Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H > TV-L
Neue Stellenbewertung & Rückgruppierung
katharinakarenina:
Hallo zusammen,
bei mir stellt sich folgendes Problem:
Ich wurde 2019 im ÖD Berlin eingruppiert in TV-L EG 9b Fallgruppe 1.
2020 wurde ich übergeleitet in TV-L S 12. Unsere BAK ist von 2018.
Soweit, so gut.
Jetzt sind bei uns im Team zwei Stellen unbesetzt und sollen ausgeschrieben werden. Auf einmal fällt meinem AG auf, dass unsere Stellen keine S12 mehr "wert" sind, sondern S11b. (Sparmaßnahmen, was sonst).
Zuerst sagte man uns, das hat nur Auswirkungen auf die neu zu besetzenden Stellen. Jetzt heißt es auf einmal, die Stellenbewertung soll neu angeschaut werden und wir, die Bestehenden, sollen auch S11b bekommen. (Noch ist nichts schriftlich, sie reden nur ganz furchtbar viel).
Ich habe mich die letzten Tage zum Thema Rückgruppierung ordentlich belesen und mir schwirrt der Kopf. Meine Fragen:
1. Wäre es zulässig, uns von S12 auf S11b degradieren?
2. Ist eine Rückgruppierung zulässig, wenn eine Stelle niedriger bewertet wird, ich aber aufgrund einer Stellenbewertung von 2018 eingruppiert wurde?
3. Was muss dazu führen, dass eine Stelle niedriger bewertet wird? (z.B. Wegfall von Tätigkeitsmerkmalen, was bei uns nicht der Fall ist, eher im Gegenteil).
4. Welche Rechte habe ich überhaupt mit meiner Eingruppierung?
5. Ich habe gelesen, dass eine Rückgruppierung auch nicht möglich ist, wenn eine Eingruppierung (z.B. bei einer Tarifüberleitung) schon einmal überprüft wurde- was bei uns der Fall war. Stimmt das?
Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ihr eine oder mehrere Antworten habt. Vielleicht hat ja jemand auch schon mal Ähnliches erlebt.
Lieben Dank!
Gruß, Kathi
cyrix42:
Moin,
man ist immer anhand der dauerhaft zur Ausübung übertragenen Tätigkeiten eingruppiert. Da gibt es nichts zu verhandeln. Natürlich bilden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmende jeweils ihre eigene Rechtsmeinung darüber, welcher Entgeltgruppe die entsprechend dauerhaft übertragenen Tätigkeiten entsprechen. Sind sich beide einig, dann wird sicherlich auch das entsprechende Entgelt gezahlt. Wenn nicht, kann im Zweifel eine Eingruppierungsfeststellungsklage vor einem Arbeitsgericht Klarheit schaffen, denn dort wird dann rechtssicher festgestellt, welche Entgeltgruppe vorliegt.
Natürlich kann ein AG seine Rechtsmeinung, welcher Entgeltgruppe die dauerhaft zur Ausübung übertragenen Tätigkeiten angehören, im Laufe der Zeit auch ändern. (Genauso kann auch eine beschäftigte Person ihre Rechtsmeinung ändern.) Im Zweifelsfall kann dann der erkannte Rechtsirrtum auch entsprechend rückwirkend korrigiert werden: Die "neue" Entgeltgruppe würde dann rückwirkend ab Einstellung bzw. Übertragung der entsprechenden Tätigkeiten angepasst werden. Daraus würden sich dann ggf. auch Ansprüche von einer gegenüber der anden den Arbeitsvertrag schließenden Partei ergeben, wobei diese gemäß §37 TV-L sich nur auf die höchstens letzten 6 Monate ab Geltendmachung beziehen können (der Rest wäre entsprechend verjährt).
Will sagen: Sollte dein AG dir weniger auszahlen, als du meinst, dass die zusteht, forderst du das dir zustehende Entgelt schriftlich ein. Sollte er nicht darauf reagieren, reichst du -- mit Verweis auf deine Tätigkeitsbeschreibung und der dafür vorliegenden Bewertung -- eine Eingruppierungsfeststellungsklage ein. Sollte sich dein AG nicht sehr sicher sein, dass die damalige Bewertung falsch war (aus was für Gründen auch immer), wird er es wahrscheinlich nicht einmal darauf ankommen lassen... Allerdings muss man durchaus feststellen, dass eine entsprechende Korrektur der Rechtsmeinung des AG möglich ist; wenn er meint, dass er dich bisher überbezahlt hat, könnte er auch entsprechend zu viel gezahltes Entgelt des letzten halben Jahres zurückfordern.
clarion:
Hallo,
der Arbeitgeber müsste eine Änderungskündigung aussprechen, wenn ihr nicht freiwillig zustimmt. Ob er das überhaupt wagt, bliebe abzuwarten. Manchmal sind solche Gerüchte auch einfach hohles Geschwätz von Leuten, die zu viel Zeit haben.
MoinMoin:
--- Zitat von: katharinakarenina am 11.08.2024 20:33 ---1. Wäre es zulässig, uns von S12 auf S11b degradieren?
2. Ist eine Rückgruppierung zulässig, wenn eine Stelle niedriger bewertet wird, ich aber aufgrund einer Stellenbewertung von 2018 eingruppiert wurde?
3. Was muss dazu führen, dass eine Stelle niedriger bewertet wird? (z.B. Wegfall von Tätigkeitsmerkmalen, was bei uns nicht der Fall ist, eher im Gegenteil).
4. Welche Rechte habe ich überhaupt mit meiner Eingruppierung?
5. Ich habe gelesen, dass eine Rückgruppierung auch nicht möglich ist, wenn eine Eingruppierung (z.B. bei einer Tarifüberleitung) schon einmal überprüft wurde- was bei uns der Fall war. Stimmt das?
--- End quote ---
1.) Ja. Wenn der Ag sich bei seiner Einschätzung bzgl. der Eingruppierung deiner Tätigkeiten geirrt hat, dann wirst du nicht degradiert, sondern es wird nur korrigiert und der AG kann die letzten 6 Monate rückwirkend ab Geltendmachung das zu viel gezahlte Entgelt zurückfordern.
2.) Ja, da man stets eingruppiert ist aufgrund seiner auszuübenden Tätigkeiten und es egal ist wann der Ag sich geirrt hat. Denn auch hier ist es nur eine Korrektur eines Fehlers in der Vergangenheit und keine Rückgruppierung. Denn du warst dann schon immer in der S11b und wurdest nur falsch bezahlt.
3.) Stellen sind unbeachtlich. Es müssen sich die auszuübenden Tätigkeiten bzw. deren Zeitanteil ändern. Ist hier aber irrelevant, wenn es sich um einen Eingruppierungsirrtum handelt.
4.) Die Frage verstehe ich nicht. Du hast das Recht entsprechend des TV und deiner Eingruppierung bezahlt zu werden und die Eingruppierung richtet sich nach der Entgeltordnung und deinen auszuübenden Tätigkeiten. Du hast das Recht und die Möglichkeit bei unterschiedlicher Rechtsauffassung die korrekte Eingruppierung von einem ArbG feststellen zu lassen.
5.) Nein. Nur ein Gericht kann feststellen was die korrekte Eingruppierung ist.
Das gilt natürlich nur, wenn der AG mit seiner "neuen" Rechtsauffassung, dass die Tätigkeiten S11b sind bzw. schon immer waren und nicht S12 recht hat, sprich bei euch das tarifliche Merkmal schwierige Tätigkeiten nicht im erforderlichem Umfang existierte.
TVOEDAnwender:
Vor Gericht würde die Darlegungs- und Beweislast jedoch voll beim Arbeitgeber liegen, wenn er sich auf einen Bewertungsirrtum beruft:
--- Zitat ---Die Darlegungs- und Beweislast für eine höhere Eingruppierung obliegt in einem Prozess grundsätzlich der Beschäftigten. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Vergütungsgruppe, kann sich die Beschäftigte jedoch auf die ihr zuvor als maßgebend mitgeteilte Vergütungsgruppe berufen. Dann hat die Arbeitgeberin die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darzulegen und zu beweisen.
....
Die spezifische Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung setzt einen „begrenzten Vertrauensschutz“ um, den die Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung in Anspruch nehmen kann. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich jedoch nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Vergütungsgruppe innerhalb der jeweiligen Vergütungsordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Vergütungsordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen (BAG 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – Rn. 20; 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 340).
BAG 4 AZR 463/21 vom 27.04.2022
--- End quote ---
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