RN 153 (in Berlin gibt es bereits keine Fingernägel mehr die man vor Stress noch fressen könnte)
"Besonders fällt ins Gewicht, dass das Land Berlin nach der Föderalismusreform I im Jahr
2006 für die Grundgehaltssätze der A-Besoldung über einen erheblichen Zeitraum hinweg
bewusst von einer landesrechtlichen Anpassung der Bezüge absah, sodass sich die Besol-
dung der Berliner Beamten gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 85 BBesG
im Wesentlichen nach den Grundgehaltssätzen des Bundesbesoldungs- und -versor-
gungsanpassungsgesetzes 2003/2004 richtete. Die letzte lineare Besoldungserhöhung
(um 1 %) datierte damit auf den 1. August 2004 (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3242, S. 10), bis
schließlich das Land Berlin mit dem Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für
Berlin 2010/2011 erstmals eine eigenständige Regelung traf. Diese legislative Untätigkeit,
zu der mangels Gesetzgebungsverfahren auch keine Äußerungen des Gesetzgebers vorlie-
gen, schlägt sich auch im Besoldungsindex nieder: Dieser verharrt – exemplarisch wird die
Besoldungsgruppe A 8 betrachtet – in den Jahren 2003 bis 2007 zwischen 106,17 und
106,99 und stagniert in den Jahren 2008/2009 bei 108,09, um dann im Jahr 2010 auf
107,65 zurückzufallen (siehe oben Rn. 123). An diese Phase des vollständigen Ausfalls der
Gestaltungsverantwortung knüpften dann erste lineare Erhöhungen an, die aber durch den
ersatzlosen Wegfall der in den Jahren 2008 und 2009 auf 940 Euro jährlich erhöhten Son-
derzahlung gegenfinanziert (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3242, S. 18) und damit letztlich kon-
terkariert wurden. Während die Neustrukturierung der Besoldungstabellen durch das Ber-
liner Besoldungsneuregelungsgesetz vom 29. Juni 2011 die Höhe des Lebenseinkommens
insgesamt weder verringern noch erhöhen sollte, wurde doch ein Reformbedarf identifi-
ziert (vgl. Abghs.-Drucks. 16/3840, S. 80 f.; 16/4078, S. 28 f.). Auch wenn in der Folge die
Besoldung angepasst wurde, musste der Berliner Gesetzgeber im Verfahren zum Erlass des
Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und
zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften einräumen, sich bei der Über-
tragung der Tarifergebnisse in einem „um ein Jahr versetzten Anpassungsmodus“ zu befin-
den (vgl. Abghs.-Drucks. 17/1677, S. 64). Anzuerkennen ist zwar, dass die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip in den folgenden Gesetzge-
bungsverfahren der Jahre 2016 bis 2020 zur Kenntnis genommen wurde (vgl. etwa
Abghs.-Drucks. 18/0390, S. 17 ff.; 18/2028, S. 16 ff.). Aber die Anstrengungen sind – insbe-
sondere in Ansehung der faktischen Versteinerung der Grundgehaltssätze in den Jahren
2004 bis 2010 –unzureichend, um die feststellbare evidente Abkoppelung der Besoldung
von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wirksam zu korrigieren und damit dem
Gewährleistungsgehalt von Art. 33 Abs. 5 GG zu entsprechen. Aus den vorerwähnten Ge-
setzgebungsmaterialien lässt sich im Übrigen ablesen, dass es dem Gesetzgeber bewusst
war, dass er das verfassungsrechtlich gebotene Niveau der amtsangemessenen Besoldung
über einen langen Zeitraum hinweg nicht erreichte und dass er Jahre einer überdurch-
schnittlich positiven Besoldungsentwicklung benötigen würde, um die aufgelaufenen De-
fizite zu beseitigen. Die Stellungnahme des Senats von Berlin vom 19. August 2025 setzt
sich mit dieser Problematik nicht auseinander."