aus der RNr. 97: …„Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht.“…
… ohne Klagen wird es nichts!!!
So verstehe ich das auch.
Dass es das absolute Minimum und eine Partizipation gibt, regeln Vorabprüfung und Fortschreibungsprüfung. Sie sollen zugleich verfahrensrechtlich sicherstellen, dass es schneller Ergebnisse gibt.
Da dies beides sehr greifbar ist, wird dem Gesetzgeber der bisherige Scheinrückzug auf die alte 115%-Prüfung mit allen ihren Facetten verwehrt. Dies ist insoweit erfreulich, als das zukünftig häufig mehr in die Sache eingestiegen werden muss. Ich bezeichne das, was in den Rn. 95ff. beschrieben ist, für mich als Amtsangemessenheit im eigentlichen Sinne, da sich auf dieser Stufe eigentlich erst klärt, was amtsangemessen ist. Und es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Raum zu bespielen und dies auszufüllen.
Und es wird Aufgabe der Kläger sein, dieses durch umfassende Begründungen mitzuprägen. Obwohl dies eine Herausforderung ist, ist es zugleich eine Chance, weil wir zu diesen Prüfungen m.E. bisher selten gelangt sind.
Deshalb gibt es auch keine „amtsangemessene“ Nachzahlung, sondern nur etwas, was sich aus Vorabprüfung und 1. Stufe irgendwie errechnen lässt. Ich sehe hier keine vollständige Vergangenheitsbewältigung.
Im letzten Satz stimme ich Dir zu (nebenbei: Mein erster Absatz in meinem letzten Post war an bebolus und seinen Beitrag von 15:27 Uhr gerichtet). Das ist allerdings seit jeher eher der Regelfall besoldungsrechlicher Entscheidungen, wobei zu erwarten sein wird, dass der Berliner Gesetzgeber gerne wieder seinem eigenen Beispiel aus dem Jahr 2021 folgen möchte (vereinfacht ausgedrückt, die volkswirtschaftlichen Parameter für die als verfassungswidrig betrachteten Besoldungsgruppen geringfügig unterhalb von fünf % zu stellen, um so für sie jeweils einen prozentualen "Reparaturwert" zu bemessen - vgl. zum vormaligen Reparaturgesetz bspw.
https://www.drb-berlin.de/themen-und-positionen/besoldung-und-beihilfe/aktuelles/aktuelles/1669 -; diese bestenfalls zweifelhafte Methode hat nun allerdings mit der Mindestbesoldung eine Art "Gegenspieler", der wie gesagt nicht so einfach in die gewünschte Systematik eingepasst werden kann, entsprechend wird es interessant werden, wie da bis 2027 nachträglich zur Reparatur geschritten werden soll).
Darüber hinaus bilde ich mal ein paar Thesen:
1. Bei der Entscheidung der 26. Kammer des VG Berlin vom 16.6.2023 - 26 K 157/23 -,
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001547247, handelt es sich um ein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss, der die Berliner Besoldung der Besoldungsgruppe R 1 als verfassungswidrig zu niedrig gehalten hat.
2. Von den ersten drei Parametern der ersten Prüfungsstufe des damaligen "Pflichtenhefts" - also auf Basis eines 15-jährigen Betrachtungszeitraums - hat die Kammer 2016 den ersten und 2017 den ersten und zweiten als die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizierend betrachtet, ebenso in beiden Jahren das in beiden Jahren signifikant verletzte Mindestabstandsgebot (Rn. 279). In der Gesamtbetrachtung ist sie von der Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation ausgegangen (Rn. 282 ff.). Diese Vermutung hat sie auf der zweiten Prüfungsstufe im Rahmen der Gesamtabwägung als bestätigt betrachtet (Rn. 295 ff.). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der festgestellten Unteralimentation konnte sie auf der dritten Prüfungsstufe nicht erkennen (Rn. 325 ff.).
3. Der Grundgehaltssatz lag ab August 2016 in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 bei 5.943,38 € (Rn. 286) und ab August 2017 bei 6.097,91 € (Rn. 291). Der Grundgehaltssatz in der jeweiligen Endstufe der Besoldungsgruppe A 15 und A 16 lag 2016 bei 5.777,72 € und 6.438,10 € (
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2016&matrix=1) und 2017 bei 5.927,94 € und 6.605,49 € (
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2017&matrix=1).
4. Die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen A 15 und R 1 liegen in beiden Jahren signifikant näher beieinander als die der Besoldungsgruppen A 16 und R 1.
5. In der aktuellen Entscheidung betrachtet das Bundesverfassungsgericht in beiden Jahren hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 15 ausschließlich mittelbare Verstöße gegen das Abstandsgebot (Rn. 159).
6. Es betrachtet die Besoldung in beiden Jahren als nicht evident unzureichend (Rn. 151).
7. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Senat, sobald er den eingangs genannten Aussetzungs- und Vorlagebeschluss betrachten wird, zum selben Ergebnis hinsichtlich der Besoldung in der Besoldungsgruppe R 1 gelangen.
8. Die EU bemängelt seit Jahr und Tag die erheblich zu geringe Richterbesoldung in Deutschland (vergleiche kurz und bündig bspw. nur:
https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/pressemeldungen-auf-einen-blick/pressemeldung/news/eu-kommission-bemaengelt-erneut-deutsche-richterbesoldung).
9. Der Zweite Senat hat in seiner aktuellen Entscheidung zum ersten Mal im recht starken Maße auf die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR zum Streikverbot abgestellt (Rn. 39 ff.).
10. Der EGMR ist in seiner Entscheidung vom 14.12.2023, 59433/18 u.a., in einem sehr weitgehenden Maße der Argumentation des Zweiten Senats in seiner Streikverbotsentscheidung aus dem Jahr 2018 gefolgt (vgl. nur die Rn. 42 der aktuellen Entscheidung).
11. Es ist weiterhin erwartbar, dass nicht zuletzt der EGMR erwartet, dass die als erheblich zu gering bewertete Richterbesoldung in Deutschland signifikant steigt.
12. Das Bundesverfassungsgericht dürfte heute kaum ein Interesse daran haben, in einen ggf. nicht so ohne Weiteres auflösbaren Dissens zur europäischen Rechtsprechung zu geraten.
13. Das Bundesverfassungsgericht dürfte alsbald - spätestens, wenn es bspw. in der genannten Richtervorlage zu dem mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartbaren Ergebnis gelangen wird - in genau diesen Konflikt geraten.
Frage: Wo liegt die Ursache für diesen mit einiger Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang erwartbaren Konflikt?