Um die weitestgehend abstrakte Sichtweise auf die Amtsangemessenheit der Besoldung und den weiten Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber hat, mal etwas mit Leben zu füllen, hier ein paar Überlegungen dazu, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben sollen:
Im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Beamten, Richtern und Staatsanwälten für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen.
Wenn der Gesetzgeber also die Verpflichtung mit Leben füllen will, dann kann er sich beispielsweise anschauen, was den ein Beamter, der in der Privatwirtschaft (PW) arbeiten würde, dort verdienen würde. Eine reiner Vergleich bspw mit den Tarifen nach den Tarifregistern übersieht allerdings mehrere Punkte:
1.) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in der PW meistens geringer als für den Berufsbeamten. So würde ein Arbeitnehmer, der in der Metallindustrie regelmäßig 40 statt 35 Stunden arbeiten würde, auch noch ein Entgelt für die anderen 5 Stunden zu erwarten haben. Auch kann der typische Arbeitnehmer sein Einkommen entweder durch Überstunden bei demselben Arbeitgeber oder aber durch die Aufnahme eine Nebenbeschäftigung sein Einkommen aufbessern. Da der Beamte sich aber mit voller Hingabe seinen dienstlichen Aufgaben widmen soll, soll er eben nicht zum Diener zweier Herren werden müssen, um eine amtsangemessene Lebensführung zu ermöglichen.
2.) Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber lediglich eine Arbeitskraft „mittlerer Art und Güte“, was bedeutet, dass die Leistung dem Durchschnitt entspricht, was ein Mitarbeiter mit angemessener Anspannung seiner Fähigkeiten ohne Gesundheitsgefährdung erbringen kann; es ist eine dynamische Erwartung, die sich an der persönlichen Leistungsfähigkeit orientiert, nicht an Spitzenleistungen, und führt oft zu einer Note „befriedigend“ im Arbeitszeugnis, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Der Beamte hingegen soll sich regelmäßig davon abheben, er soll sich mit voller Hingabe seinem Amt widmen, somit sind Beamte regelmäßig an den Mitarbeitern zu orientieren, deren Note im Arbeitszeugnis weit häufiger besser als mit „befriedigend“ zu beurteilen wäre.
3) Bei einem Arbeitnehmer folgt die Bezahlung der übertragenen Tätigkeit, bei einem Beamten hingegen hat sich die amtsangemessene Besoldung an seinen persönlichen Qualifikationen zu orientieren. Mithin muss der Dienstherr dem Beamten eine Aufgabe übertragen, die ihm aufgrund seiner Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung weder unter- noch überfordert. Dabei dürfen dem Beamten regelmäßig auch höherwertige Aufgaben übertragen werden, ohne dass er eine oder mehrere Besoldungsgruppen aufsteigen muss, mithin dafür besser besoldet werden muss. Im Gegensatz dazu werden überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte auch in der PW regelmäßig mit höherwertigen Aufgaben, meist auch mit Führungsaufgaben, also mithin mit Personalverantwortung betraut, die dort jedoch nach den jeweils gültigen Tarifverträgen eine höhere Entgeltgruppe nicht nur rechtfertigen, sondern eine solche Höhergruppierung tarifrechtlich unabwendbar machen.
4.) Um es mal anhand der Einstellungspraxis in der Justiz und Staatsanwaltschaft zu konkretisieren. In der Vergangenheit wurden über viele Jahre lediglich Juristen mit Prädikatsexamen eingestellt. Je nach Jahrgang konnten allerdings nur etwa 15 bis 20 % der Studenten ein solches Prädikatsexamen erwerben. Wenn also das Einkommen dieser überdurchschnittlich qualifizierten Kräften mit dem Durchschnitt aller Juristen verglichen wird, dann übersieht eine solche Betrachtung regelmäßig, dass es bei solchen Durchschnittswerten auch große Abweichungen nach oben und nach unten gibt. Eine Betrachtung, die also lediglich Durchschnittswerte als Vergleichsmaßstab nimmt, kann demnach kein geeignetes Mittel sein, um eine sachgerechte, also amtsangemessene Besoldung, daraus unmittelbar ableiten zu wollen. Der Deutsche Richterbund hat mal versucht, eine solche differenzierte Betrachtung zu machen:
https://www.drb.de/newsroom/presse-mediencenter/nachrichten-auf-einen-blick/nachricht/news/justiz-wird-beim-einkommen-abgehaengt 5) Wenn der Gesetzgeber zukünftig tatsächlich das Einkommen der Spitzenkräfte in der Privatwirtschaft, also beispielsweise der oberen 20 %, in den Blick nehmen sollte und auch dabei das Einkommen nochmal auch unter Berücksichtigung der regelmäßig unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeit in den Blick nehmen würde, könnte er sich dem Betrag deutlich sachgerechter annähern, der den Ansprüchen auf eine amtsangemessene Grundbesoldung erforderlich machen würde.
6.) Gleichzeitig könnte er auch überlegen, ob die Erfahrungsstufen noch in dieser Form und in dieser Anzahl zeitgemäß sind. So gibt es in einigen Tarifbereichen gar keine Erfahrungsstufen mehr, in anderen erreichen Tarifbeschäftigte die höchste Erfahrungsstufe bereits nach 6 Jahren Berufserfahrung
https://www.igmetall.de/tarif/tariftabellen/metall-und-elektro-branchen-und-handwerke7.) Sodann müsste sich der Gesetzgeber überlegen, ob die Besonderheiten des Berufsbeamtentums bei dem Vergleich Zuschläge (bspw wegen der Einschränkungen der Grundrechte) oder Abschläge (bspw wegen der Unkündbarkeit) rechtfertigen und diese gewichten.
8.) Sodann könnte er sich überlegen, nach welchen objektivierbaren Kriterien er die Nebenbesoldung neu justieren könnte, wenn er wollte. Auch diese Überlegungen müssen sich an objektivierbaren Kriterien orientieren und dürfen nicht durch eine rein mathematisierenden Überlegung geprägt sein, mithin eben nicht nur deswegen so willkürlich in einer Höhe bemessen sein, dass das Endergebnis (also die Mindestbesoldung) passt. Gerade in diesem Punkt gibt es bisher noch keine abschließende Rechtsprechung sondern in verschiedenen Urteilen und in der Fachliteratur allenfalls Hinweise, die im besten Fall als Orientierung zu verstehen sind, so dass die Höhe der zukünftigen Nebenbesoldung ein Punkt ist, der auch zahlenmäßig nur schwer zu greifen ist.
Nachdem er alle diese Überlegungen genutzt hat, um entweder die Beamtenbesoldung komplett neu zu denken oder die bisherige Tabelle und ggf. auch die „Nebenbesoldung“ neu zu justieren, kann er dann mit Hilfe des neuen Pflichtenheftes prüfen, ob die so bemessene Besoldung evident unzureichend ist oder nicht. Dabei darf er die absoluten Untergrenze auch überschreiten, er darf sie aber eben nicht unterschreiten. Sollte er das Ziel nicht erreichen, kann er nicht einfach anheben, so dass es mathematisch passt, sondern muss von vorne anfangen und ggf. neu oder anders sachgerecht gewichten.
Das Ergebnis dieser Betrachtung ist daher aus meiner bescheidenen Sicht in etwa so gut vorhersehbar, wie die exakte Vorhersage sämtlicher Bundesligaspiele bis zum Saisonende. Auch wenn man schon jetzt davon ausgehen darf, dass die Fußballer aus München ein weiteres Mal die Schale in die Höhe strecken werden, kann man daraus nicht ableiten, welche Mannschaft die Plätze 2 bis 18 belegen werden.
Als Beamter muss man zukünftig vermutlich konkreter als bisher den Verdacht einer amtsangemessenen Unteralimentation im gerichtlichen Verfahren erhärten. Bevor man also die Frage nach dem Wieviel beantworten kann, muss man zunächst das ob klären. Die Frage, wie viel man dann erstreitet, stellt sich erst, nachdem man im Rahmen des ersten und zweiten Prüfungsschrittes stichhaltig nachweisen kann, dass die Prüfung zu keinem anderen Ergebnis führen kann, als das die Besoldung als evident unzureichend betrachtet werden muss.
Das nächste Ziel, was uns alle, so denke ich, vereinen sollte, ist doch, dass auch die noch laufenden Musterverfahren in allen Besoldungskreisen, die die Zeit ab 2022 betrachten, für möglichst alle Besoldungskreise zu dem Ergebnis kommen (müssen), die Besoldung ist landauf, landab auch trotz der zwischenzeitlichen Änderung der Besoldung vor allem der Länder weiterhin evident unzureichend, weil die Reformen sich eben nicht an den obigen Kriterien orientiert haben, sondern fast ausschließlich an fiskalischen Überlegungen.
Und da kann wie gesagt jede mathematische Betrachtung, die das belegen kann, absolut helfen. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Mathematiker und Statistiker, die hier unterwegs sind, wesentlich besser mit dem Taschenrechner und Excel umgehen können als ich. Ich kann nur auf Dinge hinweisen und Euch um Unterstützung bitten. Um Fehler in der Berechnung zu vermeiden, und die würde ich vermutlich unweigerlich machen, weil ich seit 30 Jahren solche Berechnungen nicht mehr angestellt habe, sollte diese Aufgabe vielleicht jemand machen, der nach A15 oder A16 besoldet wird, und sich deutlich intensiver mit den volkswirtschaftlichen Parametern beschäftigt hat und dazu zähle ich nicht. Ich für meinen Teil würde mich eher auf die Betrachtung aus staatsrechtlicher Sicht konzentrieren würde; das ist jedenfalls das, was ich mir eher zutraue, als die Berechnungen nachzurechnen, die ihr anstellt. Deswegen habe ich nur ganz selten dazu etwas gesagt, weil ich in den Bereichen, in denen ich wenig bis keine Ahnung habe, regelmäßig lieber leise bin als etwas falsches zu sagen. Ich vertraue einfach darauf, dass Ihr das schon richtig rechnet und euch gegenseitig helft, wenn einer etwas daneben liegen sollte.
Prof. Färber hat einen konkreten Auftrag bekommen und Ihr wurden konkrete Fragen gestellt, die sie wunsch- und auftragsgemäß mit Sicherheit vollständig und richtig beantwortet hat. Mir geht es mithin nicht darum, die Arbeit von Prof. Färber anzugreifen. Was ist aber, wenn beim Stellen der Frage Dinge übersehen wurden, mithin bei einer leicht geänderten Fragestellung ein anderes Ergebnis heraus gekommen wäre? Was sind also die Schwächen, die sich aus der Betrachtung des Jahres 1996 als Fixpunkt ergeben? Welche Folgen haben die Schwächen, die sich daraus ergeben, für den Index?
Die Antwort würde, so denke ich, A14 und A15 tatsächlich unmittelbar und allen anderen Beamten mittelbar auf dem weiteren Weg zu einer aA helfen.