Autor Thema: Statt generell einladen ausurteilen lassen  (Read 3634 times)

hullaupp

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Statt generell einladen ausurteilen lassen
« am: 16.05.2025 23:27 »
Servus,

unsere neue Personalleiterin möchte in Absprache mit der Dienstellenleitung zukünftig schwerbehinderte Bewerber nur noch einladen, wenn sie in ihrem Anschreiben oder Lebenslauf solche Wörter, Sätze, wie "Schwerbehinderung", "Ich bin schwerbehindert" ... schreiben.

Aktuell liegt eine Bewerbung einer schwerbehinderten Bewerberin vor, die im einseitigen Anschreiben geschrieben hat, "dass ich trotz 50 % nach dem Neunten Sozialgesetzbuch, immer alles gebe".

Lt. Personalleiterin hat die schwerbehinderte Bewerberin ihrer Ansicht und wohl auch nach der aktuellen Rechtsprechung nach, ihre Schwerbehinderung nicht ausreichend kundgetan, sodass dadurch die besonderen Pflichten eines öffentlichen Arbeitgebers ausgelöst werden. Sie meint: "Warum schreibt jemand so verschachtelt, wenn dieser jemand eingeladen werden möchte?". Ihrer Ansicht nach sind das alles AGG-Hopper.

Nun sind wir von der Personalabteilung und die SBV ein wenig naja geschockt.

Wir sehen auf uns eine Menge unnötige Arbeit zukommen und die SBV einen wahren Shitstorm, wenn sich das rumspricht.

Die Personalleiterin will solche Fälle notfalls bis zum LAG bringen und jede Formulierung ausurteilen lassen. Eine gütliche Einigung wird es mit ihr nicht geben und auch falls im Kammertermin die Kammer pro Bewerber urteilen sollte, sird dagegen vorgegangen.

Keiner kann sich erklären, wieso die Dienststellenleitung das mitmacht, unterstützt. Selbst, wenn es sich um AGG-Hopper handeln sollte, von denen ich noch nie etwas gesehen habe, was aber auch nichts bedeuten muss, lädt man die ein und entweder sie kommen oder eben nicht und man hat im schlimmsten Fall sehr viel Geld gespart.

Jetzt wollen wir uns mal zusammentun und nach entsprechenden Urteilen suchen, aus denen hervorgeht, dass Kläger mit solchen o. g. Formulierungen und ähnlichen eine Entschädigung erhalten haben, entweder von einem AG oder vllt sogar vom LAG zugesprochen bekommen haben.

Wir mussten nun aber feststellen, dass das wohl eine sinnbefreite Suche ist, da solche Urteile wohl in keiner Datenbank zu finden sind, oder?!

Darüber hinaus haben wir zwei Dinge gefunden bzw. waren bereits bekannt.

1. Wenn ein schwerbehinderter Bewerber entsprechende Pflichten beim AG aus dem ÖD auslösen möchte, muss die Schwerbehinderung angegeben werden und das wohl auch eindeutig. Ist o. g. Formulierung nun eindeutig oder zu verklausuliert, dass ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung nicht wissen kann, was damit gemeint ist?

2. Gibt es keine Rechtsvorschrift, aus der hervorgeht, wie man die Schwerbehinderung mitteilen muss.

2. widerspricht aber dann somit 1. und o. g. Formulierung würde doch ausreichen, oder?!

Habt Ihr vllt bitte irgendwelche Urteile, nach denen schwerbehinderte Bewerber, die eine etwas andere Formulierung gewählt haben, nicht eingeladen worden sind, geklagt haben und dann eine Entschädigung zugesprochen haben?

Wir wollen das sammeln und dann der Dienststellenleitung vorlegen und ihr darlegen, was das für Konsequenzen hätte.

Danke schon mal.

LG


clarion

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #1 am: 16.05.2025 23:59 »
Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. In den meisten Dienststellen würde man alle SB einladen, auch die ganz offensichtlich Ungeeigneten, um ja keine Entschädigung zu riskieren. Es bewerben sich schließlich auch nicht ständig zig schwerbehinderte Bewerber*innen.

hullaupp

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #2 am: 17.05.2025 00:12 »
Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. In den meisten Dienststellen würde man alle SB einladen, auch die ganz offensichtlich Ungeeigneten, um ja keine Entschädigung zu riskieren. Es bewerben sich schließlich auch nicht ständig zig schwerbehinderte Bewerber*innen.

Das dachten und denken wir auch.

Und es lief auch gut so.

Wir können nicht erahnen, was da die Personalleiterin der Dienststellenleitung verklickert haben muss.

Hast Du evtl. bitte solche Beispiele? Vllt gibts davon sehr viele, nur die werden ja idR nicht veröffentlicht.

Vorher haben wir sogar eingeladen, wenn jemand 50 % MdE hat.




FGL

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #3 am: 17.05.2025 00:44 »
Aktuell liegt eine Bewerbung einer schwerbehinderten Bewerberin vor, die im einseitigen Anschreiben geschrieben hat, "dass ich trotz 50 % nach dem Neunten Sozialgesetzbuch, immer alles gebe".
Wer den GdB für eine Prozentangabe hält, ist offenkundig ungeeignet. Egal für welche Tätigkeit.

hullaupp

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #4 am: 17.05.2025 00:49 »
Aktuell liegt eine Bewerbung einer schwerbehinderten Bewerberin vor, die im einseitigen Anschreiben geschrieben hat, "dass ich trotz 50 % nach dem Neunten Sozialgesetzbuch, immer alles gebe".
Wer den GdB für eine Prozentangabe hält, ist offenkundig ungeeignet. Egal für welche Tätigkeit.

Danke fürs OT.

Was meinste, wie viele noch immer % statt GdB sagen, auch bei uns im Hause von Leuten, die das besser wissen sollten. Ist noch immer normaler Sprachgebrauch. Und dann soll das einer schwerbehinderten Bewerberin negativ ausgelegt werden? xD

FGL

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #5 am: 17.05.2025 00:57 »
Was meinste, wie viele noch immer % statt GdB sagen, auch bei uns im Hause von Leuten, die das besser wissen sollten. Ist noch immer normaler Sprachgebrauch. Und dann soll das einer schwerbehinderten Bewerberin negativ ausgelegt werden? xD
Nicht zu vergessen: Als Kündigungsgrund für die unfähigen Leute in Eurem Haus.

hullaupp

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #6 am: 17.05.2025 06:59 »
Was meinste, wie viele noch immer % statt GdB sagen, auch bei uns im Hause von Leuten, die das besser wissen sollten. Ist noch immer normaler Sprachgebrauch. Und dann soll das einer schwerbehinderten Bewerberin negativ ausgelegt werden? xD
Nicht zu vergessen: Als Kündigungsgrund für die unfähigen Leute in Eurem Haus.

Ich gehe da jetzt mal nicht weiter drauf ein. :-/

Rowhin

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #7 am: 17.05.2025 09:51 »
Tatsächlich gibt es Urteile, die leider in Richtung deiner neuer Personalleiterin gehen, siehe z.B. dieses BAG Urteil:

Zitat
Weist ein Bewerber nicht klar darauf hin, dass er schwerbehindert ist, kann er sich nicht auf Schutzvorschriften des SGB IX berufen. Selbst wenn er sich kurz zuvor beim selben Arbeitgeber bereits als Schwerbehinderter vorgestellt hat, erhält er keine Entschädigung, entschied nun das BAG.

Wie explizit dieser Hinweis sein muss, da greift wahrscheinlich wieder der übliche Juristenspruch: "kommt drauf an".

Rowhin

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #8 am: 17.05.2025 10:10 »
Anderes Urteil, in dem folgende Angabe im Bewerbungsschreiben wohl gereicht hat:

Zitat
Auch die Tatsache, dass ich schwerbehindert bin, ist keinesfalls ein Indiz dafür, dass ich unfähiger bin als andere, eine gute Arbeit abzuliefern.

Zitat
(1) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin der Beklagten ihre Schwerbehinderung ordnungsgemäß mitgeteilt, indem sie in ihrer Bewerbungs-E-Mail vom 26. November 2017 deutlich darauf hingewiesen hat. Insoweit hat sie nämlich angeführt, dass auch ihre Schwerbehinderung keinesfalls ein Indiz dafür sei, dass sie unfähiger sei als andere, gute Arbeit zu leisten.

Könnte also wirklich sein, dass hier anhand konkreter Wörter wie schwerbehindert entschieden wird.

MoinMoin

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #9 am: 17.05.2025 11:09 »
Sachen gibt es, die gibt es gar nicht. In den meisten Dienststellen würde man alle SB einladen, auch die ganz offensichtlich Ungeeigneten, um ja keine Entschädigung zu riskieren. Es bewerben sich schließlich auch nicht ständig zig schwerbehinderte Bewerber*innen.

Das dachten und denken wir auch.

Und es lief auch gut so.

Wir können nicht erahnen, was da die Personalleiterin der Dienststellenleitung verklickert haben muss.

Hast Du evtl. bitte solche Beispiele? Vllt gibts davon sehr viele, nur die werden ja idR nicht veröffentlicht.

Vorher haben wir sogar eingeladen, wenn jemand 50 % MdE hat.
Also wo ist da für euch das Problem:
Man weißt darauf hin, dass man da eine andere Rechtsmeinung hat, ggfls. unterfüttert mit den urteilen die man dazu findet, und gut ist.
Und dann muss sich diese Personalleiterin halt eine blutige Nase holen oder Glück haben.

Wir hatten zuletzt auch diverse SBler, die wir eingeladen haben, obwohl sie ziemlich ungeeignet waren und wie erwartet sind sie dann nicht zum Gespräch erschienen.
In diesem Monat:
6 eingeladen 1 gekommen, 1 erkrankt und bei dem 2. Termin nicht erschienen und 2 haben artig abgesagt und 2 ohne Meldung
Nervig, aber so what.

Tiffy

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #10 am: 17.05.2025 11:52 »
Schon irgendwie drollig. Da wird sich zunächst maßlos über die neue Personalchefin aufgeregt, weil man sich offenbar als moralisch überlegene Instanz ansieht, und wenn man dann nur Urteile oder Quellen findet, die die Personalchefin bestätigen, probiert man es mit der schwer angesagten Realitätsverweigerung...

hullaupp

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #11 am: 17.05.2025 20:03 »
Schon irgendwie drollig. Da wird sich zunächst maßlos über die neue Personalchefin aufgeregt, weil man sich offenbar als moralisch überlegene Instanz ansieht, und wenn man dann nur Urteile oder Quellen findet, die die Personalchefin bestätigen, probiert man es mit der schwer angesagten Realitätsverweigerung...

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #12 am: 17.05.2025 22:09 »
Ich setze mich, wenn ich nicht muss, sicherlich keinen halben Tag hin und gucke mit Schwerbehinderte an, die ich nicht einstellen will. Ob ich das muss, hängt ausschließlich davon ab, ob sie die harten Einstellungsvoraussettungen erfüllen.

Den Verweis auf 50% nach SGB IX halte ich allerdings für ausreichend. Man schreibt schließlich nicht Tante Erna an, sondern (mit Eurer Personalabteilung) einen fachkundigen Dritten. Hier verkämpft sich Deine Vorgesetzte m. E. an der falschen Stelle.

Rheini

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #13 am: 18.05.2025 17:58 »
Warum macht Ihr das nicht so wie von der Dame gewünscht?

hullaupp

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Antw:Statt generell einladen ausurteilen lassen
« Antwort #14 am: 18.05.2025 18:30 »
Warum macht Ihr das nicht so wie von der Dame gewünscht?

Das werden wir erst einmal natürlich. Aber wir haben leider die Erfahrung, dass ein Fall einer Klage auf Entschädigung einen Haufen Mehrarbeit ist, den man nicht hätte, wenn man einfach alle einlädt, die auch nur im Entferntesten einzuladen sind

Oder meinste, einfach so machen, Lehren ziehen und die die Personalleiterin ist nicht lange Personalleiterin? ;-)