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Neue Stellenbewertung & Rückgruppierung

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Organisator:

--- Zitat von: TVOEDAnwender am 12.08.2024 08:20 ---Vor Gericht würde die Darlegungs- und Beweislast jedoch voll beim Arbeitgeber liegen, wenn er sich auf einen Bewertungsirrtum beruft:


--- Zitat ---Die Darlegungs- und Beweislast für eine höhere Eingruppierung obliegt in einem Prozess grundsätzlich der Beschäftigten. Im Fall einer sog. korrigierenden Rückgruppierung, dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Vergütungsgruppe, kann sich die Beschäftigte jedoch auf die ihr zuvor als maßgebend mitgeteilte Vergütungsgruppe berufen. Dann hat die Arbeitgeberin die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung darzulegen und zu beweisen.

....

Die spezifische Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung setzt einen „begrenzten Vertrauensschutz“ um, den die Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung in Anspruch nehmen kann. Die Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich jedoch nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden Vergütungsgruppe innerhalb der jeweiligen Vergütungsordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Vergütungsordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen (BAG 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – Rn. 20; 16. Februar 2000 – 4 AZR 62/99 – zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 93, 340).

BAG 4 AZR 463/21 vom 27.04.2022
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Wie passt das - rein praktisch gesehen - zu der Eingruppierungsfeststellungsklage?
Hier würde ich rein begrifflich davon ausgehen, dass das Gericht die Eingruppierung anhand der übertragenen Tätigkeit prüft und feststellt. Wo wäre da die Darlegungs- und Beweislast der einen oder anderen Seite?

TVOEDAnwender:
Im Grunde ist einfach einfach: Immer der, der was will muss darlegen und beweisen.

Bei der korrigierenden Rückgruppierung will der AG ja weniger zahlen, bei der Eingruppierungsfeststellungsklage will der AN mehr Geld haben.

Der AG muss jetzt bei der korrigierenden Rückgruppierung "umgekehrt" beweisen, dass das Heraushebungsmerkmal (von Anfang an, also ab Zeitpunkt der Übertragung der Tätigkeiten) nicht erfüllt wurde:


--- Zitat ---Rz. 42

(b) Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt der klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast. Vertritt sie die Auffassung, ihre Tätigkeit erfülle die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren als der vom Arbeitgeber angenommenen Vergütungsgruppe, obliegt es ihr, je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalls diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals der maßgebenden Vergütungsgruppe seien erfüllt. Danach obliegt es regelmäßig der klagenden Partei, die ihr übertragenen Aufgaben im Einzelnen darzustellen. Dies ist aber dann nicht ausreichend, wenn dieses Vorbringen aufgrund der tariflichen Tätigkeitsmerkmale noch keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob und inwieweit die Beschäftigte über die Merkmale einer Ausgangsvergütungsgruppe hinaus auch qualifizierende tarifliche Anforderungen der von ihr begehrten höheren Vergütungsgruppe erfüllt. Das ist etwa der Fall, wenn das Tätigkeitsmerkmal der höheren Vergütungsgruppe - wie hier - auf dem einer niedrigeren Vergütungsgruppe aufbaut und eine zusätzliche tarifliche Anforderung - „Heraushebungsmerkmal“ - vorsieht, deren genauer Inhalt sich erst durch eine Darstellung der Tätigkeit in der Ausgangsvergütungsgruppe und deren Anforderungen erschließt. In diesem Fall ist über die Darstellung der übertragenen Aufgaben hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Dieser Vortrag muss dem Gericht einen Vergleich zwischen der Tätigkeit in der Ausgangsvergütungsgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden erlauben (vgl. BAG 14. Oktober 2020 - 4 AZR 252/19 - Rn. 30 bis 33 mit umfangreichen Nachweisen).

....

b. Will der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes einen Arbeitnehmer künftig nach einer niedrigeren Vergütungsgruppe oder Eingruppierungsstufe entlohnen, so will er einen von ihm bisher praktizierten, bestehenden Zustand zu seinen Gunsten und zu Lasten des Arbeitnehmers abändern. In einem Prozess, dessen Streitgegenstand eine korrigierende Rückgruppierung darstellt, trägt daher der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nicht die in der Vergangenheit praktizierte, sondern die nachträglich von ihm nunmehr für richtig erkannte Eingruppierung zutrifft.

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--- Zitat ---Zunächst ist zu bedenken, dass i. d. R. der Angestellte, der sich gegen eine korrigierende Rückgruppierung wehrt, der Kläger in derartigen Rechtsstreitigkeiten ist. Nach den üblichen Beweislastregeln hätte dies zur Folge, dass der Angestellte darlegen und beweisen müsste, dass die korrigierende Rückgruppierung unbegründet ist. Die Rechtsprechung erlegt jedoch dem Arbeitgeber die volle Darlegungslast auf: Der Arbeitgeber muss die objektive Fehlerhaftigkeit der im Arbeitsvertrag enthaltenen und zunächst mitgeteilten und umgesetzten und nunmehr nach seiner Auffassung zu korrigierenden Eingruppierung darlegen (BAG vom 15.6.2011 – 4 AZR 737/09 – a.a.O.). Dieser Darlegungslast kann der Arbeitgeber dadurch nachkommen, dass er entweder substantiiert Tatsachen für die tarifliche Bewertung vorträgt, die die Korrektur der bisherigen Eingruppierung begründen sollen, oder dass er darlegt, dass und warum die bisherige Eingruppierung i. S. eines „Rechtsirrtums“ auf einer unwissentlich fehlerhaften tariflichen Bewertung der Tätigkeit beruht (BAG vom 7.5.2008 – 4 AZR 206/07 – ZTR 2008, 206; vom 16.2.2000 – 4 AZR 62/99 – a.a.O.).

Allerdings muss der Arbeitgeber nicht darlegen, auf welchem konkreten Irrtum die fehlerhafte Eingruppierung beruht, sondern nur, dass die bisher als tarifgerecht angenommene Eingruppierung objektiv fehlerhaft war, es also an zumindest einer tariflichen Voraussetzung hierfür fehlt (BAG vom 15.2.2006 – 4 AZR 66/05 – ZTR 2006, 538; vom 10.3.2004 – 4 AZR 212/03 – ZTR 2004, 635 = NZA 2004, 1408; vom 21.2.2001 – 4 AZR 40/00 – juris). Insoweit ist der Umfang seiner Darlegungslast ein anderer als bei einem Angestellten, der grundsätzlich zu allen Voraussetzungen der von ihm begehrten höheren Eingruppierung substantiiert vortragen muss (BAG vom 16.2.2000 – 4 AZR 62/99 – ZTR 2001, 222). Beschränkt der Arbeitgeber seine Begründung für die Rückgruppierung auf eine einzige Voraussetzung eines Tätigkeitsmerkmals, kann sich der Angestellte im Gegenzug ebenfalls auf dieses Element konzentrieren. Je nach Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidet dann auch dieses eine Element den Prozess.
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MoinMoin:

--- Zitat von: clarion am 12.08.2024 06:50 ---Hallo,

der Arbeitgeber müsste eine Änderungskündigung aussprechen,  wenn ihr nicht freiwillig zustimmt. Ob er das überhaupt wagt, bliebe abzuwarten. Manchmal sind solche Gerüchte auch einfach hohles Geschwätz von Leuten,  die zu viel Zeit haben.

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Nicht bei einer Korrektur seiner Rechtsmeinung.
Es sieht natürlich anders aus, wenn man einen AV hat, in dem einem zugesichert wird, dass man Tätigkeiten übertragen bekommt die zur Eingruppierung X führen.

MoinMoin:
@TVOEDAnwender
Das heißt, wenn der AG jetzt plötzlich das ausbezahlte Entgelt auf S11b ändert, dann fordert man sein Entgelt der S12 ein und macht dann keine Eingruppierungsfeststellungsklage, sondern eine Klage über die korrekten Bezahlung. Und dann muss der Ag reagieren und begründen warum er berechtigt ist, weniger zu zahlen.

Korrekt?

TVOEDAnwender:

--- Zitat von: MoinMoin am 12.08.2024 09:12 ---@TVOEDAnwender
Das heißt, wenn der AG jetzt plötzlich das ausbezahlte Entgelt auf S11b ändert, dann fordert man sein Entgelt der S12 ein und macht dann keine Eingruppierungsfeststellungsklage, sondern eine Klage über die korrekten Bezahlung. Und dann muss der Ag reagieren und begründen warum er berechtigt ist, weniger zu zahlen.

Korrekt?

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Genauso ist es.

"Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 30. April 2003 hinaus Vergütung nach der Lohngr. LO 5a BMT-G-O zu zahlen."

siehe z.B. hier: https://openjur.de/u/171324.html (BAG, Urteil vom 24.01.2007 - 4 AZR 28/06)

Mehr muss man erstmal nicht geltend machen.

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