Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H > TVöD Kommunen
Berufsbetreuer -> Einschätzung
Imiak:
--- Zitat ---In unserem Landkreis sind die Fachkräfte der Betreuungstelle mit Sue S14 eingruppiert.
--- End quote ---
Dann haben sie Glück, denn das dürfte falsch sein. Das sehen die meisten Kollegen in den Behörden naturgemäß anders, aber ich bin da nicht überzeugt.
Ich zitiere mal die Beschreibung von S14:
"Sozialarbeiterinnen / Sozialarbeiter / Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung sowie Heilpädagoginnen / Heilpädagogen mit abgeschlossener Hochschulbildung und – soweit nach dem jeweiligen Landesrecht vorgesehen – mit staatlicher Anerkennung mit jeweils entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Betreuungsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind."
In S14 steht nur deswegen in der Beschreibung "Betreuungsgericht" weil es das "Vormundschaftsgericht" nicht mehr gibt und meines Wissens nun die Betreuungsgerichte auch Unterbringungen nach den jeweiligen PsychKGs der Länder bearbeiten. Selbst leitet die Betreuungsbehörde weder irgendwelche "Maßnahmen zur Gefahrenabwehr" ein und schon gar nicht entscheidet die Betreuungsbehörde im Zusammenhang mit Unterbringungen irgendetwas. Sie setzt nur Entscheidungen anderer um. Ich sehe das Merkmal daher nicht als erfüllt an.
Das ist im Übrigen auch bei Vereinsbetreuern (da allerdings im Bereich des AVR, weil das ja häufig kirchliche Träger) schon öfter mal von den kirchlichen Arbeitsgerichten entschieden worden. Für S14 hat es da auch bisher nie gereicht. Weiß aber nicht, ob das noch so ist.
--- Zitat ---Des Weiteren arbeiteten dort zu meiner Zeit (ca. fünf Jahre her) gut zur Hälfte Personen, die vorher als Vereins- oder Berufsbetreuer tätig waren. Der Wechsel erfolgte aus nachvollziehbaren Gründen (viel Verantwortung, wenig Geld) und zumindest diese Sozpäds fürchteten die Übernahme von gesetzlichen Betreuungen tatsächlich.
--- End quote ---
Ich nicht. Und deine ehemaligen Kollegen haben da vielleicht noch nicht richtig darüber nachgedacht oder damit beschäftigt, was "Behördenbetreuung" tatsächlich bedeutet.
Ich war tatsächlich ebenfalls mal selbst Vereinsbetreuer, aber fürchten tun die Behördenbetreuung bei meiner Behörde eher die noch nie als Betreuer tätig gewesenen Kolleginnen. Wenn ich überhaupt noch mal Betreuungen führe, dann nur als Betreuungsbehörde (Nur als Behörde! Nicht als persönlich bestellter "Behördenbetreuer"!). Das hat einige nette Erleichterungen, die ein "normaler" Berufsbetreuer nicht hat.
Mit bekloppten Anweisungen der Rechtspfleger beim Amtsgericht etwa kann man sich die Wände tapezieren, denn sie haben kein echtes Druckmittel. Gegen die Behörde kann man kein Zwangsgeld festsetzen. Mit "Entlassung" drohen ist auch nicht. Da muss auch der Rechtspfleger sich dann beim Vorgesetzten beschweren. Oder bei der kommunalen Rechtsaufsicht. Viel Vergnügen.
Dazu gehört die Behörde auch zu den befreiten Betreuern (u.a. keine Rechnungslegungspflicht) und den Kostendruck mit Fallzahlquoten und dergleichen gibt es da natürlich ebenfalls nicht. Vertretungsschwierigkeiten auch nicht, denn die Behörde bleibt ja auch im Urlaub/Krankheit selbst Betreuer. Ist dann deren Problem.
--- Zitat ---Bis 2023 war es ja sogar möglich, dass ich als Schuhverkäufer (nichts gegen Schuhverkäufer, die Schuhe verkaufen!) mit abgeschlossener Ausbildung in die mittlere Verg.Stufe eingruppiert wurde.
--- End quote ---
Nicht so ohne weiteres. Bis 2023 musste man für die beiden höheren Vergütungsstufen eine Ausbildung/Studium mit "für die Betreuung verwertbaren Kenntnissen" vorweisen können. Das war zwar reichlich uneindeutig und ist mit den Jahren durch Rechtsprechung genauer festgelegt und damit teilweise allerdings auch uneinheitlich und etwas willkürlich gehandhabt worden, aber irgendeinen Bezug musste man schon herstellen können.
Der Schuhverkäufer aus deinem Beispiel ist wohl i.d.R. (man mag mich korrigieren) ein Einzelhandelskaufmann. Da wurde dann oft bei Gericht angenommen, dass diese "kaufmännischen" Kenntnisse verwertbar sind. Von daher hätte man dem häufig vermutlich tatsächlich die mittlere Stufe zugesprochen.
Ich kann mich an eine Entscheidung erinnern, in der diese Kenntnisse einem Tierarzt nicht zugesprochen wurden. Einem Theologen aber schon. Ganz nachvollziehbar war das nicht immer.
Die Reform hatte da eigentlich einen weniger nachvollziehbaren Effekt: Jetzt ist es ja so, dass jeder der irgendwie den Sachkundenachweis beibringt und registriert wird, automatisch in der Vergütungsstufe landet, die seinem höchsten Abschluss entspricht, egal was das für einer ist. Tierärzte oder Maschinenbauingenieure mit der höchsten Vergütungsstufe könnte es jetzt also geben.
Ob das im Sinne des Erfinders ist, kann man auch in Frage stellen.
Dass man auf Seite des Gesetzgebers übrigens zögert, die Anforderungen zu hoch zu schrauben, hängt u.a. auch mit dem Vorrang des Ehrenamts zusammen. Wenn man annehmen würde, dass nur total spitzenmäßig qualifizierte Menschen berufliche Betreuungen führen können, wäre dieser Vorrang immer schwerer begründbar, denn die Grundannahme ist nach wie vor, dass wer seine eigenen Angelegenheiten regeln kann, das auch für einen anderen Menschen tun kann.
Das Durchschnittsalter "unserer" Berufsbetreuer liegt bei 55,3. Nachwuchs kommt nur sporadisch und ist in der Regel auch schon jenseits der 50. Die Behördenbetreuung wird kommen, das ist nur eine Frage der Zeit. Noch allerdings bilden sich unsere Kreisoberen ein, dass sie dem Gericht dann einfach mitteilen können, dass wir das nicht machen werden, weil kein Personal dafür da ist. Dass das Gericht das nicht zu interessieren braucht, kommt da nicht so richtig an. Ich bin gespannt.
Fettschwanzmaki:
Danke für Deine detaillierten Ausführungen, dazu ein paar abschließende Gedanken meinerseits:
S 14, denn sie leiten ja Maßnahmen ein (Anruf bei der POL). Vollkommen unerheblich, ob sie das entscheiden, einleiten reicht doch vollkommen aus.
Die Tätigkeit als Berufsbetreuer ist mittlerweile sehr komplex und es wird in der näheren Zukunft höchstwahrscheinlich nicht einfacher oder besser werden. Hohe bürokratische Anforderungen (Heimplatz, Kostenübernahme, GruSi etc.), Wegfall familiärer Strukturen, Individualisierung, nicht ausreichend verhandene Pflegeplätze/amb. Pflegedienste, Zunahme psychischer Erkrankungen durch die Forenteilhabe, hausärztliche Versorgung, neue, sehrsehr klug durchdachte Gesetze, komplett durchgeknallte betreute Personen, Systemversagen auf psychiatrischen Stationen bzw. nicht deutschsprachige Psychiater usw. usf.
Nur zum Verständnis: mir ist vollkommen egal, ob ein kasachischer Chirurg mir den Blinddarm rausnimmt, aber wenn ich einen an der Murmel habe, möchte ich mich schon verständlich machen können. Mein Wahn ist schließlich exklusiv.
Meine Prognose:
Das System der Berufsbetreuung wird uns, ähnlich der Pflegeversicherung in den nächsten 10 bis 15 Jahren, um die Ohren fliegen. Das Blöde dabei ist, dass ich gerade dann Gefahr laufe, selbst pflegebedürftig zu werden. Vllt. auch erst in 20 Jahren, aber das hat man ja nicht zu 100 % in der eigenen Hand.
Naja, irgendetwas ist ja immer...
Imiak:
--- Zitat ---S 14, denn sie leiten ja Maßnahmen ein (Anruf bei der POL). Vollkommen unerheblich, ob sie das entscheiden, einleiten reicht doch vollkommen aus.
--- End quote ---
Vorsicht, in diesem Teil steht ein "und":
"...die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Betreuungsgericht Maßnahmen einleiten..."
D.h. beides muss erfüllt sein - die Entscheidung und die Einleitung von Maßnahmen. Der erste Teil bezieht sich aber auch nur auf die Tätigkeit im Allgemeinen Sozialen Dienst, denn um das "Kindeswohl" kann es in der Betreuungsbehörde nie gehen.
Der zweite Teil - nach dem "oder" - ist der einzige der eventuell passt:
...mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind."
Da fehlt das "Maßnahmen einleiten". An der Entscheidung ist die Betreuungsbehörde - wie du ja auch korrekt sagst - nicht beteiligt. Und "gleichwertig" mit dem ASD ist das schon mal gar nicht, denn der muss ja tatsächlich selbst solche Entscheidungen treffen.
Eigentlich ist der entscheidende Punkt bei S14 die Garantenstellung. Und die hat die Betreuungsbehörde m.E. nicht. Selbst bei einer Behördenbetreuung wäre das nicht eindeutig, denn auch ein Betreuer hat in der Regel keine Garantenstellung für seine Betreuten. Da gibt es zwar Ausnahmen, die hängen aber stark vom angeordneten Aufgabenkreis ab und nach der Reform von 2023 wird das vermutlich noch seltener sein, da u.a. der Aufgabenbereich "Alle Angelegenheiten" nicht mehr zulässig ist.
Was deine restlichen Ausführungen angeht: Das sehe ich genauso. Das gilt in gewissem Ausmaß im Übrigen für fast das gesamte Gesundheits- und Sozialsystem.
Fettschwanzmaki:
Ich müsste genauer nachdenken und nachlesen - beides fällt mir schwer.
Die Garantenstellung gilt doch nur bis zur Volljährigkeit. Eine gesetzliche Betreuung kann nur ab 18 Jahre eingerichtet werden, davor wäre es ja eine "Vormundschaft". Falls ich nicht irre, schließt sich das also so oder so automatisch aus.
Ich habe keine Ahnung, warum die Fachkräfte in der Betreuungsbehörde mit S14 eingruppiert sind bzw. wurden.
Aus meiner Sicht sind sie ohnehin überzahlt (falsch eingruppiert) und sie können, bis auf wenige "Spitzenzeiten", so ganz nebenbei ganz hervorragend rumpimmeln. Im Rahmen der C-Pandemie mussten diese Kräfte richtig arbeiten [Stichwort "Nachverfolgung"; (shit, ich hatte es fast erfolgreich verdrängt)], das war schon nicht einfach!
Imiak:
--- Zitat von: Fettschwanzmaki am 11.09.2025 19:42 ---Die Garantenstellung gilt doch nur bis zur Volljährigkeit. Eine gesetzliche Betreuung kann nur ab 18 Jahre eingerichtet werden, davor wäre es ja eine "Vormundschaft". Falls ich nicht irre, schließt sich das also so oder so automatisch aus.
--- End quote ---
Nicht ganz. Eine Art Garantenstellung kann sich auch bei einer Betreuung ergeben - nämlich dann, wenn den Betreuer auch eine Aufsichtspflicht trifft. Das war früher bei den Betreuungen mit "allen Angelegenheiten" tatsächlich so und wäre vermutlich immer noch der Fall, wenn eine Betreuung irgendwie die gesamte Personensorge enthält. Das ist nicht ausdrücklich verboten, wird aber vermutlich nur noch sehr selten vorkommen.
In der Praxis ist das selten relevant, denn natürlich ist das bei einem Erwachsenen schwierig umzusetzen.
--- Zitat ---Ich habe keine Ahnung, warum die Fachkräfte in der Betreuungsbehörde mit S14 eingruppiert sind bzw. wurden.
--- End quote ---
Wenn das so ist, wie ich das großteils kenne, dann handelt es sich vielleicht um "ausgebrannte" ASD-Kräfte, die vorher in S14 waren und denen man das gelassen hat. Die Tätigkeit selbst gibt S14 jedenfalls nicht her, da bleibe ich dabei.
Navigation
[0] Message Index
[*] Previous page
Go to full version