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Alimentation in Baden-Württemberg (2017–2025) Chronologisch

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2017/2018: Besoldungsanpassung und Ende der Eingangsbesoldungsabsenkung

Im Jahr 2017 vereinbarte die Landesregierung unter Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) mit dem Beamtenbund (BBW) und dem Richterbund die Übertragung des Tarifergebnisses 2017/2018 auf die Landesbeamten  . Der Landtag beschloss daraufhin das Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2017/2018 (BVAnpGBW 2017/2018) am 25. Oktober 2017 . Kernpunkte waren: eine lineare Erhöhung um 2,0 % zum 1. März 2017 und um 2,675 % zum 1. Juli 2018 (inklusive eines strukturellen „BW-Bonus“ von 0,325 % in 2018) sowie mindestens 75 € mehr für Besoldungen unter 3.750 € . Zudem wurde die abgesenkte Eingangsbesoldung, die für Berufsanfänger seit 2013 gegolten hatte, zum 1. Januar 2018 vollständig zurückgenommen . Sitzmann betonte, man sende „ein deutliches Zeichen“ für einen attraktiven öffentlichen Dienst und schaffe mit dem BW-Bonus einen langfristigen Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte . Diese Maßnahmen wurden von den Gewerkschaften begrüßt; der BW-Bonus sei einzigartig in Deutschland und die Rücknahme der Eingangsbesoldungsabsenkung galt als wichtiges Signal zur Nachwuchsgewinnung  .

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2019–2021: Übertragung des Tarifergebnisses und Besoldungsanpassungsgesetz

Nach der Lohnrunde für den öffentlichen Dienst der Länder 2019 kündigte Finanzministerin Sitzmann am 5. März 2019 an, das Tarifergebnis vom 2. März 2019 zeitgleich und systemgerecht auf die Beamtenschaft des Landes zu übertragen . Konkret schlug sie vor, die Besoldung rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 3,2 % zu erhöhen, zum 1. Januar 2020 nochmals um 3,2 % und zum 1. Januar 2021 um 1,4 % . Diese Schritte wurden im BVAnpGBW 2019/2020/2021 umgesetzt (Gesetz vom 15. Oktober 2019) . Damit übernahm Baden-Württemberg den Tarifabschluss für Angestellte vollständig und zeitgleich auf die Beamtenbesoldung . Sitzmann zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis und hob hervor, dass so alle Beschäftigten gleichermaßen am Tarifabschluss teilhaben . Kritik an diesem Besoldungsgesetz gab es seinerzeit kaum, da die Übertragung 1:1 erfolgte. Vielmehr wurde die erneute Angleichung an den Tarifabschluss als wichtig für die Motivation und Gleichbehandlung der Landesbeamten gesehen .

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2020: Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation (Urteil vom 4. Mai 2020)

Am 4. Mai 2020 ergingen zwei wegweisende Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17) zur amtsangemessenen Alimentation der Beamten. Darin präzisierte das Gericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe: Insbesondere müsse das Gesamtfamilieneinkommen eines Beamten – unabhängig von einem zweiten Einkommen des Partners – so bemessen sein, dass ein Mindestabstand von 15 % zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum (Grundsicherung) gewahrt bleibt  . Die Berücksichtigung von Kindern in der Besoldung sei „kein Beamtenprivileg, sondern Inhalt der geschuldeten Alimentation“, betonte das Gericht . Zudem wurde klargestellt, dass der Gesetzgeber bei der Besoldung das sogenannte Abstandsgebot als hergebrachten Grundsatz beachten muss  . Dieses Abstandsgebot gilt doppelt: nach unten (zu Hartz IV bzw. dem Bürgergeld, +15 %) und zwischen den Besoldungsgruppen entsprechend dem Leistungsprinzip  . Baden-Württemberg stand damit – wie alle Länder – vor der Aufgabe, sein Besoldungsrecht an diese Vorgaben anzupassen. Noch 2020 signalisierte das Finanzministerium, die Karlsruher Entscheidungen sorgfältig auszuwerten und in Landesrecht umzusetzen. Konkrete Maßnahmen wurden allerdings erst nach der Landtagswahl 2021 eingeleitet.

(Anmerkung: Das BVerfG-Urteil vom 4. Mai 2020 betraf Fälle aus Berlin und Nordrhein-Westfalen, hat aber bundesweit Maßstäbe gesetzt. Es erklärte u.a., dass Familien mit mehreren Kindern in unteren Besoldungsgruppen in den Jahren 2009–2015 unteralimentiert waren. )

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2021: Weichenstellung für verfassungskonforme Besoldung – Vier-Säulen-Modell

Nach der Landtagswahl 2021 übernahm Danyal Bayaz (Grüne) das Amt des Finanzministers. Unter seinem Vorsitz startete Baden-Württemberg einen Reformprozess, um die Besoldung „verfassungskonform“ im Sinne der BVerfG-Vorgaben zu gestalten . Am 20. Dezember 2021 kündigte Bayaz gemeinsam mit BBW-Chef Kai Rosenberger an, bereits 2022 ein umfassendes Besoldungsreformgesetz vorzulegen  . In Videokonferenzen mit Beamtenbund und Richterbund wurde der Plan eines „Vier-Säulen-Modells“ erörtert :
   •   Anhebung der Eingangsämter: Alle Beamten des einfachen und mittleren Dienstes sollten ab Dezember 2022 um eine Besoldungsgruppe höher eingestuft werden (A 6→A 7, A 7→A 8 usw.) . Dies zielte darauf ab, insbesondere die unteren Einkommensgruppen zu stärken und den Abstand zur Grundsicherung zu wahren.
   •   Erhöhung der Familienzuschläge: Ausgehend von Besoldungsgruppe A 7 bis A 14 sollten die kinderbezogenen Familienzuschläge für das erste und zweite Kind spürbar steigen – mit degressiver Ausgestaltung bei höheren Besoldungsgruppen . Über alle Besoldungsgruppen hinweg sollte zudem der Zuschlag für das dritte und jedes weitere Kind erhöht werden, um kinderreiche Beamtenfamilien besserzustellen .
   •   Rücknahme von Besoldungskürzungen: Die 2013 eingeführte Absenkung des Beihilfebemessungssatzes (Eigenbeteiligung bei der Krankenversorgung) sollte wieder aufgehoben werden  . Dies entsprach einer langjährigen Forderung des BBW und diente der Attraktivität des Dienstes.
   •   Strukturreform der Erfahrungsstufen: Geplant war auch eine Neustrukturierung der Stufen in den Besoldungstabellen (Streichung der untersten Stufen), um eine „Stauchung“ der Tabelle zu vermeiden und langfristig dem Leistungsprinzip besser Rechnung zu tragen  .

Bayaz’ Amtschef Jörg Krauss erläuterte, man werde diese Änderungen im Frühjahr 2022 ins Gesetzgebungsverfahren bringen und bis Herbst 2022 abschließen  . Der BBW begrüßte diese Vorhaben ausdrücklich als „überwiegend positiv“, da viele ihrer Forderungen – auch aus dem Gutachten Färber 2017 – endlich aufgegriffen würden  . Allerdings monierte Rosenberger, dass im Vier-Säulen-Modell der höhere Dienst (BesGr A 13+/R ang.) zunächst unberücksichtigt bleibe . Durch die pauschale Anhebung der unteren Ämter ohne Anpassung oben drohe eine übermäßige Nivellierung („Stauchung“) zum Nachteil der höheren Besoldungsgruppen  . Dieses Spannungsfeld zwischen Alimentationsprinzip und Leistungsprinzip wurde schon früh diskutiert. Das Finanzministerium versicherte jedoch, man habe die hergebrachten Abstandsgebote im Blick und werde verfassungskonforme Lösungen finden  .

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2022: Umsetzung der Karlsruher Vorgaben – BVAnp-ÄG 2022 (Vier-Säulen-Gesetz)

Am 15. November 2022 verabschiedete der Landtag das Besoldungs- und Versorgungsanpassungsänderungsgesetz 2022 (BVAnp-ÄG 2022), mit dem das Vier-Säulen-Modell realisiert wurde (Inkrafttreten zum 1. Dezember 2022). In der Praxis bedeutete dies: Alle Beamten des ehemaligen mittleren Dienstes (BesGr A 7 bis A 11) wurden zum 1. Dezember 2022 automatisch eine Besoldungsgruppe höher eingestuft . Dies brachte jährlich +2000 bis 3000 € für Betroffene und verbesserte vor allem die Bezahlung von Vollzugsbeamten, Polizei- und Finanzbeamten deutlich . Gleichzeitig wurden die Familienzuschläge angepasst: Für das erste und zweite Kind erhielten Beamte in den Besoldungsgruppen A 7 bis A 14 künftig spürbar höhere Zuschläge (allerdings mit abnehmender Höhe in den höheren Stufen) . Der Zuschlag für das dritte und jedes weitere Kind wurde in allen Besoldungsgruppen zum 1. Januar 2023 und erneut zum 1. Januar 2024 angehoben  – dies ausdrücklich zur Umsetzung eines BVerfG-Beschlusses vom 4. Mai 2020, der eine bessere Alimentation ab dem dritten Kind eingefordert hatte . Darüber hinaus wurde die 2013 vorgenommene Kürzung der Beihilfe (50 %→50 %/Beihilfesatz) wieder rückgängig gemacht  .

Offizielle Begründung: Die Landesregierung erklärte, mit diesen umfassenden strukturellen Änderungen werde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprochen und eine amtsangemessene Alimentation – insbesondere der unteren Besoldungsgruppen und kinderreicher Familien – sichergestellt . Finanzminister Bayaz sprach von einem wichtigen Schritt, um die Besoldung „verfassungskonform zu gestalten“ und den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels (sinngemäß wiedergegeben).

Reaktionen: Der BBW bewertete das 4-Säulen-Paket positiv: „In der Gesamtschau überwiegen die positiven Aspekte“, so Rosenberger . Besonders gelobt wurden die Hebung der unteren Besoldungsgruppen und die erhöhten Familienzuschläge, die viele Jahre geforderte Verbesserungen endlich realisierten  . Gleichzeitig kritisierten Verbände aber die ausgelassene Anpassung im höheren Dienst. Der Deutsche Richterbund (DRB) sowie Gewerkschaften wie der Lehrerverband GEW warnten, die Reform könnte in Teilen verfassungswidrig sein, da sie zwar unten stark anhebt, aber oben nichts verändert. Dadurch entstehe eine „Stauchung“ der Besoldungstabelle, welche das Leistungsprinzip verletzt und zu einer Unteralimentierung der Besoldungsgruppen A 13/A 14 und R 1 ff. führen könne  . Der DRB BW verwies auf das BVerfG, wonach Besoldungserhöhungen in unteren Gruppen „im Grundsatz auch auf die höheren Besoldungsgruppen durchschlagen müssen“  . Trotz solcher Bedenken äußerten DGB und BBW in der Anhörung zum Gesetz zunächst keine formellen Verfassungsbedenken und begrüßten die Reform „bei aller Detailkritik“ . Allerdings kündigten einzelne Verbände schon Ende 2022 an, die Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen.

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