Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)  (Read 290837 times)

VierBundeslaender

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2355 am: 06.12.2025 19:59 »
Im Tagesspiegelartikel ist zu lesen
Zitat
Zugleich bereitet der Verwaltung ein weiterer Punkt des Urteils enorme Sorgen. Denn die Richter beanstandeten nicht nur Fehler an der früheren Besoldung. Auch das bestehende Besoldungsgefüge muss überarbeitet werden.

„Das ist für uns ausgesprochen überraschend“, sagte Evers. Möglichst schnell will der Senat – auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern klären, „wie wir mit der Berechnung künftiger Abstände umgehen“.

Ausgesprochen überraschend?! Wirklich?!

BuBea

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2356 am: 06.12.2025 20:06 »

Je weiter man zurückgeht, desto schwieriger wird die Datenbeschaffung (Überraschung!).

Schaut man beispielsweise auf den "Index der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste" (https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Branche-Berufe/Tabellen/index-brutto-monatsverdienst-jahr-erbbau.html) und nimmt 1979 als Basisjahr, dann sieht man Folgendes:

- 1979: 30,2 -> 100,0%
- 1996: 56,9 -> 188,4%
- 2024: 110,9 -> 367,2%

Schaut man hingegen (ohne Spitzausrechnung) auf die A15-Endstufengrundbesoldung, dann sieht man Folgendes:

- 1979: 65.583 DM -> 100,0%
- 1996: 108.752 DM -> 165,8%
- 2024: 94.156 Euro -> 280,8%


Somit denke ich, dass ein beispielhafter A15-Beamter möglicherweise vor Gericht anbringen könnte, dass seine Bruttobesoldung zwischen 1979 und 2024 nur um 181% gestiegen ist, während die offiziellen durchschnittlichen Bruttoverdienste im gleichen Zeitraum stattdessen um 267% gestiegen sind. Und er könnte gegebenenfalls das Gericht fragen, ob diese Diskrepanz (181% <-> 267%) nach Einschätzung der Richter mit der in Leitsatz 8 des aktuellen BVerfG-Beschlusses genannten Verpflichtung des Gesetzgebers in Einklang steht..

@ Believer

Leider habe ich nur Zahlen von 2004 an für das Nettoäquivalenzeinkommen für ISCED 5 bis 8.

2004 - 18994 EUR
2024 - 36000 EUR
--> 189,5%

Könntest Du mal Deine groben A15 Zahlen von 2004 an dagegen halten?
« Last Edit: 06.12.2025 20:19 von BuBea »

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2357 am: 06.12.2025 20:17 »
@SwenTanortsch: Spricht etwas dagegen, die R-Besoldung von der A-Besoldung abzukoppeln? Dergleichen könnte mit Rn. 106 doch gut erfolgen:

Zitat
Eine gesonderte Gegenüberstellung erscheint daher mit Blick auf die Heterogenität der in Rede stehenden Ämter und Funktionen sowie angesichts der erforderlichen Straffung der Prüfung entbehrlich. Dagegen kann für spezialisierte Besoldungsordnungen wie die W- (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>) und die R-Besoldung (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 155, 1 <43 Rn. 89>) oder Teile der B-Besoldung ein Abgleich weiterhin sinnvoll und geboten sein.

Wenn gerade Juristen außerhalb des öD deutlich besser verdienen, dann müsste dies auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Besoldung finden. Und ich wüsste jetzt nicht, dass eine A- vs. R-Besoldungs-Verzahnung unabänderlich gegeben sein sollte.

Glaube mir, die guten Juristen (mit Befähigung zum Richteramt) verdienen außerhalb der Behörden weit, weit mehr.
Und selbst die mittelmäßigen oder die, die keine Volljuristen sind, können sich noch immer eine Scheibe abschneiden, die größer ist, als in Behörden.

Nicht umsonst fangen die ersten (Bundes-)Behörden an, eigene Beamte als B.o.L. und solche mit dem ersten Staatsexamen in den höheren Dienst zuzulassen.

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2358 am: 06.12.2025 20:56 »
Im Tagesspiegelartikel ist zu lesen
Zitat
Zugleich bereitet der Verwaltung ein weiterer Punkt des Urteils enorme Sorgen. Denn die Richter beanstandeten nicht nur Fehler an der früheren Besoldung. Auch das bestehende Besoldungsgefüge muss überarbeitet werden.

„Das ist für uns ausgesprochen überraschend“, sagte Evers. Möglichst schnell will der Senat – auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern klären, „wie wir mit der Berechnung künftiger Abstände umgehen“.

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Ich wiederhole es gerne zum vierten Male: Der Beschluss des BVerfG ist weitreichender, als die hier anwesenden User es offensichtlich denken :)

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2359 am: 06.12.2025 21:02 »
Ich finde auch Rn. 102 interessant. Eine Kürzung der Pension kann zu einer Unteralimentation führen. Bedeutet das im Kehrschluss eine Kürzung der Pensionsgrenzen aber gleichzeitiger Anhebung der Bruttobezüge zu Dienstzeiten wäre eine Möglichkeit der aA?

Nein. Was der Besoldungsgesetzgeber machen kann: die (allgemeine) ruhegehaltsfähige Dienstzeit in Jahren beschränken oder die Mindestversorgung kürzen. Nur: das wurde bereits getan, ein weitere prozentuale Kürzung des Höchstsatzes des Ruhegehaltes bei den bisherigen Dienstzeitmodellen ist verfassungsrechtlich mutmaßlich nicht (mehr) möglich.

Böswilliger Dienstherr

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2360 am: 06.12.2025 21:11 »
Im Tagesspiegelartikel ist zu lesen
Zitat
Zugleich bereitet der Verwaltung ein weiterer Punkt des Urteils enorme Sorgen. Denn die Richter beanstandeten nicht nur Fehler an der früheren Besoldung. Auch das bestehende Besoldungsgefüge muss überarbeitet werden.

„Das ist für uns ausgesprochen überraschend“, sagte Evers. Möglichst schnell will der Senat – auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern klären, „wie wir mit der Berechnung künftiger Abstände umgehen“.

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Bin halt kein Jurist. Mich interessiert der Mathe Teil und selbst da ist selber Graben und rätselraten ohne Verbindung zum TDL oder Frau Färber angesagt

HansGeorg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2361 am: 06.12.2025 21:34 »
ich habe mir über das Thema rückwirkende Geltendmachung von Besoldungsansprüchen auch ohne haushaltsnahe Geltendmachung im Kontext der aktuellen Entscheidung des BVerfG (2 BvL 5/18 u.a.) mal Gedanken gemacht und möchte einmal Folgendes zur Bewertung in den Raum stellen.

Bislang scheitern viele Ansprüche an der Hürde der „zeitnahen Geltendmachung“ (Widerspruch im laufenden Haushaltsjahr). Doch der aktuelle Beschluss vom 17.09.2025 liefert in Randnummer 58 eine Steilvorlage, um genau dieses Dogma anzugreifen.

1. Das Kernargument: Die „fehlende Erkennbarkeit“ (Rn. 58)
Das Bundesverfassungsgericht stellt in Rn. 58 explizit fest, dass die prozessuale Risikoverteilung im Fachrecht einseitig zulasten des Beamten geht. Deshalb formuliert es eine klare Bedingung für die Rechtsverfolgung:


„Deshalb müssen die der gerichtlichen Kontrolle allgemein zugrunde gelegten Maßstäbe den Beamten in die Lage versetzen, die Verfassungskonformität der Besoldung einzuschätzen und auf dieser Grundlage eine informierte Rechtsschutzentscheidung zu treffen.“

Meine juristische Schlussfolgerung: Die Pflicht zum Widerspruch setzt logisch voraus, dass ich als Beamter den Verfassungsverstoß überhaupt erkennen kann. Das Gericht hat nun aber die Berechnungsgrundlagen massiv geändert (Wegfall der 15-Jahres-Vergleiche, Einführung Basisjahr 1996, Abkehr vom reinen Grundsicherungsabstand hin zum Median-Einkommen). Wenn das BVerfG selbst feststellt, dass die alten Maßstäbe (auf die wir und der Dienstherr uns verlassen haben) unzureichend waren, wie hätten wir dann in den Jahren 2010 bis 2020 eine „informierte Entscheidung“ treffen sollen? Die Verfassungswidrigkeit war für uns Laien – und selbst für Fachgerichte – schlicht nicht erkennbar. Eine Frist kann aber erst laufen, wenn der Mangel erkennbar ist.

2. Die neue „Index-Rechnung“ ab Basisjahr 1996
Das Gericht hat nun jedoch 1996 als festes Basisjahr für den Index definiert. Das ist juristisch sogar vorteilhaft für uns:


Das Gericht sagt, dass die bisherigen 15-Jahres-Zeiträume zu kurz waren, um die „auf Langfristigkeit angelegte Besoldung“ abzubilden. Durch die Fixierung auf 1996 wird nun erstmals sichtbar, wie die Schere zwischen Tariflohn/Inflation und Besoldung über Jahrzehnte auseinandergegangen ist.

Argument: Dieser kumulierte Verlust, der sich erst im Rückblick auf den Index seit 1996 zeigt, war im jeweiligen Einzeljahr (z.B. 2014) nicht als „evidenter Verstoß“ sichtbar. Es handelt sich um einen strukturellen, schleichenden Mangel, der sich der jährlichen Rügeobliegenheit entzieht.

3. Systemwechsel: Prekaritätsschwelle statt Grundsicherung
Das Gericht führt in Rn. 65 und 66 eine neue Untergrenze ein: Die Besoldung muss 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens erreichen (Prekaritätsschwelle). Der alte Maßstab (Abstand zur Grundsicherung) wurde vom Gericht als unzureichend und methodisch zu schwierig verworfen. Wenn der Dienstherr uns jahrelang erzählt hat, die Besoldung sei verfassungsgemäß (weil er falsch gerechnet hat), und wir darauf vertraut haben, darf er uns jetzt nicht vorwerfen, dass wir nicht geklagt haben. Das wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben.


Für alle, die keinen Widerspruch eingelegt haben, sehe ich folgende Argumentationslinie für einen Antrag auf Wiederaufgreifen (oder Amtshaftung):

Berufung auf Rn. 58: Eine „informierte Rechtsschutzentscheidung“ war uns mangels Transparenz und aufgrund der falschen Berechnungsmethoden des Dienstherrn (die das BVerfG jetzt korrigiert hat) unmöglich.

Berufung auf den Index 1996: Der Verfassungsverstoß ergibt sich erst aus der Langzeitbetrachtung (Basisjahr 1996), die im Einzeljahr für den Beamten nicht erkennbar war.

Die „Verjährung“ durch fehlenden Widerspruch kann nicht greifen, wenn der Staat die Verfassungswidrigkeit durch untaugliche Berechnungsmethoden (alte Grundsicherungs-Vergleiche) verschleiert hat.

Was meint ihr? Ist Rn. 58 der Hebel, um die „zeitnahe Geltendmachung“ zu kippen?

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2362 am: 06.12.2025 22:03 »


Frage: Wo liegt die Ursache für diesen mit einiger Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang erwartbaren Konflikt?

Erstmal welcome back und es freut mich, von Dir zu hören.

Die Frage ist aus meiner Sicht recht einfach zu beantworten, vermutlich aber auch nur deswegen, weil ich mal wieder etwas übersehe.

Während bei der Mindestbesoldung ein Bezug zum Medianeinkommen mit der OECD Skala genommen wird, und somit als unterste Schwelle der Besoldung die Prekariatsschwelle gezogen wird, wird mit der Fortschreibungspflicht nur geprüft, ob sich das Einkommen in etwa parallel zu den drei Parametern (Tariflohnindex, Nominallohnindex, Verbraucherpreisindex) entwickelt hat. Mithin hat das BVerfG eine Untergrenze für den am schlechtesten bezahlten Beamten gezogen, also so etwas wie einen "Mindestlohn" eingeführt, somit also einen Ausgangspunkt einer veränderten oder neuen Tabelle. Bisher ist die Betrachtung, was ein Beamter wert ist, eine tendenziell eher politische Entscheidung. Die Frage ist, ob man begründen kann, dass diese Sichtweise versagt hat, mithin das BVerfG dazu animieren kann, auch hier das Prüfschema um einen oder zwei weitere Prüfparameter zu erweitern und so sein Recht fortzuentwickeln.

Die strukturellen Probleme im öffentlichen Dienst gibt es weiterhin, die Pensionierungswelle in der Justiz rollt gerade an und die jetzt schon vielen offenen Stellen können entweder gar nicht oder zumindest nicht in qualitativer Gleichwertigkeit neu besetzt werden. Bei dem Vergleich mit dem Tariflohnindex wird auch übersehen, dass eine tarifliche und beamtenrechtliche Einstufung sich unterscheiden. Auch werden bei der Mindestbesoldung Nettobeträge verglichen, bei der Fortschreibungspflicht jedoch Bruttobeträge. Höhere Beiträge zur KV bleiben ebenso außen vor wie die sogenannte kalte Progression.

Die Kritik hat deutlich gemacht, wie schwierig es angesichts der Gehälter in der Privatwirtschaft für die Justiz ist, qualifizierte Bewerber einzustellen. Nach europäischen Standards sollte die Besoldung von Richtern ihrem Beruf und ihrer Verantwortung entsprechen und hinreichend sein, um sie vor Druck von außen, der ihre Entscheidungen beeinflussen soll, zu schützen.

Dabei scheint es aus meiner Sicht erstmal egal, ob bereits seit 1996, 1945 oder 2006 die Gehälter diesen Anspruch nicht erreichen. Da helfen lineare Anpassungen auch nicht weiter. Ich denke, da gab es schon mal hier Stimmen, die darauf hingewiesen haben, dass man auch mal die Einkünfte der Beamten im höheren Dienst entweder mit dem Medianeinkommen abhängig von der Qualifikation vergleichen oder mit der Einkommensentwicklung abhängig von der Qualifikation.

Vielleicht müsste das Pflichtenheft um einen weiteren Parameter ergänzt werden, um die Gehälter des höheren Dienstes und der Richter nicht von denen in der PW abzukoppeln. Nur so können die Justiz und die Verwaltung auch qualifiziertes Personal gewinnen und halten, um das Recht zu schützen. Andernfalls droht ja die gesamte Justiz zu erodieren, und mit ihr der Rechtsstaat selbst. Ich denke, daran dürfte die Justiz selbst auch kein Interesse haben.

Man darf ja nicht vergessen, wieviel Geld kriminelle Banden teilweise machen und das es für sie ein leichtes ist, auch mehr als gut bezahlte Rechtsanwälte zu bezahlen, um ihre Interessen zu vertreten. Da muss man als Staat mindestens Waffengleichheit haben, besser noch etwa die Nase vorn. Andernfalls gehen die guten nach cum ex oder cum cum und in den Steuerzahler kosten solche Sachen mehr als eine gut funktionierende Justiz und Verwaltung.

Hier ein Bericht vom Deutschen Richterbund, der die Zahlen nochmal verdeutlicht:

https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/nachrichten-auf-einen-blick/nachricht/news/justiz-wird-beim-einkommen-abgehaengt

ParagraphenReiter2026

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2363 am: 06.12.2025 22:26 »
@Swen

Swen, bei aller Vorliebe für die Unterstützung laufender Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht, denke ich, du überschätzt die Relevanz dieses Widerspruchs zwischen europäischer Rechtssprechung und den aktuelle Erkenntnissen des Bundesverfassungsgerichtes. Dies ist vielleicht für Kläger ein argumentativer Strang, den sie schwerpunktmäßig im laufenden Verfahren verfolgen können, jedoch liegt hier für alle Nicht-Kläger, und somit für den hier oft unsichtbaren Mitleser, wahrscheinlich nicht der direkte Schwerpunkt.

Nach meiner Ansicht verhindern Ergänzungszuschläge und Partnereinkommen, dass der Besoldungsgesetzgeber tatsächlich gezwungen ist, die Mindestalimentation ohne solche Tricks für die unteren Besoldungsgruppen einzuhalten. Hier muss es zeitnah zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommen. Dies allein würde schon automatisch dazu führen, dass auch der höhere Dienst maßgeblich profitieren würde.

Es mag sein, dass ich auf dem Holzweg bin, allerdings beschäftigt mich dieser Punkt der Mindestalimentation mit den folgerichtigen Auswirkungen für alle anderen höheren Besoldungsgruppen mehr, als die europäische Sichtweise auf das Gesamtkonstrukt…


AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2364 am: 06.12.2025 22:28 »
Im Tagesspiegelartikel ist zu lesen
Zitat
Zugleich bereitet der Verwaltung ein weiterer Punkt des Urteils enorme Sorgen. Denn die Richter beanstandeten nicht nur Fehler an der früheren Besoldung. Auch das bestehende Besoldungsgefüge muss überarbeitet werden.

„Das ist für uns ausgesprochen überraschend“, sagte Evers. Möglichst schnell will der Senat – auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern klären, „wie wir mit der Berechnung künftiger Abstände umgehen“.

Ausgesprochen überraschend?! Wirklich?!

Ich wiederhole es gerne zum vierten Male: Der Beschluss des BVerfG ist weitreichender, als die hier anwesenden User es offensichtlich denken :)

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Auch der "Matheteil" ist im Beschluss relativ genau umschrieben, die Prozessakte wird genauen Aufschluss darüber geben. Die neue Gesetzgebung der Alimentation ist genauer, präziser und nachvollziehbarer gworden.

AltStrG

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2365 am: 06.12.2025 22:33 »
ich habe mir über das Thema rückwirkende Geltendmachung von Besoldungsansprüchen auch ohne haushaltsnahe Geltendmachung im Kontext der aktuellen Entscheidung des BVerfG (2 BvL 5/18 u.a.) mal Gedanken gemacht und möchte einmal Folgendes zur Bewertung in den Raum stellen.

Bislang scheitern viele Ansprüche an der Hürde der „zeitnahen Geltendmachung“ (Widerspruch im laufenden Haushaltsjahr). Doch der aktuelle Beschluss vom 17.09.2025 liefert in Randnummer 58 eine Steilvorlage, um genau dieses Dogma anzugreifen.

1. Das Kernargument: Die „fehlende Erkennbarkeit“ (Rn. 58)
Das Bundesverfassungsgericht stellt in Rn. 58 explizit fest, dass die prozessuale Risikoverteilung im Fachrecht einseitig zulasten des Beamten geht. Deshalb formuliert es eine klare Bedingung für die Rechtsverfolgung:


Die Randnummer 58 ist auf jeden Fall interessant, spielt aber eher zukünftig eine Rolle. Falls deine Hoffnung sein sollte, dass ein (erst) jetzt eingelegter Widerspruch die Heilung der nicht erfolgten Widerspruchsführung in der Vergangenheit aushelfen soll, so kann ich vermuten, dass dies nicht der Fall sein wird; es sei denn, der Staat aka der Besoldungsgesetzgeber nutzt sein Selbsteintrittsrecht.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 5/18 u.a.)
« Antwort #2366 am: 07.12.2025 01:19 »
ich habe mir über das Thema rückwirkende Geltendmachung von Besoldungsansprüchen auch ohne haushaltsnahe Geltendmachung im Kontext der aktuellen Entscheidung des BVerfG (2 BvL 5/18 u.a.) mal Gedanken gemacht und möchte einmal Folgendes zur Bewertung in den Raum stellen.

Bislang scheitern viele Ansprüche an der Hürde der „zeitnahen Geltendmachung“ (Widerspruch im laufenden Haushaltsjahr). Doch der aktuelle Beschluss vom 17.09.2025 liefert in Randnummer 58 eine Steilvorlage, um genau dieses Dogma anzugreifen.

Was meint ihr? Ist Rn. 58 der Hebel, um die „zeitnahe Geltendmachung“ zu kippen?

Zusatz zu meiner Antwort: Ich habe mich gerade mit dem Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung beschäftigt. Eine gesetzliche Grundlage im Rahmen der Alimentation habe ich nicht gefunden, eine Zuhilfenahme unter Verweis auf das Verwaltungsrecht, dem BGB zumindest in Richtung der analogen Regelung im TV-L angedeutet.


Rechtsgrundlage sind, soweit ich die Beschlüsse in dieser Hinsicht kurz überflogen habe, verfassungsrechtliche Vorgaben (Art. 33 Abs. 5 GG), die allein (!) durch die Rechtsprechung vom BVerfG und BVerwG bislang (!) konkretisiert wurden.

Zitat:
„Diese Rechtsprechung folgt dem Grundgedanken, dass der Beamte kundtun muss, wenn er sich mit der gesetzlich vorgesehenen Alimentation nicht zufrieden geben will (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 2 C 40.10 – USK 2011, 147 Rn. 7). Sein Begehren kann nicht durch bloße Rechtsanwendung der Behörden entschieden werden, sondern setzt eine Klärung der normativen Grundlagen der Besoldung voraus (vgl.  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 2 C 28.07 – juris Rn. 21).


Da wir eine Neuausrichtung der Besoldungs-/Alimentations-Problematik und Gesetzgebung haben, wird dieser Punkt  AUCH Betrachtung finden.


 wurde von den Gerichten erfunden, er ist quasi Richterrecht und kein kodifiziertes Recht, wie wir es normalerweise haben.

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« Antwort #2367 am: 07.12.2025 02:14 »
Hier ein Bericht vom Deutschen Richterbund, der die Zahlen nochmal verdeutlicht:

https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/nachrichten-auf-einen-blick/nachricht/news/justiz-wird-beim-einkommen-abgehaengt

Berichte zu empfehlen ohne sie kritisch zu hinterfragen? Der Bericht wärmt aus Faulheit oder weil sich in Fortentwicklung ein leicht anderes Bild zu zeichnen wäre Studien aus alten Zeiten hervor. Der herangezogene Bericht zur Rechtsstaatlichkeit aus 2024 hat bereits einen Nachfolger, der attestiert das hinsichtlich der Empfehlung zur Vergütung von Richtern und Staatsanwälten weitere Fortschritte erzielt wurden.

Somit ist akute europäische Schützenhilfe der Kommission nicht in dem Maße zu erwarten, weil es ja positive Fortschritte sieht, die Deutschland von sich aus derzeit macht und nicht mit zusätzlich verbaler Brechstange einmischen wird, sondern eine Institution am Zug sieht, die im wahrsten Sinne des Wortes alles richten wird und die sich noch selbst "angekündigt" hat:

Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich in einem anstehenden Fall darüber in 2025 entscheiden.

https://commission.europa.eu/publications/2025-rule-law-report-communication-and-country-chapters_en
 

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« Antwort #2368 am: 07.12.2025 02:24 »
Was meint ihr? Ist Rn. 58 der Hebel, um die „zeitnahe Geltendmachung“ zu kippen?

... RN.161 S.2f schiebt dem Hebel einen Riegel vor. Rechtssicherheit durch Rechtsfrieden, nur in der Nachschau als unbefriedigende Umgehung von Ansprüchen erkennbar

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« Antwort #2369 am: 07.12.2025 05:12 »
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„Das ist für uns ausgesprochen überraschend“, sagte Evers. Möglichst schnell will der Senat – auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern klären, „wie wir mit der Berechnung künftiger Abstände umgehen“.

Ausgesprochen überraschend?! Wirklich?!

Ich wiederhole es gerne zum vierten Male: Der Beschluss des BVerfG ist weitreichender, als die hier anwesenden User es offensichtlich denken :)

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Auch der "Matheteil" ist im Beschluss relativ genau umschrieben, die Prozessakte wird genauen Aufschluss darüber geben. Die neue Gesetzgebung der Alimentation ist genauer, präziser und nachvollziehbarer gworden.

Meine Güte. Du hast gar nicht verstanden um was es geht. Und du sollst hier dem BVerfG auch nicht den Popo pudern. Es gibt hier drei (und mehr)(inklusive mir) die das rechnen können. Grüße gehen raus an @believer und @ozymandias. Die Sache ist nur die: im rahmen des effektiven Rechtsschutzes nach EGMR soll es ja möglich sein, dass JEDER Beamte in die Lage versetzt werden soll seine Besoldung auf Verfassungswidrigkeit zu überprüfen. Das funktioniert für die Prüfung der Mindestalimentation sehr gut, was auch der wichtigste Teil ist. Jedoch in der komplexeren Fortschreibungsprüfung wird mir der Zugang zu den Möglichkeiten der Datenbeschaffung des BVerfG verwehrt (öffentlich zugängliche, leicht verständliche Quelle wie beim MÄE). Ich habe keinen Zugriff auf:

-Daten und Rechenschemata Fr. Dr. Färber
-Daten des PKV Verbandes (für private gibts hier nur Zugang zu: „wieviel haben wir verdient“
-Daten der Tarifgemeinschaft der Länder
Usw. usf.

Wenn das alles gegeben wäre, gäbs hier im Forum (auf schwäbisch) wirklich genug „käpsele“ mit entsprechend Hirnleistung sodass alsbald ein Rechner für alle hier auf der Website erscheinen könnte.