Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 46574 times)

Böswilliger Dienstherr

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RN 70:
Das Bundesverfassungsgericht geht – jedenfalls auf der Grundlage des vom Berliner Besoldungsgesetzgeber für den Prüfungszeitraum gewählten Besoldungsmodells – grundsätzlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Besoldung so bemessen wollte, dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen – etwa einer Nebentätigkeit oder der Erwerbstätigkeit des Ehegatten – bedarf (vgl. BVerfGE 155, 1 <24 Rn. 47>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <189>).



Wie ist das für Bundesländer zu bewerten, die ein Partnereinkommen eingeführt haben?

Diejenigen die ein Partnereinkommen eingeführt haben wollten eben die Besoldung nicht mit diesem Gedanken wie oben genannt bemessen. Mehr nicht.

Knarfe1000

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Das klingt erst mal sehr gut, wobei naturgemäß auch recht komplex/kompliziert. Nach meiner ersten Einschätzung ist die "lange Leine" für den Gesetzgeber (weiter Gestaltungsspielraum) deutlich gekürzt worden. Die Mindestbesoldung unterliegt neuen Parametern und das Abstandsgebot (amtsangemessene Besoldung) ist auch fortentwickelt und präzisiert worden. Dass in 95 % der Fallkonstellationen eine Unteralimentation GEGEBEN ist, war zwar zu erwarten. Dass aber so deutlich im Urteil zu lesen, ist schon bemerkenswert.

GeBeamter

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RN 70:
Das Bundesverfassungsgericht geht – jedenfalls auf der Grundlage des vom Berliner Besoldungsgesetzgeber für den Prüfungszeitraum gewählten Besoldungsmodells – grundsätzlich davon aus, dass der Gesetzgeber die Besoldung so bemessen wollte, dass eine vierköpfige Familie durch einen Beamten als Alleinverdiener amtsangemessen unterhalten werden kann, ohne dass es weiterer Einkommensquellen – etwa einer Nebentätigkeit oder der Erwerbstätigkeit des Ehegatten – bedarf (vgl. BVerfGE 155, 1 <24 Rn. 47>; Blackstein/Diesterhöft, in: Müller/Dittrich, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 6, 2022, S. 153 <189>).

Das ist zunächst einmal nur eine Feststellung, was konkret Berlin der Prüfung als Annahme zugrunde gelegen hat. Ein klares Orbiter dictum ist das nicht.
Wohl aber ein, für mich, verstecktes in RN 68. Denn bei der Prüfung, ob die mindestalimentation 80% des Median-Äquivalenzeinkommens erzielt, ist durch die Wahl dieses Parameter bereits Einspar- und Syergieeffekte einer familiären Konstellation eingepreist. Ich gehe davon aus, dass dadurch eine erneute Einbeziehung eines Einkommens innerhalb der Familie als "Doppelbuchung" ausgeschlossen ist.

Wie ist das für Bundesländer zu bewerten, die ein Partnereinkommen eingeführt haben?

qou

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RN 92:
Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bezogen auf die Art und Weise, wie er bei der Festsetzung der Bezüge dem Gebot der Mindestbesoldung Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere – wenn auch in gewissen Grenzen, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend konkretisiert worden sind – auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht.


Jetzt bin ich überzeugt, dass die freie Heilfürsorge für Beamte kommt. Dadurch wird das Grundgehalt nicht erhöht und damit fällt jede zukünftige %-Erhöhung niedriger aus. Auch die Ruhegehaltsfähigen Beträge sind dann natürlich geringer für den DH.

Böswilliger Dienstherr

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Weil wir die Tage auch die Diskussion hatten, der DH könnte ja einfach die Beihilfe erhöhen steht in

RN 71

folgendes:

"... Ermittlung des Nettoeinkommens sind die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienst-
herrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen. Ge-
währt der Dienstherr freie Heilfürsorge oder erhöht er den Beihilfesatz, wirkt sich dies auf
die Höhe des Nettoeinkommens aus (vgl. BVerfGE 140, 240 <286 f. Rn. 94>; 155, 1 <36 f.
Rn. 76>). Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern. Dabei ist auch die Absetz-
barkeit der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Hinzuzurech-
nen ist das Kindergeld (vgl. BVerfGE 99, 300 <315, 321>; 155, 1 <38 Rn. 79>)."

Böswilliger Dienstherr

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𝐴𝑏𝑤𝑒𝑖𝑐ℎ𝑢𝑛𝑔 =

(𝑇𝑎𝑟𝑖𝑓𝑙𝑜ℎ𝑛𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥)− (𝐵𝑒𝑠𝑜𝑙𝑑𝑢𝑛𝑔𝑠𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥)

/ (𝑇𝑎𝑟𝑖𝑓𝑙𝑜ℎ𝑛𝑖𝑛𝑑𝑒𝑥)

∙ 100

Böswilliger Dienstherr

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RN 90

wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf
Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286
Rn. 92>; 155, 1 <23 Rn. 45>). Die Berechnung der Besoldungshöhe erfolgt wie bei der Er-
stellung des Besoldungsindex. Somit ist nicht allein die Höhe der Grundgehaltssätze maß-
geblich.

PublicTim

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KI Auswertung zum Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber

Das Urteil ist so formuliert, dass der Gesetzgeber kaum noch irgendeinen legalen Spielraum hat, um Beamte „nicht mehr alimentieren zu müssen“ oder die Alimentation spürbar zu drücken.
Im Gegenteil: das BVerfG hat das System so restriktiv gemacht, dass Unteralimentation künftig praktisch unmöglich wird.

Ich erkläre dir das sauber und in Klartext.

🟥 1. Der Gesetzgeber darf NICHT sparen, indem er Beamten weniger zahlt

Das ist der Kern des Urteils.

Das Gericht sagt eindeutig:

Die amtsangemessene Alimentation ist verbindlich, nicht disponibel.
Sie entzieht sich „politischer Opportunität“ und Budgeterwägungen.

Damit wird klargestellt:

👉 Sparen auf Kosten der Besoldung ist verfassungswidrig.
👉 Haushaltslagen, Sparzwänge, Wahlversprechen – irrelevant.
🟥 2. 80%-Mindestbesoldung ist ein harter Untergrenzwert – nicht verhandelbar

Das Gericht hat eine mathematische Mindestbesoldung eingeführt, gebunden an das Medianäquivalenzeinkommen der Bevölkerung:

Mindestniveau = 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens
→ für eine Beamtenfamilie (Ehepartner + 2 Kinder)

Das ist neu und extrem streng.

Konsequenz:

Der Gesetzgeber darf NICHT darunter gehen.
Auch nicht knapp. Auch nicht zeitweise. Auch nicht über „Sparpausen“.

Diese Grenze ist verfassungsrechtlich fixiert.

🟥 3. Zusätzlich dazu müssen die Abstände im Besoldungssystem stimmen

Die 80 % betreffen nur die unteren Gruppen – ABER:

Die höheren Gruppen müssen zwingend mitwandern.

Weil das Abstandsgebot verletzt wäre, wenn z. B. A11 stark steigt, A13 aber kaum.

Das Gericht sagt ausdrücklich:

“Es erscheint ausgeschlossen, dass alle Abstände beibehalten werden könnten.“

Das heißt:

👉 Sobald die unteren Gruppen angehoben werden:

müssen A12–A16 ebenfalls angehoben werden
(sonst ist das gesamte System verfassungswidrig).

Damit ist auch das „Ausweichen nach oben“ verbaut.

🟥 4. Die Fortschreibungsprüfung macht weiteres Sparen unmöglich

Das BVerfG verlangt für jedes Jahr:

Vergleich mit Tariflohnindex

Vergleich mit Nominallohnindex

Vergleich mit Verbraucherpreisindex

Fortschreibung des realen Abstands im öffentlichen Dienst

Prüfung des Sozialgefälle-Indikators

Das heißt:

Die Besoldung muss jedes Jahr mindestens im Gleichschritt mit der gesellschaftlichen Lohn- und Preisentwicklung steigen.

Wenn nicht → automatisch verfassungswidrig.

🟥 5. Die Begründungspflicht wurde massiv verschärft

Der Gesetzgeber MUSS künftig:

mathematisch nachvollziehbar erklären

warum die Besoldung amtsangemessen ist

warum die 5 Parameter nicht verletzt sind

wie die Abstände eingehalten werden

warum er von Tarif- oder Preisentwicklung ggf. abweicht

Diese Begründung muss:

„methodisch belastbar“ und „transparent nachvollziehbar“ sein.

Wenn nicht → Norm ist verfassungswidrig.

Das bedeutet:

👉 Willkürliche politische Entscheidungen sind ausgeschlossen.
👉 Auch „Deckelungen“ oder „Sparbremsen“ sind ausgeschlossen.
🟥 6. Familienkomponente wurde zu Gunsten der Beamten gestärkt

Die Mindestbesoldung basiert auf 4-Personen-Haushalt.
Das bedeutet:

Familienzuschläge müssen ausreichend hoch sein

Kinder dürfen nicht zu „Realverlusten“ führen

Das Land kann NICHT Familienleistungen herunterfahren

Auch hier: kein Sparspielraum.

🟥 7. Die Entscheidung wirkt „präjudizierend“ für alle Bundesländer

Jedes Land, das bisher zu niedrig alimentiert hat, muss nachziehen.
Der Wettbewerb „Wer zahlt am wenigsten?“ ist tot.

🟩 Fazit: Mit diesem Urteil hat der Gesetzgeber fast keinen Spielraum mehr, die Beamten niedriger zu alimentieren.
Der Gesetzgeber kann NICHT mehr:

Besoldung einfrieren

Anhebung aussetzen

Tariferhöhungen nicht übertragen

Preissteigerungen ignorieren

Familienzuschläge klein halten

Abstände zusammenschmelzen lassen

sich auf „Haushaltsnotlage“ berufen

„Sonderopfer der Beamten“ einführen

Besoldung in Wahlperioden vernachlässigen

Der Gesetzgeber MUSS:

Mindestbesoldung garantieren

Fortschreibung jährlich nachvollziehbar machen

Abstände restaurieren

Familienzuschläge erhöhen

regelmäßig anheben (Preisindex + Lohnindex)

die gesamte Besoldung nach oben verschieben

❗ Was bleibt an „Spielraum“?

Ehrlich: nur technischer, nicht politischer Spielraum:

Wie genau die Erhöhung verteilt wird (z. B. mehr Grundgehalt, weniger Zulagen).

Ob man die Tabellen flacher oder steiler macht, solange die Abstände stimmen.

Ob das Land Berlin die Anhebung über 2 Jahre verteilt oder sofort einführt (sofern die Mindestbesoldung eingehalten wird).

Aber:

👉 Unterniveau geht nicht mehr.
👉 Verzögerungen gehen nicht mehr.
👉 Unteralimentation ist ab 2025/2026 systematisch ausgeschlossen.

PublicTim

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KI Auswertung zu möglichen Zuschlagsorgien:

Sehr gute und sehr zentrale Frage — denn genau hier versucht der Gesetzgeber erfahrungsgemäß am ehesten, „Gestaltungsspielraum“ zu nutzen.
Das BVerfG hat aber überraschend klare Grenzen gezogen, was mit Zuschlägen möglich ist — und was nicht.

Ich gebe dir die Antwort in drei Ebenen:

Was erlaubt ist

Was eingeschränkt erlaubt ist

Was ausdrücklich verboten ist (laut BVerfG)

✅ 1. Welche Zuschläge erlaubt sind
A) Familienzuschläge – erlaubt, aber mit starken Schutzanforderungen

Das BVerfG sagt klar:

Familienzuschläge sind integraler Bestandteil der amtsangemessenen Alimentation.

Sie dürfen nicht reduziert werden.

Sie müssen steigen, wenn die wirtschaftliche Lage von Familien dies erfordert.

Familienzuschläge haben sogar verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 6 GG).

Das Gericht:

👉 Familienzuschlag kann als Instrument zur Sicherung der Mindestbesoldung genutzt werden

aber

❗ NIE als Sparinstrument.

Der Gesetzgeber darf also Familienzuschläge erhöhen, um die Mindestalimentation zu stützen — aber nicht, um Grundgehalt abzusenken oder zu kompensieren.

B) Ortabhängige Zuschläge (z. B. Berlin-Zulage, Ballungsraumzulage) — erlaubt

Allerdings:

Nur, wenn sie real mit örtlichen Lebenshaltungskosten korrelieren

Und nicht das Grundgehalt ersetzen

Und nicht zur Kompensation struktureller Unteralimentation genutzt werden

Das BVerfG akzeptiert ortsbezogene Zuschläge als Ergänzung, nicht als Ersatz der Alimentation.

C) Funktionsbezogene Zulagen (z. B. Amtszulage, Schicht, besondere Aufgaben) – erlaubt

Mit Bedingungen:

Sie dürfen nur echte Funktionsbedingungen abgelten

Sie müssen allen Beamten einer Funktion gleich zugutekommen

Sie dürfen nicht genutzt werden, um Grundgehälter künstlich zu drücken

🟨 2. Welche Zuschläge nur eingeschränkt erlaubt sind
A) Einmalzahlungen / Sonderzahlungen

Berlin arbeitet gern mit Einmalzahlungen.

Das BVerfG sagt:

Einmalzahlungen sind prinzipiell erlaubt

Aber nicht geeignet, eine dauerhafte Unteralimentation zu kaschieren

Sie zählen NICHT zur amtsangemessenen Alimentation, wenn sie

nicht dauerhaft,

nicht vorhersehbar,

nicht strukturell sind

→ Einmalzahlungen dürfen also NICHT dazu dienen, die 80%-Mindestalimentation zu erfüllen.
B) Pauschale Zulagen für „alle“

Das Gericht sagt sehr klar:

Nur solche Zulagen dürfen einbezogen werden, die jedem Beamten einer Besoldungsgruppe regelmäßig zustehen.

D. h.:

Reisegeld, Schichtzulage, Erschwerniszulage zählen nicht zur Alimentation

Nur strukturierte Zulagen werden berücksichtigt

🟥 3. Was NICHT erlaubt ist (ganz wichtig)

Das ist die Liste der Dinge, die der Gesetzgeber NICHT tun darf.
Diese Punkte haben viele Juristen nach dem Urteil überrascht.

❌ 1. Grundgehalt niedrig halten und stattdessen mehr Zuschläge zahlen

Das BVerfG sagt:

Die Alimentation muss „im Schwerpunkt über das Grundgehalt“ erfolgen.

Damit ist klar:

→ Zuschlagstricks, um Grundgehalt klein zu halten, sind verfassungswidrig.
❌ 2. Familienzuschläge „überhöhen“, um Grundgehalt niedrig zu lassen

Nicht erlaubt.

Warum?

Weil Familienzuschläge nicht für Alleinstehende gelten

Weil die Mindestbesoldung auf einem 4-Personen-Haushalt basiert

Weil Grundgehalt der zentrale Alimentationsbestandteil ist

❌ 3. Ortszuschläge so groß machen, dass sie Unteralimentation verdecken

Das Gericht sagt:

Ortszuschläge dürfen nicht strukturelle Alimentation ersetzen

Sie dürfen nur echte regionale Mehrkosten ausgleichen

Sie müssen transparent, nachvollziehbar, sachlich sein

Ein „Pseudo-Ballungszuschlag“, mit dem man Grundgehälter klein hält → verfassungswidrig.

❌ 4. Zulagen auf freiwilliger Basis oder mit Bedingungen

Beispiel:

Leistungszulagen

Anwesenheitsprämien

Bonuszahlungen

Diese sind nicht geeignet, Grundgehalt zu ersetzen oder Unteralimentation zu kompensieren.

❌ 5. Grundgehalt stagniert, Zulagen wachsen

Nicht zulässig.

Das Besoldungssystem ist ein einheitliches System.
Wenn Grundgehälter nicht im Gleichlauf mit Preisen/Tarifen wachsen → verfassungswidrig.

🟩 4. Was bleibt für den Gesetzgeber REAL als Spielraum?
A) Wahl zwischen Grundgehalt + Zulage

Solange:

Grundgehalt über 80 %-Mindestgrenze bleibt,

Abstände gewahrt bleiben,

Zulagen echten Sachzweck haben,

und die Gesamtalimentation dauerhaft, nachvollziehbar und fair bleibt.

B) Feinsteuerung im System

Er kann entscheiden:

wie stark die unteren Gruppen relativ zu den oberen steigen,

wie die stufenmäßigen Abstände neu gezogen werden,

ob Familienzuschläge zusätzlich erhöht werden,

ob Ortszuschläge moderat angepasst werden.

C) Zeitliche Ausgestaltung

Er darf

Erhöhungen über 1–2 Jahre strecken,

solange Endpunkt vor Ablauf der Frist (31.03.2027) erreicht wird

und keine Unteralimentation mehr besteht.

🟩 5. Kurzfazit (praktisch & wichtig):
🚫 Der Staat darf nicht durch Zuschläge sparen.
🚫 Er darf die Alimentation nicht „gestalten“, sondern nur „ausführen“.
✔️ Zuschläge sind nur Ergänzungen, niemals Ersatz.

Das Urteil ist deshalb so scharf formuliert, dass Berlin (und andere Länder) faktisch gezwungen ist, das Grundgehalt zu erhöhen und die Alimentation dauerhaft auf einem hohen Niveau zu halten.

Böswilliger Dienstherr

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Karlsruhe lässt sich nicht zu der platten Aussage verführen, dass nur die Grundgehaltssätze heilend wären, allerdings sind auch die Zuschlagsorgien irgendwann in der Gesamtschau an ihrem Ende:

RN 92

Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bezogen auf die Art
und Weise, wie er bei der Festsetzung der Bezüge dem Gebot der Mindestbesoldung Rech-
nung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilfe-
recht kommt insbesondere – wenn auch in gewissen Grenzen, die durch die Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend konkretisiert worden sind –
auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht. Ob eine zur Behebung eines Ver-
stoßes gegen das Gebot der Mindestbesoldung erforderliche Neustrukturierung des Besol-
dungsgefüges eine Erhöhung der Besoldung einer höheren Besoldungsgruppe erfordert,
lässt sich daher nicht durchweg mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erfor-
derlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher
die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung
liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter der Min-
destbesoldung zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren
Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände
zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Unterschreitung der Mindestbe-
soldung bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzu-
reichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Um-
ständen des Falles zukommenden Gewicht in eine wertende Betrachtung auf der zweiten
Prüfungsstufe einzustellen ist


Böswilliger Dienstherr

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Das Berliner Beamten-Prekariat meine Damen und Herren:

Tabelle 2: Mindestbesoldung 2008 bis 2020
Jahr Besoldungsgruppe Nettobesoldung Prekaritätsschwelle
2008 A 9 25.743,32 Euro 26.917,73 Euro
2009 A 9 26.191,56 Euro 27.323,34 Euro
2010 A 10 27.795,36 Euro 28.179,60 Euro
2011 A 10 28.045,95 Euro 28.883,51 Euro
2012 A 10 28.363,06 Euro 29.554,30 Euro
2013 A 10 28.773,90 Euro 29.961,24 Euro
2014 A 10 29.383,13 Euro 30.959,03 Euro
2015 A 10 30.143,05 Euro 31.300,39 Euro
2016 A 11 33.939,32 Euro 33.961,91 Euro
2017 A 11 34.584,99 Euro 35.598,70 Euro
2018 A 11 35.428,68 Euro 36.942,27 Euro
2019 A 11 37.026,25 Euro 38.450,33 Euro
2020 A 11 38.851,00 Euro 40.420,97 Euro

Schnarchnase81

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KI Auswertung zu möglichen Zuschlagsorgien:

Sehr gute und sehr zentrale Frage — denn genau hier versucht der Gesetzgeber erfahrungsgemäß am ehesten, „Gestaltungsspielraum“ zu nutzen.
Das BVerfG hat aber überraschend klare Grenzen gezogen, was mit Zuschlägen möglich ist — und was nicht.

Ich gebe dir die Antwort in drei Ebenen:

Was erlaubt ist

Was eingeschränkt erlaubt ist

Was ausdrücklich verboten ist (laut BVerfG)

✅ 1. Welche Zuschläge erlaubt sind
A) Familienzuschläge – erlaubt, aber mit starken Schutzanforderungen

Das BVerfG sagt klar:

Familienzuschläge sind integraler Bestandteil der amtsangemessenen Alimentation.

Sie dürfen nicht reduziert werden.

Sie müssen steigen, wenn die wirtschaftliche Lage von Familien dies erfordert.

Familienzuschläge haben sogar verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 6 GG).

Das Gericht:

👉 Familienzuschlag kann als Instrument zur Sicherung der Mindestbesoldung genutzt werden

aber

❗ NIE als Sparinstrument.

Der Gesetzgeber darf also Familienzuschläge erhöhen, um die Mindestalimentation zu stützen — aber nicht, um Grundgehalt abzusenken oder zu kompensieren.

B) Ortabhängige Zuschläge (z. B. Berlin-Zulage, Ballungsraumzulage) — erlaubt

Allerdings:

Nur, wenn sie real mit örtlichen Lebenshaltungskosten korrelieren

Und nicht das Grundgehalt ersetzen

Und nicht zur Kompensation struktureller Unteralimentation genutzt werden

Das BVerfG akzeptiert ortsbezogene Zuschläge als Ergänzung, nicht als Ersatz der Alimentation.

C) Funktionsbezogene Zulagen (z. B. Amtszulage, Schicht, besondere Aufgaben) – erlaubt

Mit Bedingungen:

Sie dürfen nur echte Funktionsbedingungen abgelten

Sie müssen allen Beamten einer Funktion gleich zugutekommen

Sie dürfen nicht genutzt werden, um Grundgehälter künstlich zu drücken

🟨 2. Welche Zuschläge nur eingeschränkt erlaubt sind
A) Einmalzahlungen / Sonderzahlungen

Berlin arbeitet gern mit Einmalzahlungen.

Das BVerfG sagt:

Einmalzahlungen sind prinzipiell erlaubt

Aber nicht geeignet, eine dauerhafte Unteralimentation zu kaschieren

Sie zählen NICHT zur amtsangemessenen Alimentation, wenn sie

nicht dauerhaft,

nicht vorhersehbar,

nicht strukturell sind

→ Einmalzahlungen dürfen also NICHT dazu dienen, die 80%-Mindestalimentation zu erfüllen.
B) Pauschale Zulagen für „alle“

Das Gericht sagt sehr klar:

Nur solche Zulagen dürfen einbezogen werden, die jedem Beamten einer Besoldungsgruppe regelmäßig zustehen.

D. h.:

Reisegeld, Schichtzulage, Erschwerniszulage zählen nicht zur Alimentation

Nur strukturierte Zulagen werden berücksichtigt

🟥 3. Was NICHT erlaubt ist (ganz wichtig)

Das ist die Liste der Dinge, die der Gesetzgeber NICHT tun darf.
Diese Punkte haben viele Juristen nach dem Urteil überrascht.

❌ 1. Grundgehalt niedrig halten und stattdessen mehr Zuschläge zahlen

Das BVerfG sagt:

Die Alimentation muss „im Schwerpunkt über das Grundgehalt“ erfolgen.

Damit ist klar:

→ Zuschlagstricks, um Grundgehalt klein zu halten, sind verfassungswidrig.
❌ 2. Familienzuschläge „überhöhen“, um Grundgehalt niedrig zu lassen

Nicht erlaubt.

Warum?

Weil Familienzuschläge nicht für Alleinstehende gelten

Weil die Mindestbesoldung auf einem 4-Personen-Haushalt basiert

Weil Grundgehalt der zentrale Alimentationsbestandteil ist

❌ 3. Ortszuschläge so groß machen, dass sie Unteralimentation verdecken

Das Gericht sagt:

Ortszuschläge dürfen nicht strukturelle Alimentation ersetzen

Sie dürfen nur echte regionale Mehrkosten ausgleichen

Sie müssen transparent, nachvollziehbar, sachlich sein

Ein „Pseudo-Ballungszuschlag“, mit dem man Grundgehälter klein hält → verfassungswidrig.

❌ 4. Zulagen auf freiwilliger Basis oder mit Bedingungen

Beispiel:

Leistungszulagen

Anwesenheitsprämien

Bonuszahlungen

Diese sind nicht geeignet, Grundgehalt zu ersetzen oder Unteralimentation zu kompensieren.

❌ 5. Grundgehalt stagniert, Zulagen wachsen

Nicht zulässig.

Das Besoldungssystem ist ein einheitliches System.
Wenn Grundgehälter nicht im Gleichlauf mit Preisen/Tarifen wachsen → verfassungswidrig.

🟩 4. Was bleibt für den Gesetzgeber REAL als Spielraum?
A) Wahl zwischen Grundgehalt + Zulage

Solange:

Grundgehalt über 80 %-Mindestgrenze bleibt,

Abstände gewahrt bleiben,

Zulagen echten Sachzweck haben,

und die Gesamtalimentation dauerhaft, nachvollziehbar und fair bleibt.

B) Feinsteuerung im System

Er kann entscheiden:

wie stark die unteren Gruppen relativ zu den oberen steigen,

wie die stufenmäßigen Abstände neu gezogen werden,

ob Familienzuschläge zusätzlich erhöht werden,

ob Ortszuschläge moderat angepasst werden.

C) Zeitliche Ausgestaltung

Er darf

Erhöhungen über 1–2 Jahre strecken,

solange Endpunkt vor Ablauf der Frist (31.03.2027) erreicht wird

und keine Unteralimentation mehr besteht.

🟩 5. Kurzfazit (praktisch & wichtig):
🚫 Der Staat darf nicht durch Zuschläge sparen.
🚫 Er darf die Alimentation nicht „gestalten“, sondern nur „ausführen“.
✔️ Zuschläge sind nur Ergänzungen, niemals Ersatz.

Das Urteil ist deshalb so scharf formuliert, dass Berlin (und andere Länder) faktisch gezwungen ist, das Grundgehalt zu erhöhen und die Alimentation dauerhaft auf einem hohen Niveau zu halten.

Viel Zitat und wenig Antwort, trotzdem muss ich es so loswerden: Ich finde, das trifft es wirklich gut auf den Punkt!

Böswilliger Dienstherr

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RN 148

"Die Feststellung einer in diesem Kontext stehenden Unterbesoldung muss zu einer Kor-
rektur führen, die in allen betroffenen Besoldungsgruppen und Jahren jedenfalls eine Ein-
haltung des Gebots der Mindestbesoldung sicherstellen muss. Angesichts der vorstehend
aufgezeigten, bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindest-
besoldung ist – auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers –
das Besoldungsgefüge allerdings nachhaltig erschüttert.
Es erscheint bei ansonsten glei-
chen Grundannahmen ausgeschlossen, dass die erforderlichen Korrekturen durch das
addierte Volumen sämtlicher Abstände zwischen den von der Unterschreitung der Prekari-
tätsschwelle nicht betroffenen Besoldungsgruppen in den verbleibenden Bereichen der
Besoldungsordnung ohne ein weitgehendes Abschmelzen der Abstandsbeträge vollstän-
dig aufgefangen werden können. Damit ist für sämtliche oberhalb der von der Unterschrei-
tung der Prekaritätsschwelle unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen liegenden obe-
ren fünf bis sieben Besoldungsgruppen als Folgewirkung eine mittelbare Verletzung des
Abstandsgebots anzunehmen. Dies betrifft die Besoldungsgruppen A 10 bis A 16 für die
Jahre 2008 und 2009, die Besoldungsgruppen A 11 bis A 16 für die Jahre 2010 bis 2015 und
die Besoldungsgruppen A 12 bis A 16 für die Jahre 2016 bis 2020. Dieser Annahme steht
auch die dem Gesetzgeber offenstehende Möglichkeit einer Neustrukturierung der Besol-
dungsordnung A nicht entgegen, weil das Volumen der Anhebung sämtlicher Besoldungs-
gruppen über die Schwelle der Prekarität zumindest teilweise auch zu einer Erhöhung der
Grundgehaltssätze in den nicht unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen führen
dürfte."

Holy Fuck! Karlsruhe schießt mit Katyusha auf Berlin.