente keine, die ich nachvollziehen könnte. Klar, wenn du dich für deine zukünftige Rente meinst auf die Schwankungen des Kapitalmarkts verlassen zu wollen, kannst du das machen. Aber wir reden hier über 4% vom Gehalt. Die anderen 96% scheinst du nicht zu thematisieren... Möglicherweise findest du einen anderen Job, wo dir mehr gezahlt wird und der dich besser ausfüllt, dir ein besseres Gesamtpaket (inkl. Jobsicherheit o.Ä.) gibt als bei dem Angebot, das die vorliegt. Dann nimm diese Alternative! Aber wegen dieses einen Aspekts (der auch in sich nicht einmal ein klares Argument beinhaltet) eine solche Entscheidung zu treffen?

Nun, das musst du wissen...

ArminFuchs

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #11 am: 17.08.2023 11:48 »
Da ich noch länger als 15 Jahre zur Rente habe, muss ich mir keine Sorgen um die Schwankungen am Kapitalmarkt machen.
Im Prinzip sind beide Jobs vergleichbar, bis auf die fehlenden Benefits bei der Universität. Hinzu kommt das bereits unwesentlich geringere Gehalt der Uni, welches aber mit Aussicht auf Arbeitsplatzsicherheit durchaus zu verkraften wäre.
Wenn sich das Gehalt aber nun um weitere 150€ verringert, wird die Uni einfach zu unattraktiv.

Ich hoffe ich konnte meine Entscheidung nun verständlicher erklären.

Viele Grüße und Danke nochmal.

cyrix42

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #12 am: 17.08.2023 11:50 »
Na dann alles Gute.

2strong

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #13 am: 17.08.2023 12:17 »
Ohne Details zu kennen, lässt sich hier schwer was raten, aber solche Aspekte wie regelmäßige Tariferhöhungen, Krankengeldzuschuss (gerade im letzten Berufsdrittel) und überhaupt die gelebten Beschäftigungsbedingungen insbesondere an einer Uni sind nicht zu vernachlässigen.

MoinMoin

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Antw:Zwang zur Zusatzrente an Universität?
« Antwort #14 am: 17.08.2023 12:54 »
Da ich noch länger als 15 Jahre zur Rente habe, muss ich mir keine Sorgen um die Schwankungen am Kapitalmarkt machen.
Im Prinzip sind beide Jobs vergleichbar, bis auf die fehlenden Benefits bei der Universität. Hinzu kommt das bereits unwesentlich geringere Gehalt der Uni, welches aber mit Aussicht auf Arbeitsplatzsicherheit durchaus zu verkraften wäre.
Wenn sich das Gehalt aber nun um weitere 150€ verringert, wird die Uni einfach zu unattraktiv.

Ich hoffe ich konnte meine Entscheidung nun verständlicher erklären.

Viele Grüße und Danke nochmal.
Naja von deiner Rechnung ausgehend, wird es ja nicht 150€ weniger, sondern nur rund 40€, da du für Rentenleistung die Leistung die du für die 150€ bekommst, nach deiner Rechnung nur 110€ am Kapitalmarkt benötigst.