Autor Thema: Angabe im Bewerbungsformular rechtlich bindend = Verzicht auf Rechte  (Read 3658 times)

leipels

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Hallo,

unser Arbeitgeber möchte aus Verschlankungs- und Vereinfachungsgründen ein Online-Bewerbungsformular einrichten.

An einer Stelle soll nach der Schwerbehinderung gefragt werden. Ja oder nein.

Wenn man nein ankreuzt ist es so rechtlich bindend, dass man auf seine Rechte als schwerbehinderter Bewerber verzichtet. Also darauf verzichtet, eingeladen zu werden, wenn man nicht offensichtlich ungeeignet ist, obwohl man trotzdem schwerbehindert ist.

Ist das aber wirklich so?

Was wäre, wenn ein schwerbehinderter Bewerber warum auch immer nein ankreuzt, in seinem Bewerbungsanschreiben und, oder in seinem Lebenslauf aber die Schwerbehinderung erwähnt?

Müsste unser Arbeitgeber Anschreiben und Lebenslauf dann tatsächlich nicht mehr auf irgendwelche Angaben bzgl. Schwerbehinderung überprüfen?

Danke.

LG

clarion

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Häää?

Wer außer einem AGG Hopper sollte eine Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen verstecken wollen.  Hier gibt es echt krude und auch unsympathisch Fragestellungen, die uns Schwerbehinderten das Leben wirklich schwer machen 

leipels

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Häää?

Wer außer einem AGG Hopper sollte eine Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen verstecken wollen.  Hier gibt es echt krude und auch unsympathisch Fragestellungen, die uns Schwerbehinderten das Leben wirklich schwer machen

Mal unabhängig von irgendwelchen AGG-Hoppern (gibt es diese überhaupt noch?), uns geht es darum, ob man ein Stellenbesetzungsverfahren bzgl. dieses Punkts wirklich so "beschleunigen" kann, dass man eben nicht mehr das komplette Anschreiben und den Lebenslauf auf irgendwelche Angaben bzgl. Schwerbehinderung "untersuchen" muss, wenn ein Bewerber an diesem Punkt ein "nein" angegeben hat oder ob die aktuelle Rechtslage uns dennoch dazu verpflichtet, eine Bewerbung ganzheitlich, vollumfänglich zu lesen.

clarion

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Bekommt ihr denn noch Hunderte Bewerbungen?

leipels

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Bekommt ihr denn noch Hunderte Bewerbungen?

Je nach Stelle bzw. Anforderungsprofil bzw. Eingruppierungsstufe (je niedriger desto mehr) befinden wir uns tatsächlich im 3stelligen Bereich.

FearOfTheDuck

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Gibt es bei euch eine Rechtsabteilung? Dann würde ich dort abklären lassen, ob so ein Häkchen tatsächlich ausreicht, dass jemand damit auf seine Rechte verzichtet.

Wie soll denn das Ganze ausgewertet werden? Welche Ausschluss-Filter werden dabei (sonst noch) gesetzt?

McOldie

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Wenn der Bewerber seinen Behindertenstatus im Lebenslauf erwähnt oder eine Kopie des Ausweises oder des Bescheides beifügt, setzt er damit dem Arbeitgeber davon in Kenntnis, auch wenn er in ein Kreuzchen "versehentlich" an falscher Stelle gesetzt hat.

FGL

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Mal unabhängig von irgendwelchen AGG-Hoppern (gibt es diese überhaupt noch?), [...]
Ja.

leipels

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Wenn der Bewerber seinen Behindertenstatus im Lebenslauf erwähnt oder eine Kopie des Ausweises oder des Bescheides beifügt, setzt er damit dem Arbeitgeber davon in Kenntnis, auch wenn er in ein Kreuzchen "versehentlich" an falscher Stelle gesetzt hat.

Gibts dazu passende Gesetzestexte oder Urteile oder Kommentare, aus denen hervorgeht, dass ein Arbeitgeber nicht von dem vollständigen Lesen der Bewerbungsunterlagenfreit ist, wenn es in einem Bewerbungsformular eine Frage nach der Schwerbehinderung gibt?

leipels

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Mal unabhängig von irgendwelchen AGG-Hoppern (gibt es diese überhaupt noch?), [...]
Ja.

Interessant. Hatten bisher noch keine, zumindest nicht gemerkt. Hier werden bis dato alle Schwerbehinderten eingeladen, auch wenn ungeeignet.

leipels

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Mal unabhängig von irgendwelchen AGG-Hoppern (gibt es diese überhaupt noch?), [...]
Ja.

Habt ihr da Beispiele aus eurer Behörde? Musstet ihr schon mal Entschädigungen zahlen, weil man bei euch evtl. nicht aufgepasst hat?

maiklewa

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Für mich hat es sich noch nie erschlossen, was eine solche freiwillige Angabe in einem Online-Bewerbungsformular soll.

Seit dem wir das haben, haben wir nicht nur gefühlt mehr Arbeit.

Menschen machen Fehler und so ist es schon ein paar Mal vorgekommen, dass ein "Ja" angehakt wurde, obwohl gar keine Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegt. Maximal wurde dann mal bei 30 GdB ein Antrag auf Gleichstellung gestellt.

Dann werden Bewerber eingeladen, die man gar nicht hätte einladen müssen.

Und natürlich kann eine solche Abfrage nicht eine Behörde davon befreien, die Bewerbungsunterlagen eingehend zu überprüfen.

Wie soll das auch funktionieren? Es geht ja nicht nur um eine Schwerbehinderung, sondern um Fertigkeiten, Kenntnisse ...

Wenn also ein "nein" angehakt wurde, kann ich doch nicht die Bewerbung gleich komplett aussortieren. Ich muss doch dennoch das Anschreiben und den Lebenslauf lesen, um zu erfahren, wer sich mit welchen skills warum beworben hat.

Gut, es gibt natürlich solche Fälle, wo man ausschreiben muss, die Stelle aber schon besetzt ist. Aber dann muss man die Bewerbung dennoch lesen. Lt. Urteilen des BAGs hat der Bewerber nur dafür Sorge zu tragen, dass die Angabe einer Schwerbehinderung in den Machtbereich der ausschreibenden Behörde gelangt UND entsprechendes Personal hat die Bewerbungsunterlagen vollständig zu lesen.

Es ist also vollkommen Wurscht, ob ein "Ja" oder ein "nein" angehakt wurde, die Bewerbungsunterlagen sind vollständig zu lesen.


andreb

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@maiklewa 100% agree

Vielleicht noch ergänzend.
Nach entsprechender BAG Rechtsprechung muss im Anschreiben explizit auf eine Schwerbehinderung / Gleichstellung hingewiesen werden.
Irgendwo einen GdB im Lebenslauf oder das kommentarlose Übersenden des Schwerbehindertenausweises ist nicht ausreichend

carriegross

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Bin auch komplett bei @maiklewa

Aber @andreb Im Lebenslauf kann die Angabe einer Schwerbehinderung auch gemacht werden, die dann Pflichten beim AG im ÖD auslöst, auch wenn im Anschreiben keine Angabe gemacht wurde. Im Lebenslauf muss dann aber eine explizite Überschrift geschrieben werden.

Z. B.:

Schwerbehinderung - 70 (%/GdB ..)

Ne "Nachbarbehörde" hatte vor einiger Zeit Probleme, weil die in deren Online-Bewerbungsformular neben den Hinweis auf Freiwilligkeit noch sowas wie "Wenn an diesem Punkt keine Angabe getätigt wird (weder ja noch nein!), dann wird diese Nicht-Angabe als "nein" gewertet und eine Gleichstellung oder Schwerbehinderung kann nicht berücksichtig werden!"

Die wolltens ganz genau machen, kostete aber paar 1000 €. Wenn man dann sowas liest, hört, denkt man sich "Selbst Schuld!". Welcher Vollidiot hat denen eine solche Formulierung empfohlen? Der Personalchef selbst oder ein Anwalt? Kündigen und Geld zurück verlangen.

FGL

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Mal unabhängig von irgendwelchen AGG-Hoppern (gibt es diese überhaupt noch?), [...]
Ja.

Habt ihr da Beispiele aus eurer Behörde? Musstet ihr schon mal Entschädigungen zahlen, weil man bei euch evtl. nicht aufgepasst hat?
Nicht dass ich wüsste. Wir haben aber mit ein paar Schwerbehinderten zu tun, die sich nahezu serienbriefartig auf fast alle unsere Ausschreibungen, deren Pflichtvoraussetzungen im Anforderungsprofil sie erfüllen, bewerben und nach erfolgter Einladung stets entweder absagen oder einfach nicht erscheinen.