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Beschäftigte nach TVöD / TV-L / TV-H => TV-L => Thema gestartet von: HrForst am 17.02.2020 11:29

Titel: Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: HrForst am 17.02.2020 11:29
Hallo,
als Angestellter einer Landesbehörde, nehme ich seit mehreren Jahren an der angeordneten Rufbereitschaft im Bereich Haustechnik teil.
Die Rufbereitschaft umfasst ausschließlich die Haustechnik der eigenen Behörde (z.b. Klima/Heizung).
Die Rufbereitschaft umfasst eine ganze Woche, also sieben Tage, 24Stunden.
In der Regel soll jede Woche gewechselt werden.
Sollte es einmal zu Störung der Haustechnik kommen, wird dieses aufs Smartphone des jeweiligen Mitarbeiters weitergeleitet. In 45min. muss der Arbeitsplatz erreicht sein um die Störung zu beheben.
Die Rufbereitschaft übernehmen bei uns fünf Personen.
Davon scheidet einer aus gesundheitlichen Gründen aus und weitere drei verabschieden sich in den Ruhestand.
Für die vier gehenden Kollegen soll ein neuer Mitarbeiter/in in naher Zukunft gesucht werden.
 Ab Herbst dieses Jahres sind wir dann max. zu zweit.
Im Jahr 2019 musste ich aufgrund von Erkrankung meiner Arbeitskollegen insgesamt 21 Wochen Rufbereitschaft übernehmen. Das ist so in all den Jahren noch nie vorgekommen. In absehbarer Zukunft wird das aber wohl Standard.
Jetzt zu eigentlichen Frage.
Wie oft ist Rufbereitschaft für mich als Angestellten zumutbar?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 11:37
Die Zeit der Rufbereitschaft zählt nicht zur Arbeitszeit und ist deshalb grundsätzlich ohne bestimmte Grenzen zulässig. Kommt es während der Rufbereitschaft zum Arbeitseinsatz, führt dies dazu, daß die Ruhezeit von elf Stunden erneut anläuft. Damit verlagert sich der Beginn der werktäglichen Arbeitszeit entsprechend nach hinten. Rufbereitschaft wird dann zur Arbeitszeit, wenn die Arbeitsleistung in Anspruch genommen wird. Es gelten dann nicht nur die Ruhezeitregelungen, sondern auch die Höchstgrenzen in zeitlicher Hinsicht. Eine extreme Häufung der Rufbereitschaften zieht zumindest dann, wenn daraus Arbeitszeit wird, mit einiger Wahrscheinlichkeit Kollisionen mit der täglichen oder wöchentlichen Höchstarbeitszeit oder der Unterschreitung von Ruhezeiten nach sich. Der AN ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Verlangen des AG dann nachzukommen, wenn diese Grenzen überschritten werden.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 17.02.2020 12:00
Die Frage ist ja, darf eine AG einem Mitarbeiter für 50% des Jahres Rufbereitschaft anordnen?
So wie ich es verstehe, darf er das, er hat nur irgendwann ein Problem, wenn derjenige öfters mal innerhalb der Rufbereitschaft zu einem Arbeitseinsatz muss.

Aber umgekehrt: Wenn man 6 Monate am Stück Rufbereitschaft aufgedrückt bekommt, es alle 4 Monate mal zum Einsatz kommt....

Also ich jedoch dauerhaft (also quasi das halbe Jahr) innerhalb 45min am Arbeitsplatz sein muss, wg. Rufbereitschaft, ist das ja eine arge Einschränkung.
Gerade am WE kann man in der Zeit ja keine Ausflüge machen etc.
Krass :(
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 17.02.2020 12:31
Muss der Arbeitgeber eigentlich das Entgelt fortzahlen, wenn der AN aufgrund einer Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft nicht wie geplant zur Arbeit erscheinen kann?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 12:35
Inwiefern wäre er denn daran gehindert?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 17.02.2020 12:36
Muss der Arbeitgeber eigentlich das Entgelt fortzahlen, wenn der AN aufgrund einer Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft nicht wie geplant zur Arbeit erscheinen kann?
??
Du meinst, ob die Soll Stunden die ursprünglich da waren bestehen bleiben?
Z.B. Rufbereitschaft nachts um 1:00 klingelt das Telefon, man ist um 4:00 wieder zuhause.  (3h arbeit)
Dienstbeginn eigentlich 8:00, geht nicht muss ja Pause einhalten.  Kann dann um 15:00 zur Arbeit gehen und die restlichen 5 h machen, geht nicht, weil Haus wird um 19:00 abgeschlossen. Es fehlt einem dann eine Stunde.

Der AN wird daran gehindert die 1h zu arbeiten, dass muss der AG ihm gutschreiben?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 17.02.2020 12:42
Inwiefern wäre er denn daran gehindert?

Weil er die Ruhezeit einhalten muss.

Die Inanspruchnahme der Rufbereitschaft geht bspw. bis 22:00 Uhr. D.h. er darf ab 09:00 Uhr wieder arbeiten.
Laut Dienstplan muss er aber eigentlich um 07:00 Uhr da sein.

Das stellt sich doch die Frage, was mit den zwei Stunden passiert.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Capo am 17.02.2020 12:48
Die zwei Stunde wäre er dann im Minus. Er kann Sie ja am nächsten Tag rausholen.
Wichtig ist das die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nicht überschritten werden und am ende der Woche 40 Stunden gearbeitet wurde.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Capo am 17.02.2020 12:50
Es gibt aber auch Betriebe die im Rahmen einer Dienstvereinbarung auf diese Stunden verzichten.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 12:59
Inwiefern wäre er denn daran gehindert?

Weil er die Ruhezeit einhalten muss.

Die Inanspruchnahme der Rufbereitschaft geht bspw. bis 22:00 Uhr. D.h. er darf ab 09:00 Uhr wieder arbeiten.
Laut Dienstplan muss er aber eigentlich um 07:00 Uhr da sein.

Das stellt sich doch die Frage, was mit den zwei Stunden passiert.

Muß er nicht, er darf ohne zu fragen. Die gesetzliche Regelung richtet sich an den AG. Dieser muß ihn ggfs. daran hindern, die Arbeit aufzunehmen, um seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Dies könnte u.U. ein Annahmeverzug sein.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: HrForst am 17.02.2020 13:21
Die Realität sieht so aus, wenn ich von 2:00Uhr – 4:00 Uhr einen Diensteinsatz während der Rufbereitschaft habe, erscheine ich wieder pünktlich um 7:00 Uhr zum Dienstbeginn.
Das macht tatsächlich jeder von uns so.
Aufgrund der relativ geringen „Einsätze“ während der Rufbereitschaft sehe ich das nicht als Einschränkung.
Als sehr große Einschränkung und Benachteiligung sehe ich allerdings, dass ich min. 50% der Rufbereitschaft übernehmen soll.  Hinzu kommt das im Falle des Ausfalls (z.B. Erkrankung) des Arbeitskollegen die Rufbereitschaft sofort zu übernehmen ist.
Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 13:39
Die Realität sieht so aus, wenn ich von 2:00Uhr – 4:00 Uhr einen Diensteinsatz während der Rufbereitschaft habe, erscheine ich wieder pünktlich um 7:00 Uhr zum Dienstbeginn.
Das macht tatsächlich jeder von uns so.

Selbst schuld - und ein rechtswidriges Handeln des AG, der so etwas zuläßt. In diesem Beispiel wäre erst ab 15:00 Uhr eine Annahme der Arbeitsleistung durch den AG wieder zulässig.

Zitat
Aufgrund der relativ geringen „Einsätze“ während der Rufbereitschaft sehe ich das nicht als Einschränkung.
Als sehr große Einschränkung und Benachteiligung sehe ich allerdings, dass ich min. 50% der Rufbereitschaft übernehmen soll.  Hinzu kommt das im Falle des Ausfalls (z.B. Erkrankung) des Arbeitskollegen die Rufbereitschaft sofort zu übernehmen ist.

Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Capo am 17.02.2020 14:10
Ich bin immer erstaunt wie wenig AG die Bereitschaft in Rahmen einer Dienstvereinbarung Regeln. Das Arbeitszeitgesetzt lässt es ja extra für Rufbereitschaft zu die Ruhezeit in Rahmen einer Dienstvereinbarung zu Kürzen. Bei einer Reduzierung auf z.B. 8 Stunden (wenn ein Zeitnaher ausgleichsichergestellt ist) ist eine Unterschreitung eher selten, und falls man mal einen 8 Stunden Bereitschaftseinsatz in der Nacht hat, was meistens schon ein Supergau ist, sollte der AG auf die Fehlstunden verzichten.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 17.02.2020 14:24
Das Arbeitszeitgesetzt lässt es ja extra für Rufbereitschaft zu die Ruhezeit in Rahmen einer Dienstvereinbarung zu Kürzen.

Bedarf es dazu  nicht einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage im Tarifvertrag? Im TV-L dürfte es die doch nur für sehr wenige Bereiche (Ärzte?) geben, oder?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 17.02.2020 14:26
Das Arbeitszeitgesetzt lässt es ja extra für Rufbereitschaft zu die Ruhezeit in Rahmen einer Dienstvereinbarung zu Kürzen.

Bedarf es dazu  nicht einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage im Tarifvertrag? Im TV-L dürfte es die doch nur für sehr wenige Bereiche (Ärzte?) geben, oder?

sorry das ist Blödsinn...
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 14:28
Nein, ist es nicht. Die Dienstvereinbarung kommt nur ins Spiel, wenn sie tarifvertraglich vorgesehen ist.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Organisator am 17.02.2020 14:42
Nein, ist es nicht. Die Dienstvereinbarung kommt nur ins Spiel, wenn sie tarifvertraglich vorgesehen ist.

Hilf mir mal bitte,

das BPersVG (und mutmaßlich auch die Landesgesetze) regelt in § 75 Abs. 3 Nr. 1

Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage


Nach meinem Verständnis müsste das auch die Festlegung von Rufbereitschaften mit abdecken und wäre somit einer Dienstvereinbarung zugänglich.

Oder irre ich?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Capo am 17.02.2020 14:47
Im TV-L ist unter §6 Abs.4
Aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen kann auf der Grundlage einer Betriebs-/Dienstvereinbarung im Rahmen des § 7 Absatz 1, 2 und des § 12 Arbeitszeitgesetz  von  den  Vorschriften  des  Arbeitszeitgesetzes  abgewichen  werden.
Dieses Geregelt.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 14:54
Nein, ist es nicht. Die Dienstvereinbarung kommt nur ins Spiel, wenn sie tarifvertraglich vorgesehen ist.

Hilf mir mal bitte,

das BPersVG (und mutmaßlich auch die Landesgesetze) regelt in § 75 Abs. 3 Nr. 1

Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage


Nach meinem Verständnis müsste das auch die Festlegung von Rufbereitschaften mit abdecken und wäre somit einer Dienstvereinbarung zugänglich.

Oder irre ich?

Es geht aber nicht um die Festlegung von Rufbereitschaften, sondern um eine Abweichung von der Ruhezeit. Um diese in einer Dienstvereinbarung zu regeln, bedarf es gem. §7 Abs. 1 f. ArbZG einer tariflichen Ermächtigung.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 14:55
Im TV-L ist unter §6 Abs.4
Aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen kann auf der Grundlage einer Betriebs-/Dienstvereinbarung im Rahmen des § 7 Absatz 1, 2 und des § 12 Arbeitszeitgesetz  von  den  Vorschriften  des  Arbeitszeitgesetzes  abgewichen  werden.
Dieses Geregelt.

Und wo lägen im Sachverhalt dringende dienstliche Gründe vor?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Organisator am 17.02.2020 15:23
Nein, ist es nicht. Die Dienstvereinbarung kommt nur ins Spiel, wenn sie tarifvertraglich vorgesehen ist.

Hilf mir mal bitte,

das BPersVG (und mutmaßlich auch die Landesgesetze) regelt in § 75 Abs. 3 Nr. 1

Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage


Nach meinem Verständnis müsste das auch die Festlegung von Rufbereitschaften mit abdecken und wäre somit einer Dienstvereinbarung zugänglich.

Oder irre ich?

Es geht aber nicht um die Festlegung von Rufbereitschaften, sondern um eine Abweichung von der Ruhezeit. Um diese in einer Dienstvereinbarung zu regeln, bedarf es gem. §7 Abs. 1 f. ArbZG einer tariflichen Ermächtigung.

Ahso. Dann habe ich mich verwechselt. Macht Sinn.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Capo am 17.02.2020 15:25
Rufbereitschaft an sich sollte nur Angeordnet werden wenn es dafür dringende Betriebliche Gründe gibt, dann kann ich Sie auch in Rahmen einer Dienstvereinbarung regeln.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 17.02.2020 15:30
Eine solche Soll-Norm existiert nicht.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 18.02.2020 08:01
Heißt, wenn keine Dienstvereinbarung abgeschlossen wurde oder keine dringenden dienstlichen Gründe vorliegen, stellt man die betroffenen Personen bis zur Erreichung der Ruhezeit unter Fortzahlung des Entgeltes von der Arbeit frei?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 08:37
Eine Freistellung kommt nicht in Betracht, da der AN zu einer Arbeitsleistung, die gegen das ArbZG verstößt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist. Der AG hat den AN aber an einer Arbeitsaufnahme vor dem Ende der Ruhezeit zu hindern. Dann tritt für in diesem Zeitraum vorgesehene Arbeitsstunden Annahmeverzug ein. Hindert einen der AG nicht, zeigt man ihn an. Gibt zunächst Bußgelder, bei beharrlicher Zuwiderhandlung kommen wir in den Bereich einer Straftat.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Texter am 18.02.2020 08:51
Und rein praktisch? Zahlt der AG das Entgelt weiter, ohne dass ich arbeiten muss?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 18.02.2020 09:07
Wenn ich es richtig verstanden habe muss der AG die Stunden für die du schon verbindlich eingetragen bist (Dienstplan), aber die du nicht arbeiten darfst als Arbeitsstunden werten muss.

Wie sieht es aus, wenn man keine Dienstplan hat, sondern flexible Arbeitszeiten, gilt das dann auch?
(z.B. man hat kernarbeitszeit/Funktionszeit ab 9:00, darf aber erst um 10:00 wieder arbeiten)
und was wenn man um 6:00 vor der Tür steht und der AG einen nach hause schickt, zählt dann die Zeit ab 6:00) ;)
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 09:28
Wenn ich es richtig verstanden habe muss der AG die Stunden für die du schon verbindlich eingetragen bist (Dienstplan), aber die du nicht arbeiten darfst als Arbeitsstunden werten muss.

Man darf arbeiten, der AG darf es nur nicht zulassen.

Zitat
Wie sieht es aus, wenn man keine Dienstplan hat, sondern flexible Arbeitszeiten, gilt das dann auch?
(z.B. man hat kernarbeitszeit/Funktionszeit ab 9:00, darf aber erst um 10:00 wieder arbeiten)
und was wenn man um 6:00 vor der Tür steht und der AG einen nach hause schickt, zählt dann die Zeit ab 6:00) ;)

Es geht um vorgesehene Arbeitsstunden - ohne kann es nur dann Annahmeverzug geben, wenn Minusstunden entstehen, ohne daß eine Regelung besteht, die die Entstehung von Minusstunden auch durch Umstände, die in der Risikosphäre des AG liegen, ausdrücklich zuläßt und diese nicht im Ausgleichszeitraum ausgeglichen werden. Bestünde ohne die Überschreitung des ArbZG eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, sind es vorgesehene Arbeitsstunden - Kernzeiten/Funktionszeiten/Dienstpläne sehen eine solche Verpflichtung in den von ihnen erfaßten Zeiten vor.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Garfield am 18.02.2020 10:27

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: wap am 18.02.2020 10:31


Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.

Wo kann man denn die Regelung der Ankündigungsfrist von 4 Tagen nachlesen? Diese wird in unserem Betrieb regelmäßig unterschritten. Gibt es hiervon wieder Ausnahmen wonach eine Unterschreitung zulässig ist?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 10:39

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Garfield am 18.02.2020 10:52

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.

Da es beim TE um "Haustechik (Klima, Heizung) geht und die Rufbereitschaft sogar nachts erfolgt würde ich die Anordnung trotzdem rechtlich anfechten. Oder den Arbeitgeber zumindest auffordern die 45 Minuten ausführlich zu begründen und diese Begründung dann zusammen mit der Personalvertretung prüfen.
Beim zitierten Urteil geht es um Notfallversorgung von Patienten, das ist hier mE nicht anwendbar.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 10:55


Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.

Wo kann man denn die Regelung der Ankündigungsfrist von 4 Tagen nachlesen? Diese wird in unserem Betrieb regelmäßig unterschritten. Gibt es hiervon wieder Ausnahmen wonach eine Unterschreitung zulässig ist?

Es gibt keine unmittelbare gesetzliche oder tarifliche Regel, der eine angemessene Vorankündigungsfrist für Angestellte aller Art regelt, jedoch gilt das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin hier als wegweisend (Urteil vom 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12). Dort wird eine Vorankündigungsfrist von vier Tagen als angemessen betrachtet und bezieht sich dabei auf die gesetzliche Vorwarnfrist für Teilzeitangestellte, die „Arbeit auf Abruf“ leisten (§ 12 Abs. 2 Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge). Das ist in sich schlüssig und wurde bislang nicht weiter infrage gestellt.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß dem AG grundsätzlich sogar verwehrt ist, von seinem einmal ausgeübten Direktionsrecht erneut Gebrauch zu machen.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 10:57

Die Regelung, dass der Arbeitsplatz innerhalb von 45 min. erreicht sein muss, beeinträchtigt das Privatleben enorm. Familienausflüge, Kinobesuche, Geburtstage der Kinder, über Weihnachten zu Familie, lässt sich so nicht mehr Regeln.

Es gibt auch gar keine tarifrechtliche Grundlage für diese Anordnung deines Arbeitgebers.

Der TV-L sagt:

"Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen."

Mehr nicht. Wenn du deinem Chef sagst: Ich bin an diesem Tag an Ort XY, der 3 Stunden von der Arbeit entfernt ist, dann ist das eben so.
Möchte er das nicht hat er eben einen Bereitschaftsdienst einzurichten, der vor Ort ist.

Der AN ist in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig frei, es darf nur eine solche Zeitspanne zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit liegen, die den Einsatz nicht gefährdet und noch gewährleistet, daß die Arbeit im Bedarfsfall noch aufgenommen werden kann, diese Bewertung kann auch vom AG vorgenommen werden, BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 6 AZR 592/89.

Da es beim TE um "Haustechik (Klima, Heizung) geht und die Rufbereitschaft sogar nachts erfolgt würde ich die Anordnung trotzdem rechtlich anfechten. Oder den Arbeitgeber zumindest auffordern die 45 Minuten ausführlich zu begründen und diese Begründung dann zusammen mit der Personalvertretung prüfen.
Beim zitierten Urteil geht es um Notfallversorgung von Patienten, das ist hier mE nicht anwendbar.

Es geht nicht um die Art des Rechtsgutes, das durch die Rufbereitschaft vor Schaden bewahrt werden soll, sondern alleine um die betriebliche Notwendigkeit.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: wap am 18.02.2020 11:05


Nein, ist sie nicht. Hat der AG durch Veröffentlichung des Dienstplanes sein Direktionsrecht zur Lage der Arbeitszeit ausgeübt, ist er daran gebunden und kann es grundsätzlich nicht erneut ausüben. In den Fällen, in denen er das kann, hat er die Ankündigungsfrist von 4 Tagen einzuhalten.

Wo kann man denn die Regelung der Ankündigungsfrist von 4 Tagen nachlesen? Diese wird in unserem Betrieb regelmäßig unterschritten. Gibt es hiervon wieder Ausnahmen wonach eine Unterschreitung zulässig ist?

Es gibt keine unmittelbare gesetzliche oder tarifliche Regel, der eine angemessene Vorankündigungsfrist für Angestellte aller Art regelt, jedoch gilt das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin hier als wegweisend (Urteil vom 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12). Dort wird eine Vorankündigungsfrist von vier Tagen als angemessen betrachtet und bezieht sich dabei auf die gesetzliche Vorwarnfrist für Teilzeitangestellte, die „Arbeit auf Abruf“ leisten (§ 12 Abs. 2 Gesetz für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge). Das ist in sich schlüssig und wurde bislang nicht weiter infrage gestellt.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß dem AG grundsätzlich sogar verwehrt ist, von seinem einmal ausgeübten Direktionsrecht erneut Gebrauch zu machen.

Danke für die Information.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 18.02.2020 12:57
Es geht nicht um die Art des Rechtsgutes, das durch die Rufbereitschaft vor Schaden bewahrt werden soll, sondern alleine um die betriebliche Notwendigkeit.
Also wenn man wg. Heizung/Klima in Rufbereitschaft ist
und die Heizung nachts ausfällt und es ist minus 10 Grad, dass dann eine andere Reaktionszeit gefordert werden kann, als bei einer Aussentemperatur von 15 Grad oder?
Wenn wir mal nur von Büroräumen ausgehen, die beim erstem Fall z.B. nach 3h nicht mehr nutzbar wären und beim zweiten Fall erst nach 7h .
Muss der AG dies nicht berücksichtigen?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 13:09
Das wäre ja die betriebliche Notwendigkeit. Das gleiche gälte auch bei medizinischen Notfallmaßnahmen, wenn denkbare Notfälle erst nach einer Stunde oder bereits nach 45 Minuten zu einem Schaden führten. Es ist also unabhängig von der Art des Rechtsgutes.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 18.02.2020 13:33
Das wäre ja die betriebliche Notwendigkeit.
Wenn ein Heizungsausfall also keinen Schaden innerhalb von 12 h auslöst, dann wäre eine Reaktionszeit von 3h  also auch ok?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 14:10
Vielleicht. Vielleicht bedarf es aber auch eines zeitlichen Vorlaufs, um die Temperatur im Gebäude auf eine solche anzuheben, bei der gearbeitet werden darf. Oder es bedarf aus irgendwelchen Gründen einer Warmwasserversorgung. Oder, oder, oder. Eine Heizung kann auch unmittelbar Schaden verursachen. In den allermeisten Fällen wird das nicht vorher absehbar sein. Es obliegt dem AG eine Risikobewertung vorzunehmen und die unternehmerische Entscheidung zu treffen, ob er einen davor setzt, der die Heizung ununterbrochen beobachtet, ob er einen im Nachbarraum pennen läßt, eine Rufbereitschaft einrichtet oder ob er es darauf ankommen läßt. Die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit ist eine unternehmerische Bewertung, bei der dem AG naturgemäß ein weites Ermessen zukommt.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: WasDennNun am 18.02.2020 14:32
Es obliegt dem AG eine Risikobewertung vorzunehmen
Er muss es aber machen und kann nicht einfach bestimmen, dass 45 min die betriebliche Notwendigkeit ist, oder?
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 14:34
Wie er diese Risikobewertung vornimmt, ist ihm überlassen. Eine Darlegung seiner Erwägungen ist von ihm auch erst in der gerichtlichen Auseinandersetzung verlangt.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Wastelandwarrior am 18.02.2020 15:07
Landesarbeitsgericht Köln 11. Kammer
Entscheidungsdatum:   13.12.2011
Rechtskraft:   ja
Aktenzeichen:   11 Sa 863/11
Dokumenttyp:   Urteil

RdNr. 14

"Mit dem Wesen der Rufbereitschaft ist es nicht vereinbar, wenn zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme zeitliche Vorgaben bestehen, die den Arbeitnehmer faktisch zwingen, sich in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz aufzuhalten (BAG, Urt. 31.01.2002 - 6 AZR 214/00 -). Das wesentliche Differenzierungskriterium ist demnach die freie Bestimmung des Aufenthaltsortes. Nur wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich um persönliche oder familiäre Angelegenheiten kümmern zu können, z.B. Teilnahme an einer sportlichen oder kulturellen Veranstaltung, liegen die Voraussetzungen einer Rufbereitschaft vor (LAG Köln, Urt. v. 13.08.2008 - 3 Sa 1453/07 -). "

Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 15:18
Das ist ja das, was ich a.a.O. dargelegt hatte: https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,113366.msg160849.html#msg160849

Es steht aber einer zeitlichen Vorgabe nicht entgegen, nur einer zu engen - relevante Rechtsprechung hat 10, 12, 15 und 20 Minuten grundsätzlich, 30 und 35 Minuten unter den Umständen des Einzelfalls verworfen. In zwei Urteilen (Urteil vom 22.01.2004 - 6 AZR 543/02, Urteil vom 16.10.2013 - 10 AZR 9/13) hat das BAG eine Reaktionszeit von 45 Minuten unter den Umständen des Einzelfalls für mit der Rufbereitschaft vereinbar gesehen - obwohl in einem Fall dabei nicht einmal die eigene Wohnung als Aufenthaltsort infrage kam.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Wastelandwarrior am 18.02.2020 15:41
Ich wollte auf die Dauer 6 Monate hinaus. Das dürfte auch zu lange sein. zu einschränkend.

AN sind keine 24/7 Masochisten (meist)
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Spid am 18.02.2020 15:46
Ein halbes Jahr am Stück wahrscheinlich - aber insgesamt ein halbes Jahr im wöchentlichen Wechsel hielte ich nicht für grundsätzlich zu einschränkend. Da käme es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Titel: Antw:Rufbereitschaft wie oft?
Beitrag von: Wastelandwarrior am 18.02.2020 15:48
einverstanden.