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Personalführung noch attraktiv?

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NWB:

--- Zitat von: Ytsejam am 09.05.2025 07:26 ---Als Leiter von fast 100 Mitarbeitern (A13) überwiegend im mittl. Dienst kann ich jedem nur empfehlen: Lauft! Wenn ihr den Anspruch habt, eure Arbeit gut machen zu wollen, lauft!

Wenn euch egal ist wie der Laden unter euch läuft und ihr sowieso, weils ja gerade trendy ist, Stellenhopping betreibt und nur seine Bingokarte abhaken will, also schneller auf eine andere Stelle hüpft als man ansatzweise Ahnung von der Rechtsmaterie und Führungserfahrung erwirbt, dann macht das ruhig.

Anfang 2010 war die Welt noch in Ordnung, kaum Fluktuation, man hat ab und zu mal einen Mitarbeiter mit großem Tamtam verabschiedet, meist wegen Rente nach Jahrzehnten, man konnte sich auf seine Arbeit konzentrieren, alles war noch irgendwie händelbar.

Gefühlt so gegen 2017 wurde es dann auf einmal immer mehr, bis zu Corona, wo sowieso alles anders war. Auf einmal habe ich innerhalb von 5 Jahren 80% der Mitarbeiter verloren: Die Alten gingen in Rente, und die nachkamen hatten auf einmal die freie Auswahl an Stellen - und machten davon auch Gebrauch. Keine 3 Monate da, schon ging es zur nächsten Stelle (Hoffentlich irgendwas mit Social Media), Identifikation mit der Arbeit: Null.

Die Kollegen, die kaum laufen konnten, mussten die neuen Kollegen einarbeiten. Wissensverlust: Immens! Machte die Stellen natürlich unattraktiver, wenn man neben der eigentlichen Arbeit dauerhaft einarbeiten muss. Dazu kommt ein immer agressiveres Bürgerverhalten. Also schnell auf Stellen wechseln, wo weniger Stress ist, und man gleich oder gar mehr verdient. Arbeit an der Front wird im TVÖD ja nicht als Mehrwert gesehen. Ein Teufelskreis.

Der "Fachkräftemangel", der nichts anderes ist als eine Rentnerschwemme, die man vorher erahnen konnte, aber nicht entsprechend mit Azubis nachgefüllt hat, sorgte für ein Loch von locker 10%, wodurch in der Gesamtverwaltung ein Bäumchenwechseldich-Spiel entstand, der für zusätzlichen Kapazitätsverlust führte. Hinzu kam, dass man im eigenen Haus kein Personal mehr bekam und zu 90% sich externer Kräfte bedienen musste. Verwaltungsleute? Nein, Kaufleute, Reno, bis hin zu MaleinBürovonaußengesehen-Mitarbeitern. In der Not frisst der Teufel fliegen, teilweise auch Fliegen die schon über 60 sind, noch nie in der Verwaltung gearbeitet haben und kurz nach der Einarbeitung schon den Rentenantrag ausfüllen können. Das Wissen ging, die Qualität fiel.

Die Kirsche auf der Sahne ist dann noch die Einstellung nicht aller, aber vieler der Generation Z: Work-Life-Balance mit möglichst wenig Work-Anteil. Rechte ja, Pflichten nein. Und eine Erziehung, in der ein Nein oder Kritik 20 Jahre keine Rolle spielte. Eine Handhabe, selbst absolute Unterperformer irgendwie an die Schüppe zu bewegen sind einfach nicht vorhanden.

Das Schlimmste: Die werden auch noch innerhalb kürzester Zeit hochbefördert, weil ja überall freie Stellen winken auf die sich keine Bewerber mehr finden. Da ist man mit Ende 20 schon E12, bevor man überhaupt weiß wie der Hase läuft. Und die kommen dann in Führungspositionen. Was klappen kann, oder aber eben oft auch nicht. Beängstigend wo das hinführt, wenn die dann dei Geschicke der Verwaltung leiten.

Mit einer handvoll Alteingesessenen (Verhältnis Paretolike 20-80) versucht man also den Laden noch irgendwie auf Kurs zu halten.

Und on top kam dann noch die Digitalisierung. Unfassbar viel Mehraufwand, Vorgaben von oben die mit der Praxis nicht vereinbar sind aber umgesetzt werden müssen, und eine Bürgerschaft, die die umgesetzten Digitalisierungen einfach nicht nutzen mag, so dass der erhoffte Entlastungseffekt ausbleibt.

Ja, nennt mich Boomer, ist mir egal, der Laden wird schon irgendwie weiter laufen. Und nein früher war nicht alles besser. Aber wir schlagen eine Richtung ein, die nicht gut ist.

Anyway, zurück zur Ausgangsfrage: Für die 3,50€ die man als Teamleiter oder ähnliches mehr bekommt würde ich nicht mehr empfehlen, Leitungsaufgaben zu übernehmen. Die Gestaltungsmöglichkeiten organisatorischer Art können toll sein (kommen aber meist erst in höheren Riegen), aber Personalführung heutzutage ist ein Graus...

--- End quote ---


Danke für den authentischen Beitrag.
100 Mitarbeiter und A13 - keine weiteren Fragen

BAT:
Wobei das Beispiel natürlich schlecht ist, da es im Beamtenbereich - zumindest bei uns - diese A13 noch zum Schluss der Karriere für zwei oder drei Jahre ausgeübt wurde und starke Auswirkungen auf die Pension hatte. Oder gibt es diese Regeln nicht mehr.

Das Grundproblem würde ich aber bestätigen.

Da man aber mindestens 40 % der Aufgaben abschaffen könnte, ist eigentlich genug Personal da. Insofern sehe ich nicht das Personal als Problem an, sondern die Politik.

Als ich vor weit über 30 Jahren Anfing hatte unser Laden keine 700 Leute, heute sind es mehr als 1500...

Faunus:

--- Zitat von: NWB am 09.05.2025 10:25 ---
--- Zitat von: Ytsejam am 09.05.2025 07:26 ---Als Leiter von fast 100 Mitarbeitern (A13) überwiegend im mittl. Dienst kann ich jedem nur empfehlen: Lauft! Wenn ihr den Anspruch habt, eure Arbeit gut machen zu wollen, lauft!

Wenn euch egal ist wie der Laden unter euch läuft und ihr sowieso, weils ja gerade trendy ist, Stellenhopping betreibt und nur seine Bingokarte abhaken will, also schneller auf eine andere Stelle hüpft als man ansatzweise Ahnung von der Rechtsmaterie und Führungserfahrung erwirbt, dann macht das ruhig.

Anfang 2010 war die Welt noch in Ordnung, kaum Fluktuation, man hat ab und zu mal einen Mitarbeiter mit großem Tamtam verabschiedet, meist wegen Rente nach Jahrzehnten, man konnte sich auf seine Arbeit konzentrieren, alles war noch irgendwie händelbar.

Gefühlt so gegen 2017 wurde es dann auf einmal immer mehr, bis zu Corona, wo sowieso alles anders war. Auf einmal habe ich innerhalb von 5 Jahren 80% der Mitarbeiter verloren: Die Alten gingen in Rente, und die nachkamen hatten auf einmal die freie Auswahl an Stellen - und machten davon auch Gebrauch. Keine 3 Monate da, schon ging es zur nächsten Stelle (Hoffentlich irgendwas mit Social Media), Identifikation mit der Arbeit: Null.

Die Kollegen, die kaum laufen konnten, mussten die neuen Kollegen einarbeiten. Wissensverlust: Immens! Machte die Stellen natürlich unattraktiver, wenn man neben der eigentlichen Arbeit dauerhaft einarbeiten muss. Dazu kommt ein immer agressiveres Bürgerverhalten. Also schnell auf Stellen wechseln, wo weniger Stress ist, und man gleich oder gar mehr verdient. Arbeit an der Front wird im TVÖD ja nicht als Mehrwert gesehen. Ein Teufelskreis.

Der "Fachkräftemangel", der nichts anderes ist als eine Rentnerschwemme, die man vorher erahnen konnte, aber nicht entsprechend mit Azubis nachgefüllt hat, sorgte für ein Loch von locker 10%, wodurch in der Gesamtverwaltung ein Bäumchenwechseldich-Spiel entstand, der für zusätzlichen Kapazitätsverlust führte. Hinzu kam, dass man im eigenen Haus kein Personal mehr bekam und zu 90% sich externer Kräfte bedienen musste. Verwaltungsleute? Nein, Kaufleute, Reno, bis hin zu MaleinBürovonaußengesehen-Mitarbeitern. In der Not frisst der Teufel fliegen, teilweise auch Fliegen die schon über 60 sind, noch nie in der Verwaltung gearbeitet haben und kurz nach der Einarbeitung schon den Rentenantrag ausfüllen können. Das Wissen ging, die Qualität fiel.

Die Kirsche auf der Sahne ist dann noch die Einstellung nicht aller, aber vieler der Generation Z: Work-Life-Balance mit möglichst wenig Work-Anteil. Rechte ja, Pflichten nein. Und eine Erziehung, in der ein Nein oder Kritik 20 Jahre keine Rolle spielte. Eine Handhabe, selbst absolute Unterperformer irgendwie an die Schüppe zu bewegen sind einfach nicht vorhanden.

Das Schlimmste: Die werden auch noch innerhalb kürzester Zeit hochbefördert, weil ja überall freie Stellen winken auf die sich keine Bewerber mehr finden. Da ist man mit Ende 20 schon E12, bevor man überhaupt weiß wie der Hase läuft. Und die kommen dann in Führungspositionen. Was klappen kann, oder aber eben oft auch nicht. Beängstigend wo das hinführt, wenn die dann dei Geschicke der Verwaltung leiten.

Mit einer handvoll Alteingesessenen (Verhältnis Paretolike 20-80) versucht man also den Laden noch irgendwie auf Kurs zu halten.

Und on top kam dann noch die Digitalisierung. Unfassbar viel Mehraufwand, Vorgaben von oben die mit der Praxis nicht vereinbar sind aber umgesetzt werden müssen, und eine Bürgerschaft, die die umgesetzten Digitalisierungen einfach nicht nutzen mag, so dass der erhoffte Entlastungseffekt ausbleibt.

Ja, nennt mich Boomer, ist mir egal, der Laden wird schon irgendwie weiter laufen. Und nein früher war nicht alles besser. Aber wir schlagen eine Richtung ein, die nicht gut ist.

Anyway, zurück zur Ausgangsfrage: Für die 3,50€ die man als Teamleiter oder ähnliches mehr bekommt würde ich nicht mehr empfehlen, Leitungsaufgaben zu übernehmen. Die Gestaltungsmöglichkeiten organisatorischer Art können toll sein (kommen aber meist erst in höheren Riegen), aber Personalführung heutzutage ist ein Graus...

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Danke für den authentischen Beitrag.
100 Mitarbeiter und A13 - keine weiteren Fragen

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Ehrlich: mein Mitgefühl  :(
In dem Bereich, in dem ich tätig bin, sind ab A13/E14 etc. besten falls 15 MA zu führen und bei W3/C4 bei Spitzeninsituten keine 100 MA. Der größte Lehrstuhl an dem ich je gearbeitet hatte, hatte so 70 bis 80 MA und zwar alles vor dem Umbruch Corona/Wegfall Boomer.

Danke für den Einblick, den Du mit Deinem Post gewährt hast!
Das ist schon etwas frustrierend.
 

2strong:
Bei 100 MA ist das Aufgabenspektrum sicherlich auch nicht so heterogen wie bei Euch am Institut, aber 100 MA ohne wirksame Zwischenhierarchie ist halt auch ein Witz, zumal Qualifikation und Vergütungsgefüge jetzt auch nicht erwarten lassen, dass die alle von selbst gut laufen. Sich bei so einer Leitungsspanne vorzunehmen, jedem einzelnen gerecht zu werden, ist eine Hybris.

Faunus:

--- Zitat von: 2strong am 09.05.2025 11:37 ---Bei 100 MA ist das Aufgabenspektrum sicherlich auch nicht so heterogen wie bei Euch am Institut, aber 100 MA ohne wirksame Zwischenhierarchie ist halt auch ein Witz, zumal Qualifikation und Vergütungsgefüge jetzt auch nicht erwarten lassen, dass die alle von selbst gut laufen. Sich bei so einer Leitungsspanne vorzunehmen, jedem einzelnen gerecht zu werden, ist eine Hybris.

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K.A. wie Du beurteilen kannst, ob eine Aufgabenstellung mehr oder weniger heterogen ist... Institute verwalten sich schon mal selbst mit Nebenaufgaben wie z.B. unterschiedlichsten rechtl. Anforderungen (Körperschaft des öffentl. Rechts bis umsatzsteuerpflichtig),  Personalverwaltung mit Arbeitsschutz geht "etwas" über Büroarbeit raus...

Aber hier denke ich eher:  oberes Leitungsversagen!
Einem A13 ohne Zwischendecke 100 MA unterzujubeln....

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