Zunächst muss man festhalten, dass es noch keine gefestigte Rechtsprechung zur amtsangemessenen Versorgung gibt. Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass die Prüfung der amtsangemessenen Alimentation Hinweise darauf gibt, wie eine amtsangemessene Versorgung aussehen könnte.
Ich rekapituliere daher zunächst einmal Teile des Prüfschemas für die Betrachtung der amtsangemessenen Alimentation:
Ob die Mindestbesoldung dem Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG entspricht, prüft das BVerfG in drei Stufen.
Ein erster Parameter ist eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst. Ein Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes liegt in der Regel vor, wenn die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldungsanpassung mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt. Ausgehend von dem jeweils streitgegenständlichen Zeitabschnitt ist die Betrachtung dabei auf den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre zu erstrecken.
Ein zweiter Parameter ist eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land. Eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes ist dann gegeben, wenn die Differenz bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt.
Ein dritter Parameter ist eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene. Bleibt die Besoldungsentwicklung im verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt hinter der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in den zurückliegenden 15 Jahren um mindestens 5 Prozent zurück, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation.
Ein vierter Parameter ist der systeminterne Besoldungsvergleich. Eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen indiziert einen Verstoß gegen das Abstandsgebot. Ein Verstoß liegt in der Regel vor bei einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens 10 Prozent in den zurückliegenden fünf Jahren.
Der fünfte Parameter ist der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder. Zeigt sich eine erhebliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund oder in den anderen Ländern, spricht dies dafür, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllt. Wann eine solche Erheblichkeit gegeben ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Liegt das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen 10 Prozent unter dem Durchschnitt des Bundes und anderer Länder im gleichen Zeitraum, ist dies jedenfalls ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation.
Wenn drei der oben genannten fünf Parameter erfüllt sind, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. Zusätzlich muss auch ein Mindestabstand zur Grundsicherung gewahrt sein. Ist dieser Mindestabstand nicht gewahrt, gilt unabhängig von den fünf Parametern die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. Diese Vermutung kann im Rahmen einer Gesamtabwägung durch Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien widerlegt oder weiter erhärtet werden. Zu diesen weiteren Kriterien zählen das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sowie die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und Beanspruchung. Ob die Alimentation einem Amt, das für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt schließlich auch ein Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft. Die Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen werden.
Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob diese im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist er – wie dies auch sonst der Fall ist – entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen
Die Besonderheit bei den Beamten ist jetzt nun, dass die Alimentation auf eine vierköpfige Familie ausgelegt ist. Bei den Berechnungen des BVerfG hat sich herausgestellt, dass faktisch in allen Besoldungskreisen der kleinste Beamte mit zwei Kindern als Alleinverdiener keinen Abstand zur Grundsicherung hat, mehr noch, er sogar weniger hat als ein Empfänger von Bürgergeld. Daher rücken die anderen fünf Prüfparamater zunächst in den Hintergrund. Bei den Empfängern von Bürgergeld hat der Gesetzgeber ein soziales Existenzminimum eingeführt, welches zum einen einen Grundbedarf für jedes Haushaltsmitglied beinhaltet und zum anderen zusätzlich angemessen Kosten für Wohnung und Heizung berücksichtigt. Diese angemessenen Kosten für Wohnung und Heizung variieren je nach Wohnort, daher gibt es auch im Bereich des Bürgergeldes große, regionale Unterschiede. Hierbei gilt es zu beachten, dass der Dienstherr den Beamten quasi verpflichtet, eine Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Dienstort zu nehmen. Es ist daher verständlich, dass sich alle in der Diskussion auf diese Prüfung stürzen. Problematisch ist jedoch, dass die Besoldungsgesetzgeber offenbar versuchen, diese Lücke allein durch höhere Familienzuschläge zum kompensieren. Damit fällt im Ergebnis zwar zunächst dieser Prüfparameter (Abstand zur Grundsicherung) raus, allerdings verletzt er dadurch mindestens drei der anderen fünf Parameter und somit greift erneut (aus anderen Gründen) die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. In die weiteren Prüfungsstufen steige ich nicht tiefer ein, dass kann Swen Tarnotsch in den anderen Foren viel besser. Jedenfalls erhoffen sich sehr viele von den neuen Urteilen aus Karlsruhe mehr Klarheit, ob und wie die Besoldungsgesetzgeber die Grundalimentation anheben müssen oder ob und wie die Verfassungsmäßigkeit alleine durch Zuschläge erreicht werden kann. Es gibt nicht wenige, die davon ausgehen, dass die Zuschläge tendenziell abgeschmolzen werden müssen und die Grundbesoldung eben aus diesen Gründen angehoben werden müsste.
Soweit, so gut. Bei Pensionären ist es jedoch etwas anders. Da dürfte zum einen die Pension grundsätzlich nur für maximal 2 Personen gedacht sein, weil bei Bezug einer Pension aus Altersgründen regelmäßig nicht damit zu rechnen ist, dass ein Pensionär noch kindergeldberechtigte Kinder hat. Der Strang der Pensionären mit Kindern ist sicherlich nochmal gesondert zu betrachten, wäre vermutlich aber in einem neuen Thread besser aufgehoben. Zum anderen ist der Maßstab dann eher die Grundsicherung im Alter anstatt Bürgergeld. Die Verpflichtung zur Wohnsitznahme am Dienstort fällt jedoch mit Pensionierung weg, so dass es hier sicherlich gerechtfertigt wäre, lediglich Mietenstufen im unteren Bereich anzunehmen. Ohne genaue Berechnungen angestellt zu haben, rechne ich allerdings damit, dass die Pension die Hürde, mind. 15 % über dem Grundsicherungsniveau zu sein, regelmäßig locker nimmt.
Wenn man jetzt die fünf Parameter der aktiven Beamten auf die Pensionäre übertragen würde, könnte ein Prüfschema der Pensionäre in etwa wie folgt aussehen:
1.) Der erste Parameter ist eine deutliche Differenz zwischen der Pensionsentwicklung und der Altersversorgung der Angestellten im öffentlichen Dienst. In Indiz für eine evidente Missachtung liegt in der Regel vor, wenn die Differenz zwischen den Pensionsanpassungen und Rentenanpassung (inklusive der betrieblichen Altersvorsorge) mindestes 5 % des Indexwertes beträgt, ausgehend von einem Zeitraum der letzten 15 Jahre.
2.) Ein weiterer Parameter ist eine deutliche Abweichung der Pensionsentwicklung zur Rentenanpassung oder zur Pensionsentwicklung des Bundes bzw. anderer Länder von mindestens 5 % in den letzten 15 Jahren.
3.) Ein weitere Parameter ist eine deutliche Abweichung der Pensionsentwicklung zum Verbraucherpreisindex.
4.) Ein vierter Parameter ist ein systeminterner Vergleich. Eine deutliche Verringerung der Pension im Verhältnis anderer Pensionäre.
5.) Ein fünfter Parameter wäre ein Quervergleich der Beamtenversorgung zu den Altersvorsorgeeinkünften anderer Rentner (inklusive betrieblicher Altersvorsorge).
Wenn mindestens drei der fünf Parameter verletzt sind, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unterpensionierung. Die Vermutung kann jedoch im nächsten Schritt im Rahmen einer Gesamtabwägung durch Berücksichtigung weiterer Kriterien widerlegt oder erhärtet werden.
Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Pension grundsätzlich als verfassungswidrig einzustufen ist, bedarf es in der dritten Prüfungsstufe der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann.
Ich denke, dass es schon durch die stärkere Besteuerung (die ja auch die anderen Rentner im Ausland trifft) der Besonderheit der geringeren Lebenshaltungskosten ausreichend Rechnung getragen wird. Rentner im Ausland haben dadurch weniger Haushaltseinkommen zur Verfügung als diejenigen, die sich in Deutschland aufhalten.
Eine (weitere) Kürzung der (Brutto-)Pension würde allerdings zu einem größeren Delta zwischen Tarifangestellten, der allgemeinen Bevölkerung und den Beamten führen. Ob die Pension für ein Amt, das für überdurchschnittlich qualifizierte (auch welche mit Migrationshintergrund!) Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt sich auch im Vergleich mit der Altersvorsorge sozialversicherungspflichtig Beschäftigter (inklusiver betrieblicher Altersvorsorge) mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft. Die Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Versorgungssystem dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen werden.
Gerade durch die Qualität der Versorgung gelingt es, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte zu gewinnen, die vielleicht im Alter auch ins Ausland verziehen möchten. Würde die Versorgung gegenüber der Altersversorgung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten überproportional gekürzt, stände zu befürchten, dass die Versorgung ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllt und man insbesondere den Kampf um diese (internationalen) Fachkräfte verlieren wird.
Mir fallen jedenfalls keine verfassungsrechtlichen Begründungen ein, die eine darüber hinausgehende Kürzung der Versorgung bei Verzug ins Ausland rechtfertigen würden.