Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 291170 times)

ParagraphenReiter2026

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2340 am: 06.12.2025 15:53 »
Ich denke was Swen uns eigentlich sagen möchte:

- schaut man weit genug zurück, sieht man, das Prüfschema ist unten präzise und in den höheren Besoldungsgruppen blind
- dem BVerfG ist das bewusst
- das BVerfG darf das Prüfschema JEDOCH nur innerhalb eines KONKRETEN Klagefalles weiterentwickeln
- es braucht Kläger, die die Lücke konkret benennen und mit Tatsachen beweisen
- deshalb liegen auch alle falsch, die denken das aktuelle Schema ist in Stein gemeißelt und wird nicht weiterentwickelt
- und deshalb: begründen, begründen, begründen!!!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2341 am: 06.12.2025 16:02 »
Spar Dir die Arbeit und nutze die Zeit morgen besser, um Dich zu erholen: Denn statt einer Bescheidung vorzunehmen, wird man Dir nur mitteilen, dass Du in den weit überwiegenden Jahren die Frist zur zeitnahen Geltendmachung versäumt hast, sodass Deine Widersprüche weit überwiegend ins Leere laufen werden, also Dich nur Zeit kosten, aber Dir keinen Nutzen bringen werden.

@ Good Bye

Ich denke, man sollte ggf. noch einmal über das genannte Diagramm nachdenken - das wird zwar in dem genannten Beitrag auch getan. Allerdings ist es methodisch m.E. immer besser, erst einmal selbst begründend tätig zu werden, bevor man sich von Begründungen anderer ggf. überzeugen lässt und sich dann ggf. zu früh zufrieden gibt.

Auch wenn es eine Gesamtbetrachtung methodisch nun nicht mehr gibt, bleibt der Grundsatz bestehen, den der Senat in seinem letzten Judikat in der Rn. 33 formuliert hat:

"Gravierenden Verzerrungen, welche die Aussagekraft eines Vergleichs nachhaltig erschüttern würden, kann im Rahmen der Gesamtbetrachtung Rechnung getragen werden."

Sowohl die Fachgerichtsbarkeit als auch das Bundesverfassungsgericht können nicht von tatsächlichen Verhältnissen absehen, sofern sie als erheblich begründet sind. Die tatsächlichen Verhältnisse gilt es allerdings zu konkretisieren. Darin liegt die Arbeit.

Ebenfalls bleibt für den Gesetzgeber zu beachten, was dort in der Rn. 26 formuliert wird: " Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen." Entsprechend kann auch die Rn. 60 der aktuellen Entscheidung nicht so ohne Weiteres von ihm ausgeklammert werden, die da lautet (und mit Verweis auf die Entscheidung Existenzsichernder Regelbedarf eine hinreichende Konkretisierung vornimmt): "Entscheidend ist, dass die Anforderungen von Art. 33 Abs. 5 GG, tatsächlich für eine amtsangemessene Besoldung Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden (vgl. auch BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>)."

Es gibt genügend Anknüpfungspunkte in der Rechtsprechung des Senats, dass Tatsachengrundlagen nicht so ohne Weiteres in der Rechtsprechung ausgeklammert werden dürfen, wenn sie sich tatsächlich als solche nachweisen lassen. Dazu bedarf es regelmäßig grundlegender und nicht selten umfassende Arbeit. Wenn man die nicht scheut, kommt man weiter - aber das muss ich Dir als Juristen nicht sagen denke ich.

@ Ozy

Der Bund kennt bislang nicht mehr Ortszuschläge, mit denen die Besoldung anhand der tatsächlichen Verhältnisse lokal differenziert wird. Es trifft ihn die Pflicht, alle seine Beamten amtsangemessen zu alimentieren. Insofern kann weiterhin - solange keine sachgerecht geregelte örtliche Differenzierung der Besoldung vorgenommen wird - ausschließlich der Höchstbetrag des Median-Äquivalenzbetrags zur Prüfung der amtsangemessenen Alimentation im Bund herangezogen werden. Auch dem Bundesgesettgeber ist als Folge des weiten Entscheidungsspielraums, über den er verfügt, jederzeit berechtigt, die Form und Höhe der Besoldung in futuro anders zu gestalten, solange er damit nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstößt.

@ Reiter2026

Den zweiten und dritten Spiegelstrich würde ich ggf. nicht so ohne Weiteres unterschreiben. Insbesondere den vierten bis sechsten würde ich dahingegen sicherlich unterschreiben.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2342 am: 06.12.2025 16:07 »
Heute ist Nikolaus, daher eine Stimme aus der Vergangenheit von unserem Onkel Johann - viel Freude beim Zuhören!

https://www.youtube.com/watch?v=sNWZq49srH8


BuBea

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2343 am: 06.12.2025 16:07 »
Meiner Ansicht nach kann man die Inhalte des Beschlusses (Mindestbesoldung und Fortschreibungsprüfung) auch in zeitlicher Abfolge und weniger in seiner Gleichzeitigkeit betrachten.
Das BVerfG sieht sich derzeit einem Flächenbrand gegenüber, den es primär zu löschen gilt (Einhaltung der Mindestbesoldung). Ich denke dort liegt auch die Annahme zugrunde, dass ein Löschen zu einer Anhebung des gesamten Besoldungsgefüges kommen muss – also auch beim hD.

Steht dann die Besoldung auf einer neuen Basis, sollte im weiteren Verlauf die Prüfung der Fortschreibung greifen – wenn keiner gegen den möglicherweisen fehlerhaften Bezugspunkt opponiert. Aufgrund der relativ leichten Überprüfbarkeit sollte der Fall einer Unterschreitung der Mindestbesoldung faktisch nicht mehr vorkommen.

Ich fürchte nur- und hier verstehe ich Swen so-, dass ein mangelhafter Bezugspunkt bei der Fortschreibung tatsächlich in den noch anhängigen Verfahren adressiert werden muss. Sind diese ebenfalls abgeschlossen dürfte es ungleich schwerer sein, diesen systematischen Punkt durchzubringen; vermutlich wird dann der Instanzenweg wieder über das Bundesverwaltungsgericht laufen müssen.

Der derzeitige große Fokuspunkt des Gerichts ist der Flächenbrand in Bezug auf die Mindestbesoldung. Dieser könnte sich aber in einer nach Vorne gerichteten Sicht zu einer erheblichen Diskussion der Ämterwertigkeit entwickeln – was ja hier im Forum auch schon passiert und wovon ich ausgehe, dass es auch bei den Besoldungsgesetzgebern passieren wird.
In dieser Diskussion dürfte aber der Bezugspunkt der Mindestbesoldung wenig hilfreich sein. Vielmehr sind dann auch „marktgerechte“ und ausbildungsadäquate Verdienste in den Blick zu nehmen. Ich stelle mir hier die Frage, ob dann nicht der Ausgangspunkt eines MÄE für einen hohen Bildungsstand heranzuziehen ist. Das liegt 2024 bei 36.000 EUR.
Der hohe Bildungsstand ISCED 5-8 beinhaltet: 5 Kurzes tertiäres Bildungsprogramm (Meisterausbildung, Geprüfter Berufsspezialist); 6 Bachelor- bzw. gleichwertiges Bildungsprogramm; 7 Master- bzw. gleichwertiges Bildungsprogramm; 8 Promotion.
Ein weiter differenzierteres Bild habe ich bislang nicht gefunden.

Muss oder kann man nicht so die Argumentation in Bezug auf Rn. 100 aufbauen (zumindest für die Punkte Ausbildung und Attraktivität des Beamtenverhältnisses)?

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2344 am: 06.12.2025 16:22 »
Es wäre schon echt dramatisch, wenn die Methodik des BVerfG falsch oder zumindest ungeeignet wäre und sie damit nicht primär den Zweck erfüllt, für den sie bestimmt war. Wenn ich Swens Beiträge vorsichtig zu interpretieren versuche, habe ich das Gefühl, da könnte noch mehr im Argen liegen, ohne dass ich das an dieser Stelle näher begründen könnte. Vielleicht sollte man da noch mal genauer schauen...

Was könnten die Konsequenzen sein?

Da liegt nichts im Argen. Es ist schlicht eine neue Formel, die mehr auf Arithmetik, prozentualer Gewichtung, Wertigkeit der Ämter und schlichter Rechtswissenschaft mit engen (!) Leitplanken basiert, als vorher. Früher ™ war der Besoldungsgesetzgeber freier und könnte mit schlichten Annahmen (Partnereinkommen, Kindergeld, Familienzuschlägen, etc.) operieren, wobei das BVerfG einen großen Spielraum zubilligte, wenn das große Ganze gewahrt blieb.

Die Konsequenz wird sein, dass die Konsequenz ist, dass im Land wahrscheinlich hunderte, wenn nicht eintausend Juristen über dem Beschluss und der Prozessakte sitzen bzw. auf diese Warten, um verbindliche Aussagen zu treffen. Ich warte auf die Prozessakte. Die Eckpfeiler sind aber eingerammt. Und bleiben auch da.

Da gibt es keine nebulösen Überraschungen im Beschluss, außer den Beschluss selber, der in DIESER Deutlichkeit und dieser Heftigkeit inkl. neuer Fortschreibung in der Alimentation alle überrascht hat.

Der Besoldungsgesetzgeber muss komplett umschwenken, und DAS wird die Herausforderung.

ParagraphenReiter2026

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2345 am: 06.12.2025 16:23 »
aus der RNr. 97: …„Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht.“…

… ohne Klagen wird es nichts!!!
« Last Edit: 06.12.2025 16:30 von ParagraphenReiter2026 »

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2346 am: 06.12.2025 17:17 »
aus der RNr. 97: …„Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht.“…

… ohne Klagen wird es nichts!!!

Je weiter man zurückgeht, desto schwieriger wird die Datenbeschaffung (Überraschung!).

Schaut man beispielsweise auf den "Index der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste" (https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Branche-Berufe/Tabellen/index-brutto-monatsverdienst-jahr-erbbau.html) und nimmt 1979 als Basisjahr, dann sieht man Folgendes:

- 1979: 30,2 -> 100,0%
- 1996: 56,9 -> 188,4%
- 2024: 110,9 -> 367,2%

Schaut man hingegen (ohne Spitzausrechnung) auf die A15-Endstufengrundbesoldung, dann sieht man Folgendes:

- 1979: 65.583 DM -> 100,0%
- 1996: 108.752 DM -> 165,8%
- 2024: 94.156 Euro -> 280,8%


Somit denke ich, dass ein beispielhafter A15-Beamter möglicherweise vor Gericht anbringen könnte, dass seine Bruttobesoldung zwischen 1979 und 2024 nur um 181% gestiegen ist, während die offiziellen durchschnittlichen Bruttoverdienste im gleichen Zeitraum stattdessen um 267% gestiegen sind. Und er könnte gegebenenfalls das Gericht fragen, ob diese Diskrepanz (181% <-> 267%) nach Einschätzung der Richter mit der in Leitsatz 8 des aktuellen BVerfG-Beschlusses genannten Verpflichtung des Gesetzgebers in Einklang steht..
« Last Edit: 06.12.2025 17:30 von BVerfGBeliever »

GoodBye

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2347 am: 06.12.2025 17:21 »
aus der RNr. 97: …„Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht.“…

… ohne Klagen wird es nichts!!!

So verstehe ich das auch.

Dass es das absolute Minimum und eine Partizipation gibt, regeln Vorabprüfung und Fortschreibungsprüfung. Sie sollen zugleich verfahrensrechtlich sicherstellen, dass es schneller Ergebnisse gibt.

Da dies beides sehr greifbar ist, wird dem Gesetzgeber der bisherige Scheinrückzug auf die alte 115%-Prüfung mit allen ihren Facetten verwehrt. Dies ist insoweit erfreulich, als das zukünftig häufig mehr in die Sache eingestiegen werden muss. Ich bezeichne das, was in den Rn. 95ff. beschrieben ist, für mich als Amtsangemessenheit im eigentlichen Sinne, da sich auf dieser Stufe eigentlich erst klärt, was amtsangemessen ist. Und es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Raum zu bespielen und dies auszufüllen.

Und es wird Aufgabe der Kläger sein, dieses durch umfassende Begründungen mitzuprägen. Obwohl dies eine Herausforderung ist, ist es zugleich eine Chance, weil wir zu diesen Prüfungen m.E. bisher selten gelangt sind.

Deshalb gibt es auch keine „amtsangemessene“ Nachzahlung, sondern nur etwas, was sich aus Vorabprüfung und 1. Stufe irgendwie errechnen lässt. Ich sehe hier keine vollständige Vergangenheitsbewältigung.

cyrix42

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« Antwort #2348 am: 06.12.2025 18:08 »
@BVerfGBeliever: Deine Rechnung zeigt, dass ggf. eines der Fortschreibungs-Prüfkriterien erfüllt/ verletzt [je nach gewünschter Formulierung] würde, wenn man diesen langen Zeithorizont anlegt. Dabei ist dein Startzeitpunkt aber erst einmal genauso willkürlich gewählt wie das Jahr 1996 aus dem Urteil; es ergibt sich jetzt kein zwingender Grund, warum man jetzt den einen dem anderen vorziehen müsste.

Interessanter finde ich die Frage, ob man ein Start-Jahr identifizieren kann, wo man die Mindestbesoldung als erfüllt ansehen kann, also einen Startpunkt für das System hat, um von dort aus die Fortschreibungskriterien ansetzen zu können. War dies bei deinem ausgewählten Jahr 1979 der Fall? Hier müsste man jetzt schauen, ob man irgendwoher Daten zum Medianäquivalenz-Einkommen der BRD erhalten kann. Problem: Der Begriff wurde erst später geprägt. Ggf. finden sich aber irgendwo Einkommens-Erhebungen nach Haushaltsgröße aufgeschlüsselt, sodass man dann, wenn man zusätzlich noch eine Verteilung der Haushaltsgrößen irgendwo findet, sich den Spaß zumindest näherungsweise selber ausrechnen kann. Die erste Erhebungswelle des sozioökonomischen Panels fand 1984 statt. Vielleicht kommt man zumindest an die Daten ran und kann entsprechend weit zurückrechnen...

SwenTanortsch

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« Antwort #2349 am: 06.12.2025 18:36 »
aus der RNr. 97: …„Der Frage, ob trotz Nichterfüllung sämtlicher Parameter der ersten Prüfungsstufe die Besoldung gleichwohl evident unzureichend bemessen ist, haben sie nur nachzugehen, soweit dazu nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere aufgrund eines entsprechenden Beteiligtenvorbringens im gerichtlichen Verfahren, Anlass besteht.“…

… ohne Klagen wird es nichts!!!

So verstehe ich das auch.

Dass es das absolute Minimum und eine Partizipation gibt, regeln Vorabprüfung und Fortschreibungsprüfung. Sie sollen zugleich verfahrensrechtlich sicherstellen, dass es schneller Ergebnisse gibt.

Da dies beides sehr greifbar ist, wird dem Gesetzgeber der bisherige Scheinrückzug auf die alte 115%-Prüfung mit allen ihren Facetten verwehrt. Dies ist insoweit erfreulich, als das zukünftig häufig mehr in die Sache eingestiegen werden muss. Ich bezeichne das, was in den Rn. 95ff. beschrieben ist, für mich als Amtsangemessenheit im eigentlichen Sinne, da sich auf dieser Stufe eigentlich erst klärt, was amtsangemessen ist. Und es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Raum zu bespielen und dies auszufüllen.

Und es wird Aufgabe der Kläger sein, dieses durch umfassende Begründungen mitzuprägen. Obwohl dies eine Herausforderung ist, ist es zugleich eine Chance, weil wir zu diesen Prüfungen m.E. bisher selten gelangt sind.

Deshalb gibt es auch keine „amtsangemessene“ Nachzahlung, sondern nur etwas, was sich aus Vorabprüfung und 1. Stufe irgendwie errechnen lässt. Ich sehe hier keine vollständige Vergangenheitsbewältigung.

Im letzten Satz stimme ich Dir zu (nebenbei: Mein erster Absatz in meinem letzten Post war an bebolus und seinen Beitrag von 15:27 Uhr gerichtet). Das ist allerdings seit jeher eher der Regelfall besoldungsrechlicher Entscheidungen, wobei zu erwarten sein wird, dass der Berliner Gesetzgeber gerne wieder seinem eigenen Beispiel aus dem Jahr 2021 folgen möchte (vereinfacht ausgedrückt, die volkswirtschaftlichen Parameter für die als verfassungswidrig betrachteten Besoldungsgruppen geringfügig unterhalb von fünf % zu stellen, um so für sie jeweils einen prozentualen "Reparaturwert" zu bemessen - vgl. zum vormaligen Reparaturgesetz bspw. https://www.drb-berlin.de/themen-und-positionen/besoldung-und-beihilfe/aktuelles/aktuelles/1669 -; diese bestenfalls zweifelhafte Methode hat nun allerdings mit der Mindestbesoldung eine Art "Gegenspieler", der wie gesagt nicht so einfach in die gewünschte Systematik eingepasst werden kann, entsprechend wird es interessant werden, wie da bis 2027 nachträglich zur Reparatur geschritten werden soll).

Darüber hinaus bilde ich mal ein paar Thesen:

1. Bei der Entscheidung der 26. Kammer des VG Berlin vom 16.6.2023 - 26 K 157/23 -, https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001547247, handelt es sich um ein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss, der die Berliner Besoldung der Besoldungsgruppe R 1 als verfassungswidrig zu niedrig gehalten hat.

2. Von den ersten drei Parametern der ersten Prüfungsstufe des damaligen "Pflichtenhefts" - also auf Basis eines 15-jährigen Betrachtungszeitraums - hat die Kammer 2016 den ersten und 2017 den ersten und zweiten als die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizierend betrachtet, ebenso in beiden Jahren das in beiden Jahren signifikant verletzte Mindestabstandsgebot (Rn. 279). In der Gesamtbetrachtung ist sie von der Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation ausgegangen (Rn. 282 ff.). Diese Vermutung hat sie auf der zweiten Prüfungsstufe im Rahmen der Gesamtabwägung als bestätigt betrachtet (Rn. 295 ff.). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der festgestellten Unteralimentation konnte sie auf der dritten Prüfungsstufe nicht erkennen (Rn. 325 ff.).

3. Der Grundgehaltssatz lag ab August 2016 in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 bei 5.943,38 € (Rn. 286) und ab August 2017 bei 6.097,91 € (Rn. 291). Der Grundgehaltssatz in der jeweiligen Endstufe der Besoldungsgruppe A 15 und A 16 lag 2016 bei 5.777,72 € und 6.438,10 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2016&matrix=1) und 2017 bei 5.927,94 € und 6.605,49 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin-2017&matrix=1).

4. Die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen A 15 und R 1 liegen in beiden Jahren signifikant näher beieinander als die der Besoldungsgruppen A 16 und R 1.

5. In der aktuellen Entscheidung betrachtet das Bundesverfassungsgericht in beiden Jahren hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 15 ausschließlich mittelbare Verstöße gegen das Abstandsgebot (Rn. 159).

6. Es betrachtet die Besoldung in beiden Jahren als nicht evident unzureichend (Rn. 151).

7. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Senat, sobald er den eingangs genannten Aussetzungs- und Vorlagebeschluss betrachten wird, zum selben Ergebnis hinsichtlich der Besoldung in der Besoldungsgruppe R 1 gelangen.

8. Die EU bemängelt seit Jahr und Tag die erheblich zu geringe Richterbesoldung in Deutschland (vergleiche kurz und bündig bspw. nur: https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/pressemeldungen-auf-einen-blick/pressemeldung/news/eu-kommission-bemaengelt-erneut-deutsche-richterbesoldung).

9. Der Zweite Senat hat in seiner aktuellen Entscheidung zum ersten Mal im recht starken Maße auf die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR zum Streikverbot abgestellt (Rn. 39 ff.).

10. Der EGMR ist in seiner Entscheidung vom 14.12.2023, 59433/18 u.a., in einem sehr weitgehenden Maße der Argumentation des Zweiten Senats in seiner Streikverbotsentscheidung aus dem Jahr 2018 gefolgt (vgl.  nur die Rn. 42 der aktuellen Entscheidung).

11. Es ist weiterhin erwartbar, dass nicht zuletzt der EGMR erwartet, dass die als erheblich zu gering bewertete Richterbesoldung in Deutschland signifikant steigt.

12. Das Bundesverfassungsgericht dürfte heute kaum ein Interesse daran haben, in einen ggf. nicht so ohne Weiteres auflösbaren Dissens zur europäischen Rechtsprechung zu geraten.

13. Das Bundesverfassungsgericht dürfte alsbald - spätestens, wenn es bspw. in der genannten Richtervorlage zu dem mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartbaren Ergebnis gelangen wird - in genau diesen Konflikt geraten.

Frage: Wo liegt die Ursache für diesen mit einiger Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang erwartbaren Konflikt?

cyrix42

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« Antwort #2350 am: 06.12.2025 19:00 »
@SwenTanortsch: Spricht etwas dagegen, die R-Besoldung von der A-Besoldung abzukoppeln? Dergleichen könnte mit Rn. 106 doch gut erfolgen:

Zitat
Eine gesonderte Gegenüberstellung erscheint daher mit Blick auf die Heterogenität der in Rede stehenden Ämter und Funktionen sowie angesichts der erforderlichen Straffung der Prüfung entbehrlich. Dagegen kann für spezialisierte Besoldungsordnungen wie die W- (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>) und die R-Besoldung (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 155, 1 <43 Rn. 89>) oder Teile der B-Besoldung ein Abgleich weiterhin sinnvoll und geboten sein.

Wenn gerade Juristen außerhalb des öD deutlich besser verdienen, dann müsste dies auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Besoldung finden. Und ich wüsste jetzt nicht, dass eine A- vs. R-Besoldungs-Verzahnung unabänderlich gegeben sein sollte.

Grandia

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« Antwort #2351 am: 06.12.2025 19:21 »
@SwenTanortsch: Spricht etwas dagegen, die R-Besoldung von der A-Besoldung abzukoppeln? Dergleichen könnte mit Rn. 106 doch gut erfolgen:

Zitat
Eine gesonderte Gegenüberstellung erscheint daher mit Blick auf die Heterogenität der in Rede stehenden Ämter und Funktionen sowie angesichts der erforderlichen Straffung der Prüfung entbehrlich. Dagegen kann für spezialisierte Besoldungsordnungen wie die W- (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>) und die R-Besoldung (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 155, 1 <43 Rn. 89>) oder Teile der B-Besoldung ein Abgleich weiterhin sinnvoll und geboten sein.

Wenn gerade Juristen außerhalb des öD deutlich besser verdienen, dann müsste dies auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Besoldung finden. Und ich wüsste jetzt nicht, dass eine A- vs. R-Besoldungs-Verzahnung unabänderlich gegeben sein sollte.

Ist sie auch nicht mehr, denn auf eine Gegenüberstellung der Besoldung des z.B.
 höheren Dienstes mit einem Verdienst in der Privatwirtschaft bei gleicher Qualifikation soll ja nun generell nicht mehr sinnvoll sein. Bei allen nicht-A-Besoldungen kann das aber durchaus noch der Fall aufgrund höherer Professionalisierung in bestimmten Bereichen sein.

GoodBye

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« Antwort #2352 am: 06.12.2025 19:30 »
@SwenTanortsch: Spricht etwas dagegen, die R-Besoldung von der A-Besoldung abzukoppeln? Dergleichen könnte mit Rn. 106 doch gut erfolgen:

Zitat
Eine gesonderte Gegenüberstellung erscheint daher mit Blick auf die Heterogenität der in Rede stehenden Ämter und Funktionen sowie angesichts der erforderlichen Straffung der Prüfung entbehrlich. Dagegen kann für spezialisierte Besoldungsordnungen wie die W- (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>) und die R-Besoldung (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 155, 1 <43 Rn. 89>) oder Teile der B-Besoldung ein Abgleich weiterhin sinnvoll und geboten sein.

Wenn gerade Juristen außerhalb des öD deutlich besser verdienen, dann müsste dies auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Besoldung finden. Und ich wüsste jetzt nicht, dass eine A- vs. R-Besoldungs-Verzahnung unabänderlich gegeben sein sollte.

Ist sie auch nicht mehr, denn auf eine Gegenüberstellung der Besoldung des z.B.
 höheren Dienstes mit einem Verdienst in der Privatwirtschaft bei gleicher Qualifikation soll ja nun generell nicht mehr sinnvoll sein. Bei allen nicht-A-Besoldungen kann das aber durchaus noch der Fall aufgrund höherer Professionalisierung in bestimmten Bereichen sein.

Das behebt aber das Problem nicht, dass alle, die sich irgendwann in der B-Besoldung befinden auch in A13 anfangen, wenn sie nicht B-Parteisoldaten sind. Und der Gang von A nach B ist wahrhaftig häufig keine Bestenauslese.

Grandia

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« Antwort #2353 am: 06.12.2025 19:33 »
Ich finde auch Rn. 102 interessant. Eine Kürzung der Pension kann zu einer Unteralimentation führen. Bedeutet das im Kehrschluss eine Kürzung der Pensionsgrenzen aber gleichzeitiger Anhebung der Bruttobezüge zu Dienstzeiten wäre eine Möglichkeit der aA? Können wir so mit dem Rentenniveau gleichziehen solange wir ordentlich Brutto zur privaten Altersvorsorge bekommen?

Das wäre ja ein Türöffner.

GoodBye

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« Antwort #2354 am: 06.12.2025 19:57 »
Und dann sagt man dem 55-jährigen A8, der seit Amtsantritt unteralimentiert war,  dass er jetzt mehr Brutto bekommt, um noch privat vorzusorgen, damit man seine Pension kürzen kann?