Autor Thema: Erwartungshaltung Urteil zur amtsangemessenen Alimentation  (Read 29684 times)

Hobbyjurist

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Im Thread "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)" wird ja schon seit einigen Jahren und mehr als 1000 Seiten über die amtsangemessene Alimentation der Bundesbeamten diskutiert. Mich würde mal von euch interessieren, welche realistische Erwartungen ihr an das Urteil des BVerfG in Karlsruhe knüpft, das möglicherweise 2025 oder auch nicht kommen wird bzw. an die daraus folgenden Änderungen in der Besoldungsgesetzgebung.

Es wurde ja u.a. schon aufgeführt, was alles in die Berechnung der Mindestalimentation einbezogen werden muss. Auch wurde auf eine Anhebung der Grundgehälter in Größenordnungen um die 30 % gehofft. Aber welche Erhöhungen würdet ihr tatsächlich erwarten, wenn denn mal ein Urteil aus Karlsruhe kommt? Also so etwas wie die folgenden Beispiele:

- Anhebung aller Grundgehälter um ... bis ... % oder ... bis ... €
- nur Anhebung der Familienzuschläge, Grundgehälter bleiben im Wesentlichen gleich
- nur Anhebungen im einfachen und mittleren Dienst, der Rest bleibt gleich
- Anhebung bestimmter Beihilfesätze
- Etablierung komplizierter alimentativer Ergänzungszuschläge
- keine Änderungen erstmal für eine gewisse Zeit

Eukalyptus

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Das finanzielle Volumen möglicher Änderungen wird durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter des BVerfG oder in anderer Weise vor einem Urteil abgeschätzt werden. Das Urteil wird sich maßgeblich auch daran orientieren. Vom Ergebnis her erwarte ich keine fundamentalen Änderungen, da das BVerfG zu eng mit den politischen Eliten verknüft ist. Gleichwohl wäre ich interessiert daran, wie diese (nicht fundamentalen Änderungen) aussehen könnten. Mögen die Spekulationen beginnen.

PolareuD

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Eine Konkretisierung in welchen Verhältnis leistungslose und leistungsbezogene Besoldungskomponenten zu einander stehen.

Ansonsten habe ich nur eine Erwartungshaltung ggü. meinem Dienstherrn die Rechtsprechung des BVerfG rechtskonform umzusetzen und nicht weiterhin durch Herumtricksen die Rechtsstaatlichkeit zu unterlaufen.

emdy

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Im Speziellen erwarte ich genau die von PolareuD angesprochene Konkretisierung. Darüber hinaus erwarte ich, dass das BVerfG seiner fortgesetzten Missachtung in Form eines unmissverständlichen Beschlusses Rechnung trägt.

Und nun zu meiner Prognose. Der Bund wird die Rechtsprechung weiterhin ignorieren. Über akademische Debatten hinaus gibt es einfach keinerlei Druck. Es lohnt sich einfach viel zu sehr, die Verfassung zu brechen. Den Segen des Wahlviehs, die Kettensäge beim öffentlichen Dienst anzulegen, hat jede Regierung.

clarion

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Ich habe nur Hoffnungen, keine Erwartungen., und die Hoffnung ist auch relativ niedrig.

Knecht

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Auch ich erwarte keinen "großen Knall". Es wird weiter gemogelt und gelogen und alles ignoriert, was nicht ins eigene Weltbild passt. Pro forma wird man eine prozentuale Minimalerhöhung vornehmen und dafür wahrscheinlich auch noch die Übertragung des TV-Abschlusses ablehnen.

Man muss sich wohl entweder damit abfinden, dass die Regierung keinerlei Interesse an dem "Kleinvieh" hat (was ja angesichts der Vielen, die sich öffentlich noch überbezahlt fühlen fast verständlich ist), oder man sollte sich schnell umorientieren.

SGLBund

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Ja, sehr spannend wie man auf über 1.000 Seiten mehr oder weniger sinnlos zum Thema diskutieren kann. Ich persönlich erwarte gar nichts, zumindest dürfte ich wohl nicht davon haben. Sollte es irgendwann einmal anders kommen, wäre ich also schon positiv überrascht.

Knarfe1000

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Sollte das BVerfG die Regeln zur Alimentation enger fassen, denke ich schon, dass der Gesetzgeber handeln wird. Ob und wann eine solche Grundsatzentscheidung kommt? Keine Ahnung, vielleicht noch dieses Jahr, 2026 oder auch nie...

Falls ja, rechne ich mit einer MIschung aus Anhebung der Grundbesoldung in allen Besoldungsgruppen sowie Anpassung des Zuschlagssystems. Im Ergebnis je nach persönlicher Lebenssituation 5 - 12 % mehr.

EmmBea

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Da ich in absehbarer Zeit in Pension gehen werde, hoffe ich darauf, dass es da vielleicht eine nachträgliche Erhöhung geben wird.

BVerfGBeliever

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Und nun zu meiner Prognose. Der Bund wird die Rechtsprechung weiterhin ignorieren.

Ich wäre nicht ganz so pessimistisch. Schließlich ist es ja nicht so, dass die Besoldungsgesetzgeber gar nicht auf BVerfG-Urteile reagieren, sondern leider "nur" in falscher Weise. Swen hat dies unter anderem in seinem kürzlichen ZBR-Artikel (den ich jetzt endlich auch mal gelesen habe..;-) eindrücklich dargestellt:

- 2019, also VOR dem 2020er Urteil, lagen die Familienzuschläge für den kleinsten 4K-Beamten in den sechzehn Bundesländern zwischen 318 Euro und 483 Euro. Im Verhältnis zu den (leistungsbezogenen) Grundbesoldungen hatten diese (leistungslosen) Zuschläge einen Anteil zwischen 13,9% und 21,5%, so dass sie als "Nebenkomponenten" der Besoldung vermutlich verfassungsgemäß waren.

- 2024, also NACH dem 2020er Urteil, lagen die Familienzuschläge für den kleinsten 4K-Beamten hingegen plötzlich zwischen 539 Euro und 1.622 Euro. Der entsprechende Anteil im Verhältnis zur Grundbesoldung lag jetzt nicht mehr irgendwo im Bereich zwischen 15 und 20 Prozent, sondern teilweise bei bis zu 58,2% (!).


Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese "Interpretation" des 2020er Urteils absolut NICHT im Sinne der Karlsruher Verfass(ungsricht)er war. Somit erhoffe ich mir ebenfalls eine entsprechende Konkretisierung, um der "Kreativität" der Gesetzgeber Einhalt zu gebieten..

emdy

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Ich stimme dir in allen Aspekten zu, BVerfGBeliever. Nur betrachte ich eine falsche Umsetzung eben als Ignorieren der Rechtsprechung.

Und die Auswertung von Swen ist, in der Tat, eindrücklich. Wenn der Bund in tatsächlicher Form tätig wäre, d.h. ein Anpassungsgesetz mit entsprechender Anpassung der leistungslosen Besoldungsanteile verabschieden würde (mit Rückwirkung), dann würde ich darauf in meinem laufenden Verfahren entsprechend reagieren, also aufzeigen, dass das Verhältnis zwischen Grundgehalt und Zuschlägen in nicht verfassungskonform begründbarer Art verschoben wird.

Rollo83

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Ich erwarte gar keine Erhöhung egal was da aus Karlsruhe kommt.
Das wird einfach von der Bundesregierung nicht umgesetzt und fertig ist.
Wer wirklich noch an das Märchen der amtsangemessenen Allimentation glaubt der tut mir echt ein wenig leid.

PublicHeini

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Ich erwarte, dass das Gericht eine klare Vorgabe gibt und ggf. auch hier ein Vorschlag für eine neue Besoldungsstruktur, mit dem Ziel einer Manifestation des Binnenabstandsgebots.

BWBoy

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Was ich erwarte: Wenn das BVerfG der Überzeugung ist, dass meine Besoldung nicht verfassungskonform ist, so erwarte ich von meinem Dienstherrn, dass er diesen Missstand schnellstmöglich behebt und den mir entstandenen Schaden ausgleicht. Eben genauso wie er von mir erwarten kann, dass ich mögliche Missstände in der Ausübung meines Dienstes abstellen würde, wenn ich darauf hingewiesen werde. Nach einem derartigen Urteil untätig zu bleiben geht gar nicht.
Das Dienst- und Treueverhältnis beruht auf Gegenseitigkeit. Keiner von beiden Seiten lässt sich gerne verarschen.


Realität sieht dann aber so aus, dass während wir mit immer mehr Aufgaben zugeworfen werden, und womöglich bald dann die 42-Stunden-Woche eingeführt wird, bei uns natürlich ohne finanziellen Ausgleich, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und gleichzeitig noch Personal einzusparen, der Besoldungsgeber das BVerfG so lange wie eben möglich ignorieren und sich erst bewegen wird, wenn er wirklich alle Schlupflöcher und Tricksereien ausgeschöpft hat. Das sieht man bereits an den Fantastereien mit fiktivem Partnereinkommen und den Versuchen das Alimentationssystem mehr und mehr zu einem Sozialsystem für Bedürftige in einer Form besseren Bürgergelds umzubauen. Das in Verbindung mit dem PEK bei uns ist denke ich schon ein ziemlicher Motivationskiller für Nachwuchsbeamte. Zum Glück ist mein Aufgabenfeld sehr interessant, so dass ich meine Motivation dort herziehe.
Die gravierende Unterbesoldung motiviert mich jedenfalls nicht gerade  ::)

Durgi

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Das Dienst- und Treueverhältnis beruht auf Gegenseitigkeit. Keiner von beiden Seiten lässt sich gerne verarschen.

[...]

Die gravierende Unterbesoldung motiviert mich jedenfalls nicht gerade  ::)

Und genau das eröffnet dir zweifellos die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag auf unkomplizierte Weise zu beenden, um diesen Missstand nicht länger hinnehmen zu müssen.

Gerichte mögen weiterhin urteilen und Gremien mögen die amtsangemessene Alimentation bestätigen und befürworten. Doch wenn die finanziellen Mittel fehlen oder die Regierung die Bereitstellung dieser Mittel nicht als prioritär erachtet – unter bewusster Inkaufnahme von Motivationsverlust und einem Rückgang qualifizierter Bewerber – bleibt die Alimentation weiterhin unzureichend und nicht amtsangemessen. Dies geschieht unabhängig davon, wie vehement wir uns dagegen zu wehren versuchen.