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Völlige Entkoppelung von Besoldung und Gehalt nach BVerfG Urteil

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KlammeKassen:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 31.10.2024 11:42 ---@Nelson, in meinen Augen gibt es zwei unterschiedliche Diskussionsebenen:

1.) Auf der einen Seite gibt es „allgemeine“ Themen, zu den naturgemäß jeder eine persönliche „Meinung“ hat, die er aus meiner Sicht gerne kundtun darf und soll. Hier scheint es diverse Punkte zu geben, bei denen ich dir durchaus zustimme. So läuft z.B. auch aus meiner Sicht sowohl bei uns als auch weltweit zurzeit einiges nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Und beispielsweise mit Blick auf die Bezahlung im öffentlichen Dienst: Wenn (wie von mir kürzlich dargestellt) ein A15 im Jahre 1924 das 6,8-fache eines A3 bekommen hat und hundert Jahre später nur noch das 2,3-fache, dann finden das vermutlich weder du, noch ich, noch @KlammeKassen und viele andere besonders „erbaulich“. Die fortgesetzte Stauchung der Tabellen sowohl bei euch Angestellten als auch bei uns Beamten ist ein großes Problem, das endlich mal adressiert werden sollte.

2.) Auf der anderen Seite gibt es die konkrete Situation von uns Beamten. Und da ist es nun mal einfach „Fakt“ (nicht „Meinung“!), dass uns nach Art. 33 GG eine verfassungsgemäße Besoldung zusteht. Diese wird uns jedoch seit vielen Jahren systematisch vorenthalten, weil uns quasi alle 17 Besoldungsgesetzgeber in mehr oder weniger unverblümter Art und Weise „den Mittelfinger zeigen“ (Hessen und Sachsen sind wie erwähnt die Einäugigen unter den Blinden).

Und wenn dann zum zweiten Punkt von der „Seitenlinie“ (also von Nicht-Beamten) beispielsweise lautstark „Politisch nicht vermittelbar!“ reingeblökt wird (so wie gestern mal wieder im anderen Thread) oder uns gönnerhaft „erklärt“ wird, dass doch bitte die ersten beiden Beamtenkinder die gleichen Zuschläge wie ab dem dritten Kind bekommen sollen (was absolut sachwidriger Blödsinn ist), dann steigt gegebenenfalls bei manchen Beamten leicht der Puls. Entsprechend ist in meinen Augen der Gegenwind einzuordnen, der dir kürzlich im anderen Thread entgegengeschlagen ist..

--- End quote ---

Zu 1.)
Definitiv!!! Diese Stauchung ist katasrophal, insbesondere, weil sie null die "Wahrheit" widerspiegelt, da der Fachkräftemangel ab dem "gehobenen Dienst" (ja ich weiß, heißt offiziell nicht mehr so, können die meisten aber mehr mit anfangen) anfängt und die unteren Entgeltgruppen schon genug (im Vergleich zur PW zumindest) verdienen.
Die VKA beklagt das auch; ich hoffe, dass sie es endlich dann auch mal hinbekommt, dass in den Verhandlungen durchzusetzen... also dass die höheren Entgeltgruppen mehr profitieren.
(Gilt sowohl für die Entgeltgruppen als auch für die Besoldungsgruppen)


Beim Rest bin ich thematisch nicht so drin; würde es nur begrüßen, wenn die Abstände nicht so krass werden zwischen Beamten und Angestellten, da die bei uns im Hause zum großen Teil dieselben Aufgaben ausführen. Alle können nun mal nicht verbeamtet werden (Planstellen) und dann ist es schon nicht nachvollziehbar, wenn dann die Unterschiede zu groß werden.
Für externe Akademiker (wie mich zum Beispiel) ist es dann schon schwierig eine E11 zu bekommen, wenn die A11 so viel mehr hergibt und eine Verbeamtung auch nicht vorgenommen wird (jetzt egal, ob angestrebt oder nicht). Das ist dann eher noch mehr Anreiz, nicht in den öffentlichen Dienst zu gehen, sondern in die Privatwirtschaft. Deshalb denke ich, dass sich die Personallage dadurch noch weiter verschlimmert, wenn die (Netto) Unterschiede noch krasser werden.

Da müssten andere Lösungen gefunden werden; insbesondere auf Stellen, bei denen die gleichen Tätigkeiten ausgeführt werden. Ist es überhaupt noch sinnvoll "normale Verwaltungsbeamte" zu verbeamten? Man könnte ja das Studium auch einfach mit einem Abschluss beenden, der keine Verbeamtung beinhaltet. Er wird in der Praxis ja gleichgesetzt mit dem ALII

Wie gesagt, bei Polizei, Richtern, Staatsanwaltschaften alles legitim.

MoinMoin:

--- Zitat von: BVerfGBeliever am 30.10.2024 19:02 ---
--- Zitat von: NelsonMuntz am 30.10.2024 17:27 ---"Frauengeld" ist echt aus der Zeit gefallen!

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Das BVerfG hat nun mal in mehreren Urteilen entschieden, dass die Kosten für das erste und zweite Kind größtenteils "Privatsache" sind (genauso wie im Übrigen bei euch Tarifangestellten) und somit hauptsächlich durch die leistungsbezogenen Bestandteile der Besoldung - also in erster Linie das Grundgehalt - zu bestreiten sind.
Im Gegensatz dazu hat es entschieden, dass ab dem dritten Kind Anspruch auf eine zusätzliche Alimentation besteht, da es den Beamten nicht zuzumuten ist, die zusätzlichen Kosten durch die oben genannte Besoldung zu bestreiten.

Warum sollte das BVerfG in euren Augen nun plötzlich von dieser gefestigten und immer wieder bestätigten Rechtsprechung fundamental abweichen (auch und gerade in Hinblick auf die von euch ins Feld geführten veränderten gesellschaftlichen "Zeiten")?


P.S. Grundlegend anders ist die Lage hingegen bezüglich des erwähnten "Frauenzuschlags" (der Begriff stammt übrigens nicht aus den 1950er Jahren, sondern aus dem von mir kürzlich verlinkten Dokument von 1925). Diesbezüglich könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass das BVerfG keinerlei Einwände erheben würde, wenn der Ehepartnerzuschlag mit sachgerechter Begründung beispielsweise gestrichen und in irgendeiner Form in das Grundgehalt und die (moderaten) Kinderzuschläge integriert würde..

--- End quote ---
Richtig, es gab Zeiten da hat man diese gesellschaftliche Bild vertreten. So wie sich keiner daran gestört hat, dass die Frau den Mann zu fragen hat, ob sie arbeiten gehen darf.
Heutzutage ist man aber im Gegensatz zu früher schon mit 2 Kindern eher eine Großfamilie und da ist es halt fraglich, ob die gesellschaftlichen Rahmenbindungen, auf deren dieses Wort "Privatsache" sich begründet noch gilt.

Und ich denke, auch das BVerfG dürfte diesen Umstand mit in zukünftigen Bewertungen einfließen lassen wird.
So wie den Umstand, dass ein A3er Dienstposten nicht grundsätzlich amtsungemessen Besoldet ist, wenn er nicht mindestens 34000€ Netto zur Verfügung hat und das ist nun mal die These an der du festhältst.

Aber wer glaubt, dass ein jeder Beamter unabhängig seiner familiären Situation, mindestens diese Summe Geld zu bekommen hat, damit er GG konform bezahlt wird, hat halt einen anderen Fokus auf diese Welt.

Das BVerfG wird dieses jedoch niemals so festlegen. Daran glaube ich fest.


Auch hat das Gericht die letzten 20, 30 40 Jahre sich seltsamerweise nicht daran gestört, dass die untersten Besoldungsgruppen stets unteralimentiert waren.
Denn diese jetzt erst festgestellte Sauererei war schon damals gegeben, schon vor 30 Jahren (oder gar seit anbeginn der BRD/GG) hat der A2er (den es damals noch gab) als 4K Familie in der Eingangsstufe weit unterhalb der "Armutsgrenze" gelebt.
Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???
 

BVerfGBeliever:

--- Zitat von: MoinMoin am 31.10.2024 14:03 ---Gemerkt hat es nur keiner und geklagt auch nicht, warum???

--- End quote ---

Kurze Antwort: Unter anderem, weil es damals beispielsweise das 115%-Kriterium noch gar nicht gab (und man es somit logischerweise auch nicht zur Prüfung heranziehen konnte).

Etwas längere Antwort: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,124487.msg375007.html#msg375007


Abgesehen davon ist es recht nervig, mit dir zu kommunizieren, weil du basierend auf den stets identischen falschen Annahmen und Zusammenhängen immer und immer wieder die gleichen sachwidrigen Aussagen und Schlussfolgerungen tätigst (scheint ja zu @WasDennNun-Zeiten schon ähnlich gewesen zu sein)..

Rentenonkel:
Ich nehme nochmal einen anderen Ansatz:

Bereits durch ein Urteil im Jahre 1998 hat ein Urteil des BVerfG entschieden, dass das steuerliche Existenzminimum nicht unter dem sozialhilferechtlichen liegen darf.

Im Jahre 2005 hat der Gesetzgeber das Recht der Sozialhilfe dann grundlegend reformiert und quasi de facto das "Wohnen" als Grundrecht anerkannt, indem es die notwendigen Kosten für Wohnung und Heizung vollständig übernimmt.

Im Steuerrecht orientiert sich dabei der Steuergesetzgeber an niedrigen Wohnkosten der Mietenstufe I.

Die immer kleinere Anzahl an Sozialwohnungen, die Struktur der Immobilien und nicht zuletzt der leidige Angriffskrieg in der Ukraine haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Heizkosten allgemein und die Wohnkosten in Ballungsgebieten deutlich gestiegen sind und somit das steuerliche Existenzminimum dem sozialen oft hinterhinkt, mit der Folge, dass auch das soziale Existenzminimum besteuert wird, wodurch in vielen Kommunen berufstätige Familien ohne ergänzende Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag weniger Einkommen haben, als Familien, die vom Bürgergeld leben.

Und da kommen wir nun zu dem Ei und dem Huhn: Während früher ein Medianeinkommen gereicht hat, um auch in Ballungsgebieten eine 4 K Familie durchzubringen, braucht es heute bei 4 Personen schon 1,5 Medianeinkommen, um einen Abstand zum sozialen Existenzminimum zu erreichen. Ist daher der gesellschaftliche Wandel mit einer höheren Beschäftigungsquote ein Zeichen für ein gesellschaftliches Umdenken und höheren Wohlstand oder schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass man anderweitig ohne existenzsichernde ergänzende Leistungen gar nicht mehr "klar" kommt? Und wenn das politisch gewollt ist, um eine höhere Beschäftigungsquote zu erreichen, ist es auch gesellschaftlich so gewollt? Ist es gerecht, dass Eltern mit Kindern die gleiche steuerliche Belastung haben wie Familien ohne Kinder, und dadurch nett genauso viel haben, wie Familien, die nur vom Bürgergeld leben?

Viele Beschäftigte, gerade im Niedriglohnsektor, stellen so auch durchaus laut die Frage, ob sich Beschäftigung noch lohnt. Diese Situation trifft daher nicht nur den A4 oder A5 Beamten, sondern auch andere Beschäftigte.

Es ist derzeit sogar eine Klage vor dem BFH anhängig, weil ein Bürgergeldbezieher in diesem Jahr 563 EUR und somit 61 EUR mehr als 2023 erhält und der Lohnsteuerhilfeverein VLH errechnet hat, das arbeitende Bürger selbst in einem Ort mit Mietenstufe 1 durch die Lohnsteuer mit weniger Geld dastehen als Menschen mit Bürgergeld. Nach der ersten mündlichen Verhandlung hat der Bundestag zufällig am 18.10.2023 beschlossen, den Grundfreibetrag für das Jahr 2024 rückwirkend um 180 EUR zu erhöhen. Es scheint daher zumindest diese Erkenntnis, dass das steuerliche Existenzminimum für alleinstehende hinter dem sozialen hinterhinkt, bis nach Berlin durchgedrungen zu sein. Anders ist dieser Zufall nicht zu erklären.

Es ist einfach so, dass auf der einen Seite durch immer höhere Steuern und ggf. auch höhere SV Beiträge das Verhältnis von Brutto zu Netto in den letzten Jahrzehnten gesunken ist, während die Wohn- und Heizkosten auf der anderen Seite insbesondere in Ballungsgebieten stark gestiegen sind.

Eine unterschiedliche Definition des Existenzminimums im Sozial- und Steuerrecht führt zu einer Ungleichbehandlung der betroffenen Personengruppen.

Dem Gesetzgeber ist diese Ungleichbehandlung durch das BVerfG bezogen auf Beamtenfamilien quasi mit dem Brennglas aufgezeigt worden. Dabei wollte das BVerfG ausdrücklich keine gesetzliche Änderung erreichen, die sich ausschließlich auf Beamte und Beamtenkinder bezieht, sondern das Urteil steht in einem viel größeren Kontext.

Wer arbeiten geht, möchte auch einen spürbaren Abstand zum sozialen Existenzminimum haben, wenigstens allerdings nicht weniger. Das Menschen für Wohnen und Heizen einen immer größeren Teil Ihrer Einnahmen verwenden und Menschen mit Medianeinkommen sich keine Wohnung mehr in Ballungsgebieten leisten können oder wollen, während dort immer mehr Menschen wohnen, die aufgrund der Freizügigkeit in Europa sich ihren Wohnort trotz Bürgergeldbezug ohne finanzielle Sorgen aussuchen können, empfinden viele Wähler als ungerecht.

Leider erkennt die Politik dieses Problem nicht sondern sieht mit den Scheuklappen nur die verfassungsrechtliche Problematik bei den Beamten und versucht dieses Problem, wenn sie es überhaupt in Gänze erfassen, durch stümperhafte gesetzliche Bausteine zu lösen, um es so tatsächlich zu verschlimmern und so Neid und Missgunst sowohl innerhalb des Beamtentums zu säen als auch zwischen Tarifbeschäftigten und Beamten.

Und so würde ich das, was der von mir geschätzte Swen letztens so treffend formuliert hat, nicht nur auf dieses Problem der Beamtenbesoldung sondern auch auf die Frage des Wohnens und der damit verbundenen Steuergerechtigkeit und der finanziellen Situation von Familien übertragen wollen:

Wer sich also regelmäßig nicht in der Lage sieht, Probleme sachlich zu lösen, sondern eine sachliche Problemlösung nur simuliert, indem er sich wie in diesem Fall nur noch in der Lage sieht, offensichtlich zutage tretende Probleme mittels verfassungswidriger Rechentricks zu kaschieren, der kann kaum auf Vertrauen in seine Politikfähigkeit rechnen, da er trotz anderweitiger Bekundungen in der Sache so nur eines offenbart: seine Unfähigkeit, Probleme zunächst einmal sachlich als solche überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und sie als Teil der Realität zu akzeptieren, um sich dieser im Anschluss sachlich anzunehmen und also das zu tun, wofür die politische Klasse in einer Demokratie gewählt wird. Dass sich immer größer werdende Teile der Wähler von den demokratischen Parteien in der Bundesrepublik abwenden, sollte auch in solchem Handeln wie dem hier betrachteten eine der maßgeblichen Ursachen finden. Die Krise der Demokratie ist so verstanden zuvörderst erst einmal eine Krise politischer Verantwortung und so auch ihrer Träger und erst in zweiter Linie eine der politischen Wähler, deren Vertrauen in den Staat auf einer funktionierenden Gesetzgebung, Regierung, öffentlichen Verwaltung und Justiz basiert, die durch eine Simulation politischen Handelns nicht auf Dauer in ihrem Bestand zu garantieren sind.

Wer sich als politische Klasse wiederkehrend unfähig zeigt, mit der Bevölkerung sachlich in einen Dialog zu treten, um so auf zweifellos gegebene Probleme im Sinne des Gemeinwesens zu reagieren und diese Probleme einer Bewältigung zuzuführen, der hat – so sollte man vermuten – Lehren aus der deutschen Zeitgeschichte gründlich missverstanden. Wenn es sich dabei bei jenen Verantwortungsträgern gar noch um promovierte Historiker handelt, ist das für mich kollegial nur umso unverständlicher und inakzeptabler. Simulatoren gibt es im Flugbetrieb und sie sollen dort Abstürze verhindern helfen. Politik als ihre eigene Simulation trägt den Absturz bereits in sich. Die Wahlergebnisse der letzten Zeit dürften dieses Urteil bestätigen: Denn das Volk ist nicht tümlich. Es als solches betrachten zu wollen, um so als politische Klassen von eigener Überforderung abzulenken, bietet keine Lösungsmöglichkeit, sondern ist Teil des Problems.

BAT:
Das Problem ist sicherlich gut beschrieben, aber am falschen bzw. nicht entscheidendem Thema verortet: Wohneigentum, Wohneigentum, Wohneigentum. Das hat der deutsche Staat/ Politik/ Gesellschaft noch nie gemocht, sollte es aber. Damit sind die Probleme (fast) gelöst.

Meine "Kaltmiete" beträgt derzeit 34 € für 115 m² Innenstadtlage.

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